Report | Kulturation 1/2007 | Redaktion | Lust und Last der Autobiografie
| Gemeinsam mit Rohnstock Biografien rief die KulturInitiative’89
im Januar 2007 eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben: „Lust und Last
der Autobiografie“. Autorinnen und Autoren autobiografischer Texte
werden zu Lesung und Debatte eingeladen.
Peter Neuhof liest aus „Als die Braunen kamen“ (alle Fotos: Dietrich Mühlberg)
Am 21. Juni war der Rundfunkjournalist Peter Neuhof zu Gast mit
seinem Buch „Als die Braunen kamen – eine Berliner jüdische Familie im
Widerstand“ (Pahl-Rugenstein 2006). Es enthält den ersten Teil seiner
Lebensgeschichte der im Mai 1945 in Berlin-Frohnau mit der Befreiung
des damals Siebzehnjährigen durch die Rote Armee endete. Aus der
Perspektive des Heranwachsenden schildert er das schwere Schicksal
seiner Familie und ihrer Freunde. Dies in vielen eindrucksvollen
Details, denn er kann sich dabei auf außergewöhnliche Dokumente
stützen. So auf das umfängliche Haft-Tagebuch, das sein Vater vor der
Ermordung führte, auf überkommene Briefe und eigene Tagebuchnotizen aus
dieser Zeit. In achtjähriger Recherche hat er überkommene Dokumente
seiner terroristischen Peiniger aufgespürt. So Berichte der Gestapo,
Gerichtsakten, Unterlagen zur Zwangsarbeit, Polizeifotos, auch die
Kündigung der Wohnung durch den Hauswirt Rudolf Reimer, weil „eine
Hausgemeinschaft mit Ihnen als Nichtarier abgelehnt wird“. Spannend die
Debatte, die auf die Lesung folgte. Wie war es überhaupt möglich, einen
Zeitraum, in der ein großer Teil der Familie und der politischen
Freunde von den Faschisten verfolgt und ermordet worden ist, als
alltägliche Lebensgeschichte zu schreiben? Kann Vergebung ein Motiv für
den autobiografischen Blick auf diese Zeit sein? Wie haben die
Erfahrungen vor 1945 die weitere Lebensgeschichte geprägt? Und warum
ist das alles erst nach 1990 verarbeitet und aufgeschrieben worden?
Peter Neuhof in der Diskussion über seine Autobiografie
In den vorangegangenen Veranstaltungen lasen die Schauspieler Irène
Hubschmid und Hilmar Thate, der australische Komponist George Dreyfus
und der Literaturwissenschaftler Fritz Mierau aus ihren
autobiografischen Texten und diskutierten mit dem Publikum.
Irène Hubschmid und Hilmar Thate lasen aus ihren Autobiografien
Weil die Reihe mit den recht unterschiedlichen Autoren auf großes
Interesse stieß, wird sie im Herbst fortgesetzt. Zu den Gästen, die
dann ihre Bücher vorstellen und über ihre Arbeit als Autobiografen
berichten werden, gehören u. a. Peter Ensikat und Helmut Recknagel.
Die nächsten Termine sind der 20. September, der 18. Oktober und
der 15. November 2007 – jeweils 19.00 Uhr im Salon von
Rohnstock-Biografien, Schönhauser Allee 12. Nähere Angaben jeweils in
unserer Rubrik „Veranstaltungen“
Georg Dreyfus im Gespräch mit Bert Thinius
Fritz Mierau liest „Mein russisches Jahrhundert“
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