KULTURATIONOnline Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik
Nr. 24 • 2021 • Jg. 44 [19] • ISSN 1610-8329
Herausgeberin: Kulturinitiative 89
 Start  Reports  Themen  Texte  Zeitdokumente  Kritik  Veranstaltungen 
 
 Editorial  Impressum     
ReportKulturation 2011
Redaktion
Der Arbeitskreis Wissenschaft der KulturInitiative'89 beginnt ein Projekt zur Geschichte der ostdeutschen Kulturwissenschaft

In den Jahren 1963/64 wurde in der DDR an den Universitäten Leipzig und Berlin der erste deutsche Diplomstudiengang Kulturwissenschaft eröffnet. Praktische wie theoretische Probleme sozialistischer Gesellschaftsentwicklung waren Ursache und Anlass dieser Neuerung, die zudem Voraussetzungen in langen Traditionen praktischer Kulturarbeit wie Kulturpolitik hatte. Ferner bildete eine starke Strömung in der deutschen Wissenschaftsgeschichte den Hintergrund: eine fortdauernde Kulturdebatte, die bis in das 17. Jahrhundert, bis auf Samuel von Pufendorf zurückreicht.

Mit dieser Gründung wurde die systematische Beschäftigung mit einer marxistisch geprägten Kulturauffassung möglich, wegen der nun zu bewältigenden Lehrverpflichtungen aber auch dringend nötig. Wie weit es dann tatsächlich gelungen ist, eine „Kulturwissenschaft“ zu entwickeln, welche Position sie in der interdisziplinären Kommunikation einnahm, welchen Einfluss sie auf Politik, gesellschaftliches Leben und Kulturentwicklung hatte und von welchen Faktoren sie abhängig war – das alles war und ist ein Moment ostdeutscher Kulturgeschichte von 1945 bis heute.

Das 2011 begonnene „Projekt Kulturwissenschaft“ kann diese Dimension nicht ausleuchten und hat sich weit bescheidenere Ziele gesetzt. Das ist einmal die Erarbeitung einer Bibliografie kulturwissenschaftlicher Publikationen (1945 bis 2011), die in einer zweiten Phase über das Internetjournal kulturation allgemein nutzbar sein soll. Sie wird reale Standorte der Titel im Umkreis der Kollegen ausweisen und die Bildung einer Fachbibliothek aus Spenden und Nachlässen ermöglichen. Dabei sollen auch Dissertationen, Lehrbriefe, Manuskriptdrucke und internes Diskussionsmaterial berücksichtigt werden. Aktuell wird an einer Maske für die Datenerfassung gearbeitet, die den Möglichkeiten von kulturation ebenso entspricht und die zugleich eine variable Nutzung des Bestandes ermöglicht. Dafür wird bibliothekswissenschaftlicher Ratschlag eingeholt.

Ein zweites Arbeitsfeld bildet die Sicherung und digitale Präsentation wichtiger Publikationen der Angehörigen des ehemaligen kulturwissenschaftlichen Instituts der Humboldt-Universität. Das ist zunächst eine Auswahl aus 37 Ausgaben der „Mitteilungen aus der kulturwissenschaftlichen Forschung“ (MKF) und die Produktion einer digitalen Ausgabe der 1975 zusammengestellten Studientexte, in denen die kulturwissenschaftlich bedeutsamen Texte von Marx und Engels vorgestellt und interpretiert worden sind. Diese Sammlung hatte eine Auflage von 40 Exemplaren (die meisten gingen an die Autoren), war in MEW-Kunstleder gebunden, erhielt (aus guten Gründen) den Titel „Der Beitrag von Marx und Engels zur wissenschaftlichen Kulturauffassung der Arbeiterklasse“ und war als „Blaues Wunder“ (588 Seiten im A 4 Format) ein beliebter Zitatenschatz.

Weiterreichende Vorhaben sind möglich, hängen aber davon ab, wer für die Mitwirkung am Projekt gewonnen werden kann und welche Mittel einzuwerben die Projektgruppe in der Lage ist. Das wird sich zeigen, wenn sie sich an den großen Kreis derer wendet, die es in der DDR und danach mit dieser „Kulturwissenschaft“ zu tun hatten.

Für dieses Projekt zeichnen im Oktober 2011
I. Dietrich, F. Götze, G. Moeller, D. Mühlberg, R. Schuster.