Report | Kulturation 1/2005 | Lutz Haucke | Filmarchitekten im Berliner Filmmuseum
„Production Design+Film“ vom 10. 2.-19. 6. 2005
| Die
Retrospektive für die 55. Berlinale wurde einem Schnittpunkt
künstlerischer Kreativität im Filmschaffen zwischen Regie und
Schauspielern gewidmet. Hans Helmut Prinzler, Leiter der Deutschen
Kinemathek, dazu: „Diesmal ist die Retrospektive der Berlinale keinem
Regisseur und keiner Epoche des Films gewidmet, sondern einem
künstlerischen Beruf, der selten im Blickpunkt steht: dem Production
Designer, der für die Gestaltung der Schauplätze eines Films
verantwortlich ist. Wir würdigen damit Filmarchitekten, Szenographen
und Szenenbildner, Art Directors, Ausstatter und Chefs Décorateurs aus
aller Welt, die sich auf unterschiedliche Weise in die Filmgeschichte
eingeschrieben haben.“
Die Retrospektive wurde ergänzt durch eine sehenswerte Ausstellung
„Bewegte Räume-Production Design+Film“ in der ersten Etage des Berliner
Filmmuseums. Dort werden über 120 Entwürfe von 28 bekannten
Filmarchitekten gezeigt (einige berühmte Namen seien genannt: J.
Lagrange, J. Saulnier, D. Ferreti, A. Asp, A. McDowell, R. Zehetbauer,
A. Trauner). Darunter 14 großformatige Modelle, unter denen die zwei
mal drei Meter große Villa Arpel aus Tatis Film MON ONCLE (1958)
herausragt. Einige weltbekannte Production Designer wie Dante Ferreti,
Alex McDowell und Anna Asp traten während der Berlinale in
Rundtischgesprächen im Berliner Filmmuseum vor die interessierte
Öffentlichkeit.
Die Ausstellung ist intelligent gemacht. Der Besucher hat zwei
Möglichkeiten für die Orientierung. Er kann den Biografien der
einzelnen Filmarchitekten folgen. Interessanter ist aber die
konzeptionelle Gliederung. Die Kuratoren Kristina Jaspers, Peter Mänz
und Nils Warnecke gliederten die Ausstellung in fünf motivorientierte
Schwerpunkte: I. Machträume, II. Privaträume, III. Labyrinthe, IV.
Transit und V. Bühne.
Die Bündelung verschiedenster Ausstattungskonzepte in diesen fünf
Motiven wird getragen von Entwürfen, Modellen und von Filmausschnitten
auf Monitoren. Vergleiche zwischen Entwurf und künstlerischer
Realisierung im jeweiligen Film sind möglich und erhöhen den Reiz und
den Informationswert dieser kleinen, aber feinen Ausstellung.
Der Begriff Production Design soll zurückgehen auf David O.
Selznick, der ihn erstmals 1939 im Zusammenhang mit der Ausstattung von
VOM WINDE VERWEHT (R: Victor Fleming/MGM) verwendete. In der
angloamerikanischen Sprache der Filmindustrie hat sich der Begriff
eingebürgert, wenn auch verschiedene Berufe darunter verstanden werden.
Wichtiger ist, warum die Architektur für das Filmprodukt von so
zentraler, wenn auch wenig beachteter Bedeutung ist: „Filmräume sind
bewegte Räume. Sie bilden den Rahmen für die Bewegung des
Schauspielers, geben seinen Aktionsradius vor. Filmräume werden durch
die Bewegung der Kamera - Schwenks, Zoom-Fahrten – erkundet. Der
Filmraum verortet die Geschichte (Story).“ D. h. auch dass Filmräume
für die Motorik der Schauspieler von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Der Besucher betritt nach einem Vorraum, in dem das Modell des
Holzhauses aus OPFER (R: A.Tarkowskij, 1986) u. a. zu sehen ist, den
Raum, der überschrieben ist mit „Machträume“. Darunter werden Räume
verstanden, die eine uneingeschränkte Kontrolle ermöglichen sollen:
Machtzentralen, Großraumbüros (z. B. in O. Welles’ DER PROZESS, 1962),
Gefängnisse (z.B. Frank Beyers DER AUFENTHALT, 1982/83).
Im II. Raum „Privaträume“ reicht die Skala von Villa mit Garten
(J. Lagranges Modell zu Tatis MON ONCLE, 1958) über die historischen
Innenräume zu I. Bergmans FANNY UND ALEXANDER (1980) von Anna Asp bis
zu den Wohnräumen in K. Wolfs SOLO SUNNY (1980) von Alfred
Hirschmeyer(1931-1996). Der an der HFF in Babelsberg tätige Prof.
Lothar Holler, der an der Kunsthochschule Weißensee in den 70er Jahren
studierte, wird mit seinem Gespür für Ost-Milieus mit SONNENALLEE (191)
vorgestellt.
Unter den Exponaten im Raum III „Labyrinthe“ ragen heraus die
Entwürfe von Jacques Saulnier für LETZTES JAHR IN MARIENBAD (A Resnais,
1961) und die von Dante Ferreti für DER NAME DER ROSE (J. J. Annaud,
1986). Die mehrstöckigen Klosteretagen und Treppen von Dante Ferreti
sind am Monitor mit Filmsequenzen vergleichbar.
Der Raum IV „Transit“ widmet sich Strassenbauten - so von
Alexandre Trauner in IRMA LA DOUCE (R: B. Wilder, 1963) und von Erich
Kettelhut für J. Mays ASPALT(1928) -, aber auch Rolltreppen- und
Flughafengebäude, die für Filme entworfen wurden.
Im Raum V „Bühne“ bekommen Rolf Zehetbauers Ausstattung für
CABARET (R: B. Fosse, 1972) und die von Otto Hunte für den BLAUEN ENGEL
(R: Josef von Sternberg, 1930) viel Platz, so dass die kunstvollen
Bauten von Jan Roelfs für Greenaway-Filme – so PROSPEROS BOOKS (1991)
und DER KOCH, DER DIEB, SEIN WEIB UND IHR LIEBHABER (1989) nur in
kleinformatigen Fotos verschwinden.
Insgesamt eine verdienstvolle kleine Ausstellung, deren Schau- und Informationswert einen Besuch wert ist.
Eine Anmerkung sei aber gestattet: viele Ausstellungsstücke stammen
aus den reichen Beständen der Deutschen Kinemathek. Es drängt sich der
Eindruck einer vorrangig US-amerikanischen und europäischen
Orientierung auf. Vergleiche mit anderen Kulturkreisen wie Asien,
Afrika, arabische Länder und Südamerika wurden nicht gesucht.
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