Report | Kulturation 2/2004 | Redaktion | „Perspektiven durch Kultur“ - eine neue Berlin-Debatte
| Die
KulturInitiative’89 hat über viele Jahre darauf gedrungen, dass für
Berlin ein kulturelles Entwicklungskonzept erarbeitet wird. In
Diskussionsreihen, in einzelnen Vorträgen und auf mehreren Tagungen
wurden mögliche kulturelle Perspektiven der Stadt und ihres engeren wie
weiteren Umlands behandelt. Als Thomas Flierl das Amt des
Kultursenators antrat, war die Hoffnung groß, dass nun auch die
konzeptionellen Debatten eine neue Qualität erlangen. Nun scheint sie
sich endlich zu erfüllen. Im August 2004 veröffentlichte der „Senator
für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Berlin“ unter der Überschrift
„Berlin: Perspektiven durch Kultur - Kulturpolitische Positionen und
Handlungsorientierungen zu einer Berliner Agenda 21 für Kultur“ ein
Diskussionspapier (zu finden als pdf-Datei auf der Site der
Senatsverwaltung unter www.senwisskult.berlin.de). In dieser
neuen Situation versteht sich auch kulturation.de als Ort der
öffentlichen Debatte über die kulturellen Perspektiven von Berlin. Wir
bitten unsere Leser, den nun vorliegenden konzeptionellen Vorschlag zu
prüfen und ihre Meinung an die Redaktion zu senden
(info@kulturation.de).
Das vom Kultursenator vorgelegte Papier endet mit einer
Aufforderung zur Debatte. Diesen Schlussteil geben wir nachstehend
wieder. Er kann dazu anregen, über eigene Aktivitäten nachzudenken.
Die Redaktion
______________________
„Aufforderung zu einer öffentlichen Debatte:
Vorschläge zum weiteren Prozess
Kultur
in der Stadt kann nur Ergebnis eines Prozesses gemeinschaftlichen
Handelns sein. Berliner Kulturpolitik steht im Spannungsfeld von
staatlicher Verantwortung und bürgerschaftlichem Handeln. Deshalb
erfordert und ermöglicht kaum ein anderes Politikfeld die
Vergesellschaftung politischer Willensbildung und Realisierung
kulturpolitischer Entscheidungen.
Trotz vielfacher Diskurse und begründeter Vorschläge zur
Zukunft der Stadt Berlin ist es bislang nicht gelungen, strategische
Verabredungen für konkrete politische Umsetzungsprozesse ausreichend zu
treffen.
Das vorliegende Papier „Berlin: Perspektiven durch Kultur. Kulturpolitische Positionen und Handlungsorientierungen“ ist eine Aufforderung zu einer öffentlichen, ziel- und umsetzungsorientierten Debatte an alle am kulturellen Prozess beteiligten Akteure.
Der Vorschlag zu einer „Berliner Agenda 21 für Kultur“ muss daher konkret verabredet und gestaltet werden. Dazu werden folgende Anregungen gegeben:
Zur
weiteren Problemschärfung der dargelegten kulturpolitischen Positionen
und Handlungsfelder werden für eine öffentliche Debatte fachpolitikübergreifende, die kulturellen Fragestellungen und Zusammenhänge der Stadt Berlin besonders berührende Themen vorgeschlagen:
- - Kultur und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Stadt: Austauschbeziehungen, Vernetzung und Kooperation
- - Kulturprozesse in der Stadt im stadträumlichen Kontext
Zu ausgewählten prioritären kulturpolitischen Handlungsfeldern
sollten die Ergebnisse des Arbeitsprozesses der eingesetzten
Fachgremien (z.B. Expertenkommission Bezirkskulturarbeit und
Bibliotheken) in öffentlichen Foren und Anhörungen im ersten Quartal
2005 debattiert werden.
Die aus dem „Forum Zukunft Berlin e.V.“ für den Herbst 2004 angekündigten Vorschläge für die Berliner Kulturpolitik (hier insbesondere des „Forums Kultur Berlin“), werden in den Prozess zu einer „Berliner Agenda 21 für Kultur“ eingebunden.
Die Erfahrungen anderer europäischer Kulturmetropolen
zu Konzeption und Prozess der Formulierung einer städtischen
Kulturstrategie sind für Berlin aufzunehmen und auszuwerten. Dazu wird
vorgeschlagen, an den 8. Weltkongress „Metropolis“, der in Berlin im
Mai 2005 unter dem Motto „Tradition und Transformation – Die Zukunft
der Stadt“ stattfinden wird, ein kulturpolitisches Panel anzuschließen.
Dieses sollte bezogen auf Berlin der Aufnahme internationaler
Erfahrungen bei der Formulierung von Kulturstrategien für Metropolen
dienen.
Die Erarbeitung einer „Berliner Agenda 21 für Kultur“
ist dann sinnvoll, wenn sich darüber für die Berliner Kulturpolitik
Ziele vereinbaren und Maßnahmen für die zentralen Handlungsfelder
konkret umsetzen und gestalten lassen.
Dieser Prozess muss letztlich auf die Erarbeitung eines kulturell fundierten Politikkonzeptes der Stadt zielen. Ein solches „Kulturkonzept der Stadt Berlin“ kann nur erfolgreich sein, wenn es fachpolitikübergreifend gestaltet und bürgerschaftlich getragen ist.
Die
hier vorgestellten Positionen und Vorschläge sind bestimmt von den
kulturpolitischen Grundsätzen der Regierungskoalition und orientiert an
den mittelfristigen finanziellen Rahmenbedingungen einer Hauptstadt im
Haushaltsnotstand.
Sie sind aber auch ein Angebot und eine Einladung zum
Dialog, über den Notstand hinaus zu denken und kulturpolitische
Konzepte zu entwickeln, die den Reformstau zur Kenntnis nehmen und die
daraus resultierende Krise als Chance begreifen.
Berlin ist das einzigartige Labor der deutschen und
europäischen Einigung, weil diese hier gerade kulturell auf ebenso
spontane wie selbstverständliche Weise gestaltet, reflektiert und
vermittelt wird. Mit seinen historischen Brüchen muss Berlin zugleich
als Kommune neu zu sich finden, sich gewissermaßen
zivilgesellschaftlich neu erfinden. Vor genau diesem Hintergrund bleibt
Berliner Kulturpolitik gefordert, die kulturelle Kraft der Stadt neu zu
definieren.
In diesem Sinn ist die mit diesem kulturpolitischen
Positionspapier verbundene Aufforderung zu einer „Berliner Agenda 21
für Kultur“ zu verstehen: Ein Anfang, offen für weitere Vorschläge und
also fortzuschreiben.“
|
| |