Report | Kulturation | Redaktion | Erinnerung an Freikörperkultur
Ein Mailwechsel
| Vor
sieben Jahren veröffentlichte Rainer Knapp hier seine Erinnerungen an
FKK in der DDR, speziell an die „Sportgemeinschaft Naturfreunde
Berlin-Lichtenberg“ und an das Leben auf ihrem Vereinsgelände in Hönow
am östlichen Stadtrand von Berlin
(http://www.kulturation.de/ki_1_thema.php?id=117). An der
Nutzerstatistik wie aus Anfragen an die Redaktion war zu ersehen, dass
"Freikörperkultur im DDR-Sportverein" zu den immer wieder aufgerufenen
Beiträgen in unserer Rubrik "Thema" gehörte. Dies wohl auch wegen
seiner vielen Fotos. So auch im siebenten Jahr. Dies ist der Anlass,
hier einen aktuellen Gedankenaustausch zwischen Leser und Autor zu
veröffentlichen, bei dem leicht wehmütig auf Erinnerungsstücke einer
freien Körperkultur zurückgeblickt wird.
Detlef Kämpf
… lassen Sie mich kurz auf ihren Beitrag von Herrn Rainer Knapp zum
Thema Freikörperkultur im DDR Sportverein, reagieren, welcher mir
Vergangenes in Zusammenhang mit einer Ortsbesichtigung, sehr nahe
bringen konnte. Zum ersten Mal betrat ich am letzten Sonntag, den 15.
Februar, bei wunderschönem Wetter, das - wie ich jetzt durch Ihren
Artikel erfahren konnte - ehemalige Vereinsgelände der
"Sportgemeinschaft Naturfreunde Berlin Lichtenberg" in einem Waldstück
nahe Hönow. Die Umzäunung wurde offensichtlich zerstört bzw.
niedergedrückt, so dass man freien Zugang hat. Wege und Pfade sind noch
eindeutig vorhanden, zwei verrottete Bänke stehen in Ufernähe zum See,
der aber ohne Wasser ist. Etwas oberhalb dieser Stelle befinden sich
noch zwei schwarze Fässer, zum Erwärmen des Duschwassers auf einem
Stahlgerüst montiert, mit einem Wasserzulaufrohr in Richtung See,
welches dann aber völlig verbogen und abgebrochen ist. An dieser
Stelle, bei den Bänken, müsste der Strand des ehemals gefüllten Sees
gewesen sein. Auf der verwachsenen Anhöhe des gegenüberliegenden Ufers,
meint man den Rumpf eines Bootes erkennen zu können. Das ganze Gelände
ist kessel- bzw. talförmig, wird von Bäumen und Sträuchern erobert und
der See scheint zuzuwachsen. Weiter oberhalb, wo der Wald endet und das
Feld beginnt, steht noch das sicher ehemalige Vereinshaus, wie ein
alter, großer Schuppen. Verfolgt man den Weg am See bei den beiden
alten Bänken weiter, schaut man bald direkt auf einen mit rot-weißem
Warnband umwickelten, geschlossenen Schlagbaum. Kommt man diesem näher,
drängt sich einem der kuriose Eindruck auf, dass das, was man gerade
verlässt, noch in reger Betriebsamkeit ist.
Man kann nur noch erahnen, wie sehr dieser schöne Fleck Erde dazu
geeignet war, Menschen gemeinsam und unbefangen die Natur erleben zu
lassen und in natürlicher Bescheidenheit und größtmöglicher
Unabhängigkeit wahre Freiheit zu empfinden. An dieser Stelle hat Rainer
Knapp eine Lücke geschlossen und den Geist, der über diesem alten
Vereinsareal liegt, sprechen lassen.
Ich selbst und mein Umfeld haben mit dem Nacktsein kein
Problem. Aber es gab immer einen Abstand und vielleicht auch
verklemmten Respekt, vor dem im Volksmund so genannten FKK-Dorf, was
auch untermauert, dass die Freie Körperkultur in der ehemaligen DDR
nicht die breite gesellschaftliche Akzeptanz hatte, die man ihr heute
andichtet. Allerdings, wenn etwas nicht akzeptiert wird, muss das
nichts Negatives sein, sondern durchaus Normales. Auf den Umgang damit
kommt es an. Ich habe auch den Eindruck gehabt, sowohl vor, als auch
nach der Deutschen Einheit, dass die FKK-Anhänger, zumindest die
hartgesottenen, unter sich bleiben wollen und skeptisch gegenüber ihrer
Außenwelt bleiben, sich bedrängt und beobachtet fühlen.
Ob das auf dem Hönower Vereinsgelände auch so war, kann ich nicht
glauben. Die Fotos vom Vereinsleben sprechen dagegen und die gemischte
Menschenmenge von Bekleideten und Unbekleideten lassen einfach
gegenseitigen Respekt erahnen und keinen Fanatismus.
Hier ist nicht nur die Geschichte eines kleinen Waldareals auf den
Feldern des östlichen Berliner Stadtrandes vermittelt, sondern darüber
hinaus auf sehr eingehende Weise das Menschsein der dortigen Anhänger
freier Körperlichkeit sowie der ganzen damaligen FKK- Anhängerschaft
beleuchtet. Im Nachhinein würde ich meinen, dass freie Körperlichkeit
und Kultur damals wirklich zusammen wirkten und zusammen gehörten.
Ich bedanke mich bei Rainer Knapp und bei der Redaktion, dass ich
fündig geworden bin und mit so manchem Denkanstoß aus der Geschichte in
die Zukunft schaue.
Mit freundlichen Grüßen,
Detlef Kämpf
Rainer Knapp
Lieber Herr K., die Redaktion von Kulturation hat mir Ihren
Leserbrief weitergeleitet, so dass ich Ihnen darauf antworten kann.
Die Schilderung Ihrer „Ortsbegehung“ hat bei mir - das will ich gerne
gestehen - etwas Wehmut hervorgerufen. Wir haben das Gelände während
unserer mehr als 30jährigen Nutzung liebevoll gepflegt und mussten es
in diesem ordentlichen Zustand nach unserer Vereinsauflösung 1995/96
leider aufgeben.
Ob und wann eine spätere Inbesitznahme durch einen Nachnutzer
stattgefunden hat, können wir nicht richtig beurteilen. Während der
jährlichen Frühjahrswanderung unserer ehemaliger Mitglieder wollten wir
im vergangenen Jahr unsere damalige Wirkungsstätte besuchen, wurden
aber von einer größeren Gruppe, die mehrere kräftige Hunde bei sich
hatte und sich als neuer Pächter bezeichnete, unwirsch abgewiesen. Das
Betreten des Areals wurde uns bei Androhung rechtlicher Konsequenzen
strikt verwehrt. Dass Sie ungehindert Zutritt hatten, mag an der
Jahreszeit gelegen haben.
Mit Ihrer Vermutung, dass wir als Sportverein sehr tolerant und
auch für zeitweilige Gäste ohne FKK-Absichten jederzeit offen waren,
liegen Sie richtig.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Knapp
Detlef Kämpf
Lieber Herr Knapp, ganz herzlichen Dank für Ihre Nachricht, ich
habe mich sehr darüber gefreut. Auch wenn ich es schade fand, dass Sie
solch ein unschönes Erlebnis bei Ihrer Ortsbegehung hatten. Ich kann
mir wirklich nicht vorstellen, dass sich hier eine Hunde-Truppe als
rechtens darstellt, genau so wenig, wie an anderen Orten, denn es
herrscht Leinenzwang, auch zum Schutz der Wildtiere. Die echten
Hunde-Fans haben ihre speziellen Plätze. Es ist aber auch kein
Geheimnis, dass viele Hundebesitzer sich anmaßen, ihre Vierbeiner auf
Wilde Tiere zu hetzen. In diesem Zusammenhang fällt mir ein toter
Feldhase ein, welcher am Wegrand lag und der auch von Hunden gejagt
worden sein könnte.
Die Stadt und ihre Menschen haben sich nachteilig ausgebreitet und
ich denke, unter heutigen Umständen wäre ein solcher sportlicher
FKK-Verein nicht möglich. Es sei denn, auch dieser würde sich nach
außen entsprechend rigoros abgrenzen. Und das hat schließlich mit
wahren Freiheitsgefühlen wenig zu tun. Das ist ja auch genau das, was
ich beobachtet habe, als ich mit meinem Paddelboot die heutigen
FKK-Plätze anfuhr, ich bin auf keinem geblieben. Dass Ihr Verein das
Gelände erst Mitte der 90 er Jahre verlassen hat, überraschte mich
jetzt, nach dem ich ihren Beitrag las - auf der einen Seite. Auf der
anderen Seite ging ich ja davon aus, dass er immer noch dort
existierte, entsprechend zögerlich näherte ich mich dem Gelände. Und
auch ich muss gestehen, als ich es dann betrat, Wehmut, ja sogar Trauer
zu spüren, obwohl ich noch gar nichts vom Geist dieser Erde wusste, den
Sie mir dann bei meiner Recherche vermittelt haben. Aber, ich tröste
mich mit der Vorstellung, dass es mit Sicherheit noch irgendwo so etwas
gibt. Vielleicht sucht man auch zu wenig danach.
Ich möchte mich bei Ihnen noch einmal sehr herzlich bedanken und
sagen, dass ich mich freuen würde, mit Ihnen in Kontakt zu bleiben. Seien Sie gegrüßt!
Detlef Kämpf.
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