KULTURATIONOnline Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik
Nr. 24 • 2021 • Jg. 44 [19] • ISSN 1610-8329
Herausgeberin: Kulturinitiative 89
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Redaktion
Erinnerung an Freikörperkultur
Ein Mailwechsel
Vor sieben Jahren veröffentlichte Rainer Knapp hier seine Erinnerungen an FKK in der DDR, speziell an die „Sportgemeinschaft Naturfreunde Berlin-Lichtenberg“ und an das Leben auf ihrem Vereinsgelände in Hönow am östlichen Stadtrand von Berlin (http://www.kulturation.de/ki_1_thema.php?id=117). An der Nutzerstatistik wie aus Anfragen an die Redaktion war zu ersehen, dass "Freikörperkultur im DDR-Sportverein" zu den immer wieder aufgerufenen Beiträgen in unserer Rubrik "Thema" gehörte. Dies wohl auch wegen seiner vielen Fotos. So auch im siebenten Jahr. Dies ist der Anlass, hier einen aktuellen Gedankenaustausch zwischen Leser und Autor zu veröffentlichen, bei dem leicht wehmütig auf Erinnerungsstücke einer freien Körperkultur zurückgeblickt wird.

Detlef Kämpf
… lassen Sie mich kurz auf ihren Beitrag von Herrn Rainer Knapp zum Thema Freikörperkultur im DDR Sportverein, reagieren, welcher mir Vergangenes in Zusammenhang mit einer Ortsbesichtigung, sehr nahe bringen konnte. Zum ersten Mal betrat ich am letzten Sonntag, den 15. Februar, bei wunderschönem Wetter, das - wie ich jetzt durch Ihren Artikel erfahren konnte - ehemalige Vereinsgelände der "Sportgemeinschaft Naturfreunde Berlin Lichtenberg" in einem Waldstück nahe Hönow. Die Umzäunung wurde offensichtlich zerstört bzw. niedergedrückt, so dass man freien Zugang hat. Wege und Pfade sind noch eindeutig vorhanden, zwei verrottete Bänke stehen in Ufernähe zum See, der aber ohne Wasser ist. Etwas oberhalb dieser Stelle befinden sich noch zwei schwarze Fässer, zum Erwärmen des Duschwassers auf einem Stahlgerüst montiert, mit einem Wasserzulaufrohr in Richtung See, welches dann aber völlig verbogen und abgebrochen ist. An dieser Stelle, bei den Bänken, müsste der Strand des ehemals gefüllten Sees gewesen sein. Auf der verwachsenen Anhöhe des gegenüberliegenden Ufers, meint man den Rumpf eines Bootes erkennen zu können. Das ganze Gelände ist kessel- bzw. talförmig, wird von Bäumen und Sträuchern erobert und der See scheint zuzuwachsen. Weiter oberhalb, wo der Wald endet und das Feld beginnt, steht noch das sicher ehemalige Vereinshaus, wie ein alter, großer Schuppen. Verfolgt man den Weg am See bei den beiden alten Bänken weiter, schaut man bald direkt auf einen mit rot-weißem Warnband umwickelten, geschlossenen Schlagbaum. Kommt man diesem näher, drängt sich einem der kuriose Eindruck auf, dass das, was man gerade verlässt, noch in reger Betriebsamkeit ist.

Man kann nur noch erahnen, wie sehr dieser schöne Fleck Erde dazu geeignet war, Menschen gemeinsam und unbefangen die Natur erleben zu lassen und in natürlicher Bescheidenheit und größtmöglicher Unabhängigkeit wahre Freiheit zu empfinden. An dieser Stelle hat Rainer Knapp eine Lücke geschlossen und den Geist, der über diesem alten Vereinsareal liegt, sprechen lassen.

Ich selbst und mein Umfeld haben mit dem Nacktsein kein Problem. Aber es gab immer einen Abstand und vielleicht auch verklemmten Respekt, vor dem im Volksmund so genannten FKK-Dorf, was auch untermauert, dass die Freie Körperkultur in der ehemaligen DDR nicht die breite gesellschaftliche Akzeptanz hatte, die man ihr heute andichtet. Allerdings, wenn etwas nicht akzeptiert wird, muss das nichts Negatives sein, sondern durchaus Normales. Auf den Umgang damit kommt es an. Ich habe auch den Eindruck gehabt, sowohl vor, als auch nach der Deutschen Einheit, dass die FKK-Anhänger, zumindest die hartgesottenen, unter sich bleiben wollen und skeptisch gegenüber ihrer Außenwelt bleiben, sich bedrängt und beobachtet fühlen.

Ob das auf dem Hönower Vereinsgelände auch so war, kann ich nicht glauben. Die Fotos vom Vereinsleben sprechen dagegen und die gemischte Menschenmenge von Bekleideten und Unbekleideten lassen einfach gegenseitigen Respekt erahnen und keinen Fanatismus.

Hier ist nicht nur die Geschichte eines kleinen Waldareals auf den Feldern des östlichen Berliner Stadtrandes vermittelt, sondern darüber hinaus auf sehr eingehende Weise das Menschsein der dortigen Anhänger freier Körperlichkeit sowie der ganzen damaligen FKK- Anhängerschaft beleuchtet. Im Nachhinein würde ich meinen, dass freie Körperlichkeit und Kultur damals wirklich zusammen wirkten und zusammen gehörten.

Ich bedanke mich bei Rainer Knapp und bei der Redaktion, dass ich fündig geworden bin und mit so manchem Denkanstoß aus der Geschichte in die Zukunft schaue.
Mit freundlichen Grüßen,
Detlef Kämpf

Rainer Knapp
Lieber Herr K., die Redaktion von Kulturation hat mir Ihren Leserbrief weitergeleitet, so dass ich Ihnen darauf antworten kann. Die Schilderung Ihrer „Ortsbegehung“ hat bei mir - das will ich gerne gestehen - etwas Wehmut hervorgerufen. Wir haben das Gelände während unserer mehr als 30jährigen Nutzung liebevoll gepflegt und mussten es in diesem ordentlichen Zustand nach unserer Vereinsauflösung 1995/96 leider aufgeben.

Ob und wann eine spätere Inbesitznahme durch einen Nachnutzer stattgefunden hat, können wir nicht richtig beurteilen. Während der jährlichen Frühjahrswanderung unserer ehemaliger Mitglieder wollten wir im vergangenen Jahr unsere damalige Wirkungsstätte besuchen, wurden aber von einer größeren Gruppe, die mehrere kräftige Hunde bei sich hatte und sich als neuer Pächter bezeichnete, unwirsch abgewiesen. Das Betreten des Areals wurde uns bei Androhung rechtlicher Konsequenzen strikt verwehrt. Dass Sie ungehindert Zutritt hatten, mag an der Jahreszeit gelegen haben.
Mit Ihrer Vermutung, dass wir als Sportverein sehr tolerant und auch für zeitweilige Gäste ohne FKK-Absichten jederzeit offen waren, liegen Sie richtig. Mit freundlichen Grüßen Rainer Knapp

Detlef Kämpf
Lieber Herr Knapp, ganz herzlichen Dank für Ihre Nachricht, ich habe mich sehr darüber gefreut. Auch wenn ich es schade fand, dass Sie solch ein unschönes Erlebnis bei Ihrer Ortsbegehung hatten. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass sich hier eine Hunde-Truppe als rechtens darstellt, genau so wenig, wie an anderen Orten, denn es herrscht Leinenzwang, auch zum Schutz der Wildtiere. Die echten Hunde-Fans haben ihre speziellen Plätze. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass viele Hundebesitzer sich anmaßen, ihre Vierbeiner auf Wilde Tiere zu hetzen. In diesem Zusammenhang fällt mir ein toter Feldhase ein, welcher am Wegrand lag und der auch von Hunden gejagt worden sein könnte.

Die Stadt und ihre Menschen haben sich nachteilig ausgebreitet und ich denke, unter heutigen Umständen wäre ein solcher sportlicher FKK-Verein nicht möglich. Es sei denn, auch dieser würde sich nach außen entsprechend rigoros abgrenzen. Und das hat schließlich mit wahren Freiheitsgefühlen wenig zu tun. Das ist ja auch genau das, was ich beobachtet habe, als ich mit meinem Paddelboot die heutigen FKK-Plätze anfuhr, ich bin auf keinem geblieben. Dass Ihr Verein das Gelände erst Mitte der 90 er Jahre verlassen hat, überraschte mich jetzt, nach dem ich ihren Beitrag las - auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ging ich ja davon aus, dass er immer noch dort existierte, entsprechend zögerlich näherte ich mich dem Gelände. Und auch ich muss gestehen, als ich es dann betrat, Wehmut, ja sogar Trauer zu spüren, obwohl ich noch gar nichts vom Geist dieser Erde wusste, den Sie mir dann bei meiner Recherche vermittelt haben. Aber, ich tröste mich mit der Vorstellung, dass es mit Sicherheit noch irgendwo so etwas gibt. Vielleicht sucht man auch zu wenig danach.

Ich möchte mich bei Ihnen noch einmal sehr herzlich bedanken und sagen, dass ich mich freuen würde, mit Ihnen in Kontakt zu bleiben.
Seien Sie gegrüßt!
Detlef Kämpf.