Report | Kulturation 2012 | Dieter Kramer | „Kulturarbeit“, kulturelle Attraktivität und Künste. Überlegungen für DIE LINKE
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Autor Dieter Kramer (2006-2007 Mitglied der Enquete-Kommission Kultur
in Deutschland) kommentiert in diesem Beitrag kritisch die aktuell in
der Partei DIE LINKE geführte Debatte um ihr kulturelles Profil. Seine
Überlegungen betreffen die Kultur der Linken generell, wir stellen sie
darum auch hier zur Diskussion. Der Kontext der parteipolitischen
Debatte erschließt sich über: http://www.die-linke.de/politik/kultur/
Kunst und Kultur
Über das kulturelle Profil der Partei „DIE LINKE“ sollte diskutiert werden, nicht über deren „Kulturarbeit“.
Kultur für eine demokratische, sozial gerechte und dialogfähige
Gesellschaft und für eine lebendige Demokratie, so lauten Formeln im
Programm der Partei DIE LINKE vom 23.10.2011, Kapitel IV. Da ist das
einbegriffen, was enthalten war in der alten Formel „Kultur ist, wie
der ganze Mensch lebt und arbeitet und wie wir leben wollen“.
Für eine solche Politik sind Kultur und Künste kein abgesonderter Teil, der in „Kulturarbeit“ abgearbeitet werden kann. Kultur
verkörpert die prägende und spezifische (auch unterscheidende)
Wertegrundlage für die Gestalt der (mit der Politik dieser Partei
angestrebten) Form des gemeinschaftlichen Lebens. Die Künste
aller Sparten begleiten als Teil der Kultur das gesellschaftliche
Leben. Sie sind mit ihren Bildern und Symbolwelten wertende, deutende,
erkennende Aneignung und Auseinandersetzung mit Welt, nicht zu ersetzen
durch andere Zugangsweisen wie die des diskursiven Verstandes oder der
politökonomischen Analyse. Sie prägen mit ihren Bildern und Träumen das
Lebensgefühl und deuten die Glücksperspektive an. „Verstören,
beflügeln, Debatten erzeugen“ (Konstanze Kriese,
www.die-linke.de/politik/kultur/) – das gehört dazu.
Bei der Abschiebung der Künste in die Sparte „Kulturarbeit“ droht
die Instrumentalisierung, und ich erinnere mich an das Bild vom
Sahnehäubchen oder der Petersilie im Maul des Karpfens, oder im
Hintergrund lauert die böse Formel „Künstler was tust Du für den
Frieden“. Die Vokabel sollte verboten werden.
Dass eine Traditions-Veranstaltung wie die am 15. Januar 2012 bei
einem darauf ansprechenden Publikum eine „affektiv-warmen
Rückversicherungseffekt“ hervorruft und dieses Publikum „gestärkt und
beherzt“ die Veranstaltung verlässt, mag sein. Vielleicht wäre es mir
als einem Angehörigen der älteren Generation, der in den 1960er und
1970er Jahren politisch sozialisiert wurde, auch so gegangen. Aus
Nostalgie lassen sich auch einige Stimmen gewinnen. Aber das sind weder
die „verunsicherten Schichten und Klassen“, denn die artikulieren sich
kaum (oder wenn, dann in Richtung auf Piraten oder Grüne), noch ist es
eine größere Zahl der jungen Leute von heute. Die Wählerschichten, auf
die es ankommt, reagieren kaum auf Nostalgie-Veranstaltungen.
„Die Krise tobt“, sagt Diether Dehm – aber wie spüren die Menschen
sie, und vor allem: Wer spürt sie derzeit in Deutschland, und wie und
womit ansprechbar sind die Betroffenen in Deutschland Ost und West
(nicht in Griechenland)? Wie und wo wird die verzweifelnde Skepsis
angesichts der auf breiter Linie versagenden „politischen Kaste“
artikuliert? Das müssen die Politstrategen prüfen.
Von Lernprozessen in Streiks und sozialen Auseinandersetzungen
haben wir in den 1970ern gerne gesprochen. Heute finden die
Lernprozesse auf widersprüchliche Weise im Amalgam von Mittelschichten
und anderen Milieus statt – Stuttgart, Hamburg sind Beispiele für die
Ambivalenzen. Die Handlungen der „Wutbürger“ können zwar nicht mit dem
alten Instrumentarium der Massenpsychologie entziffert werden, aber
auch nicht mit dem des Lernens im Klassenkampf: Da muss auch die
Politik, will sie nicht opportunistisch werden, genauer analysieren,
worauf und wie sie eigentlich wie antworten soll. Das ist Aufgabe der
Strategiediskussion, und dabei spielen natürlich die Bilder und
Symbolwelten, in denen sich linke Politik sehen will eine Rolle.
Deshalb müssen sie in enger Verzahnung mit „Begriffsarbeit“ und
Analysen entwickelt werden.
Politchinesisch und Nostalgie
Diether Dehm verordnet der Partei der Linken „Kulturarbeit“ und
zwängt diese in ein Prokrustesbett von Begriffen und Traditionen. Die
Rede ist von (anti-)imperialistisch, von Klassenkampf, von
Streikbewegungen usw.: Das ist Polit-Chinesisch, wie es heutigen
Generationen fremd ist. Dann doch lieber allgemein von Finanz- und
Bankenmacht und Kapitalismus reden, so etwas wird heute wieder
verstanden. Oder konkreter wäre zu reden von Euro-„Rettung“ zugunsten
der Banken, oder von dem Vertrauensverlust der Politik und ihrer
Repräsentanten („Pattex-Wulff“). Aber das muss erst übersetzt werden in
ästhetisch-kulturelle Ausdrucksformen. In den Künsten sollen die
eigenen Mittel zur Auseinandersetzung damit entwickelt werden (für mich
geht das z. B. nicht ohne Satire).
Dazu müssen die Künstler sich abnabeln können von der Bindung an
die gegenwärtigen (finanziellen) Strukturen des Kunstbetriebes. Ein
geltungsbedürftiger Sammler wie der russische Oligarch Roman
Abramowitsch präsentiert sich 2011 demonstrativ auf der Biennale
Venedig mit seiner Luxusyacht; allerorten werden dieselben
zeitgenössischen Künstler als „redundantes Potpourri einer optisch
‚überschäumenden Spumantekunst für den Oligarchenbedarf’“ (Niklas Maak
in: Texte zur Kunst 83) durch die Repräsentanten einer beunruhigenden
„Zusammenballung von finanzieller Macht und instrumenteller
Einflussnahme“ präsentiert. Und diese Repräsentanten arbeiten mit
Insiderhandel, Steuerhinterziehung und Bestechung daran, das politische
und finanzielle System der gegenwärtigen Reichtumsverteilung,
Ungleichheit, Ausbeutung und Umweltzerstörung aufrecht zu erhalten.
Der aktuelle Kunstbetrieb ist zwar gewiss reichhaltiger und
vielfältiger, und längst nicht alle Künstler sind in ihm zufrieden. Für
einen nüchternen Blick auf den heutigen Kunstbetrieb braucht man
Analysen, um Anknüpfungspunkte für Kunstpolitik zu finden. Das gilt für
die Bildende Kunst ebenso wie für alle anderen Sparten des allgemeinen
(auch des populären) Kunstlebens. Aber um einzelne Künstler, um Teile
des Kunstbetriebes herauslösen zu können aus den aktuellen
Verklammerungen, muss ein längerer Prozess stattfinden und eingeleitet
werden, der nicht mit ein bisschen „Kulturarbeit“ und Auftritten bei
Parteiveranstaltungen erledigt werden kann.
Kunstbetrieb und Elitenkonvergenz
Transmitter zu sein zwischen Kunst und Kultur, Künstlern und
Publikum und außerparlamentarischen Bewegungen – das schafft derzeit
weder die Politik der Linken, noch gelingt es den Bewegungen neuen
Zuschnitts. Dazu sind die meisten aktiven Künstler zu sehr im Banne der
Kulturwirtschaft, des Kulturbetriebs und der Sponsoren. Das muss man
einfach sehen.
Natürlich benötigen die Künste ein auf sie reagierendes, sie
stützendes (finanzierendes) und herausforderndes Publikum. In den
zwanziger Jahren war es die Arbeiterbewegung mit ihrer Existenz, mit
ihren alternativen Ideen für die Organisation der Gesellschaft, mit
ihren Herausforderungen an die etablierten gesellschaftlichen Kräfte
und mit ihren vielen Facetten, die die Künste angezogen und im
übertragenen Sinne „in ihren Dienst“ (Kuczynski) genommen hat. In den
1980er Jahren gelang es der Friedensbewegung, beträchtliche Teile der
populären Musik und bildenden Künste in ihren Bann zu ziehen. Derzeit
aber sind es die Sponsoren und die Akteure der Kulturwirtschaft, denen
das mit ihren Mitteln gelingt. Sie haben schon lange zielgerichtet
daran gearbeitet. Schon 1983 formulierte der Bericht der Kommission
„Zukunftsperspektiven gesellschaftlicher Entwicklungen“ der
Landesregierung von Baden-Württemberg dieses Ziel. Er klagt: Die
Positionseliten von Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften koordinieren
„auf hoher Ebene“ ihre Interessen. „Nur die kulturellen Positionseliten
sind, im Unterschied dazu, mit dem gesamten politischen System wenig
vermittelt. In dieser Absonderung kultureller Eliten liegt eine der
Ursachen für die Verständnis- und Handlungs-Differenzen zwischen den
etablierten Organisationen und ‚marginalen’ Gruppen, deren Sprecher
vielfach den kulturellen Eliten zuzurechnen sind.“ (S. 50)
Für die Gesellschaft wirkt diese „Elitenkonvergenz“ (die
Gleichrichtung der kulturellen, politischen und ökonomischen Eliten)
wie AIDS für die Individuen: Das gesellschaftliche Immunsystem, die
Kräfte der Abwehr gegen zerstörerische Angriffe auf das System des
demokratischen und sozialen Rechtsstaates brechen zusammen. Die
Angriffe des Finanzsystems gegen die ideelle Lebensgrundlage der
Gesellschaft können nicht mehr abgewehrt werden, weil es keine
unabhängigen kritischen Instanzen, keine kulturelle Öffentlichkeit
genügender Stärke mehr gibt.
Die Krise der Demokratie und die Künste
Heute besteht angesichts der gewaltigen zerstörerischen Kräfte der
Ökonomie wieder eine Chance, diese „Elitenkonvergenz“ aufzubrechen. Die
Diskussion um die Krise der Demokratie zeigt das. Chantal Mouffe, eine
ihrer Wortführerinnen, schreibt: „Der demokratische Prozess muss
dringend neu belebt werden, und dies kann nur dadurch geschehen, dass
die Parteien des linken Spektrums eine antihegemoniale Offensive gegen
die Versuchungen starten, die zentralen Institutionen des
Wohlfahrtsstaates zu zerstören und das gesamte soziale Leben zu
privatisieren und den Regeln des Marktes zu unterwerfen.“ (Mouffe 2011,
5) Andernfalls werden die Bewegungen der politischen Rechten das Feld
besetzen. Ähnlich ist die Argumentation von Dani Rodrik (2011): Wenn
die Finanzmärkte die Wirkungen im Inneren der Staaten nicht beachten,
verlieren sie ihre Akzeptanz bei Publikum und Politikern und das System
wird instabil. In Griechenland erleben wir das derzeit am deutlichsten.
Die Demokratie wird von ihren Rändern her zerstört, wenn durch die
Auswirkungen des Neoliberalismus die zentralen Institutionen des
Wohlfahrtsstaates zerfallen und gleichzeitig das gesamte soziale Leben
privatisiert und alles den Regeln des Marktes unterworfen wird.
Aber in allen Fällen müssen erst Subjekte aus ihren Enttäuschungen
und Leiden Konsequenzen ziehen und auf die eine oder andere Art
handeln. Das ist nur möglich mit entsprechenden kulturellen
Wertorientierungen. Diese aber entstehen in den Lernprozessen der neuen
sozialen Bewegungen, die dabei allerdings der Wortführer,
Symbolanalytiker und Begriffsarbeiter bedürfen. Da fehlt es der Linken
an Stichworten, Bildern und Symbolen, und an Attraktivität. Die sind zu
entwickeln, und dazu genügt nicht der Rückgriff auf das Erbe von 1968
und Friedensbewegung.
Die Programmatische Forderung der Linken bleibt deswegen wichtig:
Kunst kann kreativ und qualitätvoll nur zustande kommen, wenn für alle
Kulturschaffenden angemessene Lebensbedingungen gewährleistet sind.
Wenn von einer „demokratischen Kultur mit Teilhabe und Zugang aller“
die Rede ist, dann wird das auf die Ebene des kulturellen Lebens
bezogen. Da konkretisiert sich Kultur in Institutionen, Werken und
Manifestationen, und da vermitteln Künste „erweitertes Welt- und
Gesellschaftsverständnis“. Das bedeutet, dass es nicht nur um
sozialkritische Kunst geht – und wenn, dann um eine „neuer Art“, von
der die globalen Herausforderungen mit aufgegriffen werden.
Da sollte die Linke an der lebendigen Gegenwart der Künste
teilnehmen und über die Beziehungen zwischen Künstlern und Akteuren der
Politik sachverständige Partnerschaft für die Künste herstellen und den
Künstlern „Berührungen mit Welt“ (Schiller) ermöglichen.
Programmatische Perspektiven und die Bilder dazu
Auf eine überzeugende gesellschaftliche Perspektive kommt es an
(und da wird allerdings etwas mehr gebraucht als die Ideen von André
Gorz). Thomas Flierl nennt in seinem Einstiegsreferat bei der Ständigen
kulturpolitischen Konferenz (www.kulturation.de, report 164) ein
perspektivenreiches Arbeitsfeld, in dem „Kultur und Stadtentwicklung im
Zusammenhang“ zu denken sind und die „Orientierung auf die Stadt als
Gemeinwesen, als konkrete Gesellschaft“ eine Rolle spielt.
„Stadtentwicklung ist - in einem breiten Sinne – ein Leitressort“ (12),
sagt Flierl. Das erinnert mich an die außerordentliche Bedeutung, die
Alexander Mitscherlich mit seinem Text über die „Unwirtlichkeit der
Städte“ für den dann erfolgenden sozialkulturellen Aufbruch auch der
„1968er“ hatte.
Die Anerkennung vielfältiger Lebensweisen gehört dazu, daran
erinnert Flierl, und setzt auch damit einen anderen Akzent als Diether
Dehm: „Da niemand die Pluralisierung der Lebenslagen und die
Individualisierung der Lebensstile zurücknehmen kann oder will, bleibt
dennoch die Frage, wie es unter diesen Bedingungen gelingen kann,
kulturell Gemeinsinn zu konstituieren und welche Funktion hier der
Linken zukäme.“ (13)
Den Herausforderungen der Gegenwart, bezogen auf Ökologie und
Nachhaltigkeit, Energiekrise und Klimawandel, Gerechtigkeit und
internationale Beziehungen zu begegnen braucht es neue Bilder, Märchen,
Begriffe und Symbolarbeit, das ist nicht zu bezweifeln. Vor allem
braucht es ein auf breiter Ebene überzeugendes Leitbild, nicht (nur)
charismatische Persönlichkeiten. Auch die Konferenzen „Kultur neu
denken“ versuchen entsprechende Ansätze zu entwickeln. Welche
Einzelpersonen mit welchem Charisma dafür stehen, das ist eine andere
Sache.
Inspiriert von Dieter Klein hat Gregor Gysi vor vielen Jahren eine
programmatische Perspektive zur entwickeln versucht. In seinen „Zwölf
Thesen für eine Politik des modernen Sozialismus“ vom August 1999
formuliert er: „Die Verbindung von ökologischem Umbau, Modernisierung
der Arbeitsgesellschaft und Begründung einer vielgestaltigen und
reichhaltigen Lebensweise könnte einen nachhaltigen Entwicklungstyp
schaffen, der die Schranken des fordistischen Kapitalismus überwindet,
umweltverträglich wird und die wirtschaftlichen Voraussetzungen für
eine freiere Entwicklung aller ermöglicht.“ „Eine moderne
Arbeitsgesellschaft muß auch eine neue Verbindung von Erwerbsarbeit und
schöpferischer gemeinschaftlicher und individueller Eigenarbeit
ermöglichen. Die Erschließung reichhaltiger und sinnerfüllter Felder
für Gemeinschafts- und Eigenarbeit kann bei der ökologischen
Umgestaltung der Lebenswelt beginnen, muß die Rückgewinnung der
Gestaltungshoheit über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der
Kommunen und Regionen umfassen und wird in die Entwicklung einer
Vielzahl sozialer und kultureller Projekte münden.“ Das ist nach wie
vor die arbeitszentrierte „Tätigkeit“ der „Bürgergesellschaft“. Aber
dann ist auch die Rede davon, dass die Erweiterung der Förderung von
Kreativität dafür sorgen soll, dass alle „an Erwerbsarbeit und
Eigenarbeit nach dem Maß ihrer Fähigkeiten und ihrer Bedürfnisse
partizipieren, Sinn für die Verbindung von Arbeit, Leben und Genuss
entwickeln und Erfüllung finden“.
Die anderswo verwendete Formel von der „progressiven
Entstaatlichung“ ermöglicht heute den Anschluss an die vielfältigen
Initiativen des Bürgerschaftlichen Engagements. Es braucht keinesfalls
nur verstanden zu werden als Entlastung des sich selbst arm rechnenden
Staates. Der erstickt die Versuche der Selbsthilfe und
Selbstorganisation von aus Arbeit und Lohn gedrängten Menschen mit
bürokratischer „Aktivierung“ und schickt die vereinzelten Individuen
als „Arbeitskraftunternehmer“ auf den Markt der Billiglöhner und will
dort individuell für sie „Aktivierung zur ‚Verantwortung’“ betreiben
und sie mobilisieren. Statt dessen wären die „solidarischen Formen des
Sozialen“ zu aktivieren, wären mit neuen Formen der „urbanen
Subsistenz“ im städtischen Wohnmilieu und einschlägigen „bottom
up“-Aktivitäten zum Energiesparen und zur Verbesserung der
Lebensqualität die Kräfte der Selbstorganisation zu aktivieren. Sie
spielten in der Arbeiterbewegung immer eine zentrale Rolle.
„Selbstorganisation ist Trumpf, auch wenn sie in der klassischen
Wirtschaftstheorie praktisch nicht vorkommt“, so lautet die Einsicht
der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom, die mit der „neuen
Institutionenlehre“ und der Erinnerung an die Allmende die
Selbsttätigkeit ermutigt. Dieses Feld zu beackern sind die Liberalen
nicht in der Lage, und die großen Parteien verdecken es mit einem Nebel
von „Bürgerschaftlichem Engagement“, das immer nur in Abhängigkeit von
Staat und Öffentlicher Hand gedacht wird. Für die Arbeiterbewegung war
in Gewerkschaften, Unterstützungskassen, Konsumgenossenschaften,
Parteien, Sport- und Kulturorganisationen diese Selbstorganisation
immer Überlebensvoraussetzung. Heute entstehen sie im wenig
übersichtlichen, aber lebendigen Feld der neuen Bewegungen.
Dort wären dann auch Sozialsysteme zu etablieren, die „den Übergang
auf einen neuen, ökologischen Entwicklungspfad und eine neue Verbindung
von Wirtschaft und Lebensweise unterstützen“. Mit solcher Programmatik
kann eine Partei attraktiv werden, weil sie Wünsche und Hoffnungen
konkretisiert, ohne schwammig zu werden.
Damit kann man auch für die intrinsisch nach Ausdrucksmöglichkeiten
für die aktuellen Befindlichkeiten suchenden Künstler attraktiv werden
und sie in den Dialog ziehen. Dann können Begriffsarbeit, Analyse und
die passenden Bild- und Symbolwelten die „neuen Bilder, die das Land
braucht“ zusammenkommen.
Nur zum Schluss:
Das Staatsziel Kultur sei unverzichtbar, steht im Programm der
Linken. Aber die von der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“
vorgeschlagene Formel: „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ ist
nicht überzeugend (BT-Drs. 16/7000, S. 79). Nach wie vor halte ich es
für sinnvoller zu sagen: Der Staat fördert das kulturelle Leben und
pflegt das kulturelle Erbe. Ausführlicher müsste man sagen: Der Staat
fördert das kulturelle Leben und pflegt das kulturelle Erbe vergangener
Generationen, damit heutige und spätere Generationen es in produktiver
Aneignung für ihre eigenen Verständigung über ihr Selbstverständnis,
ihre Ziele und Werte nutzen können (denn darum geht es eigentlich).
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