Report | Kulturation 2/2008 | Simone Tippach-Schneider | Volkseigentum
Kunst aus der DDR 1949-1989
| Seit
dem 27. September gibt es eine DDR-Kunstausstellung im Zentrum von
Berlin. In der Spandauer Straße wurde ein einst großer Möbelladen zur
Kunsthalle: 150 Bilder aus dem Bestand des Kunstarchivs Beeskow sind
dort zu sehen. Wie diese Präsentation zustande kam, schildert das
Grußwort von Simone Tippach-Schneider, die eher zufällig zur Kuratorin
dieses Projekts wurde. Die Initiatoren sind zwei junge Unternehmer, die
das Hostel OSTEL am Ostbahnhof betreiben.
(„Volkseigentum - Kunst aus der DDR 1949-1989“, Spandauer Straße 2,
10178 Berlin, Telefon 030 25768660, täglich 10 bis 22 geöffnet,
Eintritt 8 /6 €. Siehe auch: www.volkseigentum.eu).
Zu Jahresbeginn wandten sich Daniel Helbig und Guido Sand vom OSTEL
in Berlin zum ersten Mal an das Kunstarchiv Beeskow, um Kunstwerke
auszuleihen. Weil ich gerade für das Archiv eine Ausstellung
vorzubereiten hatte, hörte ich davon und rief entrüstet: „Was, ins
Hotel? Sollen sie doch Reproduktionen von Van Gogh nehmen, die hingen
oft in den Wohnzimmern der DDR!“ Danach ging es wohl noch einige Male
hin und her mit Briefen und Telefonaten, bis endlich klar war: Nicht
fürs OSTEL, sondern für eine eigene Ausstellung. Als mich Daniel Helbig
dann anrief, war der Leihvertrag bereits unterschrieben und der
Bildtransport schon unterwegs nach Berlin. Ich sagte meine Mitarbeit
als Kuratorin spontan zu – aus einem einzigen Grund: Neugier. Da
greifen sich zwei Berliner Jungs über 150 Bilder, obwohl sie keine
Ahnung von Kunst haben, und wollen eine Ausstellung machen. Einfach so.
In Berlin. In der Spandauer Straße. Also mittendrin.
Axel Krause (*1958), Fasching, Triptychon, o. J. © Kunstarchiv Beeskow
Wir trafen uns am 15. August 2008 zum ersten Mal im OSTEL am
Ostbahnhof. Dann ging es Schlag auf Schlag. Am 26. September soll die
Ausstellung eröffnet werden, vorher müssen die 2.200 Quadratmeter noch
komplett renoviert werden: alte Teppiche raus, Fußboden schleifen,
Wände weißen, Fenster reinigen, Toiletten und Büroräume herrichten,
Foyer gestalten – und natürlich muss die Ausstellung noch vorbereitet
werden. Ich sah die Entwürfe für die Einladung und zuckte zusammen. Na
toll! Ich werde Kuratorin einer Ausstellung, deren Bilder ich noch
nicht kenne, habe eigentlich keine Zeit mehr, aber schon zwei alternde
Generalsekretäre im Retro-Design im Nacken.
Ich habe trotzdem keine Kehrtwendung gemacht, aus einem weiteren
Grund: Begeisterung. Da haben zwei berufserfahrene Männer eine Idee.
Sie wollen Kunstwerke aus der DDR in Berlin zeigen, die kurz nach 1989
aus den öffentlichen Gebäuden in den Depots verschwanden und damit
völlig aus dem Blickfeld der eigenen Erinnerung und der
(Kunst)-Geschichtsschreibung. Sie sind sich sicher, dass das Interesse
an dieser Kunst ungebrochen – vielleicht sogar gewachsen ist. Wenn die
Kunstwerke der ehemaligen Parteien und Massenorganisationen der DDR in
großem Umfang wieder öffentlich wahrgenommen werden, lässt sich sicher
auch genauer erforschen, warum diese Bilder noch immer eine
Anziehungskraft besitzen.
Die öffentlichen Galerien und Museen in Berlin hatten in den
letzten Jahren kein Interesse an Ausstellungen vom Kunstarchiv Beeskow.
Nun aber begegnen mir diese beiden Unternehmer, für die Probleme eine
Herausforderung sind und denen es sichtlich Spaß macht, für alles
gleich mehrere Lösungen zu finden. Zum Beispiel wurden, als es um die
Hängung der Bilder ging, an nur einem Tag (Abendstunden mit
eingerechnet) dutzende Varianten neu erfunden und geprüft. Mir gefällt
diese ungebremste Art, ein Projekt zu denken, vorzubereiten und
umzusetzen.
Gudrun Brüne (*1941), Die Neuerer, 1971 © Kunstarchiv Beeskow
Ich habe in den letzten fünf Jahren die Erfahrung gemacht, dass
sich die Gesellschaft der DDR mit ihren Widersprüchen und Reibungen,
ihren Utopien und dem, was sie vierzig Jahre zusammengehalten hat, in
der Auseinandersetzung mit Kunstwerken viel besser begreifen lässt. Als
hätte die Suche nach der künstlerischen Wahrheit am Ende mehr von der
Wirklichkeit, dem Denken und Fühlen und den individuellen Haltungen
festgehalten als eine Akte jemals herzugeben vermag. Deshalb begrüße
und unterstütze ich diese Ausstellung „Kunst aus der DDR“. Ich bin
sicher, dass sie die Bedeutung der Kunst innerhalb des Herrschafts- und
Gesellschaftssystems der DDR wieder thematisiert und weitere Fragen
provoziert, bei denen jeder Ausstellungsbesucher die eigene Haltung zu
den Bildern neu überprüfen kann.
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