Report | Kulturation 1/2005 | Simin Falsafi | Zwischen Eigensinn und Kunstbetrieb
Bericht über eine Debatte zur wirtschaftlichen Lage von Kulturschaffenden
| Sind
Künstler und Künstlerinnen in dieser Zeit "arm dran", auch wenn sie
vielleicht nicht so laut jammern wie direkt von Hartz IV Betroffene?
Darüber debattierten in einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung
eingeladenen Runde im Januar Mitglieder der Enquete-Kommision „Kultur
in Deutschland“, Siegmund Ehrmann, Susanne Binas-Preisendörfer und Olaf
Zimmerman. Dazu gesellten sich der freie Theaterproduzent Klaus Dörr,
die Hörfunkjournalistin Annette Wilms und der Galerist Sven Herrmann.
Kulturschaffende gelten schon länger als selbstständige
Unternehmer und heute mehr als früher als ein Muster beruflicher
Professionalität. In ihrer Studie „Wie entsteht Erfolg bei
Künstlerinnen?“ vergleicht Susanne Binas die historische und
gegenwärtige Struktur und stellt fest: „Während vor dreißig Jahren
Kulturschaffende noch angestellt waren und damit sozial abgesichert,
sind sie heute Unternehmer in eigener Sache mit hohem sozialen Risiko.“
Gefragt wurde, inwieweit sich für Künstler angesichts des
rasanten Strukturwandels seit Beginn der 90er Jahre neue Muster von
Arbeits- und Lebensformen entwickeln. Olaf Zimmermann vom deutschen
Kulturrat zitierte die aktuelle „Shell-Jugendstudie“, wonach der Beruf
des „Künstlers“ als Traumberuf an erster Stelle fungiert. Die Zahlen
der Künstlersozialkasse für Kulturschaffende seien jedoch erbärmlich.
Danach haben die dort Versicherten einen Jahresumsatz von
durchschnittlich elftausend Euro, sagte Zimmermann.
Allein-Selbständige machen mit 1,82 Mio. bereits mehr als
die Hälfte der Selbständigkeit in Deutschland insgesamt aus. Viele
Medien- und Kulturschaffende werden mit der Hartz-Gesetzgebung in die
Selbstständigkeit gedrängt. Hohe Qualifikation mit relativ niedrigem
Einkommen ist für die meisten von ihnen charakteristisch. Dieses neue
Muster von Beruflichkeit ist hochgradig individualisiert, weist
risikoreiche Erwerbsbedingungen und eine geringe institutionelle
Rahmung auf.
So berichtete Klaus Dörr, ein studierter
Wirtschaftswissenschaftler und Theaterproduzent über die
Off-Theaterszene, die sich sehr professionell präsentiere (wie das im
letzten Jahr ausgezeichnete Hebbel-Theater oder Kampnagel in Hamburg),
jedoch für Künstler völlig unabgesicherte Konditionen böte. Dort gelten
„freie“ Vertragsverhandlungen. Dörr verwies darauf, dass mit der
Hartz-Gesetzgebung ab 2006 es vielen darstellenden Künstlern nicht mehr
möglich sein wird, die geforderten Anwartschaftszeiten von 365 Tagen
Beschäftigung zu erfüllen. Die Folge sei eine „Marktbereinigung“, sowie
der Gang in die Altersarmut, prognostizierte Dörr.
Mit der Wettbewerbssituation müssen Künstler offensiv und
professionell umgehen, so Sven Herrmann, Jurist aus Leipzig und
Geschäftsführer der „Galerie sphn“ in Berlin-Mitte. Er vertritt junge
Künstler und Künstlerinnen (Potentials, wie er sich ausdrückte),
die er mehr unterstützt sehen will. Als Galerist betreut er ihren
Karriereaufbau. Deutsche Hochschulen, so kritisierte Herrmann, lassen
ihre Kunststudenten damit allein. Er verwies auf Finnland, wo es besser
laufe und empfahl einen Blick auf die anderen europäischen
Nachbarstaaten. Angehende Künstler müssten sich mehr als „Selfmademan“
verstehen und sich Gedanken machen, wie sie ihre Kunst vermitteln
können, plädierte er. Das künstlerische Leben in Berlin-Mitte erlebe er
als einen wirtschaftlichen Standortvorteil, der Großunternehmen wie SAP
ansiedeln lässt, die das zu schätzen wüssten.
Die Runde war sich einig, dass es trotz leerer
Staatskassen keine Kürzungen bei der Finanzierung der
Künstlersozialkasse geben dürfe. Vielmehr gelte es die KSK zu
konsolidieren und zu sichern. Ob die KSK sich dabei für Berufsgruppen
der Neuen Medien, wie die von Binas erwähnten Web-Designer, neu öffnen
solle und in welchen Größenordnungen, konnten die Teilnehmer
abschließend nicht bewerten.
Laut Siegmund Ehrmann, gibt es eine
Monitoring-Verabredung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“
in diesem Jahr und eine Wirkungsanalyse zur sozialen Absicherung von
Künstlern. Susanne Binas sieht die wirtschaftliche und soziale
Absicherung von Kreativen, die beileibe durch die KSK allein noch nicht
geleistet wird, am ehesten durch die Erweiterung des bestehenden
Sicherungssystems in Form der „Bürgerversicherung“ gegeben.
Im Publikum waren diejenigen, um die sich die Debatte
drehte, nämlich Künstler und Künstlerinnen, kaum vertreten. Es gab nur
zwei, drei mitunter sarkastische Wortmeldungen.
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