Report | Kulturation 2012 | Thomas Hertel | Romantisierend rennen in Rom
Sport und Kunst - Grenzüberschreitungen 2012
|
PDF des Textes hier anklicken:
Thomas Hertel Romantisierend rennen in Rom
Bei einem Langstreckenlauf bieten sich naturgemäß lange
Zeiträume zum Nachdenken. Da das Limit zum Rom-Marathon sogar sieben
Stunden beträgt, darf man sich Zeit lassen. Wer also relativ
beschaulich an den Sehenswürdigkeiten vorbei traben und die Gedanken
schweifen lassen will, findet hier ideale Bedingungen. Natürlich rennen
viele Athleten so schnell wie möglich. Sie kämpfen gegen Kontrahenten
und wollen Bestzeiten erzielen. Anderen geht es um einen schönen Lauf
und um eine gute Zeit. Für manche mag es sogar ein kulturtouristischer
Schnelldurchlauf durch die sagenumwobene Stadt sein. Man sieht beim
Start und Ziel nicht nur das Kolosseum[1], sondern unterwegs den
Petersdom, das Teatro Marcello, die Scalinata di Trinità dei Monti und
vieles andere mehr. Wenn so viele Kulturgüter am Wegesrand die Kulisse
bilden, liegt es nahe, dass auch kunsttheoretische Fragen ins
Bewusstsein steigen. Schon nach wenigen Kilometern war dies der Fall.
Mir kam beim Anblick der Porta an Paolo ein Essay in den Sinn, den
Wolfgang Welsch vor einigen Jahren veröffentlicht hat[2]. In mehreren
Schritten untersuchte Welsch darin die ästhetischen Aspekte des Sports
und er gelangte sogar zur Auffassung, dass viel dafür spricht, die
Formel: Sport = Kunst (in bestimmter Hinsicht) als zutreffend gelten zu
lassen. Mir scheint, dass Welsch mit dieser Argumentationsübung
eigentlich vorführen wollte, wie man die rhetorischen Ratschläge des
Aristoteles beherzigt und beispielsweise den Schluss-Satz (bzw. das
Hauptanliegen) lange verschleiert. Erst am Ende des Textes enthüllte er
nämlich sein Plädoyer für eine Rückbesinnung auf anspruchsvolle,
experimentelle Erkundungen in dem eigentümlichen und außergewöhnlichen
Spezialgebiet der Kunst.[3] Dennoch trägt Welsch einige bemerkenswerte
Argumente vor, die darauf hinauslaufen, im Sport nicht nur ein Phänomen
zu sehen, dessen ästhetische Qualitäten (kulturtheoretische) Beachtung
verdienen. Auch für die Kunsttheorie bietet sich Sport als
Untersuchungsgegenstand an. Insbesondere im Hinblick auf (post)moderne
Konzepte von Kunst lassen sich Merkmale finden, die gleichermaßen beim
Sport anzutreffen sind. Allerdings hängt viel von der jeweiligen
Perspektive ab, die solchen Betrachtungen die Richtung gibt. Welsch
gelangte als Philosoph von der Tribüne aus zu seinen Einsichten. Er
kämpfte dabei nicht wie die „Athleten um Ruhm und Ehre“, er zielte auch
nicht „durch Kauf und Verkauf auf Gewinn und Profit“, sondern
betrachtete aus „ruhiger Distanz was geschieht und wie es geschieht“
[4]. Und Welsch konzentrierte sich dabei auf den Spitzensport bzw.
Hochleistungssport. Für meine Beobachtungen und Reflexionen ist eine
andere Optik bestimmend. Ich laufe im Feld der vielen Freizeitsportler.
Genauer gesagt: wir laufen - denn es ist (wie immer, wenn Verletzungen
oder Erkältungen dies nicht verhindern) ein Paarlauf gemeinsam mit
Silvi. Wir befinden uns quasi mitten im Schwarm. Nach Ruhm und Ehre
streben die uns umgebenden Läufer kaum. Auch Preisgelder wollen sie
nicht gewinnen (vielleicht vereinzelt eine Wette). Unsere Erfahrungen
stammen also aus der Teilnehmerperspektive und sind durch subjektive
Eigenwilligkeiten geprägt. Hedonismus ist wohl bei den meisten die
dominierende Komponente. Ihnen geht es um den „Cocktail
neuroplastischer Botenstoffe“[5]. Früher sagte man: wenn der >tote
Punkt< überwunden ist, wird das Laufen leicht. Heutzutage erklären
die Neurowissenschaftler, dass es an den „körpereigenen Drogen“ [6]
liegt: „Die bekanntesten dieser neuroplastischen Botenstoffe heißen
Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin, aber auch Peptide wie Endorphine
und Enkephaline gehören dazu.“[7]
![Willkommensgruß](_bilder/_dyn/2011/Hertel3364.jpg) Willkommensgruß
![Massenauflauf](_bilder/_dyn/2011/Hertel3390.jpg) Massenauflauf
Wenn man mit Nikolaas Tinbergen[8] die proximaten und ultimaten
Ursachen von sportlichem Laufverhalten ergründen wollte, müsste man
mehreren Fragen intensiv nachgehen. Die biochemischen,
neuroethologischen, psychischen und sozialen Verursachungen von
sportlichen Leistungen liegen auf einer anderen Ebene als die
ontogenetischen Ereignisse, die Einfluss auf eine sportliche
Lebensweise hatten. Wiederum begibt man sich auf ein neues
Untersuchungsfeld, wenn nach dem Nutzen oder dem „Anpassungswert“
gefragt wird. Ist Sport gut für die Gesundheit? Wolfgang Welsch
verweist auf die 15 Knieoperationen des mehrfachen Ski-Weltmeisters
Marc Girardelli[9] und zitiert Brechts Befund, dass herausragender
Sport erst anfängt, wenn er schon längst aufgehört hat, gesund zu
sein[10]. Sicherlich belastet schon ein unspektakulärer
Amateur-Marathon Kreislauf, Knochen und Gelenke in extremer oder gar
ungesunder Weise. Doch das vorhergehende Training dürfte sich günstig
auf die Gesundheit auswirken. Die Mediziner geben zwar unterschiedliche
Einschätzungen, aber vielleicht sollte man sich einfach an den
Schriftsteller Eugen Ruge halten, der literarisch durchblicken lässt,
dass Laufen sogar heilsam sein kann[11]. In Bezug auf ultimate Aspekte
finden sich bei Josef H. Reichholf einige Aufschlüsse[12]. Der
Dauerlauf scheint irgendwie eine artgerechte Betätigung zu sein. Doch
solche Fragen lassen sich nicht laufend erschöpfend beantworten. Die
Konzentration wird immer wieder zu sehr gestört. Unterwegs gibt es
zahlreiche Ablenkungen. Am Kilometer 15 lässt sich die Engelsburg
(Castel Sant Angelo) bewundern. Anschließend läuft man bei
Glockenschlägen auf den Petersdom zu und biegt nach rechts ab. Die
Läufer geraten ins Visier der vielen Touristen. Marathon bietet immer
wieder intensive Gemeinschaftserlebnisse. Zumindest zwischen den
Amateur-Läufern herrscht herzliche Solidarität. Besonders beim Paarlauf
wird das Bindungssystem stark aktiviert. Das heißt: „Im Gehirn gibt es
[…] ein so genanntes Bindungssystem, das mit besonderen Botenstoffen
arbeitet, den so genannten Bindungshormonen Oxytocin und Vasopressin.
Und es gibt dort ein so genanntes Neugier-und Antriebssystem, das als
Botenstoffe vor allem Katecholamine ausschüttet.“[13] Wir spüren
tatsächlich die Wirkung von solchen Ausschüttungen. Gegen 11 Uhr
erlangt die März-Sonne fast sommerliche Stärke und der Schweiß läuft.
Die Sinne werden jedoch nicht mehr so sehr durch olfaktorische Reize
belästigt wie vor dem Start. Dort waren im Gedränge sowohl
Körperausdünstungen als auch medizinische Salben nicht zu
ignorieren[14]. Selbst moderne Funktionskleidung kann offenbar den
Geruch nicht bändigen. Der Schweiß gehört nun mal zum Laufen -und man
könnte das Sprichwort entsprechend modifzieren: >Ohne Schweiß, kein
Preis<. Wie wichtig diese Flüssigkeit ist, hat Reinholf
herausgestellt:
„Millionen und Abermillionen von Schweißdrüsen sorgen dafür,
dass im Zusammenwirken mit feinst verzweigten Blutgefäßen, die bis
knapp unter die Oberfläche der Haut reichen, fast jede Überhitzung des
Körpers unweigerlich effizient weggekühlt wird – unvergleichlich in
Bezug auf Angehörige der >Haustiere<, der Säugetiere. Nur die
Vögel sind mit ihrem Lungen-Luftsack-System erheblich besser
ausgerüstet und können darauf verzichten, unter ihren Federn zu
schwitzen. Unter den landlebenden Säugetieren hingegen bilden wir eine
Einmaligkeit mit unserer Koppelung von Luft- und Wasserkühlung. Sie ist
der (physiologische) Grund für die so wunderbare Leistungsfähigkeit
unserer Athleten, die für ihre Leistungen sehr viel Schweiß lassen
(müssen). Ohne unser Schwitzen wäre ein Marathonlauf undurchführbar.
Nach vergleichsweise kurzen Strecken hätte sich der Körper hoffnungslos
überhitzt wie ein heißlaufender Motor, bei dem die Kühlung ausgefallen
ist.“ [15]
Beim Rom-Marathon dürfen sich die Athleten übrigens noch über einen
anderen besonders guten Hydraulik-Erfrischungsservice freuen: es gibt
an den Verpflegungsstationen handliche Wasserflaschen. Man muss nicht
hastig einen Becher leeren, sondern kann die Getränkeflaschen mitnehmen
und erst dann trinken, wenn Bedarf besteht. Wasser ist ja der Vorläufer
von Schweiß, deshalb liegt es nahe, dieser Flüssigkeit ein wenig
nachzusinnen. Doch wie kann es gelingen, im Rennen auch nur das
Proprium des Wassers richtig zu bestimmen? Für uns ist es momentan ganz
banal: H2O macht froh. Aber bereits aus menschlicher Perspektive
differiert Wasser stark. Für den Wasserscheuen ist es furchterregend;
Wüstenwanderer (oder Marathonläufer) lechzen danach. Der japanische
Patriarch des Buddhismus Dogen (1200 bis 1253) betrachtete Wasser gar
aus der Perspektive der Menschen, der Götter, der Fische … - und
versuchte gar „ein Studium des Wassers, das durch Wasser gesehen
wird“[16]. Schließlich gelangte er dahin, dieses Element als
„Seinsweise der ursprünglichen Natur“ aufzufassen. „Wasser ist nur
Wasser, vollkommen losgelöst“[17] -heißt es bei ihm. „Das bedeutet: Was
Wasser eigentlich ist, ist durch keine seiner Erscheinungsformen
determiniert, Wasser ist in ihnen allen stets, was es ursprünglich (als
>wahres und ursprüngliches Wasser<[...]) ist: Manifestation der
ursprünglichen Natur.“[18]
Doch solche Meditationen gelingen laufend wohl kaum. Auch würde ein
Peripatetiker, der nicht gemächlich schreitet, sondern andauernd rennt,
wohl schwerlich zu Evidenzerlebnissen[19] kommen. Und selbst die
‚einfache’ Logik der Analytischen Philosophie überfordert einen
Langläufer. Es steigen bei ihm bestenfalls flüchtig ein paar fixe Ideen
auf. Solche mentalen Partikel sind hier protokolliert. Dazu gehört das
„göttliche“ Glitzern der Wasseroberfläche des Tibers, das wir beim
Überqueren der Ponte Marconi wahrnehmen. Raffinierte Erwägungen von
Hilary Putnam (und weiteren Wortführen der Analytischen
Philosophie)[20] über den H2O-Anteil von Flüssigkeiten, die wir als
Wasser oder als „Sprite“ oder anders bezeichnen, faszinieren aktive
Sportler nur wenig. Läufer sind vielmehr praktisch orientiert; sie
greifen nach Schwämmen und Behältern, wenden Wasser innerlich und
äußerlich an, lassen es fließen. Nicht erst beim berüchtigten Kilometer
35, sondern schon nach 27 Kilometern meldet sich bei Silvi das
„Protoselbst“[21] mit der Warnung, dass die Anstrengungen das normale
Maß übersteigen. Auch bei mir registrieren neuronale Areale Schmerzen
im Knie. Das wache Selbstbewusstsein müsste jetzt zur Einsicht
gelangen, dass es unvernünftig ist, weiterzulaufen. Aber dem
Durchhaltewillen gelingt es, solche vernünftigen Erwägungen
auszuschalten. Zur Ablenkung von Körper-internen Schmerzmeldungen
(darin war Nietzsche ein Meister) wende ich mich wieder der heutigen
Gretchenfrage zu: Ist Sport = Kunst? Systematisch und vollständig kann
ich die Thesen von Welsch natürlich nicht durchgehen, aber einige
fallen mir ein. Da wäre zunächst die Zerfaserung, das Ausfransen
(„fraying“22) oder die Tendenz, Grenzen zwischen den Gattungen und
zwischen Kunst und Alltag zu neutralisieren. Hierzu passt vielleicht
die Begegnung zwischen Lauf, Tanz und Musik. Man kann beobachten, dass
der Laufstil von denjenigen Athleten, die Musik hören, sich zuweilen
zum Tänzerischen hinbewegt. Das Laufen lässt sich offenbar auch mit
anderen anerkannten Kunstgattungen gut kombinieren. Am Wegrand spielen
in Rom z.B. mehrere Kapellen, Blasorchester und eine Rockband. Auch
Trommler und Tanzgruppen entbieten ihren Gruß. Viele Läufer schätzen
außerdem den Musikgenuss per Kopfhörer. Die unterschiedliche Rezeption
im Vergleich mit dem still sitzenden Konzertbesucher, dürfte auch im
ästhetischen Erleben Konsequenzen haben. Man fragt sich, welche Musik
die Athleten auswählen, um ihren Lauf leichter zu machen. Testläufer in
London bevorzugten angeblich Titel wie „Mercy“ von Duffy oder „Dancing
Queen“ von Abba oder „The Heat is on“ von Glenn Frey oder „Don’t stop
me now“ von Queen. „Auch Songs von Madonna und den Red Hot Chili
Peppers sollen die Motivation erhöht haben.“[23] Ich kann mir gut
vorstellen, dass sich in Rom manche Läufer auch an klassischer Musik
erfreuten. Helge Knigge vom Institut für Bewegungs-und
Neurowissenschaft an der Deutschen Sporthochschule Köln betont, dass es
auf individuell zugeschnittene Musikprogramme ankommt.
„Für die einen waren meditative Themen sehr geeignet, um das Laufen
leichter zu machen; für die anderen waren es hochrhythmische
Stücke.“[24] Es ist jedoch übertrieben, wenn man daher gleich von
„Musikdoping“ spricht.[25] Jedenfalls vermischen sich musikalische Töne
beim Laufen mit Atmung und Bewegung. Verhaltensgrenzen werden
durchlässig. Allerdings bin ich nun unversehens schon zu einem anderen
Aspekt abgedriftet, nämlich zur Durchdringung der Kunst mit dem Leben
(„striving for interpenetration with life“[26]). Das hat in Rom antike
Wurzeln[27] und ist bei unserem Wettkampf unverkennbar. Der
Rom-Marathon ist im wahrsten Sinne des Wortes ein schöner Lauf. Also
darf man vielleicht ganz naiv einem Kunstverständnis anhängen, dessen
Kernkomponente die ästhetische Kategorie der Schönheit darstellt.
Freilich gibt es verschiedene Typen von Schönheit. Welsch hat drei
maßgebliche Typen hervorgehoben: Typ A ist die Schönheit von Körpern
und Landschaften, Typ B betrifft die Schönheit von symmetrischen Formen
bzw. von selbstähnlichen Mustern und Typ C ist als atemberaubende
Schönheit exemplarisch bei großartigen Kunstwerken anzutreffen[28]. Die
neurobiologischen Besonderheiten dieser drei Typen werden
folgendermaßen skizziert:
„Wenn wir einen Körper oder eine Landschaft als schön empfinden, so
beruht dies auf der hochgradig lokal beschränkten Aktivierung eines
bestimmten neuronalen Musters. Wenn wir hingegen Formen der
Selbstähnlichkeit als schön erleben, so erfolgt dabei eine
weiterreichende Aktivierung des Cortex infolge der Resonanz
angrenzender Cortexbereiche. Die Erfahrung großer, atemberaubender
Schönheit schließlich beruht auf einer integralen Aktivierung unserer
gesamten aisthetischen und kognitiven Architektur. Nun gilt freilich
für jeden dieser drei Typen, daß Schönheit eigentlich brain-happiness
ist.“[29]
Demnach lautet die Prüf-Frage: Kann es beim Sport (z. B. beim
Marathonlauf) Erlebnisse bei den Athleten und/oder beim Publikum geben,
die mit >brain-happiness< vom Schönheitstyp C verbunden sind? Das
Publikum konnten wir in Rom nicht befragen; auch nicht andere Läufer.
Also müssen wir von unseren eigenen Erfahrungen ausgehen. Unsere
Antwort lautet: Ja, es gab so eine Art „Eudaimonia“ (mit der auf
Aristoteles zurückgehenden Semantik[30]). Eine weitere Welsch-These
besagt, dass beim Sport ein Drama ohne Textvorlage („drama without
script“ geboten wird. Das trifft ebenfalls auf den Rom-Marathon zu.
Nirgends stand vorab geschrieben, dass der siegreiche Held im Jahr 2012
den Namen Luka Kanda trägt und aus Kenia kommt. Auch bei den Frauen
gewann mit Hellen Kimutai eine Kenianerin. Allerdings wäre bei diesen
Athleten Kunst mehr im Sinne von technê zu verstehen – mit einer
Akzentuierung auf Handwerk oder genauer: Fußwerk, denn ihr Laufen ist
anwendungsorientiert und sie erzielen damit auch monetäre Einkünfte zum
Lebensunterhalt. Für das Drama beim Kampf um den Sieg gibt es natürlich
keine Textvorlage. Aber es gibt eine Entsprechung zu Theaterproben: das
Training. Und in bestimmter Hinsicht gibt es beim Rom-Marathon sogar
eine dramatische Vorlage, die nachgeahmt wird: Bei der Olympiade im
Jahr 1960 gewann in Rom ein Außenseiter. Der Äthiopier Abebe Bikila war
eigentlich Ersatzmann. Dann brach sich sein Landsmann Wami Biratu das
Sprunggelenk. Bikila musste einspringen. Da sich keine passenden
Laufschuhe fanden, lief er barfuß und kam sogar als Sieger über die
Ziellinie[31]. Im Jahr 2010 gewann Siraj Gena den Rom-Marathon[32]. Im
ehrenden Angedenken an Bikila lief er die letzten 500 Meter barfuß[33].
Das wiederholte im vergangenen Jahr die Äthiopierin Firehiwot Dado
Tufa, die bei den Frauen siegte. Seither imitieren auch viele
nichtäthiopische Läufer diese Geste. Sie ziehen auf dem letzten
Kilometer die Schuhe aus und sie spüren dann an den Sohlen die angenehm
geschmeidige Oberfläche der antiken Pflastersteine. Auch ohne Text sind
beim Sport also symbolträchtige Inszenierungen möglich. Das betrifft
ebenso die Erkundungen der eigenen Leistungsgrenzen, die viele Läufer
vollführen und mit Mimik, Gesten, Körperhaltung usw. für andere
sichtbar machen. Empathie kommt auf und die Spiegelneuronen werden
stimuliert.[34] Diese Performance stellt quasi das Werk dar („sport’s
oeuvre: the performance“[35]) und Publikum wie Mitläufer sind
fasziniert von diesem Event. Dass bei Sportveranstaltungen Zufall im
Spiel ist und quasi eine Feier der Kontingenz („Celebration of
contingency“[36]) stattfindet, ist beinahe selbstverständlich. Wenn der
Zufall es will, bekommt selbst ein optimal trainierter Läufer einen
Krampf und er muss ausscheiden. Wer Pech hat, stolpert oder tritt (bei
unebenem Straßenpflaster) falsch auf und der Lauf muss abgebrochen
werden . Es gibt natürlich auch glückliche Zufälle. Zum Beispiel sandte
uns Petrus mehrmals just in dem Moment, da wir es dringend nötig
hatten, einen erfrischenden Windzug oder eine schattenspendende Wolke.
Doch in möchte noch ein spezielles kontingentes Ereignis anführen, das
den Kunstcharakter auf andere Art sicherte. Zufällig drehte gerade bei
unserem Lauf der Produzent und Regisseur Jon Dunham den Dokumentarfilm:
>Spirit of the Marathon II<[37]. Daher dürfte unstrittig sein,
dass zumindest all jene Athleten, die von der Kamera eingefangen wurden
und später im Film vorkommen, ein Bestandteil dieses filmischen
Kunstwerks sein werden[38]. Ein weiterer Indikator für das Vorkommen
von Kunst ist (wie Welsch in einer Fußnote ausführt[39]) der Kitsch als
deren Schatten. Die kollateralen Folge- oder Begleiterscheinung von
künstlerischen Werken können als Testfall und Vergleichsfolie dienen.
Wenn beim Rom-Marathon Läufer in Kostümen die Strecke bewältigen, würde
ich dies noch nicht mit dem Verdikt Kitsch belegen, sondern als
karnevalistische Komponente deuten. Wenn jedoch Schenkel und Arme dick
mit den Lettern USA beschriftet sind und auf dem Rücken ein unscharfer
Farb-Foto-Ausdruck angeheftet ist, der ein niedliches Kleinkind
erkennen lässt, wäre diese Manifestation von National- und Mutterstolz
schon arg kitschverdächtig. Oder handelt es sich etwa hierbei um das
Kunst-Genre der „Trash-Art“? Man muss nicht ausschließlich das
Prüfraster von Wolfgang Welsch anlegen. Es besteht auch die
Möglichkeit, den Katalog der Funktionshypothesen von Winfried
Menninghaus durchzugehen. In seinem Buch „Wozu Kunst?“ nennt
Menninghaus Effekte, die durch Kunst hervorgerufen werden können:
"Unter Abstraktion von den vielen Einschränkungen und
Differenzierungen, mit denen die oben gegebenen Kooptationsanalysen
verbunden waren, ergibt sich aus ihnen der folgende Katalog potenziell
förderlicher Kunstwirkungen: - Beförderung des allgemeinen Wohlbefindens durch
selbstbelohnende, inhärent lustvolle ästhetische Praktiken
(individuelle oder sozial geteilte); - Einübung, Prägung, Verfeinerung und Infragestellung alter und
neuer kultureller Affektskripte, ästhetischer Codes und
Zeichenpraktiken; - Übung und Steigerung motorischer und technischer Fähigkeiten;
- Beförderung von sozialer Kommunikation, teilweise auch sozialer Kooperation;
- intensivierte Selbstwahrnehmung, emotionale Selbstregulation
(>>mood management<<) und Verbesserung von Selbstklarheit
durch den >Gebrauch< der Künste für das Wecken, Steigern,
Beruhigen, simulative Ausagieren und reflexive Deuten von Gefühlen; - Erproben und Neujustieren von Ethiken des Wertens und Handelns im realitätsentlasteten Simulationsmodus;
- Erkunden von (fiktiven) Möglichkeitsspielräumen und Chancen des Andersdenkens und Andershandelns;
- Anregung, Beschäftigung und Herausforderung komplexer kognitiver
Verstehensleistungen, einschließlich des Umgangs mit Mehrdeutigkeit und
potenziell unendlicher Deutbarkeit.“[40]
Nun stellt sich die Frage, ob vom Laufwettbewerb in Rom ähnliche
Wirkungen ausgingen. Da fällt uns freilich eine ganz Menge ein. Doch so
einfach darf man sich die Antwort nicht machen, denn die Wirkungen
müssten objektiv messbar sein. Auch Menninghaus ist in diesem Punkt
durchaus problembewusst. Er weiß, wie schwierig es ist, solche Effekte
zu verifizieren und gibt einen kursorischen Überblick zu empirischen
Studien. Viele Behauptungen über positive Wirkungen von Kunst klingen
zwar plausibel, aber leider ist eine stringente wissenschaftlich
Nachweisführung zu deren Gehalt nur selten als Grundlage verfügbar. Von
den Bemühungen, die darauf abzielen, positive Effekte zu belegen, will
ich drei Beispiel-Bereiche nennen:
A) Langzeitstudien, die (insbesondere in Skandinavien) erkennen
lassen, dass „aktive und passive Beschäftigung mit den Künsten“ die
Lebenserwartung erhöhen kann[41]; B) Untersuchungen, die aufzeigen, dass kulturelle Aktivitäten in
der Freizeit (Musizieren, Theaterspielen ...) den Lernerfolg in der
Schule steigern[42]; C) Studien, die belegen, dass Kunst in medizinischer Hinsicht
günstige therapeutische Effekte hat.[43] + [44] Menninghaus weist
zurecht darauf hin, dass solche Studien selten repräsentativ sind und
u. a. durch erhebliche methodische Mängel in ihrem Wert beeinträchtigt
werden:
“Alles in allem gilt gleichwohl: Aussagekräftige, belastbare
Daten zu den Denken, Fühlen und Persönlichkeit >bildenden<
Funktionen der Künste fehlen bis heute weitgehend.“ [45]
Also wird es leider ähnliche Schwierigkeiten geben, die Effekte der
vermeintlichen Kunstgattung: Sport zu bestimmen. Und generell wird es
wohl immer kontroverse Auffassungen bezüglich der der Definition von
Kunst geben. Also zurück von der Frage „Wozu Kunst?“ zu der Frage „Was
ist Kunst?“ bzw. „Ist Sport Kunst?“ Wer es sich ganz leicht machen
will, der hält sich einfach an Arthur Danto[46]. Durch Taufe,
Verklärung, Transfiguration … lassen sich dann alle möglichen
Alltagsereignisse und Gegenstände in den Status der Kunst erheben.
Anders gesagt: durch Interpretation wird ein Sportereignis zur Kunst.
Wenn sich also eine anerkannte Autorität, ein „Papst“ der Kunstszene
bereit fände, den Rom-Marathon in dieser Weise zu adeln, wäre die Sache
auch ohne viel Federlesen geklärt.[47] Womöglich reicht es schon aus,
wenn (wie es im Kirchenlied bzw. in der Bibel – Matthäus 18,20 heißt:)
„zwei oder drei“ im Namen der Musen „versammelt sind“ und sich darauf
einigen, dass Sport gleich Kunst ist. Wie gesagt, wir waren zu zweit,
es war ein Paarlauf – und wir haben uns auf diesen Befund geeinigt. Man
darf Wolfgang Welsch zustimmen. Sport eignet sich für künstlerische
Kommunikation. Das ist nicht nur beim Spitzensport der Fall. Vielleicht
ermöglicht der Volkssport sogar subtilere künstlerische Ereignisse. Die
Kunst wird beim Sport eher unbewusst oder unabsichtlich realisiert und
zu ihrer Entfaltung gehört vornehmlich der spielerische Faktor. Wenn es
nicht darum geht, eine bestimmte Zeit zu unterbieten und Rekorde zu
brechen, wenn einem keine Konkurrenten an den Fersen haften - und
positiv gewendet: wenn sportliche Bewegung vornehmlich Selbstzweck ist,
dann mag das Sport-Kunst-Event (für die Athleten) am schönsten
gelingen.[48] Vielleicht ist dieses Phänomen sogar in trans-humaner
(nicht anthropozentrischer) Weise gültig. Konrad Lorenz war jedenfalls
von einer entsprechenden Beobachtung „geradezu erschüttert“. Er bezog
sich auf den Gesang der Vögel:
„Wir wissen wohl, dass dem Vogelgesang eine arterhaltende
Leistung bei der Revierabgrenzung, bei der Anlockung des Weibchens, der
Einschüchterung von Nebenbuhlern usw. zukommt. Wir wissen aber auch,
dass das Vogellied seine höchste Vollendung, seine reichste
Differenzierung dort erreicht, wo es diese Funktionen gar nicht hat.
Ein Blaukehlchen, eine Amsel singen ihre kunstvollsten und für unser
Empfinden schönsten, objektiv gesehen am kompliziertesten gebauten
Lieder dann, wenn sie in ganz mäßiger Erregung, >dichtend<, vor
sich hin singen. Wenn das Lied funktionell wird, wenn der Vogel einen
Gegner ansingt, oder vor dem Weibchen balzt, gehen alle höheren
Feinheiten verloren, man hört dann eine eintönige Wiederholung der
lautesten Strophen. Es hat mich immer wieder geradezu erschüttert, dass
der singende Vogel haargenau in jener biologischen Situation und in
jener Stimmungslage seine künstlerische Höchstleistung erreicht wie der
Mensch, dann nämlich, wenn er in einer gewissen seelischen
Gleichgewichtslage, vom Ernst des Lebens gleichsam abgerückt, in rein
spielerischer Weise produziert.“[49]
Man mag es kaum glauben, beim Rom-Marathon gab es aber wirklich
einige singende Läufer. Auf den ersten 10 Kilometern war mehrfach ihr
freudvoller Gesang zu vernehmen; außerdem gab es hin und wieder einen
Singsang – nämlich die gegenseitige Anfeuerung von Läufergruppen,
Sprechchöre und Jubellaute. Da die italienische Sprache sehr melodisch
ist, klang das alles wie Musik. Ästhetisch sehr exquisite Erlebnisse
dürften übrigens auch den blinden Läufern vorbehalten gewesen sein.
Wechselnden Straßenbelag, diverse Düfte und Geräuschkulissen nahmen sie
sicher stärker wahr als die Sehenden. Wir begegneten drei Mal blinden
Athleten, welche von Begleitern eskortiert wurden. Alle drei
hinterließen den Eindruck, dass sie „in einer gewissen seelischen
Gleichgewichtslage“ und „in ganz mäßiger Erregung“, >sinnend<,
vor sich hin liefen. Auch Fotoschnappschüsse[50] verdeutlichen, dass
sich beim Rom-Marathon womöglich profaner Sport zur Kunst gewandelt
hat. Oder in anderer Formulierung: Den (anachronistisch anmutenden)
Ausdruck >Körperkultur< könnte man als Synonym für Sport
verwenden; die Bezeichnung >Artistik< nahm Gottfried Benn (mit
Referenz auf Nietzsche) gern als Chiffre für Kunst[51]. Mit diesem
Vokabular lautet die These: Körperkultur ist zuweilen Artistik. Wir
können das freilich nicht stringent beweisen, aber wir glauben daran
(im Sinne der Bestimmungen von Immanuel Kant[52]). Nach 42,195
Kilometern und mehr als viereinhalb Stunden Bedenkzeit stellte sich bei
uns das „Reflexionsgefühl“ (Welsch)[53] oder „Geistesgefühl“ (Kant)[54]
ein, welches besagt: dieser SchweißKunst-Lauf war wirklich schön[55]
und romantisch[56] .
Postskriptum: Nach dem Marathon vom Sonntag wollten wir am Montag
noch einen Museums-Halbmarathon absolvieren. Die Museen sind ja laut
Welsch „Trainings- und Fitnesszentren für das Gehirn“ (und das Gehirn
ist bekanntlich das wichtigste Organ beim Menschen)[57]. Da selbst in
Rom manche Museen montags einen Ruhetag einlegen, mussten wir uns quasi
mit der Kurzstrecke begnügen. Morgens strebten wir zu Michelangelos
„Pietà“ in den Petersdom. Danach ließ uns die Schweitzer Garde
tatsächlich durch und wir konnten das „Campo Santo Teutonico“ besuchen.
Diesen sehenswerten deutschen Friedhof hat übrigens der Magdeburger
Friedrich Frid um 1440 begründet. Er wirkte dort als Totengräber und
hat auch eine Marienkapelle erbaut. Auf dem Campo ruhen nun sowohl
berühmte als auch weniger bekannte Rom-Pilger - darunter beispielsweise
der Schriftsteller Stefan Andres, die Künstler Joseph Anton Koch,
Wilhelm Achtermann und Johann Martin von Rohden sowie die
Lebensgefährtin von Franz List: die Prinzessin Carolyne zu
Sayn-Wittgenstein. Im Palazzo delle Esposizioni besichtigten wir am
Nachmittag einige Klassiker der „Il Guggenheim. L'avanguardia americana
1945–1980“ sowie die Ausstellung: „Homo sapiens. La grande storia della
diversità umana“ und Fotos von „National Geographic Italia -The Meaning
of Life. Love, Work, Peace and Health“. An allen drei Tagen des
Rom-Aufenthalts bewunderten wir natürlich die zahllosen Bauten und
antiken Relikte im öffentlichen Raum. Das geschah teils ganz naiv,
teils mit der „Brille“ von Jacob Burckhardt:
„Es ist eine Tatsache, daß ungefähr seit der Mitte des 2.
Jahrhunderts die bisher noch immer lebendige Reproduktion des Schönen
stillsteht und zu einer bloß äußerlichen Wiederholung wird; daß von da
an innerliche Verarmung und scheinbarer Überreichtum der Formen Hand
und Hand gehen. […] Verfolgen wir zunächst die Schicksale der
Architektur. Die Hauptstadt ist hier für alle Entartung maßgebend. Rom
besaß in seinem Travertin und Peperin ein ernstes, gewaltiges Material
für monumentale Bauten. Als man aber, besonders seit Augustus, den
Marmor aus Carrara und aus Afrika nicht mehr entbehren wollte, wegen
seiner Bildsamkeit und seiner leuchtenden Schönheit, da gewöhnte sich
der Sinn des Römers daran, den nunmehr aus Ziegelplatten gebildeten
Kern des Gebäudes und die darum gelegte Marmorbekleidung als zwei
geschiedene Dinge zu betrachten. Letztere mußte auf die Länge als eine
willkürlich wandelbare Hülle, als eine Dekoration erscheinen. Doch
zwang der weiße Marmor den Künstler fortwährend, die Formen möglichst
edel zu bilden. Als aber die Vergötterung des möglichst teuren und
fremdartigen Materials mehr und mehr einriß, als im Orient so wie in
Afrika nach kostbaren Baustoffen [...], Porphyr, Jaspis, Achat und
Marmor aller Farben gesucht wurde, als die damals sehr massive
Vergoldung [...] in sinnlosem Maß überhandnahm, da mußte die Kunst und
der Künstler zurücktreten. Stoff und Farbe ziehe das größte Interesse
an sich […]. Der Lieferant und der Polierer werden unter solchen
Umständen wichtigere Personen als der Zeichner.“[58]
An dieser Stelle könnte eine andere Betrachtung über aktuelle
Tendenzen der Kulturwirtschaft oder über ästhetische Wucherungen in
einer Überproduktionsgesellschaft, in der ja sogar „Abwrackprämien“
gezahlt werden, beginnen. Aber es ist höchste Zeit, jetzt definitiv
abzubrechen.
Die Anmerkungen sind hinter die Bilderfolge gesetzt
![Lauf-Musik](_bilder/_dyn/2013-04-18_Betrieb01%20width%3d.html) Lauf-Musik
![Lauf-Musik](_bilder/_dyn/2011/Hertel3389.jpg) Lauf-Musik
![dionysische Sportler](_bilder/_dyn/2011/Hertel3393.jpg) dionysische Sportler
![Filmteam mittendrin](_bilder/_dyn/2011/Hertel3420.jpg) Filmteam mittendrin
![Neuseeländer am Start](_bilder/_dyn/2011/Hertel3445.jpg) Neuseeländer am Start
![Gedränge am Kolosseum](_bilder/_dyn/2011/Hertel3427.jpg) Gedränge am Kolosseum
![Lauf-Tourismus](_bilder/_dyn/2011/Hertel3466.jpg) Lauf-Tourismus
![Lauf-Wasser](_bilder/_dyn/2011/Hertel3453.jpg) Lauf-Wasser
![Vitamin-Doping](_bilder/_dyn/2011/Hertel3496.jpg) Vitamin-Doping
![laufend Karneval](_bilder/_dyn/2011/Hertel3477.jpg) laufend Karneval
![blinder Athlet im Gleichgewicht](_bilder/_dyn/2011/Hertel3478.jpg) blinder Athlet im Gleichgewicht
![Wärmefolien im Zielbereich](_bilder/_dyn/2011/Hertel3513.jpg) Wärmefolien im Zielbereich
![freudvoll erschöpft](_bilder/_dyn/2011/Hertel3518.jpg) freudvoll erschöpft
![Schnappschuss zum Schluss](_bilder/_dyn/2011/Hertel3536.jpg) Schnappschuss zum Schluss
Anmerkungen
[1] Vgl. das neue Buch von Wegerhoff, Erik: Das Kolosseum. Bewundert, bewohnt, ramponiert, Berlin 2012 : Wagenbach-Verlag.
[2] Vgl. Welsch, Wolfgang: SPORT -VIEWED AESTHETICALLY, AND EVEN AS
ART? In: The Aesthetics of Everyday Life, eds. Andrew Light and
Jonathan M. Smith (New York: Columbia University Press 2005) und die
Veröffentlichung des Textes im Internet:
http://www2.uni-jena.de/welsch/SPORT.pdf.
[3] Welsch, Wolfgang: SPORT -VIEWED AESTHETICALLY, AND EVEN AS ART?
Vgl.: http://www2.uni-jena.de/welsch/SPORT.pdf, S. 20. - Zum Beispiel
mit dieser Aussage: „Art could return to its different task once again
- one closer to its older aims, with the opposition to current
aestheticization now being one of its constituents. Sport best fills in
for the everyday longings of art. But it cannot substitute for
Schönberg, Pollock or Godard. Art's exception is to occur in a
different way from sport's.“
[4] Welsch, Wolfgang: Immer nur der Mensch? Entwürfe zu einer
anderen Anthropologie, Berlin 2011: Akademie Verlag, S. 144. Dies ist
die Beobachtungsperspektive, die der Legende nach Pythagoras als
grundlegend für Philosophie bestimmt hatte.
[5] Hüther, Gerald: Was wir sind und was wir sein könnten. Ein
neurobiologischer Mutmacher, Frankfurt am Main 2011: S Fischer Verlag,
S. 93.
[6] Zehentbauer: Körpereigene Drogen. Die ungenutzten Fähigkeiten
unseres Gehirns, Düsseldorf und Zürich 1997: Artemis & Winkler
Verlag. 7 Hüther, Gerald: Was wir sind und was wir sein könnten. Ein
neurobiologischer Mutmacher, Frankfurt am Main 2011: S. Fischer Verlag,
S. 93. Vgl. auch: Stoll, Oliver: Endorphine, Laufsucht und Runner’s
High. Aufstieg und Niedergang eines Mythos. Leipziger
Sportwissenschaftliche Beiträge, 1997 -28 (1), 102-121.
[8] Tinbergen, Nicolaas: On the aims and methods of ethology. Zeitschrift für Tierpsychologie, 20- 1963, 410–433.
[9] Welsch, Wolfgang: SPORT -VIEWED AESTHETICALLY, AND EVEN AS ART?
In: The Aesthetics of Everyday Life, eds. Andrew Light and Jonathan M.
Smith (New York: Columbia University Press 2005) - hier die
Veröffentlichung des Textes im Internet:
http://www2.uni-jena.de/welsch/SPORT.pdf, S. 5.
[10] Brecht, Bertolt: Die Krise des Sportes, in: Werke, Band 21,
Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag, Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1992,
222-224, hier 223.
[11] Ruge, Eugen: In Zeiten des abnehmenden Lichts. Roman einer
Familie, Reinbek bei Hamburg 2011: Rowohlt Verlag. Vgl. auch Krekeler,
Elmar: Interview mit Eugen Ruge in: WELT-Online vom 12.10.2011
(http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article13656147/Buchpreistraeger-verliebte-sich-in-seineMathelehrerin.html)
[12] Vgl. Reichholf, Josef H.: Warum wir siegen wollen. Der
sportliche Ehrgeiz als Triebkraft in der Evolution des Menschen,
Frankfurt am Main 2009, S. Fischer Verlag – vgl. beispielsweise Kapitel
16: „Vorzeitliche Marathonläufer“ S. 152 – 158. 13 Hüther, Gerald: Was
wir sind und was wir sein könnten. Ein neurobiologischer Mutmacher,
Frankfurt am Main 2011: S. Fischer Verlag, S. 169.
[14] Sprachlich sind zwar die Ausdrücke: >Überhören< und
>Übersehen< gebräuchlich; ein >Überriechen< ist jedoch
schwer möglich - es sei denn, man hat Schnupfen oder hält sich die Nase
zu. Die erschwerte Regulierbarkeit der olfaktorischen
Sinneswahrnehmungen könnte mit (der in der menschlichen Evolution zu
konstatieren) Reduktion des Geruchssinns zusammenhängen – vgl. Martin,
Robert D.: Die Evolution des menschlichen Körpers, in: Evolution und
Kultur des Menschen, herausgegeben von Ernst Peter Fischer und Klaus
Wiegandt, Frankfurt am Main 2010 : Fischer Taschenbuch Verlag, S. 97
ff. / (74 – 109).
[15] Reichholf, Josef H.: Warum wir siegen wollen. Der sportliche
Ehrgeiz als Triebkraft in der Evolution des Menschen, Frankfurt am Main
2009, S. Fischer Verlag, S. 121 f.
[16] Vgl. Welsch, Wolfgang: Immer nur der Mensch?, Berlin 2011:
Akademie Verlag, S. 52. „Dogen rät, möglichst viele solcher
Perspektiven durchzugehen. >Um die verschiedenen Arten der
Standpunkte zu verstehen, müssen wir die zahllosen Ansichten und
Eigenschaften […] untersuchen […]. Studiere alle Aspekte des Wassers
[…].< Nehmen wir das Beispiel des Wassers. Wie stellt es sich in
nicht-menschlicher Perspektive dar? Dogen vergleicht drei Perspektiven:
die der Menschen, die der Götter und die der Fische. Wir Menschen
erfahren das Wasser vornehmlich als fließend. Die Götter hingegen
sehen, wo wir 'Wasser' wahrnehmen, Schmuck: von oben auf den Ozean
blickend, nehmen sie vor allem das Glitzern des Wassers wahr, daher
erscheint dieses ihnen als Schmuck ihres Werkes. Die Fische erfahren
Wasser noch einmal anders: für sie ist das Wasser ihr großer Palast,
ihre weitläufige und herrliche Wohnstätte […] Man könnte auch zahllose
andere Perspektiven erwägen: Was ist Wasser aus der Perspektive der
Vögel oder der Steine oder der Berge – oder eines Bootes, eines
Flusses? Sicher jedes Mal etwas anderes. Das Fazit lautet: >Wasser
kann auf viele verschiedene Arten gesehen werden<“. Zum Wasser aus
der Perspektive des Wasser – vgl. ebenda, 54 f.
[17] Dogen: Sansuikyo („Die Sutren der Berge und Flüsse“), S. 171 -
zitiert nach Welsch, Wolfgang: Immer nur der Mensch?, Berlin 2011:
Akademie Verlag, S. 64.
[18] Welsch, Wolfgang: Immer nur der Mensch?, Berlin 2011: Akademie Verlag, S. 64.
[19] Vgl. Welsch, Wolfgang: Immer nur der Mensch?, Berlin 2011:
Akademie Verlag, S. 128 ff. - insbesondere die Phänomenologie der
Evidenzerlebnisse“ S. 136 f.
[20] Joseph Laporte",Living Water", in: Mind, Bd. 107, Heft 1,
Oxford University' Press 1998) Barbara Abbott, "Water = H20", in: Mind,
Bd. 108, Heft 1, Oxford University Press 1999 Barbara Malt, "Water is
not H2O", in: Cognitive Psychology, Bd. 27, Heft 1, Academic Press, San
Diego 1994) Vgl. auch http://www.inform24.de/wasser.html.
[21] Vgl. Damasio, Antonio: Selbst ist der Mensch. Körper, Geist
und die Entstehung des menschlichen Bewusstseins, München 2011: Siedler
Verlag, S. 202 f. Hier ein Auszug: „Das Protoselbst ist der Trittstein,
der für den Aufbau des Kern-Selbst gebraucht wird. Es ist eine
integrierte Ansammlung verschiedener neuronaler Muster, die in jedem
Moment die stabilsten Aspekte der physischen Struktur des Organismus
kartieren. Typisch für die vom Protoselbst erzeugten Karten ist, dass
sie nicht nur Bilder des Körpers erzeugen, sondern auch gefühlte Bilder
des Körpers.“
[22] Welsch, Wolfgang: SPORT -VIEWED AESTHETICALLY, AND EVEN AS
ART? In: The Aesthetics of Everyday Life, eds. Andrew Light and
Jonathan M. Smith (New York: Columbia University Press 2005) - hier die
Veröffentlichung des Textes im Internet:
http://www2.uni-jena.de/welsch/SPORT.pdf, S. 8.
[23] Klemm, Thomas: Musik beim Marathonlauf. Abba bis zur Erschöpfung, in: FAZ vom 25.10.2009
[24] Vgl. http://www.manorbaselmarathon.ch/rttb/rttb/ und
Karageorghis, C. I., & Terry, P. C. (2009). The psychological,
psychophysical, and ergogenic effects of music in sport: A review and
synthesis. In Bateman, A. J., & Bale, J. R. (Eds.) Sporting sounds:
relationships between sport and music (pp.13-36). London: Routeledge.
[25] Hellmann, Frank: Wirbel um Musikdoping. Darf ein Marathoni mit
iPod im Ohr laufen?, in: Frankfurter Rundschau vom 23.10.2009. Vgl
auch: Deutschlandradio Wissen. Gespräch mit Marc Schönwiesner. Doping
mit dem iPod,
http://wissen.dradio.de/fitness-doping-mit-dem-ipod.35.de.html?dram:article_id=126.
[26] Welsch, Wolfgang: SPORT -VIEWED AESTHETICALLY, AND EVEN AS
ART? In: The Aesthetics of Everyday Life, eds. Andrew Light and
Jonathan M. Smith (New York: Columbia University Press 2005) - hier die
Veröffentlichung des Textes im Internet:
http://www2.uni-jena.de/welsch/SPORT.pdf, S. 7.
[27] Vgl. Burckhardt, Jacob: Das Geschichtswerk, Band 1, 1. Teil
Die Zeit Constantins des Großen, Neu Isenburg 2007, S. 185 f. Dort
heißt es: „Die Kunst im höchsten Sinne des Wortes war einst der
Lebensatem des griechischen Volkes gewesen. […] Die Römer nahmen sie
ebenfalls bereitwillig in ihren Dienst, nicht bloß als Luxusgegenstand,
sondern weil sie dem Bedürfnis des Schönen entsprach, das in ihnen
selbst lebte, dessen tätige Entfaltung aber durch das Vorherrschen des
Kriegerischen und Politischen gehemmt wurde.“
[28] Vgl. Welsch, Wolfgang: Zur universalen Schätzung des Schönen,
in: Die Permanenz des Ästhetischen, hrsg. von Melanie Sachs u. Sabine
Sander, Wiesbaden 2008 : VS Verlag , >
http://www2.uni-jena.de/welsch/UNIVERSA2.pdf.
[29] Ebenda im Online-PDF-Text, S. 14.Vgl. in diesem Zusammenhang
auch Eibl, Karl: Survival of the happiest. Über den Nutzen des
ästhetischen Vergnügens, in: Evolution und Kultur des Menschen,
herausgegeben von Ernst Peter Fischer und Klaus Wiegandt, Frankfurt am
Main 2010 : Fischer Taschenbuch Verlag, S. 197 bis 219.
[30] Vgl. Aristoteles Lexikon, herausgegeben von Otfried Höffe,
Stuttgart 2005 : Alfred Kröner Verlag, S. 216 ff. Darin heißt es z. B.:
„eudaimonia/ Glück, Glückseligkeit […] heißt wörtlich: von einem guten
(eu) Geist (daimon) begünstigt oder beseelt sein.“ Und ferner: „Das
Glück, das man nicht passiv an sich herankommen läßt, sondern sich
aktiv erarbeitet, das Strebensglück im Unterschied zum Sehnsuchtsglück,
besteht in einer dem zielorientierten Handeln innewohnenden Vollendung“
(218 f.). Der „Begriff des Glücks verbindet also Handlungstheorie
(>Streben<) mit einer (konstruktiven) Semantik und einer
bescheidenden Anthropologie, mit der für den Menschen
charakteristischen Leistung [...]“ (221). Nicht nur bei kognitiven
menschlichen Höchstleistungen wird das Gehirn (lustvoll erregt)
integral aktiviert.
31] Vgl. Barfuß auf der Via Appia, in: FAZ vom 10.09.2010.
[32] Vgl.: http://www.youtube.com/watch?v=Eor5tWScK80.
[33] Vgl.: http://www.youtube.com/watch?v=0Dppdcy1pyM.
[34] Lauer, Gerhard: Spiegelneuronen. Über den Grund des
Wohlgefallens an der Nachahmung, in: Karl Eibl / Katja Mellmann /
Rüdiger Zymner (Hrsg.): Im Rücken der Kulturen. Paderborn 2007, S.
137-163
[35] Welsch, Wolfgang: SPORT -VIEWED AESTHETICALLY, AND EVEN AS
ART? In: The Aesthetics of Everyday Life, eds. Andrew Light and
Jonathan M. Smith (New York: Columbia University Press 2005) - hier die
Veröffentlichung des Textes im Internet:
http://www2.uni-jena.de/welsch/SPORT.pdf, S. 10.
[36] Welsch, Wolfgang: SPORT -VIEWED AESTHETICALLY, AND EVEN AS
ART? In: The Aesthetics of Everyday Life, eds. Andrew Light and
Jonathan M. Smith (New York: Columbia University Press 2005) - hier die
Veröffentlichung des Textes im Internet:
http://www2.uni-jena.de/welsch/SPORT.pdf, S. 16.
[37] „SPIRIT OF THE MARATHON II – THE ROME MARATHON BECOMES A MOVIE
>Spirit of the Marathon II – La Maratona di Roma< – the sequel to
the hugely successful and critically acclaimed >Spirit of the
Marathon< is now in production. The film will feature the stories of
an entirely new cast of runners from first-time marathoners to the
world’s elite all running the Rome Marathon. Opening with the
magnificent spectacle of the start to the Rome Marathon itself in front
of one of the worlds most iconic landmarks – the ancient Colosseum –
the film will then begin taking us through 26.2 miles of Rome’s most
visually stunning streets and awe inspiring landmarks. En route each
featured athlete will be introduced and their back stories will evolve
along the way. The gradual revelation of who these individuals are
along with their reasons for running will culminate as they approach
the grand Arch of Constantine and once again arrive at the Colosseum
making one final breathtaking circle before crossing the finish line.
And like the first >Spirit of the Marathon<, additionally
supporting each runner’s story, many of the world’s greatest marathon
runners past and present will provide commentary and historical
anecdotes throughout the film. Expanding upon the first film,
>Spirit of the Marathon II – La Maratona di Roma< will further
articulate the unique story of the marathon and deepen it’s meaning and
significance for runners, endurance athletes and society.“ (Vgl.:
http://romeinfo.wordpress.com/2012/01/10/acea-rome-marathon-2012/) und
hier der Link zum Vorläuferfilm SPIRIT OF THE MARATHON I:
http://www.marathonmovie.com/film.html [38] Ob auch Amateur-Videos wie der Laufbericht eines Teilnehmers
aus der Schweiz künstlerisch-dokumentarische Qualität besitzen, will
ich hier nicht erörtern – vgl.
http://www.youtube.com/watch?v=-k-xHz_3t2k.
[39] Welsch, Wolfgang: SPORT -VIEWED AESTHETICALLY, AND EVEN AS
ART? In: The Aesthetics of Everyday Life, eds. Andrew Light and
Jonathan M. Smith (New York: Columbia University Press 2005) - hier die
Veröffentlichung des Textes im Internet:
http://www2.uni-jena.de/welsch/SPORT.pdf – Fußnote 38: “Additionally,
the question of kitsch might serve as a test case. In the realm of the
arts kitsch is typically possible. So are there instances of kitsch in
sport? My hunch is that above all the sports which directly strive to
be aesthetic are in danger of producing events which for an educated
sensibility come close to kitsch. Take ribbon gymnastics as an example.
The playfulness, which stems not from bodily exertion but from
interplay with a fancy toy, borders - to say the least - on kitsch. Or
imagine a skier who only tried to ski beautifully and not efficiently:
some might admire him, others would certainly recognize and despise
this as kitsch. What was so marvellous with Ingemar Stenmark was that
in his case aesthetic appeal and efficiency resulted from the same
movements; further developments, in slalom for example, however
hindered such congruence: once you were allowed to ski over, instead of
around, the slalom posts (as has been the case since the introduction
of flexible poles), your descent can still be impressive in its
efficiency but no longer for its beauty. - If my guess is somehow
correct, then - interestingly enough and seemingly paradoxically - the
apparently 'aesthetic' sports would largely be exposed to the kitsch
trap, whereas the `purposive' ones would be good candidates for 'art'.”
[40] Menninghaus, Winfried: Wozu Kunst? Ästhetik nach Darwin,
Berlin 2011 Suhrkamp Verlag, S. 260 f. Vgl. außerdem Menninghaus,
Winfried: Kunst als >Beförderung des Lebens<:
Perspektiventranszendentaler und evolutionärer Ästhetik, München 2008:
Carl-Friedrich-vonSiemens-Stiftung.
[41] Vgl. Menninghaus, Winfried: Wozu Kunst? …,Berlin 2011, S. 274.
Menninghaus stützt sich hier insbesondere auf die (über 8 Jahre mit
2.500 Personen durchgeführte) Studie von: Bygren, Lars / Konlaan,
Boinkum B. / Johansson, Sven-E: “Attendance at Cultural Events, Reading
Books oder Periodicals, and Making Music or Singing in a Choir as
Determinants for Survival: Swedish Interview Survey of Living
Conditions“, in: British Medical Journal 313 (1996), S. 1577 - 1580).
Vgl. auch die aktuelle norwegische Studie von Cuypers, Koenraad /
Krokstad, Steinar / Holmen, Turid Lingaas / Knudtsen, Margunn Skjei /
Bygren, Margunn Skjei / Holmen, Jostein: “Patterns of receptive and
creative cultural activities and their association with perceived
health, anxiety, depression and satisfaction with life among adults:
the HUNT study, Norway”, in: Journal of Epidemiol Community Health,
23.05.2011 sowie Rötzer, Florian: “Gesünder durch Teilnahme an
kulturellen Aktivitäten?”, in: Telepolis, 24.05.2011
(http://www.heise.de/tp/artikel/34/34911/1.html).
[42] Erwähnenswert ist in diesem Kontext u. a. eine Studie aus den
USA, bei der „in allen Fällen […] positive Korrelationen zwischen dem
quantitativen Umfang der Beschäftigung mit den Künsten und Leistungen
in Mathematik, Lesen und Schreiben festgestellt“ wurden. „Bei
Differenzierung nach einzelnen Künsten ergab sich, dass die Musikkurse
mit der Verbesserung der mathematischen Leistungen (der sogenannte
>Mozart-Effekt<), die theaterbezogenen Kurse dagegen mit
verbesserten Noten in Lesen und Schreiben einhergehen.“ Menninghaus,
Winfried: Wozu Kunst? …, Suhrkamp Verlag Berlin 2011, S. 264.
Referenzquellen = Caterall, James S. / Chapleau, Richard / Iwanga,
John: „Involvement in the Art and Human Development: General
Involvement and Intensive Involvement in Music and Theatre Atrs“, in:
Fiske, Edward B (Hg): „Champions of Change. The Impact of the Art on
lerning, Washington: Arts Education Partnership 1999,
(http://artsedge.kennedy-center.org/champions/pdfs/ChampsReport.pdf)
und Schellenberg, E. Glenn / Nakata, Takayuki / Hunter, Patrick G. /
Tamoto, Sachiko: „Exposure to Music and Cognitive Performance: Tests of
Children and Adults”, in: Psychology of Music 35 (2007).
[43] Klinische Studien stützen z. B. „die Annahme positiver Effekte
von Musik auf das Wachstum von Säuglingen, […] auf Genesungsprozesse
bei Patienten und erhöhte Toleranz gegenüber behandlungsbedingten
Schmerzen sowie auf kognitive und affektive Defizite bei
Patientengruppen“. Menninghaus, Winfried: Wozu Kunst? …, Berlin 2011,
S. 266 f. Referenzquellen = Standley, Jane: „The Effect of Music and
Multimodal Stimulation on Physiologie and Developmental Responses of
Premature Infants in Neonatal Intensive Care”, in: Pidiatric Nursing 26
(1989) und Mithen, Steven: “The Singing Neanderthals. The Origin of
Music. Language, Mind and Body “, Cambridge (MA): Harvard University
Press 2007. Wenn über Mißerfolge oder Fehlentwicklungen disktiert wird,
wie zum Beispiel bei der aktuellen Diagnose eines “Kulturinfarks”
(Vgl.: Haselbach, Dieter / Klein, Arnim / Knüsel, Pius und Opitz,
Stephan: Kulturinfarkt. Von Allem zu viel und überall das Gleiche ,
München 2012 : Albrecht Knaus Verlag.) wäre es im Hinblick auf
Ausgewogenheit auch angebracht, die Erfolge und Fortschritte im
Kulturbereich zu benennen und zu würdigen. Für den Bildungsbereich hat
Gerald Hüther dazu bereits einen interessanten Diskussionsbeitrag
geliefert. (Vgl.: Hüther, Gerald: Was wir sind und was wir sein
könnten. Ein neurobiologischer Mutmacher, Frankfurt am Main 2011: S.
Fischer Verlag.) Darin geht er beispielsweise der Frage nach, welche
pädagogische Leistung der letzten Jahrzehnte als großer Erfolg verbucht
werden kann. Er fragte auf einer Tagung “die dort versammelten
Gymnasiallehrer […], was aus ihrer Sicht die größte und bedeutendste
pädagogische Leistung der letzten drei Jahrzente sei.” Da die
Lehrerschaft zögerlich und ratlos erschien, gab er selbst eine Antwort:
Noch vor drei Jahrzehnten wurden “alle Kinder mit Trisomie 21 als
Mongoloide bezeichnet und als genetisch defizient, in ihrer
Hirnentwicklung massiv gestört betrachtet”. Sie galten “als
schwachsinnig” und waren “natürlich unbeschulbar”. Inzwischen ist es
gelungen, diese Kinder in geeigneter Weise zu unterrichten. Es haben
sogar “die ersten Trisomie-21-Patienten ihr Abitur gemacht und ein
Studium aufgenommen” (HÜTHER, S. 123). Und mit welchen Methoden wurde
dieser Erfolg erzielt? Wenn ich Hüther richtig verstehe und wenn die
oben erwähnten Studien zutreffen, kam dieser enorme Bildungserfolg
offenbar auch mit Hilfe von Kunst und Kultur zustande. Allerdings darf
man hier nicht einen engen Kulturbegriff zugrunde legen, der lediglich
das als Kultur anerkennt, was in den Haushaltplänen bei Bund, Land und
Kommunen in einer entsprechenden Titelgruppe auftaucht und als
förderungswürdig gilt. Die Beispiele von Hüther illustrieren
verschiedene künstlerische und kulturelle Betätigungen, die aus einem
(in der protokullturellen Phase der Evolution des Menschen
herausgebildeten) kreativen Potential erwachsen. Vgl. auch Hüther,
Gerald: Die Bedeutung von Musikerfahrung für Kinder, in: Kreusch-Jakob,
D.: Kinder für Musik begeistern, München 2009 : Knaur-Ratgeber Verlag.
[44] Interessant wären auch präventive Effekte von Kunst. Oder man
stelle sich vor, dass ein Arzt keine Pillen verschreibt, sondern
Theater- oder Konzertbesuche verordnet. Selbst wenn dabei nur
Placebo-Effekte erzielt würden, könnte das weniger Schaden anrichten
als manche Medikamente. Nur die pharmazeutische Industrie hätte ggf.
Schwierigkeiten bei iher Profit-Maximierung.
[45] Menninghaus, Winfried: a.a.O., S. 270. In der (durch
Infarkt-Diagnosen beunruhigten) kulturpolitischen Diskussion (vgl.
Haselbach, Dieter u.a.: Kulturinfarkt ... a.a.O.) ist es
schlechterdings noch willkürlicher. Die meisten Erwartungen, Ziele und
Funktionszuschreibungen im Hinblick auf Kunst und Kultur sind nur
spekulativ und wissenschaftlich untersuchte Kausalzusammenhänge werden
kaum in Betracht gezogen. Über Möglichkeiten, den Tauschwert von
Kulturgütern, Kunst und ästhetischen Dienstleistungen zu steigern, wird
bereits intensiv diskutiert. Könnte es sein, dass auch eine
kulturpolitischen Verständigung darüber notwendig ist, worin der
spezifische Gebrauchswert von Kunst besteht undwie dessen Optimierung
möglich ist? Die Herausforderung besteht nicht darin, ein
vermeintliches Überangebot an Kunst und kulturellen Dienstleistungen
abzubauen, sondern darin, diese Güter verstärkt zur Geltung zu bringen
bzw. vermehrt zum Wohle des Gemeinwesens nutzbar zu machen. (Einen
Abbaubedarf gibt es stattdessen beim zivilisatorischen Müll, der als
schnell verschleißende Ware massenhaft hergestellt wird und bei dessen
Produktion teilweise Ressourcen in großem Umfang verschwendet werden.)
[46] Danto, Arthur C.: Die Verklärung des Gewöhnlichen. Eine Philosophie der Kunst, Frankfurt am Main 1984 : Suhrkamp Verlag.
[47] Man denke an Marcel Duchamps „Flaschentrockner“ (1914) oder an sein Werk „Fontäne“ (1917).
[48] Das korrespondiert auch mit den von Welsch erwähnten Aussagen
des finnischen Ski-Langlauf-Weltmeisters Mika Myllylä. Dieser
herausragende Athlet bestand beispielsweise darauf, dass für ihn die
größte Freude eher beim Training aufkommt und nicht durch das Gewinnen
hervorgerufen wird. Mit seiner eigenwilligen Trainingsmethode, die
nicht nach strengem Plan vorgeht, sondern auf Körpergefühle Rücksicht
nimmt, gelang es ihm, von Verletzungen verschont zu bleiben und
zugleich extrem erfolgreich zu sein. Vgl. Welsch, Wolfgang: SPORT
VIEWED AESTHETICALLY, AND EVEN AS ART? In: The Aesthetics of Everyday
Life, eds. Andrew Light and Jonathan M. Smith (New York: Columbia
University Press 2005) - hier die Veröffentlichung des Textes im
Internet: http://www2.uni-jena.de/welsch/SPORT.pdf, S. 5. Leider gibt
es im Beispielfall Myllylä zwei Wermutstropfen. Erstens: auch dieser
Spitzensportler hat offenbar Dopingmittel eingesetzt. Schon bei der WM
2001 hatte der „Kronzeuge“ von Welsch (ebenso wie andere Ski-Langläufer
aus der finnischen Mannschaft) Hydroxyethylstärke gespritzt bekommen.
Er musste eine zweijährige Sperre verbüßen und versuchte 2004 ein
Comeback. Bald darauf beendete Myllylä seine Sport-Karriere. Zweitens:
im persönlichen Leben verfolgte ihn nach den sportlichen Erfolgen das
Pech (Alkoholsucht, Schlägereien, Scheidung). Am 5. Juli 2011 ist
Myllylä in die „Ewigen Jagdgründe“ eingegangen.
[49] Lorenz, Konrad: Die angeborenen Formen möglicher Erfahrung,
in: Zeitschrift für Tierpsychologie, Bd. 5, S. 16 – 409, 1942 (zitiert
nach Hüther, Gerald: Was wir sind und was wir sein könnten … a.a.O., S.
128 f.)
[50] Im Internet: https://picasaweb.google.com/101604304033047178980/RomMarathon2012? authkey=Gv1sRgCMKTmrWmwPbjYg
[51] Vgl. beispielsweise Benn, Gottfried: Probleme der Lyrik, in:
Gottfried Benn Sämtliche Werke, Band VI. „Ich gebrauchte vorhin […] den
Ausdruck Artistik und sagte, das sei ein umstrittener Begriff - in der
Tat, er wird in Deutschland nicht gern gehört. Der durchschnittliche
Ästhet verbindet mit ihm die Vorstellung von Oberflächlichkeit,
Gaudium, leichter Muse, auch von Spielerei und Fehlen jeder
Transzendenz. In Wirklichkeit ist es ein ungeheuer ernster Begriff und
ein zentraler. Artistik ist der Versuch der Kunst, innerhalb des
allgemeinen Verfalls der Inhalte sich selber als Inhalt zu erleben und
aus diesem Erlebnis einen neuen Stil zu bilden, es ist der Versuch
gegen den allgemeinen Nihilismus der Werte eine neue Transzendenz zu
setzen: die Transzendenz der schöpferischen Lust.“ (S. 14)
[52] Gemeint ist die bemerkenswerte Unterscheidung, die man in
Kants "Kritik der reinen Vernunft" findet. Kant bestimmt dort nämlich
u. a. drei verschiedene Diskurs-Arten: das Meinen, das Glauben und das
Wissen. Beim >Meinen< (M) ist nichts objektiv bewiesen und auch
subjektiv ist man sich nicht sicher. Beim >Glauben< (G) kann man
objektiv nichts beweisen, ist sich aber subjektiv sicher. Beim
>Wissen< (W) hat man sowohl objektiv als auch subjektiv die
Sicherheit, dass die Erkenntnis oder Ansicht richtig ist. Das ließe
sich vielleicht sogar mit folgenden Formeln darstellen: M = s- / o-G =
s+ / o-W = s+ / o+ Aber wenn man diese formale Verschriftlichung
betrachtet, fällt doch auf, dass der Königsberger wohl eine
Kombinationsmöglichkeit ausgeblendet hat. Man kann nämlich
beispielsweise auch auf objektive (wissenschaftlich bewiesene)
Tatsachen treffen und subjektiv trotzdem unsicher bleiben. Also: s- /
o+. Aber wie wäre diese Diskurs-Art zu nennen? Mein Vorschlag lautet
>Sinnen< (mit der Bedeutung von ästhetisch-sinnlicher Erregung,
welche zugleich die Sinn-Suche motiviert) – Ironiker werden vermutlich
den Gegenvorschlag unterbreiten: >Spinnen<. Vgl. Kant, Immanuel:
Kritik der reinen Vernunft, A 822 = B 850.
[53] Welsch, Wolfgang: Immer nur der Mensch?, Berlin 2011: Akademie
Verlag, S. 207. Dort heißt es: „Reflexions-Gefühle sollte man nicht mit
Standardgefühlen gleichsetzen. Die letzteren, beispielsweise ein
Schmerz-oder ein Müdigkeitsgefühl, sind gewiss bloß subjektiv […].
Reflexionsgefühle hingegen erheben zu Recht Ansprüche höherer Art. In
ihnen geht es um Wahrheit.“
[54] Ebenda. Welsch merkt an: „In diesem Sinne hat beispielsweise
Kant das Gefühl des Erhabenen ein >Geistesgefühl< genannt (Kant,
Kritik der Urteilskraft […])“.
[55] >schön< im Sinne von „brain-happiness“ Welsch, Wolfgang:
Zur universalen Schätzung des Schönen ...
http://www2.uni-jena.de/welsch/UNIVERSA2.pdf.
[56] >romantisch< gemäß der Definition, welche Novalis
gegeben hat: „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen
ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten,
dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es
[...].“ Novalis: Das theoretische Werk, in: Novalis Werke herausgegeben
von Gerhard Schulz, München 1969, S. 38.
[57] Vgl. Welsch, Wolfgang: Zur universalen Schätzung des Schönen ... -http://www2.unijena.de/welsch/UNIVERSA2.pdf.
[58] Burckhardt, Jacob: Das Geschichtswerk, Band 1, 1. Teil Die Zeit Constantins des Großen, Neu Isenburg 2007, S. 187.
|
| |