Report | Kulturation 1/2003 | Horst Groschopp | Bush als starker religiöser Globalist und der Papst als schwacher säkularer Universalist oder: Wie mobilisiert man Nationen? Beitrag zur politischen Talkrunde der KulturInitiative’89 am 31.01.03
| Papst Johannes Paul II am 13. Januar 2003:
„Der Krieg ist nie ein Mittel wie andere, das man zur Beilegung von
Auseinandersetzungen zwischen Nationen einsetzen kann. Er ist nie ein
unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage der Menschheit.“
George W. Bush am 28. Januar 2003: „Manche sagen, wir
sollten nicht handeln, bis die Bedrohung unmittelbar ist. Seit wann
geben Terroristen und Tyrannen ihre Absichten bekannt und setzen uns
höflich in Kenntnis, bevor sie zuschlagen? ... Wir werden unsere
Probleme nicht leug-nen, wir werden sie nicht ignorieren, nicht an
andere Kongresse, andere Prä-sidenten und andere Generationen
weiterreichen.“
Wir erleben z. Z. eine außerordentliche Theologisierung der
Politik, zum einen als Rechtfertigung bestimmter, noch nicht ganz
klarer, jedoch nicht allein auf das Interesse am Öl zielender Absichten
der US-Regierung und einiger europäischer Bündnispartner. Zum anderen
bemühen auch alle Gegner (oder vorsichtiger: Kritiker) der US-Politik
kulturelle, ja nahezu reli-giöse Motive. Das war immer ein Zeichen,
dass es sehr ernst ist und dass es ams Eingemachte geht. Man ist
bereit, alles einzusetzen, bis auf die letzten Werte, als das Teuerste,
was eine Gemeinschaft einzusetzen ver-mag.
Die für uns – als
Gemeinschaft in Deutschland – relevante Frage ist die, ob wir etwas
verpassen, wenn wir nicht mitmachen. Das heißt auch, ob unsere
Strategie, den Osten mit Geld und Projekten zu erobern, nach dem zwei
Kriege schief gingen, dann doch noch aufgeht, wenn die Amerikaner sich
im Irak eingenistet haben, den Ölfluss und die Ausrüstung
kontrollieren, wieder stärker in Afghanistan sind und wir mit den
Russen, den Iranern, Syrern und Palästinensern die Tschetschenen
entweder aufreiben oder zu kooperierenden Siegern machen.
Was
die Amerikaner vor uns auszeichnet ist, dass sie eine Strategie haben
(die von Schröder und Chirac hat erst einmal verloren, nämlich die, den
Irak zu domestizieren und die mit Frankreich und Deutschland
geschlossenen Verträge einzuhalten, was bisher die Amerikaner mit dem
Boykott verhinderten). Warum sollten die Amerikaner die Gelegenheit zur
Weltherrschaft nicht ergreifen? Was interes-siert Amerika, wenn der
Papst von einer Niederlage für die Menschheit spricht? Was ist die
Menschheit?
Haltet Euch an den Papst und die Universalien, sagt
uns Bush, ich halte mich an die Realitäten. Die Vorgänger dieses
Papstes haben schon einmal vergeblich versucht, uns Methodisten in die
Sekten-Ecke zu stellen und zu vernichten. Wir sind ausgewandert und
haben jetzt hier die Macht.
Die Menschheit ist doch kein Subjekt
der Geschichte, liebe Europäer, ihr alten Träumer. Die Menschheit wählt
nicht, kauft nicht – und ist in verschiedene staatliche Gemeinschaften
zerstritten. Realpolitik für eigene Interessen war schon immer das, was
unsere amerika-nische Politik ausgezeichnet hat: Folgt uns oder lasst
es, wir machen’s so-wieso.
Nicht nur Saddams Zeit läuft ab, auch
Eure. Ihr seid nicht darauf eingegangen, als wir sagten, Saddam baut
Atomwaffen. Gut, dann sagten wir, er hat biologische Waffen. Das wissen
wir, denn wir haben sie im Iran-Irak-Krieg selbst geliefert. Er wird
doch wohl noch Reste davon versteckt halten. Das habt Ihr auch nicht
geglaubt. Gut, dann haben wir Euch die Ge-schichte von den beherbergten
Terroristen erzählt und dann die vom armen Volk unter dem bösen
Diktator – und Ihr wollt immer noch nicht. Nun, dann decken wir die
letzten Karten auf:
Wie Ihr wisst, hatte ich Mitte der Achtziger
ein Bekehrungserlebnis. Ich pflege seitdem nicht nur den Alkohol- und
Tabakverzicht, stehe immer früh auf, gehe diszipliniert zu Bett, halte
früh die allmorgendliche Bibelstunde und auch am Anfang einer jeden
Kabinett-sitzung steht das Gebet. Auch in meiner Rede an die Nation
werde ich wie-derholt den „lebendigen Gott“ anrufen und Euch sagen, wir
stehen vor ent-scheidenden Tagen. Ich werde nicht von Erlösung
sprechen, sondern von Ausmerzung, damit Ihr versteht, dass das Böse
erst getilgt sein muss, ehe wir erlöst sind.
Ihr gottlosen
Europäer habt doch nicht einmal eine Idee, wie Ihr Euch aus der Zange
zieht, in die Ihr geratet, wenn Ihr uns nicht folgt. Ihr denkt, es geht
uns nur uns Öl! Da unterschätzt Ihr uns gewaltig. Warum hätte ich sonst
über Aids und all die bösen Dinge gesprochen, die unsere Gesellschaft
krank machen. Wenn wir die Welt beherrschen wollen, müssen wir alle
Ressourcen in unserem schönen heiligen Land mobilisieren. Wir brauchen
Ingenieure und gebildete Soldaten. Wer lernen will, wird lernen können.
Es wird Aufstiege geben und Wachstum und es wird eine Ehre sein und ein
gutes Leben, im Irak und später in Indien unser System zu implantie-ren.
Wir
werden Euch nicht brauchen, wer spricht schon deutsch oder französisch?
Das haben die Bulgaren und Engländer erkannt. Bleibt Ihr zurück bei
Eurem Humanismus der Individualitäten, wir bauen eine neue
Gemeinschaft, wir haben noch Feinde, wir kennen sie. Aber Eure falschen
Freunde werden über Euch herfallen, über wen denn sonst? Woanders
sit-zen wir. Nehmt sie auf, die Vertriebenen dieser Welt – Ihr habt
doch ein gu-tes Herz, einen prima Papst und viele säkulare Humanisten.
Hey boys and girls in old europe, the time is running up, the time i
running up, the time i running up ...
(Beitrag zur politischen Talkrunde der KulturInitiative’89 am 31.01.03)
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