Rezension | Kulturation 1/2009 | über Rainer Knapp: Chronik der Gesellschaft für Fotografie (GfF) | Isolde Dietrich | Über ostdeutsche Fotoenthusiasten
| Eine Zeitgeschichte zur Fotografie im Kulturbund der DDR 1945 bis 1990. Hg. Kulturbund e. V., Berlin 2008, 167 S.
"Gut Licht!" möchte man dieser Chronik wünschen, die ganz versteckt im Selbstverlag erschienen und nur direkt beim Autor zu erwerben ist. Rainer Knapp beschreibt, wie Fotointeressierte im Osten Deutschlands zwischen 1945 und 1990 unter dem Dach des Kulturbundes eine organisatorische Heimat fanden. Damit waren sie nach anfänglicher Unabhängigkeit zunehmend den kulturpolitischen Grundsätzen dieser Vereinigung verpflichtet, erreichten zugleich aber auch einen größeren gesellschaftlichen Wirkungskreis. Zudem profitierten Fotografen und Fotofreunde von den gesetzlich zugesicherten Rahmenbedingungen für die Arbeit des Kulturbundes. Sie mussten sich nicht den mühsamen Prozeduren von Vereinsgründung und -führung unterziehen, konnten kostenlos Räume nutzen, mitunter auch technische Ausstattungen, bekamen Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Publikationsmöglichkeiten, wurden finanziell gefördert und waren versicherungsrechtlich geschützt.
Die Gesellschaft für Fotografie vereinigte Amateur- und Berufsfotografen sowie Bildjournalisten. Dieses Miteinander von Laien und Profis prägte die gesamte Arbeit. Es bot gleichermaßen Raum für wissenschaftliche Tagungen von Spezialisten wie für Ferienlager fotobegeisterter Kinder, für regionale, nationale und internationale Wettbewerbe wie für Erfahrungsaustausch und Geselligkeit in lockerer Stammtischatmosphäre. Zu den Verdiensten der Gesellschaft für Fotografie gehört es, in der DDR die Anerkennung der Fotografie als kulturellen Tatbestand, als Medium der sinnlichen Erkenntnis angestoßen zu haben. Freilich fielen die Konsequenzen dieser Einsicht unterschiedlich aus. Relativ früh ist die Fotografie in kulturpolitischen Dokumenten und in der realen Förderpraxis als eine Seite des volkskünstlerischen Schaffens verankert worden. Auch die Bemühungen um die Aufarbeitung des Erbes der Arbeiterfotografie waren erfolgreich. Dagegen konnte bis Ende der 80er Jahre trotz großer Anstrengungen nur eine einzige Fotogalerie eingerichtet werden (in Berlin am Helsingforser Platz). Ein immer wieder gefordertes Museum für Fotografie kam nicht zustande. Die dafür nötigen Forschungen zur Theorie und Geschichte der Fotografie unterblieben bzw. kamen über einzelne Ansätze nicht hinaus.
Dennoch weist die Chronik der Gesellschaft für Fotografie eine insgesamt positive Bilanz aus. In einer Zeit ohne fotocommunity und ohne Online-Ausstellungen bot sie für Tausende von Fotoenthusiasten die einzige Gelegenheit für Begegnung und Kommunikation unter Gleichgesinnten, ein Ort der Wissensvermittlung und der sozialen Anerkennung. 1988 zählten die direkt im Kulturbund organisierten 400 Arbeitsgemeinschaften über 6000 Mitglieder. Darüber hinaus wurden 524 Betriebs- und Jugendfotogruppen von der Gesellschaft für Fotografie betreut. Weitere Schul- und Betriebsfotogruppen (insgesamt gab es über 1000) wurden zwar von der Gewerkschaft (FDGB), dem Jugendverband (FDJ) und von den Bildungseinrichtungen getragen, von der GfF aber auf vielfältige Weise unterstützt.
Einen Schönheitsfehler hat die sehr zu empfehlende Chronik von Rainer Knapp allerdings - sie besteht nur aus Text (dazu gehören zahlreiche Dokumente), verzichtet völlig auf Fotos. Dies ist wohl nicht der Quellenlage geschuldet, sondern den technischen und finanziellen Möglichkeiten einer im Selbstverlag gedruckten Publikation. Solch ein Mangel dürfte sich schnell beheben lassen. Man fragt sich ohnehin, weshalb dieser geschichtliche Rückblick nicht mehr auf der Homepage der Gesellschaft für Fotografie zu finden ist, die als eingetragener Verein noch heute existiert. Die Gesellschaft sollte ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern sich selbstbewußt auf ihre Anfänge besinnen. Die kritische Sicht auf die eigene Vergangenheit hat noch jeder Organisation gut getan. Welcher Reichtum an kreativen Ideen wird allein in dieser knappen Chronik sichtbar. Wenn dann noch eine Fotostrecke preisgekrönte Aufnahmen zeigen würde (insgesamt hatte die GfF bis 1990 wohl 73 nationale und internationale Wettbewerbe bzw. Ausstellungen initiiert), wäre das ein unschätzbarer Fundus - ein Stück DDR-Geschichte in Bildern, mit den Augen von Fotografen und vor allem von Juroren gesehen.
Die Chronik kann zum Preis von 15,- € (inkl. Versand) bestellt werden bei
Rainer Knapp
Helene-Weigel-Platz 13
D-12681 Berlin
RaiKnapp@t-online.de
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