Rezension | Kulturation Band 41 | über Jörg Haspel, Hubert Staroste (Hrsg.): Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin | Gerd Dietrich | Denkmalpflege in der DDR. Rückblicke
Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin, Band 41. Hrsg. vom Landesdenkmalamt. Herausgeber: Jörg Haspel, Hubert Staroste. Konzeption und Betreuung: Ludwig Deiters, Peter Goralzyk, Ernst Wipprecht. Nicolai Verlag, Berlin 2014, 576 S. 621 Abb. (Bildnachweise, Biographien und Register im Anhang) | Einerseits hatte die Denkmalpflege in der DDR beachtliche Leistungen aufzuweisen, man denke nur an den Dresdner Zwinger, Lindenforum und Gendarmenmarkt in Berlin oder das Magdeburger Ensemble am hohen Elbufer von Dom und Domplatz über das romanische Liebfrauenkloster, den Marktplatz mit dem alten Rathaus bis zur mittelalterlichen Baugruppe Walloner- und Petrikirche. Andererseits wurde immer wieder der unwiederbringliche Verlust der Stadtschlösser von Berlin und Potsdam, der Sophienkirche in Dresden und der Garnisonskirche in Potsdam, der Jacobikirche in Rostock und der Universitätskirche St. Pauli in Leipzig benannt.
Anfang der 1990er Jahre meinte ein Besucher der Marktkirche in Halle an der Saale: „Wie sähe die Kirche wohl jetzt aus, wenn die Wende nicht gekommen wäre!“ Darauf antwortete ihm der Fachmann: „So wie jetzt, denn die Restaurierung wurde bereits vor 20 Jahren abgeschlossen!“ (S. 89) Freilich war es auch zum Flächenabriss ganzer Altstadtreale in der DDR gekommen. Eine augenfällige Gleichgültigkeit gegenüber den baulichen Zeugnissen der Vergangenheit führte zu irreparablen Schädigungen vieler historischer Stadtbilder. Jener Besucher hatte die zerfallenden Halleschen Altstadtgassen vor Augen.
Gleichwohl wuchsen Ansehen und Einfluss der Denkmalpflege Jahr um Jahr, die Zahl ihrer beruflichen wie ehrenamtlichen Mitarbeiter und Helfer ebenso wie die ihr zur Verfügung stehenden Mittel. Und selbständige Landesdenkmalämter konnten nach 1990 deswegen so schnell wieder geschaffen werden, weil innerhalb des Instituts für Denkmalpflege (IfD) der DDR diese alte Struktur beibehalten worden war. „Schon die Tatsache, dass alle fünf Landeskonservatoren der neuen Landesdenkmalämter aus dem Mitarbeiterstamm des IfD hervorgegangen sind, muss als außerordentliche positive Ausnahme angesehen werden.“ (S. 116)
Das hier zu dokumentierende Buch ist keine monographische und historisch-kritische Darstellung, sondern ein umfangreicher Sammelband. Es ist nicht auf Vollständigkeit und Vergleichbarkeit angelegt, sondern enthält persönliche Rückblicke, Erinnerungen und Reflexionen über die Zeitgeschichte der Denkmalpflege in SBZ und DDR. Damit liegt eine sehr gelungene, aufschlussreiche und lesenswerte Dokumentation über diesen Gegenstand vor. Sie ist von einmaligem historischem Wert, weil die Akteure noch einmal selbst zu Wort kommen, weil sie sachlich und engagiert über Gewinn und Verlust ihres Wirkens berichten, weil sie wichtiges Material aus Privatbesitz aufarbeiten. Alle 24 Autoren des Bandes waren bzw. sind in der Denkmalpflege beschäftigt. Sie öffnen den Blick für eine realistische Bewertung der geleisteten Arbeit unter teilweise schwierigen ökonomischen und politischen Bedingungen. Sie geben eine deutliche und klare Antwort auf die ungläubig-ignorante Frage, ob es denn Denkmalschutz in der DDR überhaupt gegeben habe.
Ludwig Deiters, Generalkonservator a. D. des IfD, hatte seine Erlebnisse und Erfahrungen als Architekt und Konservator niedergeschrieben und den Kollegen zur Diskussion gestellt. Das bot den Anlass und eröffnete dem Landesdenkmalamt erst die Möglichkeit, eine so umfassende Textsammlung zu realisieren. Deiters ausführlicher Beitrag über die institutionelle Entwicklung der Denkmalpflege führt zugleich inhaltlich in die Thematik ein. Er betrachtet zunächst die Landesämter für Denkmalpflege von 1945 bis 1952, die unter Anleitung der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten standen, und hebt die
qualifizierte Mitarbeit des sächsischen Landesamtes bei der Erarbeitung der gesetzlichen Grundlagen für die Denkmalpflege hervor. Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts war gerade in Sachsen an einem Denkmalpflegegesetz gearbeitet worden. Es existierte bereits ein ausgewogener Denkmalbegriff, der eine sehr praktikable Verständigungsbasis für Architekten, Restauratoren und Kunsthistoriker darstellte. Nach einem Exkurs zur eigenen beruflichen Entwicklung, die eine beachtliche selbstkritische Sichtweise auf seinen Einsatz in verantwortlichen Positionen innerhalb der Denkmalpflege enthält, schildert Deiters die Existenzkrise des 1952 gegründeten Instituts für Denkmalpflege vor allem Anfang der 1960er Jahre. Eine spürbare Verbesserung der Situation für alle denkmalpflegerischen Aktivitäten trat erst Anfang der 1970er Jahre ein. Nachvollziehbar wird das harte Ringen um das erste Denkmalpflegegesetz von 1975 geschildert. Immer wieder traten in den Bezirksleitungen der SED erbefeindliche Haltungen auf, die durch geschicktes Interagieren aller denkmalpflegerisch Engagierten im zähen Ringen überwunden werden mussten. Zwar setzten Politik und Wirtschaft die Prioritäten, aber zusammen mit den Verbündeten der Denkmalpflege, im Bund der Architekten und bei den Heimatfreunden und Denkmalschützern im Kulturbund, aber auch unter Mitarbeitern des Bauwesens und der Verwaltung, bis hin zum Aufbau eigener Baukapazitäten innerhalb des IfD („VEB Denkmalpflege“), konnte angesichts der Widerstände doch Maßgebliches erreicht werden.
Um einen Blick für die Entwicklung, die Tätigkeitsbereiche und die Praxis der Denkmalpflege in der DDR zu gewinnen, sei hier der Inhalt des Bandes wiedergegeben. Die einzelnen Beiträge zu kommentieren, würde den Rahmen der Rezension überschreiten. Nach einem Editorial von Jörg Haspel und Hubert Staroste und Vorbemerkungen von Ludwig Deiters und Ernst Wipprecht folgen:
I. Institutionelle Entwicklung der Denkmalpflege
Ludwig Deiters: Das Institut für Denkmalpflege in der DDR – Erinnerungen und Reflexionen
Horst Ende: Ein schwieriger Neuanfang – das mecklenburgische Landesamt für Denkmalpflege von 1946 bis 1952
Peter Goralczyk: Das Haus Brüderstraße 13, Amtssitz des Instituts für Denkmalpflege – vom städtischen Adelspalais zum bürgerlichen Wohn- und Geschäftshaus und zum Bürogebäude
Reinhard Rüger: Ein Tag wie mancher andere – Erinnerungen eines Mitarbeiters derArbeitsstelle Halle des Instituts für Denkmalpflege
Rainer Schöne: der Aufbau von Spezialkapazitäten in der Denkmalpflege
Reiner Koppe: das „Messbildarchiv“ im Institut für Denkmalpflege
Ernst Wipprecht: Von der Arbeitsstelle Berlin des Instituts für Denkmalpflege zum Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege - Wandel in Zeiten des Umbruchs
II. Tätigkeitsbereiche der Denkmalpflege
Peter Goralczyk: Denkmalpflege und Politik in der DDR – ein Rückblick
Ludwig Deiters: Anmerkungen zur Methodik und Praxis der Denkmalpflege
Ernst Badstübner: Denkmalerfassung und Inventarisation
Reinhard Schmitt: Bauforschung in den Arbeitsstellen des Instituts für Denkmalpflege
Ernst Wipprecht: Erhaltung und Wiederherstellung von Denkmalen nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg – eine abgeschlossene Aufgabe in der Denkmalpflege?
Gotthard Voß: Gedenktage und bedeutende öffentliche Feiern als Fördermöglichkeiten für Denkmale
Werner Heinrich: Konstruktive Sicherung von Baudenkmalen – Hilferufe an den Dresdner Statiker Wolfgang Preiß
Gotthard Voß: Ein Bauingenieur im Institut für Denkmalpflege
Hans-Hartmut Schauer: Aufgaben und Methoden der städtebaulichen Denkmalpflege am Beispiel von Sachsen-Anhalt (ehemalige Bezirke Halle und Magdeburg)
Thomas Noky: Pflege und Erhaltung ländlicher Denkmale – ein Blick zurück
Günther Timm: Zur Gartendenkmalpflege in Thüringen
III. Aus der Praxis der Denkmalpflege
III. 1. Altstädte und prägende Stadtbereiche
Wolfgang Hähle: Görlitz als frühes Beispiel zur denkmalgerechten Sanierung und Modernisierung von historischen Altstädten mit Modellcharakter
Gerhard Glaser: Die Altstadt von Torgau und der Wohnungsbau als soziale und kulturelle Aufgabe
Hans-Hartmut Schauer: Bemühungen der Denkmalpflege zur Erhaltung der Fachwerkstadt Quedlinburg
Heinrich Schleiff: Wiederaufbau und Stadtreparatur konnten den Verfall unserer Städte nicht aufhalten
Ernst Wipprecht: Die Bernauer Altstadt – ein gescheitertes Modellprojekt zur „sozialistischen Umgestaltung“ von Klein- und Mittelstädten
Peter Goralczyk: Der Wiederaufbau des Berliner Gendarmenmarktes 1961 bis 1984
Dieter Zander: Erinnerungen eines Konservators – Wege zur Selbsthilfe
III. 2. Schlösser, Herrenhäuser, Burgen und andere Baudenkmale
Peter Goralczyk: Denkmalpflege an Schlössern, Herrenhäusern und Burgen in Brandenburg
Dieter Zander: Das Güstrower Schloss – ausgewählte Beispiele aus der jüngeren Restaurierungsgeschichte
Ernst Wipprecht: Der ländliche Adelssitz als Gegenstand der Denkmalpflege nach 1945 – das Beispiel des klassizistischen Denkmalensembles Marxwalde/Neuhardenberg
Ernst Wipprecht: Schloss Friedrichsfelde – ein Schicksal zwischen Abriss und Ausbau zu einem Museumsschloss
Hans-Joachim Giersberg: Zur Geschichte und Denkmalpflege der Schlösser und Gärten in Potsdam-Sanssouci von 1964 bis 1989
Heinrich Schleiff: Die Wartburg als Denkmal nationaler Einheit
Gerhard Schlegel: bergbau- und hüttentechnische Flächendenkmale im Erzgebirge
III. 3. Kirchen
Gerhard Voß: Die Situation der Stadt-, Dorf- und Klosterkirchen aus denkmalpflegerischer Sicht am Beispiel von Sachsen-Anhalt
Gerhard Voß: Stiftskirche und Kloster Hadmersleben – Sanierung und Restaurierung
Gerhard Voß: Denkmalpflege ab 1945 am Beispiel des Merseburger Doms
Hans Burmeister: Die Wiederherstellung der Pfarrkirche St. Marien in Prenzlau
Christa Heese: Der überraschende Beginn des Wiederaufbaus der Prenzlauer Hauptpfarrkirche St. Marien
Gerhard Glaser: Die Sophienkirche in Dresden – Opfer des Missbrauchs politischer Macht
Karl-Joachim Maercker/ Gotthard Voß: Mittelalterliche Glasmalerei – zu ihrer Erhaltung und Erforschung in Sachsen-Anhalt
III. 4. Die Restaurierungswerkstätten und Restaurierungsateliers
Ingo Sandner: Die Ausbildung von Restauratoren - ihr Berufsstand und seine Entwicklung von 1945 bis 1990
Roland Möller: Die Restaurierungswerkstätten und Restaurierungsateliers von 1945 bis 1990
Selbst die häufig erwähnte „Jubiläumsdenkmalpflege“, die zur Verschiebung von Kapazitäten beitrug, führte zu beachtlichen restauratorischen Leistungen. Einerseits waren zwar keine freien Architekten für Denkmalaufgaben vorhandenen, andererseits aber entstanden und arbeiteten spezialisierte Handwerksbetriebe für Denkmalpflege, die den erhöhten Anforderungen gerecht zu werden suchten und die Autorität der Denkmalpflege steigerten.
Die Autoren lassen keinen Zweifel darin aufkommen, dass es sich lohnt, „in das Schicksal von Denkmalbauten dieser Jahre im Osten Deutschlands einzudringen“. (S.127) Darum sei als Fazit betont, dass hier Historiker, Kunsthistoriker, Architekten, Archäologen, Restauratoren, Mineralogen, Volkskundler, Bauingenieure, Ingenieure für Gartenbau , Landschaftsarchitekten und weitere Spezialisten verschiedener Wissenschaftsbereiche eine Bilanz ihrer Leistungen auf dem Gebiet der Denkmalpflege ziehen und wir können als Leser zuweilen auch an „letztendlich beglückendsten Aufgaben“ (S. 174) aus dem Berufsleben der Denkmalpfleger teilhaben.
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