Rezension | Kulturation 1/2008 | über Stefan Lüddemann: Mit Kunst kommunizieren. Theorien, Strategien, Fallbeispiele | Kristina Volke | Nicht über, sondern mit Kunst sprechen?
| VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007.
»Mit Kunst kommunizieren« lautet der Titel eines Buches von Stefan Lüddemann, der als Feuilletonist und Kunstkritiker der Neuen Osnabrücker Zeitung sicherlich besonders geeignet ist, ein Thema zu entblättern, in dem es nicht nur um die Inhalte der Kunst, sondern um ihren Transport in die Welt geht. Dabei geht es ihm jedoch nicht um die eigene Profession, sondern um ein umfassendes Konzept von Verständigung durch Kunst, die als Transmitter für Botschaften aller Art fungiert. Die Beispiele dafür sind schnell vor Augen: Die Imagekampagnen deutscher Länder, Städte und Kommunen, in denen Kulturstätten das eigentliche, weil unverwechselbare Selbst- und Fremdbild bestimmen, Unternehmen, die durch Kunstförderung Bekenntnisse zu Werten, Bräuchen und Traditionen demonstrieren oder Angebote der kulturellen Bildung, in denen über Kunst die Werte der Gesellschaft vermittelt werden sollen. Kunst boomt – und das nicht nur auf dem Markt als Prestige- und Spekulationsobjekt, sondern auch als Vehikel zahlreicher Botschaften an Menschen, die als Unternehmer, Touristen, Anwohner, Fachleute, Käufer, jugendliche Randgruppe oder künftige Nutzer angesprochen werden sollen.
Lüddemanns Ansatz fußt genau auf dieser Erfahrung. Er findet andere Beispiele wie die Imageprägung der Stadt Osnabrück als »Friedensstadt« über den Maler Felix Nussbaum oder den Badarmaturenhersteller Dornbracht, »der neue Produktlinien gezielt mit dem Einsatz von Kunst kommuniziert und sich dabei auf den Schnittfeldern von Kunst und Lifestyle bewegt.« Entscheidend ist jedoch, dass er die speziellen, regionalen Ansätze nach Mustern untersucht und systematisiert. Als Ausgangspunkt nimmt er dafür einen selbst entwickelten Kunstbegriff, »der die Aspekte von Objekt, Erfahrung, Institution und Diskurs integriert« – Dimensionen Kunst also, die weniger ihre Produktion als vielmehr ihre Transformation in ein Medium, an dem »Weltsichten entwickelt werden können« und die an diesem Prozess Beteiligten beschreibt. Ein Kunstwerk ist demnach nicht nur, was der Künstler intendiert und schafft, sondern die Summe aus dieser und der ästhetischen Erfahrung (Wahrnehmung) des Betrachters, ihrer individuellen diskursiven Verarbeitung, sowie der Institution, in der das Werk gezeigt wird und den Raum für den Diskurs stellt. In diesem Komplex sieht Lüddemann, was man kommunikative Potenz eine Kunstwerks nennen könnte, die unter Umständen weit über sich und die eigene Zeit hinausweist – eine Erfahrung, die kunst- und kulturhistorisch selbstverständlich sein dürfte, für die Zwecke von Kulturmanagement jedoch neue, nutzbare Qualitäten verheißt. Diesem Kunstbegriff ordnet er andere Elemente zu, die zusammen das System seines Kunstkommunikationsmodells ergeben. Als Akteure identifiziert er neben dem Künstler Initiatoren von Imagebildungsprozessen aus Politik und Wirtschaft, Kuratoren, die nicht nur » bereitstellen und komponieren«, sondern auch vermitteln, und den Kunstkritiker, der kommentiert, evaluiert und Botschaften übermittelt. Kunstkritik wird dabei als Verfahren beschrieben, zwischen Kunst und »Diskursen« eine Beziehung herzustellen.
Lüddemanns Modell ist darauf ausgelegt, die Prozesse nicht nur nachvollziehbar, sondern auch planbar zu machen. Indem er die Beteiligten und die Abläufe ordnet, wertet er nicht nur das in der realen Kunstpolitikmaschine oft banal und zufällig scheinende auf, sondern macht die Prozesse auch evaluierbar. Kunstkommunikation wird so zum »handhabbaren Arbeitsablauf« und, weit darüber hinaus, »Modell einer Produktion kultureller Bedeutung«. In den meist wenig theoretisch orientierten Diskursen des Kulturmanagements ist Lüddemanns Theoriebildung deshalb nicht hoch genug zu bewerten. Zugleich sind damit aber auch die Grenzen des Modells benannt: Lüddemann argumentiert als Kulturmanager, als Nutzbarmacher von Kunst. Sein wichtigstes Verdienst liegt darin, mit der vorliegenden Publikation eine Systematisierung weit verbreiteter Spielarten der Kulturbedeutungsindustrie zu liefern und dabei gewissenhaft von der Kunst selbst auszugehen. Trotzdem bleibt ein Unbehagen. Sie entsteht weniger aus der (vom Autor mehrmals selbst reflektierten) Gefahr der Funktionalisierung der Kunst als in der Reduktion des Kunstwerks auf seine Verwertbarkeit, die durch die scheinbare Planbarkeit aller Prozesse entsteht. Das hat mit dem sonst so hoch gelobten Wesen der Kunst, mit ihrer Wirkung durch Unmittel- und Unberechenbarkeit, die aus kritischen künstlerischen Interventionen, aus ästhetischer Irritation erwächst, nichts mehr gemein. Die größte Befürchtung, die man haben muss, besteht deshalb wohl darin, dass ein Kulturmanagement, das Kunst und Kultur besser und strategischer verwertbar macht, die der Kunst und ihren Akteuren verpflichtete Kulturpolitik ersetzt.
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