KULTURATIONOnline Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik
Nr. 24 • 2021 • Jg. 44 [19] • ISSN 1610-8329
Herausgeberin: Kulturinitiative 89
 Start  Reports  Themen  Texte  Zeitdokumente  Kritik  Veranstaltungen 
 Editorial  Impressum       
RezensionKulturation 2011
über Christian Hatzenbichler:
Druiden. Edle Wilde oder finstere Zauberer. Die geistige Elite der Kelten in der antiken Literatur
Siegfried R. Krebs
Druiden
Christian Hatzenbichler: Druiden. Edle Wilde oder finstere Zauberer. Die geistige Elite der Kelten in der antiken Literatur. Marburg, Tectum Verlag 2011, 116 S., 19,90 €, ISBN 978-3-8288-2562-8.
Ob es sich bei den antiken gallischen Druiden nun um edle Wilde oder um finstere Zauberer gehandelt hat, diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Wer aber Christian Hatzenbichlers Arbeit gelesen hat, wird wohl zu (s)einer ganz individuellen eigenen Meinung kommen. Dennoch werden dabei sicherlich auch gleich wieder viele neue Fragen auftauchen.

Die Druiden haben seit etwa 30 Jahren erneut Hochkonjunktur, zumindest in der deutschen Esoterik-Szene und/oder auch in der Subkultur der Gothics. Basierend auf der Druiden-Schwärmerei aus der Zeit der Romantik. Beste Beispiele für solche ahistorischen, verklärenden Klischees sind neben Marion Zimmer Bradleys "Die Nebel von Avalon" (1982, 2001 auch als TV-Film) vor allem die Comics (und deren Verfilmungen) über Asterix, Obelix und den Druiden Miraculix. Sowohl zur Zeit der Romantik als auch heute befriedigten die Künstler aber nur "das Bedürfnis der Menschen nach einer phantasievollen Welt voller Magie und Mystik" (S.26)





Doch wer waren die Druiden wirklich? Welchen Stellenwert hatten sie in der vorchristlichen Gesellschaft der Kelten, insbesondere im gallischen Raum? Diesen Fragen hat sich Christian Hatzenbichler in der jetzt vorgelegten Schrift zugewandt. Allerdings liegen zur Klärung der realen Sachlage keine originär keltischen Texte vor und auch die wenigen archäologischen Funde können keine erschöpfenden Antworten geben. Daher konnte und mußte Hatzenbichler lediglich literarische Überlieferungen antiker griechischer und römischer Autoren, darunter Caesar, auswerten. Dies tat er überaus kritisch, denn diese Sekundärquellen sind durchaus widersprüchlich. Nicht zuletzt dienten etliche Schriften, gerade die Caesars, zur Begründung von Kriegen gegen die Gallier. Man kennt das in der Gegenwart zur Genüge: Da werden die Führer anderer (unbotmäßiger) Völker/Regierungen zu Monstern gemacht, um im eigenen Land "moralischen" Rückhalt zu bekommen.

Eben wegen der mangelhaften Quellenlage geht der Autor zunächst ausführlich auf diese selbst ein und benennt auch die Probleme der Forschung. Wichtigste Quellen sind ihm, neben dem bereits erwähnten Caesar, u.a. die Griechen Sotion und Strabon sowie die Römer Cicero und Plinius d.Ä.

Als wichtigstes Problem in der Forschung benennt Hatzenbichler deutlich das Eigeninteresse der Autoren: "Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Caesar als Feldherr seinen eigenen Krieg rechtfertigen will, deswegen seine Gegner diffamiert und sie als grausame Barbaren darzustellen versucht. Diese Diffamierung der keltischen Religion diente Caesar, aber auch anderen, dazu, aktiv Meinungsmache und damit Politik zu betreiben. Ein Krieg gegen die Barbaren ist nur allzunotwendig, wenn dadurch grausamste Praktiken abgeschafft werden können." (S.19) Hinzu kommt als weiteres Problem, daß die griechischen und römischen Autoren sich nicht in die Geisteswelt ihrer Gegner hineinversetzen konnten und alles, salopp formuliert, nur durch ihre Brille sahen und werteten.

Den ersten Hauptteil seiner Arbeit hat Hatzenbichler mit "Versuch einer schematischen Klassifizierung des Druidenstandes" überschrieben. Ausführlich geht er auf die Druiden als Adelsstand ein, benennt interne Standesunterschiede und Differenzierungen sowie Funktionsüberschreitungen mit anderen keltischen religiösen Experten, wie den Barden und den Vaten, oder Wahrsagern.

Hieran schließt sich ein Kapitel an über die den Quellen zufolge 20 Jahre dauernde Ausbildung der Druiden. Spezielle Druidenschulen widmeten sich dem Nachwuchs. Hier werden auch die wesentlichen Unterrichtsfächer benannt: Neben der Lehre über Seelenwanderung gehörten dazu die Astronomie (als Grundlage für die Erstellung der Kalender), die Geographie und die Naturkunde, die Theologie und die Geschichte.

All diese Ausbildungsfächer waren notwendig, damit die Druiden ihren Aufgaben nachgehen konnten. Als wichtigste Aufgabe nennt Hatzenbichler die Verrichtung des Kult- und Opferdienstes. Eingehend referiert er die antiken Quellen zu den verschiedenen Arten des Opferns. Ein weiteres Aufgabengebiet war die Kunst der Weissagung (Mantik). Hinzu kommen die Rechtsprechung bei öffentlichen und privaten Streitigkeiten sowie die Diplomatie.

Und nicht zuletzt die Medizin, die Naturheilkunde. Eine besondere Rolle habe dabei die Mistel gespielt, berichten die antiken Quellen. Eingehend referiert der Autor diese auch hier, insbesondere was die sogenannten Einbringungsrituale der Mistel und anderer Heilpflanzen angeht.

Nur wenig sei dagegen über heilige Orte überliefert. Das Bild sei sehr lückenhaft, so Hatzenbichlers Zusammenfassung, und benennt hier abgeschiedene Haine (insbesondere Eichenhaine), Wälder und Höhlen. Auch nur wenig sei über "heilige Zeiten", also Feste, überliefert. Zumindest aus dem gallischen Raum. Irischen Quellen zufolge habe es aber fixe Festzeiten im Jahreskreis gegeben, "deren Herkunft jedoch nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann." (S.93)

Hatzenbichler geht kurz noch der spannenden Frage nach, ob es seinerzeit auch weibliche Druiden, Druidinnen, gegeben habe. Anhand der Quellen kommt er aber zum Schluß, daß es zwar Frauen mit religiösen Funktionen gegeben haben muß, keinesfalls aber weibliche Druiden.

In seiner Schlußbetrachtung schreibt Hatzenbichler: "...Lücken sind es auch, die das Druidentum mit dem Beginn der Keltomanie im Zeitalter der Romantik bis in die heutige Zeit herauf zu einer beliebten Projektionsfläche für die eigenen Wunschvorstellungen gemacht haben. Die modernen neopaganen und esoterischen Strömungen nutzen genau das für ihre eigenen Spekulationen, die mit dem altkeltischen Druidentum gar nichts mehr zu zun haben und das Bild der Druiden verzerren. (...) Die Druiden waren die großen intellektuellen Lehrer der Kelten. (...) Zu Recht kann man die Druiden daher als die geistige und kulturelle Elite der altkeltischen Gesellschaft bezeichnen." (S. 106/107)

Diese sehr empfehlenswerte wissenschaftliche Abhandlung sollte in die Hand eines jeden Laien gehören, der sich für die Kelten und ihre Zeit wirklich interessiert und der sich nicht in der verlogenen Welt der Fantasy verlieren will.