Text | Kulturation 2/2008 | Jörn Wegner | Die Arbeitermusikbewegung im Nationalsozialismus
| Nachfolgender
Text ist die gekürzte Fassung einer an der Humboldt-Universität zu
Berlin 2008 verteidigten Magisterarbeit. Die Zählung der Anmerkungen
folgt dem Originaltext (beginnend mit [48]) .
1. Fragestellung
Die zentralen Fragen, die sich bei der Situation der
Arbeitermusikbewegung unter nationalsozialistischer Herrschaft stellen,
sind zuerst struktureller Natur und ergeben sich aus den Grundlagen der
Theorien einer proletarischen Kultur. Wie stark waren die
Gesangsvereine, Kapellen und andere Verbände der Bewegung politisch und
ideologisch gefestigt? Welche der zentralen Funktionen eines
Arbeitergesangsvereins war letztlich dominierend? Die gemeinschafts-
und klassenbewusstseinsbildende Funktion oder wurden Arbeiterchöre und
proletarische Orchester stärker als Möglichkeit der Freizeitgestaltung
und Orte der Geselligkeit nach dem Vorbild bürgerlicher Liedertafeln
gesehen? Daraus entwickelt sich letztlich die Frage, in welche
Konflikte die Arbeitermusiker in Konfrontation mit einer
Kulturideologie gerieten, die ebenfalls ein Interesse an den Massen
vorspielte, jedoch mit dem Ziel der Unterdrückung jeglicher sozialer
Unterschiede. Wie stark waren generell die Konflikte oder dominierte
eher das Element des Einrichtens und der Anpassung, gar der
Identifikation mit dem neuen System gegenüber dem Widerstand?
Aufgrund der politischen Maßnahmen und der Organisationsformen der
Arbeitermusikbewegung unter den politisch feindlichen Bedingungen des
deutschen Faschismus, wird sich der zeitliche Rahmen der Untersuchung
auf mehreren Ebenen befinden. Die Zerschlagung der
institutionalisierten Arbeitermusikbewegung, vor allem der großen
Dachorganisationen durch die neuen Machthaber beschränkte sich im Kern
auf die Jahre 1933 bis 1934. In diesem Zeitraum fand die bürokratische
Abwicklung etwa des Deutschen Arbeiter-Sängerbundes (DAS) und der
meisten seiner untergliederten Vereine und Chöre statt. Diese
Abwicklung bewegte sich zwischen den Formen der „Gleichschaltung“ und
des Verbotes, wobei beide Arten der Bekämpfung des politischen Gegners
oftmals kaum zu unterscheiden sein werden und ineinander übergriffen.
Eine Verschärfung in der Behandlung der noch existierenden Vereine,
Chöre und Orchester der Arbeitermusikbewegung fand in der zweiten
Hälfte der dreißiger Jahre, vor allem mit dem Beginn des Spanischen
Bürgerkrieges und des Überfalls auf Polen statt. Mit dem Fortschreiten
des Krieges nahm auch die Zerstörung der Arbeiterkultur ihren weiteren
Lauf. Explizit ausgeblendet wird der Spanische Bürgerkrieg, der in der
Arbeitermusikbewegung der damaligen Zeit und besonders in der heutigen
Wahrnehmung einen beinahe mythologischen Charakter angenommen hat. Für
das moralische Bestehen der proletarischen Musik haben die
internationalen Brigaden eine immense Bedeutung, deren direkte
Behandlung würde allerdings den Rahmen sprengen. Trotz allem wirkten
sich die Ereignisse des Bürgerkriegs auch auf die Situation in
Deutschland aus, gerade vor dem Hintergrund eines moralischen Schubs
auch für die deutsche Arbeiterbewegung.
Ein weiteres interessantes Feld, das nicht behandelt werden kann,
ist die Musik in den Konzentrationslagern. Zu diesem Topos liegen
umfangreiche Darstellungen als auch ein großer Fundus an
Quellenmaterial vor. Auch spielen Werke, die in der Situation der
KZ-Haft entstanden sind, bis heute ein große Rolle in der Rezeption der
Arbeitermusik. Die Moorsoldaten, das Sachsenhausen-Lied und
andere, gehören heute zur Standardauswahl unter den Arbeiterliedern.
Allerdings würde die Behandlung des Themas aufgrund seiner Komplexität
den Rahmen sprengen. Trotz der Möglichkeit zu interessanten
Schlussfolgerungen bezüglich der kollektivbildenden Funktion von Musik
zu kommen, bleibt es vor allem schwierig, die Musik im KZ überhaupt auf
das zu beschränken, was unter proletarischer Kultur verstanden wird. Zu
stark verschmolzen hier Arbeitersänger und bürgerliche professionelle
Musiker zu einer Gemeinschaft aufgrund derselben geteilten Umstände.
Die Arbeit wird sich also zuerst auf eine Darstellung der Maßnahmen
der nationalsozialistischen Politik gegen die Arbeitermusikbewegung
konzentrieren. Danach sollen die Konfliktlinien zwischen der
inszenierten und nivellierten nationalsozialistischen Massenkultur und
der proletarischen Kultur untersucht werden. Als Objekte dienen hier
einerseits der bürokratische Apparat des Staates und andererseits
einzelne Beispiele aus der Arbeitermusikbewegung, vorrangig ausgewählte
Gesangsvereine bzw. einzelne Personen.
2. Entwicklung der organisierten Arbeitermusik vor 1933
Der organisierte Arbeitergesang gewann zum ersten Mal in der Zeit
der Bismarckschen Sozialistengesetze an politischer Bedeutung. Mit dem
„Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokraten“
war die im Entstehen begriffene deutsche Linke dazu gezwungen, ihre
politische Arbeit in der Illegalität fortzuführen. Diese Zeit bedeutete
auch für die sozialistischen Gesangsvereine eine erste Phase der
Repression und der Verbote. So verfügte der Präsident der Königlich
Preußischen Regierung im westfälischen Arnsberg per Erlass vom 5. Juni
1878 die Meldung sämtlicher sozialdemokratisch gesinnter Vereine durch
die jeweiligen Bürgermeister und Landräte.[48] In Folge dieser und
ähnlicher Maßnahmen wurden im gesamten Reich ein großer Teil der
proletarischen Gesangsvereine verboten. Die staatlichen Behörden
unternahmen neben diesen Verboten auch eine intensive Untersuchung der
bisherigen Aktivitäten der Arbeiterchöre, so sind eine Vielzahl von
genauesten Berichten über die Gesangsvereine in den preußischen
Polizeiakten überliefert, bis hin zu Analysen der gesungenen
Lieder.[49] So wurde bereits die erste offizielle Liedersammlung des
ein Jahr vor Inkrafttreten der Sozialistengesetze gegründeten
Arbeiter-Sängerbundes, die Sammlung Emil Sauerteigs, von den Behörden
verboten und beschlagnahmt.[50]
Schon mit den Sozialistengesetzen entwickelten die Gesangsvereine
Verhaltensmuster, die denen aus den ersten Monaten und Jahren nach der
Machtübergabe an die NSDAP gleichen: Das Verbot der Vereine wurde mit
Neugründungen unter anderen Namen umgangen, die Mitglieder schworen
jeglicher politischer Betätigung ab und bildeten Parallelstrukturen um
die politische Arbeit doch fortsetzen zu können und dem staatlichen
Druck zu entgehen. Zudem wurden die Regelungen des Preußischen
Vereinsgesetzes umgangen, dessen zweiter Paragraph das Führen von
Mitgliederverzeichnissen verlangte, um so Überprüfungen und
Überwachungen zu vereinfachen.[51]
Einen reichsweiten organisatorischen Rahmen für die proletarischen
Gesangsvereine gab es jedoch schon vor der Einführung der
Sozialistengesetze. 1877 gründete sich in Gotha der „Erste Deutsche
Arbeiter-Sängerbund“. Dem lag zugrunde, dass die Vereine bisher
„planlos gesungen“ haben und dass durch den reichsweiten Bund auch auf
eine Vereinheitlichung des Programms und damit auf eine Vertiefung der
politischen Arbeit hingewirkt werden sollte. Zudem sollte so die
weitere Gründung von Männergesangsvereinen [!] im Reich angeregt
werden.[52] Diese Gründung wurde in den sozialdemokratischen Organen
stark propagier [53] und kurz nach dem Gründungskongress auch wie
gewünscht von der Bildung regionaler Zusammenschlüsse begleitet.[54]
Mit der Zurücknahme der Sozialistengesetze im Jahre 1890 begannen
sich auch die Arbeitervereine wieder zu erholen, unter ihnen auch die
Gesangsvereine. Die Gesetze konnten dem Aufstieg der Sozialdemokratie
vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden Kapitalismus kaum eine
Grenze setzen und die Sozialdemokraten erhielten zu den
Reichstagswahlen von 1890 sogar die meisten Stimmen, auch wenn die
Sitze im Reichstag aufgrund des gut ausgeklügelten Wahlsystems, das
urbane und damit proletarisch geprägte Gebiete benachteiligte, weniger
als ein Zehntel ausmachten.
1892 gründete sich in Folge der neuen Legalität und Stärke der
sozialistischen Bewegung die „Liedergemeinschaft der deutschen
Arbeitergesangsvereine“ in Berlin mit schon 16.000 Mitgliedern.[55]
„Das Bismarcksche Schandgesetz vermochte wohl den äußeren Einfluß der
Arbeiterbewegung und damit auch der Arbeiter-Sängerbewegung hemmend zu
beeinflussen, aber der Geist des freien Liedgesanges entfaltete sich
unter der staatspolitischen Oberfläche umso stärker. [...] Die
unerhörte Unterdrückungspolitik der Monarchie erwies sich 'als ein Teil
von jener Kraft, die stets das Böse will und das stets das Gute
schafft'.“ schrieb der Deutsche Arbeiter-Sängerbund 1928 in seiner
Festschrift anlässlich des Sängerfestes in Hannover.[56]
1899 begann die „Liedergemeinschaft“ eine gleichnamige reichsweite
Zeitung herauszugeben, die die vorherigen losen Flugblätter als
Informationsorgane ablöste, 1907 bekam diese Zeitung ihren bis zur
Zerschlagung 1933 endgültigen Namen: „Deutsche Arbeiter-Sänger Zeitung“
(ASZ). Als sich 1908 der „Deutsche Arbeiter-Sängerbund“ (DAS) als
Rechtsnachfolger der „Liedergemeinschaft“ gründete, hatte die
Verbandszeitung schon eine Auflage von 65.000, was etwas weniger war
als die Zahl der im DAS organisierten Arbeitersänger.[57]
Einen tiefen Einschnitt für den DAS brachte der Erste Weltkrieg,
waren 1914 noch 100.000 Mitglieder zu zählen, davon 25.000 Frauen, so
hatte der Sängerbund 1919 nur noch 15.000 Mitglieder. Nach einer
gewissen Erholung der Mitgliederzahlen brachte schließlich die extreme
Inflation von 1923 einen schweren Schlag gegen den Verband ein. Sie
vernichtete das gesamte Vermögen des DAS und zwang den Verband 1924 zu
einem wirtschaftlichen Neuanfang mit einem Startkapital von 78
Pfennig.[58] Zwischen 1924 und 1928 erreichte der DAS schließlich seine
höchste Mitgliederzahl von insgesamt 225.000 Sängerinnen und Sängern,
davon 80.000 Frauen. Ab dem Ende der 20er Jahre setzte allerdings der
Niedergang ein, 1932 zählte der DAS nur noch 190.000 Mitglieder. Zu
stark waren die Konkurrenzangebote der Massenkultur und zu stark
verharrte der Verband noch immer in der Arbeitsweise des späten 19.
Jahrhunderts. Vor allem junge Arbeiter konnten damit kaum noch
angesprochen werden und so blieb eine notwendige Verjüngung der
Mitgliederstruktur aus.[59]
Spaltungstendenzen
Die Zeit zwischen dem Neuanfang nach der Inflation und dem
Arbeiter-Sängerbundfest in Hannover 1928 war nicht nur eine Phase des
Neuaufbaus und der Neuorientierung, sondern war auch durch verstärkte
politische Auseinandersetzungen innerhalb der organisierten
Arbeitergesangsvereine geprägt. Die heutige Wahrnehmung von
Arbeitermusik der 20er und 30er Jahre beschränkt sich fast vollständig
auf ihren kommunistisch orientierten Zweig. Die Ursachen dafür liegen
wohl vor allem in der Zahl der aus der Bewegung entstandenen Werke
selbst.[60] Die proletarische Musikkultur wird daher meist mit den
sogenannten Kampf- oder Tendenzliedern gleichgesetzt, die vorrangig aus
den Federn der sich eindeutig positioniert habenden Hanns Eisler, Erich
Weinert oder Hermann Scherchen stammen.[61] Dennoch war, gemessen an
den aktiven Sängerinnen und Sängern, die kommunistische Musikbewegung
der sozialdemokratischen stets unterlegen und von diesem Gesichtspunkt
aus beinahe marginal.
Vordergründig stand die Auseinandersetzung um die künstlerische
Programmatik im Fokus Spaltungstendenzen. Der Hintergrund des Streits
zwischen kommunistischen und sozialdemokratischen Chören und
Gesangsvereinen muss aber natürlich in der immer stärker wachsenden
Entfremdung zwischen der USPD und später der KPD auf der einen und der
SPD auf der anderen Seite gesehen werden. Die divergierenden
Vorstellungen von der radikalen Opposition und der staatstragenden
Rolle einer Partei auf dem Weg zum Sozialismus äußerten sich auch und
vor allem62 in der Arbeiterkultur. Nachdem nach der Novemberrevolution
und in den frühen zwanziger Jahren oftmals von Seiten der Führung des
DAS noch eine Einheit gefordert wurde und versucht wurde, den Bund für
sämtliche linke Parteien und Strömungen offen zu halten, eskalierten
die Auseinandersetzungen in den Folgejahren immer stärker.
Substantielle Schäden erlitt der DAS aber schon in den ersten Jahren
nach dem Krieg. In der Folge des Spartakusaufstands übernahmen Anhänger
der USPD im damaligen sehr linken Bremen die Mehrheit in der
organisierten Arbeitergesangsbewegung und schlossen die
Mehrheitsozialdemokraten aus, übernahmen die Leitung des Gaus Nordwest
und verhinderten so die Aufnahme des nun von den Anhängern der SPD
gegründeten „Arbeiter-Sängerchors“ in den DAS. Nach Intervention der
DAS-Bundesführung traten die Anhänger der Leitung des Gaus Nordwest
schließlich aus dem sozialdemokratisch geprägten Bund aus und gründeten
den „Sozialistischen Arbeiter-Sängerbund“. Grundlage für die Gründung dieses Bundes
war die in den 20er Jahren zunehmende Unzufriedenheit über die
politische als auch künstlerische Erstarrung des DAS:
„Der alte Arbeitersängerbund hat das historische Verdienst, die
Arbeitersänger in einigen Jahrzehnten langsam von den bürgerlichen
Gesangsvereinen losgelöst und in den Arbeitergesangsvereinen gesammelt
zu haben. Damit sah der Arbeitersängerbund seine Aufgabe aber auch für
erledigt an.“[63]
Der „alte Arbeitersängerbund“ sei bis dato nicht über den
kleinbürgerlichen Aufgabenkreis der „Pflege des Gesangs und der Pflege
der Geselligkeit“ hinausgekommen und huldige der gleichen „Feld- Wald-
und Wiesenromantik hier wie dort“.[64] Der Sozialistische
Arbeitersängerbund wich in seinen programmatischen Vorstellungen
allerdings von denen der in kommunistischen Sängerkreisen üblichen ab.
Eine Konzentration auf Tendenzlieder wurde mit der Begründung
abgelehnt, dass diese durch ihren Gebrauch nicht mehr revolutionär und
von bürgerlichen Komponisten geschaffen worden seien. Stattdessen solle
sich der Verband durch die Pflege vor allem der Volkslieder und in
einem zweiten der Kunstlieder in den Dienst der Revolution stellen.[65]
Diese sektiererischen und vulgärmarxistischen Vorstellungen standen
im krassen Gegensatz zu den Vorstellungen Hanns Eislers, der den
sozialdemokratisch dominierten DAS ebenfalls aus einer kommunistischen
Perspektive angriff:
„Die Tendenzlieder des Deutschen Arbeiter-Sänger-Bundes sind
nicht richtungsgebend für das kämpfende Proletariat. In den
Konzertsälen steht der Hörer dem Dargebotenen passiv gegenüber. Die
Aufgabe der Arbeitersänger muß es sein, den Hörer zu aktivisieren.
[...] Der Konzertsaal muß zu einem politischen Schulungsraum
werden.“[66]
Die Spaltung der proletarischen Gesangsvereine schritt lange vor
der Verkündung der Sozialfaschismus-Doktrin der Komintern 1928 voran.
Im Oktober 1922 berichtete das „Nordwestdeutsche Echo“ über
Auseinandersetzungen in einem Bremer Gesangsverein, diesmal zwischen
Anhängern der KPD und der USPD:
„Fast jede Singstunde wurde von den USPD-Sängern gestört, der
Vorsitzende des Vereins und der Dirigent in der wüstesten Weise
beschimpft, ja es wurde sogar von einzelnen der USPD-Sänger, offen mit
dem Zerschlagen des Konzertflügels gedroht! Vom Vorstand sah man sich
daher gezwungen, den Konzertflügel vorläufig wo anders
unterzubringen.[67]
Aus dem recht großen Volkschor Eberswalde in Brandenburg ist eine
endgültige Spaltung für die Mitte der 20er Jahre bekannt [68], nachdem
diese faktisch schon vorher durch eine Fraktionsbildung innerhalb des
Chores bestand. Der kommunistische Teil, der nun unter dem Namen „Freie
Sänger – Eintracht“ agierte, baute eine Zusammenarbeit mit örtlichen
Agitprop-Gruppen auf, war nicht Mitglied des DAS und strebte einen
stärkeren interventionistischen Charakter an. Ein Mitglied des
„Eintracht“-Chores berichtete allerdings, dass sich die Programmatik
des KPD-Chores von der der SPD-Fraktion nicht unterschied, während der
„Eintracht“-Sänger Fritz Schwarz einen klaren Unterschied im Singen von
Tendenzliedern sah, mit denen sich der Volkschor nicht beschäftigte,
zudem sei die Spaltung vom SPD-Teil des ehemals geeinten Chores
ausgegangen.[69]
Die Führung der KPD selbst sah diese Spaltungen allerdings nicht
gern. Die Handlungsdevise bestand vielmehr darin, dass die
kommunistisch dominierten Verbände weiterhin im DAS agieren und dort
ihre Positionen verteidigen und verbreiten sollten. Um dieses Ziel zu
erreichen, wurden von der KPD-Führung als auch aus der kommunistischen
Internationale Weisungen erteilt, wonach "revolutionär orientierte",
also kommunistisch gesinnte Mitglieder der Arbeiterkulturbünde auch
weiterhin in diesen agieren sollten, statt sie zu verlassen. Gleiches
galt auch für sämtliche andere proletarische Zusammenschlüsse.[70] Auch
der 1929 gegründete „Freie Arbeiter-Sänger-Bund“ (FASB), der die nach
der 1926 erfolgten Auflösung des „Sozialistischen
Arbeiter-Sängerbundes“ organisationslos gewordenen kommunistischen
Vereine aufnahm, fand in der KPD-Führung keine Zustimmung.[71] Der FASB
blieb zwar ebenfalls marginal, was seine Mitgliederzahl anging, wurde
aber durch eine große Aktivität und ein klares politisches Bekenntnis
und der Suche nach der Öffentlichkeit der Straßen und Hinterhöfe durch
die Kooperation mit Agitprop- Gruppen in der Gesellschaft durchaus
wahrgenommen. Gleiches galt für die Gründung der „Kampfgemeinschaft der
Arbeitersänger“ 1931, die die Spaltung endgültig zementierte, auch wenn
sie partiell versuchte, Bündnisse über ideologische Grenzen hinweg zu
schmieden.[72] Das Interessante an der Struktur der kommunistischen
Sänger und ihrem Verhältnis zur KPD ist aber wohl die Schlussfolgerung,
dass trotz starker Zentralisierung der Kommunistischen Partei und dem
großen Einfluss stalinistischer Herrschaftsmethoden noch immer eine
große Zahl freier Gruppen ihre eigenen Vorstellungen jenseits der
Weisungen des ZK durchsetzte. Dem entristischen Kurs der KPD-Führung in
Bezug auf die Arbeit kommunistischer Chöre im DAS hingen allerdings
auch nicht wenige der Sänger an, auch wenn die Ziele der Beeinflussung
des DAS nie einen großen Erfolg in der Praxis aufwiesen.
Das Arbeitersänger-Fest in Hannover und die Bindung des DAS an die SPD
Wie stark sich allerdings auf der anderen Seite der DAS schon an
die SPD angeschlossen hatte, machte vor allem das Arbeitersänger-Fest
von 1928 in Hannover deutlich. Mehr als 44.000 Sänger[73] der
proletarischen Gesangsvereine kamen zusammen um insgesamt an 57
musikalischen Großveranstaltungen, davon an neun sogenannten
„Spitzenkonzerten“, teilzunehmen[74]. Das Fest fand in großer Einheit
und unter reger Teilnahme hochrangiger Funktionäre der mitregierenden
SPD statt. Der sozialdemokratische Reichstagspräsident Paul Löbe
eröffnete sogar die Veranstaltung. Neben dem Oberbürgermeister
Hannovers war auch der hannoveraner Oberpräsident Gustav Noske
vertreten.[75] Gerade für kommunistisch orientierte Arbeitersänger und
dem linken Parteiflügel zuzurechnende Anhänger der SPD musste der
Ehrengast Noske ein besonderer Affront gewesen sein. SPD-Funktionäre
und Regierungsmitglieder zeigten sich und nahmen das Hannoveraner Fest
als Gelegenheit, die eigenen kulturpolitischen Positionen darzustellen
und entsandten den preußischen parteilosen Kultusminister Carl Heinrich
Becker. In Anspielung auf die versammelte Prominenz äußerte die Zeitung
„Welt am Abend“: „Es hätte sich auch um ein bürgerlichrepublikanisches
Fest handeln können.“[76]
Dies war kein Zufall. In den 20er Jahren versuchte die SPD mehr
und mehr wieder Einfluss auf die unterschiedlichen Zweige der
Arbeiterkultur zu gewinnen und damit wieder zu einem höheren Ansehen
und größerem Zuspruch innerhalb der Arbeiterschaft zu kommen. Dazu
entwickelten einzelne Zirkel innerhalb der Sozialdemokratie
programmatische Leitlinien, die gemeinsam mit einer
Wirtschaftsdemokratie auch die Bedeutung der Arbeiterkultur ansprachen.
Damit versuchte die SPD, an die Theorien der Arbeiterkultur im
ausgehenden 19. Jahrhundert anzuknüpfen.[77] Dieser Versuch der Partei,
in der Arbeiterbewegung wieder verstärkt wahrgenommen zu werden, ist
die Konsequenz aus der Wandlung der Sozialdemokratie von einer dem
kapitalistischen Staat oppositionell gegenüberstehenden Ideologie hin
zu einem staatstragenden Teil der Parteienlandschaft und Vertreterin
einer ausgleichenden Konsens-Ideologie. Der DAS musste diesen
politischen Wandel in Form der massiven Spaltungstendenzen ertragen.
Das Arbeiter-Sängerfest war daher auf der einen Seite tatsächlich eine
„kulturelle Manifestation der deutschen Arbeiterklasse“[78], zumindest
was die Teilnehmerzahl anging, jedoch manifestierte sich hier genauso
die oft kritisierte künstlerische und politische Erstarrung des
Bundes.[79] Der DAS hielt noch immer an einer starken Bindung zur
Sozialdemokratie als einziger Vertretung der Arbeiterklasse fest,
folgte auch noch Jahrzehnte später den kulturpolitischen Leitlinien der
Jahrhundertwende und missachtete, dass die 20er Jahre vor allem für den
benötigten Nachwuchs weitaus attraktivere kulturelle Angebote
aufzuweisen hatten. In Hannover zeigte sich die Demonstration der
Einheit mit der regierenden SPD gemeinsam mit dem fast völligen
Ignorieren der Tendenzlieder im künstlerischen Programm. Es dominierte
stattdessen die Programmatik der bürgerlichen Werke vor dem Hintergrund
der klassischen Vorstellungen der Arbeiterbildung. Die neuen Lieder mit
klarem politischen Bezug fanden kaum einen Platz, Scherchen und Eisler
fristeten ein Schattendasein im Festprogramm, die Tendenzchöre Gustav Adolf Uthmanns fanden überhaupt keinen Platz.[80]
Maßnahmen der Kommunisten
Die kommunistische Arbeitermusik reagierte auf die unverbrüchlich
erscheinende Hinwendung des DAS zur SPD mit verschärften Kampagnen. Die
zeitweilige Definition der Sozialdemokraten als ersten Gegner noch vor
den an Stärke gewinnenden Faschisten spiegelte sich auch in den
künstlerischen Programmen und Liedinhalten wider. Zeigte etwa das Sozialdemokratische Mailiedchen von Ernst Busch und
Erich Weinert aus dem Jahr 1923 noch die eleganten und unterhaltsamen
Mittel des Spotts und des Lächerlichmachens eines politischen
Konkurrenten, so begab sich das Rote Sprachrohr – Name einer
der bedeutendsten kommunistischen Agitpropgruppen und einer regelmäßig
erscheinenden Materialsammlung für andere Gruppen – in gänzlich andere
Sphären der Auseinandersetzung. In einem Straßenstück namens Mülleriade,
in Anspielung auf den sozialdemokratischen Reichskanzler Hermann
Müller, hieß es: „Ja ein S.P.D.-Gewissen / ist ein sanftes Ruhekissen!
/ Schwarz-rot-gold die eine Seite / Rote verbrämt in Läng' und Breite /
Und in allerletzter Not / ist die ganze Seite rot!“[81] Das Rote Sprachrohr
widmete sich in einer gesamten Ausgabe, im Juni 1929, sogar
ausschließlich dem „Kampf gegen den Sozialfaschismus“ und bot den
kommunistischen Chören und verschiedenen Agitpropgruppen Material für
Aufführungen auf Straßen und Hinterhöfen. Im September des gleichen
Jahres veröffentlichte das Rote Sprachrohr eine Analyse der Kultur
unter kapitalistischen Bedingungen, in der es hieß:
„Der Übergang der SPD zu faschistischen Methoden der
Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft auf staatlichen, gewerkschaftlichen
und allen anderen Gebieten hat zur Folge, daß auch auf kulturellem
Gebiet die Sozialdemokratie zu einer entscheidenden Stütze und einem
aktiven Wegbereiter der Kulturreaktion wird. Infolge dieser Handlung
wird der ursprüngliche Kampfzweck aller Arbeiterkulturorganisationen
unter Führung der SPD in sein Gegenteil verkehrt.“[82]
In einem weiteren Programm anlässlich der Reichstagswahl von 1930
bot eine Noten- und Textsammlung für Agitpropgruppen das Programm Wen
wählst du Prolet an, das die Parteien der Wahl satirisch vorstellen
sollte. Trotz einer schon deutlich erstarkten NSDAP – sie wurde 1930
bereits zur zweitstärksten Kraft im Reichstag gewählt – stellte die SPD
den Höhepunkt des Programm dar: „Doch die besten Spezialisten / Sind
bekanntlich SPDisten / Die mit den Ministerstühlen / die sich immer
wohler fühlen / Die für Lohnabbau und Schlichtung / die vertreten stets
die Richtung / dass der Staat muss Kreuzer baun / die mit Tschako,
Gummiknüppel / die Proleten niederhaun / Die euch immerdar verraten /
Wollt ihr die, dann wählt Sozialdemokraten.“[83]
Auf die Aktivitäten der kommunistischen Arbeitermusiker reagierte
auch die Sozialdemokratie nicht nur mit Ignorieren oder verbaler
Bekämpfung und Abgrenzung. Maßnahmen, die auch später in der Zeit des
Nationalsozialismus üblich waren, wurden auch von der Sozialdemokratie,
dort wo sie auf kommunaler Ebene entsprechenden politischen Einfluss
hatte, angewandt. So wurden dort, wo die SPD regierte oder an
Regierungen beteiligt war, Chören die Proberäume entzogen,
beispielsweise dem Gemischten Chor Groß-Berlin, ein recht großer Gesangsverein, der im Film Kuhle Wampe
maßgeblich mitwirkte und von Hermann Scherchen begründet wurde.[84]
Auch rechtliche Schritte und Zensur wurden von der Sozialdemokratie
zumindest nicht verhindert. Der bekannteste Fall ist wohl Erich
Weinert, der wegen des Liedes Roter Wedding, das unter dem
Eindruck des „Blutmais“ 1929 entstanden war, 1931, in der Zeit der von
der SPD tolerierten Regierung Brüning wegen „Aufreizung zum
Klassenhass“ angeklagt war.
Die Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten,
die lange Zeit unter dem Deckmantel eines künstlerisch-programmatischen
Streits ausgetragen wurden, führten, neben dem Mitgliederschwund der
Verbände durch konkurrierende kulturelle Angebote der 20er Jahre zu
einer massiven politischen Schwächung der Arbeiterkulturbewegung in der
Zeit des Aufstiegs der faschistischen Ideologie und schließlich der
Machtübertragung an die NSDAP.
Die Arbeitermmusikbewegung in der Zeit des Nationalsozialismus
Noch 1932 und zu Beginn des Jahres 1933 zählten die deutschen
Arbeiterkulturvereine Millionen von Mitgliedern. Die größte
Organisation war nach wie vor mit etwa 740.000 Mitgliedern der
Arbeiter-Turn- und Sportbund gefolgt vom Arbeiter-Rad- und
Kraftfahrerbund mit circa 330.000 Mitgliedern. Der Deutsche
Arbeiter-Sängerbund zählte am Vorabend der Machtübergabe an die
Nationalsozialisten noch 147.000 Mitglieder, was etwas mehr als die
Hälfte des Verbandes der Deutschen Volksbühnenvereine entsprach.[85]
Die kommunistische Kampfgemeinschaft der Arbeitersänger verfügte in den
zwei Jahren ihres Existierens, 1932 und 1933, über etwa 4000
Mitglieder.[86] Unzweideutig ist aber zu erkennen, dass die
organisierte Arbeitermusik einen wichtigen Stellenwert in der
Arbeiterkultur einnahm und entsprechend in das Visier der
Nationalsozialisten geraten musste, auch aus der Erfahrung heraus, dass
Arbeiterkulturvereine nochmals, wie in der Zeit der Bismarkschen
Sozialistengesetze, als legaler Unterschlupf für Mitglieder der bald
verbotenen SPD und KPD werden könnten.
Periodisierung
Beim Versuch einer Periodisierung der Zeit des Nationalsozialismus
in Bezug auf die Arbeitermusikbewegung treten methodische Probleme auf,
die im Charakter der Arbeiterkulturbewegung selbst verankert sind.
Zweierlei Maß muss vereinigt werden: Einerseits ist es mit Rücksicht
auf die soziale Homogenität der Arbeiterkultur, die naturgemäß von
mehrheitlich abhängig Beschäftigten getragen wurde, eine auf
ökonomischen Gesichtspunkten beruhende sozialgeschichtliche Einteilung
vorzunehmen. Andererseits muss jenseits der sozialen Zusammensetzung
der Arbeitermusikvereine natürlich auch auf den kulturellen
Zusammenhang geachtet werden, was einer auch aufgrund nicht objektiver
absoluter Kriterien notwendig macht. Solch eine eher
kulturgeschichtliche Einteilung schlägt sich etwa bei der Anführung des
Spanischen Bürgerkriegs als moralisch aufbauende Stütze nieder.
Die Zeit zwischen 1933 und 1945 lässt sich daher bezüglich der
Maßnahmen gegen die Arbeitermusikbewegung und die gesamte
Arbeiterkultur auf zweierlei Art in bestimmte Phasen einteilen: Jürgen
Kuczynski entwickelte ausgehend von ökonomischen Kriterien eine
nachvollziehbare Zweiteilung. Die erste Phase stellen die Jahre 1933
bis 1937, die zweite die Jahre 1938 bis zum Kriegsende 1945 dar.[87] Im
Folgenden soll die Charakteristik dieser Perioden zusammengefasst, als
auch die Notwendigkeit einer dritten Phase begründet werden.
1933-1937
Die Jahre 1933 bis 1937 sind dabei von der grundlegenden
Verschärfung der Lage der Arbeiter gekennzeichnet. In diese Zeit fiel
die „Gleichschaltung“ beziehungsweise Zerschlagung der Parteien und
Organisationen als auch die jenseits dieser organisatorischen Rahmen
bestehenden demokratischen Freiheiten. Einher vollzog sich eine
Militarisierung der Arbeit, das heißt die verordnete Bindung des
Arbeiters an seinen Arbeitsplatz, die erstmals im Mai 1934 in der
Landwirtschaft durchgesetzt wurde.[88] Mit der Unterbindung der unter
den Bedingungen der Massenarbeitslosigkeit ohnehin nur relativen
Bewegungsfreiheit der Arbeiter, wurden diese endgültig ihrer
demokratischen Freiheiten beraubt und zu Produktionsmitteln degradiert.
Gleichzeitig konnten die Machthaber durch die Maßnahmen zur Bindung an
den Arbeitsplatz, als auch durch die Entfernung von Frauen vom
Arbeitsmarkt oder den Beginn einer faktischen Kriegsproduktion und der
Schaffung eines künstlichen Marktes, die Arbeitslosenzahlen drastisch
senken, bis Ende 1937 auf eine knappe Million im Vergleich zu sechs
Millionen Anfang 1933. Mit der Militarisierung der Arbeit und dem
scheinbaren Sieg über die Massenarbeitslosigkeit ging eine Steigerung
der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit einher.[89] Damit verbunden
war einerseits eine Steigerung des monatlichen Einkommens bei einer
gleichzeitigen Senkung des Stundenlohns. Es ergab sich also ein im
Vergleich zu 1932 für den Arbeiter ungünstigeres Verhältnis von
produzierten Waren und der Teilhabe an deren Wert.[90] In Verbindung
mit gestiegenen Lebenshaltungskosten ergaben sich gesunkene
Realtariflöhne, deren Auswirkungen sich aber durch die Steigerung der
Arbeitszeit nicht in einem gesunkenen Wohlstand und der Einschränkung
des Konsums äußerten.[91] In diesem Zusammenhang bedeutend für die
Arbeiterkulturbewegung ist die mit der forcierten Erhöhung der
Produktivität einhergehende Einschränkung der Freizeit, die durch eine
staatliche Organisation derselben verschärft wurde. Vor allem die bald
nach der Machtübergabe aufgebaute Deutsche Arbeitsfront (DAF), die die
schon im Mai 1933 zerschlagenen Gewerkschaften ersetzen sollte, zeigt
die Anstrengungen der Nationalsozialisten auf, Arbeit und Freizeit zu
verbinden. Robert Ley sprach angesichts der Gründung der
DAF-Untergliederung Kraft durch Freude (KdF) im November 1933 klare
Worte und setzte die Aufgaben der Organisation darin fest, die
Produktivität der Arbeiter durch eine geplante Freizeitgestaltung zu
steigern. Ley relativierte seine Aussage, die letztlich ein klares
Bekenntnis gegen die sozialen Errungenschaften der Weimarer Republik
war durch scheinbar sozialistische und antikapitalistische Parolen,
wonach die KdF auch dafür Sorge tragen wolle, das „Vorrecht der
Besitzenden auf die Kunst“ zu brechen.[92]
1938-1945
Die in der möglichen Zweiteilung zweite Phase der Zeit des
Nationalsozialismus aus der Sicht der Arbeiter liegt in der Zeit
zwischen 1938 und dem Ende des zweiten Weltkrieges. Die Zeit ist durch
die nun offene Aggression des Deutschen Reiches geprägt, das dazu
übergegangen war, sein Dasein durch die Einverleibung fremder Gebiete
zu sichern. Die Ökonomie hat sich ebenfalls nicht mehr ausreichend
Arbeitskraft aus der Bevölkerung des Reiches rekrutieren konnte und
gezwungen war, auf Zwangsarbeiter zurückzugreifen, bzw. Betriebe zu
zerschlagen, die keine Bedeutung für die deutsche Kriegswirtschaft
hatten, um auf diese Weise das Arbeitspotential abschöpfen zu können.
Durch die Jahre im Voraus geplante und aufgebaute Aufrüstung war
schließlich die Arbeitslosigkeit kurz vor Ausbruch des offenen Krieges
mit dem Überfall auf Polen auf einen Tiefpunkt gesunken. Weniger als
40.000 Menschen hatten im Sommer 1939 keine Anstellung.[93]
Im gleichen Zeitraum ist eine verstärkte Widerstandstätigkeit aus
dem sozialdemokratischen und kommunistischen Spektrum auszumachen, die
aus dem Exil, aber auch aus dem Reich selbst agierte. Erleichtert wurde
dies durch die ab dem Jahr 1938 beginnende Überwindung der Spaltung
zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten.[94] Diese wurde mit einer Verschärfung der Repressionen und Verbote gegenüber noch bestehenden illegalen aber auch legalen Arbeitervereinen beantwortet.
Besonders ausschlaggebend für den Bestand und die Arbeit der
Arbeiterkulturvereine waren allerdings die persönlichen Erfahrungen mit
dem Krieg. Der Marschbefehl an die Front, Kriegsgefallene und ein
Leben, das sich nach dem Schein des Wohlstand der Vorkriegsjahre mehr
und mehr um die Sicherung alltäglicher Bedüfnisse konzentrierte und
letztlich der Bombenkrieg bedeuteten für viele Arbeitermusikvereine das
endgültige Aus beziehungsweise die Arbeitsunfähigkeit.
Dritte Phase: 1936-1939
Neben der Zweiteilung der Zeit zwischen 1933 und 1945 lassen die
Aussagen der Quellen auch eine dritte Phase zu, die sich über den
Zeitraum des spanischen Bürgerkriegs erstreckt. Diese dritte Phase
erscheint speziell aus der Perspektive der Arbeitermusik sinnvoll. Der
spanische Bürgerkrieg brachte der Arbeitermusik zumindest in Hinsicht
ihrer eigenen Kompositionen eine neue Blüte und Bedeutung ein. Für
Deutschland zeigen die Quellen in dieser Zeit ein erhöhtes Aufkommen
von Repressionen gegenüber den proletarischen Musikvereinen. Verstärkt
wurde das bloße Vorhandensein von Schallplatten mit Aufnahmen von
Arbeiterliedern verfolgt und Zusammenkünfte und Vereine immer öfter
aufgelöst. Der spanische Bürgerkrieg bedeutete für die Arbeitermusik,
vor allem die kommunistisch geprägte, nicht nur einen künstlerischen
Höhepunkt, die ersten Erfahrungen mit dem Krieg wirkten sich auch auf
die Arbeit der Vereine aus, wenn auch lange nicht in dem Ausmaß, das
der Bombenkrieg der vierziger Jahre erzeugte.
In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre ist zudem ein Erstarken
des Widerstandes aus der Arbeiterbewegung zu verzeichnen, nachdem diese
die ersten Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft vorwiegend in
Agonie verbrachte. Auch erste Bemühungen um die Errichtung einer
Einheitsfront fallen in diese Zeit, wenn sie auch erst am Ende der
dreißiger Jahre von einem merklichen Erfolg geprägt waren. All dies
ließ die relative Ruhe nach der „Gleichschaltung“ auch in der
organisierten Arbeitermusik schwinden und führte zu erhöhter Aktivität
der Behörden gegen die Arbeiterkultur.
Die "Gleichschaltung" des DAS
Vorbemerkung: Zuständigkeiten in der nationalsozialistischen Verwaltung
Bei der Durchsicht der Dokumente und der spärlichen Literatur fällt
immer wieder das Phänomen auf, wonach sich die unterschiedlichen
Behörden nicht im Klaren darüber waren, welche Einrichtung für welche
Maßnahmen zuständig sei. Zudem trat immer wieder das Problem auf, dass
etwa die Behörden der Länder die Weisungen aus Berlin ignorierten und
eigene Maßnahmen ergriffen. Ein Beispiel dafür ist der weiter unten
noch ausführlich erläuterte Umgang mit dem Kuhn'schen Männerchor, ein
Gesangsverein, der sich nach dem entsprechenden Erlass des
Reichsinnenministers vom November 1934 neu gegründete, aber trotzdem
die ihm zustehenden Rechte durch die badische Landesregierung
verweigert bekam. Der Chor verfasste diverse Schreiben, deren
Adressaten bis hin zur Reichskanzlei reichten.[95] Trotz Ermahnungen
und Bitten aus Berlin verweigerten die badischen Behörden die Erfüllung
der vollen Rechte für den Gesangsverein. Vor allem das
Reichsinnenministerium musste fortan eine Vielzahl von Schreiben aus
der Reichsmusikkammer als auch von betroffenen Chören aus den Ländern
verarbeiten.[96] Die Problematik fasste das Büro des Präsidenten der
Reichsmusikkammer, Richard Strauss, in einem Brief an das
Propagandaministerium zusammen:[97]
„Durchaus nicht immer genüge der einfache Hinweis auf den Erlass,
um die zuständigen Stellen zu veranlassen, ihr früheres Verbot
aufzuheben bzw. die politischen Sicherheiten zu schaffen, damit das
Verbot bedenkenlos wieder zurückgenommen werden konnte. [...] Bei der
widerstrebende Einstellung spielen sehr oft natürlich gewisse
Prestigegründe eine Rolle; besonders in kleineren Amtsbereichen, in
denen manchmal sehr schroff gegen die Arbeitersänger vorgegangen war,
glaubt man die getroffenen Anordnungen nicht überprüfen zu dürfen,
obwohl die Voraussetzungen sich doch inzwischen grundlegend geändert
haben. Weit häufiger jedoch stehen die Amtsstellen noch unter dem
Einflusse von Kreisen, die zwar am Chorleben unmittelbar interessiert
sind, bei denen aber Chorangelegenheiten mit Macht- und
Konkurrenzfragen unsachlich verquickt werden.“ [ab „Macht-“ handschriftlich unterstrichen]
Ein besonders kurioses Beispiel im Zusammenhang mit dem Vorgehen
der Nationalsozialisten gegen die organisierte Arbeitermusik war das
Verbot der Schalmei. Die Schalmei, genauer die Martinstrompete[98], war
ein unverzichtbares Instrument der vorwiegend kommunistischen
Spielmannszüge, Orchester und fester Bestandteil der Musikgruppen des
Roten Frontkämpferbundes (RFB). Schalmeienkapellen rückten schon zum
Ende der zwanziger Jahre in das Visier der Behörden, welche penibel
Organisationen auflisteten, die im Besitz des Instruments waren.
Infolge des „Blutmais“ 1929 standen die Schalmeienkapellen,
insbesondere die des verbotenen RFB, unter verstärkter Beobachtung.[99]
Schalmeien wurden als Sinnbild des RFB angesehen, so dass in der
zweiten Hälfte des Jahres 1929 sogar Ausweise an Schalmeienkapellen
vergeben wurden, die nicht in Verbindung zum RFB standen, so dass diese
einer stärkeren Repression entgehen konnten.[100]
Anfang September 1935 entwickelte sich unter den verschiedensten
Behörden der nationalsozialistischen Verwaltung ein reger
Schriftwechsel, der ein Verbot der Martinstrompete zum Inhalt hatte,
wobei der maßgebliche Inhalt der Briefe darin bestand, herauszufinden,
ob das Verbot überhaupt existierte. Die Diskussion um ein Verbot der
Schalmei entfachte wohl eine SS-Untergliederung, die erfahren haben
wollte, dass Schalmeien in der SS mittlerweile verboten seien. Da auch
die Militärkapellen der SS Schalmeien verwendeten, musste die Frage
geklärt werden. Die Anfragen drangen bis zum Stab des Stellvertreters
Hitlers, der allerdings auch keine Auskunft geben konnte, wohl aber ein
grundsätzliches Unbehagen bei diesem Instrument bekundete, da die
„Erinnerungen an die Schalmeikapellen der KPD dadurch wach gehalten
wird“[101]. Im weiteren Verlauf stritten sich die Behörden und
Untergliederungen, die Reichsmusikkammer, SS, SA, NSDAP und die
Polizeibehörden um die Zuständigkeit für ein eventuelles Verbot der
Schalmei. Der gerade als Nachfolger von Richard Strauss zum Präsidenten
der RMK ernannte Peter Raabe machte in einem Schreiben deutlich, dass
ein eventuelles Verbot der Schalmei in seinen Zuständigkeitsbereich
fallen würde und dass die RMK eine Vielzahl von Schreiben zu diesem
Problem erhalte.102 Aus dem Stab des Hitler-Stellvertreters hieß es
schließlich in einem Schreiben an den Reichsführer der SS wenig später,
dass die SA von einem Verbot nichts wusste.[103 ]Kurz darauf heißt es
von der selben Stelle, dass ein Verbot nur in der SA und SS
bestehe.[104] Wochen später, im Oktober 1935, vermeldete schließlich
die Gestapo, dass ihr von einem Verbot der Schalmei nichts bekannt sei.
Der Verfasser des Briefes, Josef Meisinger [105], gab den Hinweis, dass
ein Verbot im Verantwortungsbereich der Behörden stehe, die „seinerzeit
die kommunistischen Angelegenheiten“ bearbeitet haben. Der Brief endet
mit dem in diesem Schriftenwechsel obligatorischen Bekunden des
persönlichen Unwohlseins beim Gedanken an eine Schalmei, als Zeichen
der ideologischen Treue zum Nationalsozialismus und um eventuellen
Missverständnisse zu entgehen: „Auch mir erscheint es nicht angebracht,
dass die Schalmeien heute in irgend welchen Volksmusikvereinen
verwendet werden, weil hierdurch die Erinnerung an die KPD wachgehalten
werden könnte.“[106] Ob ein Verbot der Schalmei tatsächlich bestand,
geht aus dem Schriftwechsel zwischen den Behörden nicht hervor. Wohl
entsteht aber ein beeindruckendes Bild der Zustände in der ausufernden
nationalsozialistischen Bürokratie, die sich zumindest in diesem Fall
fast ausschließlich mit der Definition von Zuständigkeitsbereichen
beschäftigte.
Erste Repressionen gegen die proletarischen Gesangsvereine nach der Machtübergabe
Der Hass der nationalsozialistischen Machthaber konzentrierte sich
zwar vorwiegend auf die kommunistische „Kampfgemeinschaft der
Arbeitersänger“ [107], aufgrund der personellen Schwäche der
kommunistischen Arbeitersängerverbindung war aber die Bekämpfung des
eher sozialdemokratisch orientierten und mitgliederstärkeren DAS
deutlich dringender und effektiver.
Im Mai 1933 musste die Bundesführung des DAS die Organisation
auflösen. Dieser scheinbaren Kapitulation vor den neuen Verhältnissen
gingen Versuche seitens des DAS voraus, weiterhin unter
nationalsozialistischer Herrschaft zu existieren. Die einzelnen Chöre
sollten sich fortan als harmlose und unpolitische Kulturvereine
präsentieren, zur Legitimierung wurde nationalsozialistische Rhetorik
aufgegriffen. So verwies die Bundesführung des DAS auf die
„volkserzieherische“ Bedeutung des Arbeitersängerbundes. [108] Ziel
dieser Bemühungen war schließlich der Erlass des Reichsinnenministers
vom 11. April 1934, wonach die „früheren Arbeiterchöre“ nicht mehr zu
behindern seien. Bis dahin musste die organisierte Arbeitermusik
allerdings eine Reihe von Repressionsmaßnahmen über sich ergehen
lassen.
Der faktischen Liquidierung des DAS gingen Aktionen gegen die
einzelnen Vereine des reichsweiten Bundes voraus. Proberäume wurden
gekündigt, die Vermögen wurden beschlagnahmt und den meisten
Chorleitern wurde verboten, die Chöre weiterhin zu dirigieren. Zwischen
den einzelnen Chören und Vereinen gab es dabei maßgebliche
Unterschiede, die teils regional festzumachen sind, teils auch von der
politischen Ausrichtung der Chöre abhingen. Bereits im April kam es zu
Verboten einzelner Vereine des DAS, während andere, vor allem die, die
sich politischen Äußerungen verweigerten, bis in den Mai 1933 völlig
unbehelligt blieben. [109] Repressionen gegen Chöre fanden dagegen
schon wenige Tage nach der Machtübergabe statt. Beschlagnahmungen und
vor allem das Entziehen von Übungsräumen, sofern diese im Besitz der
öffentlichen Hand waren, gehörten zu den üblichen Druckmitteln der
neuen Machthaber gegenüber den Arbeiterchören. Aus einem Schreiben der
DAS-Bundesleitung vom 22. März 1933 an den Leiter des Chores „Arion“ im
brandenburgischen Wittenberge geht hervor, dass den dortigen Sängern
eine Schulaula als Proberaum entzogen wurde. [110] Auch ein Schreiben
der DAS-Bundesleitung an das preußische Innenministerium vom 24. März
1933 beklagte die allgemeinen Repressionsmaßnahmen gegen die im DAS
organisierten Chöre. Der Brief weist inständig auf die Bedeutung der
Chöre des DAS für die Massenkultur hin, gerade in Bezug auf wenig
begüterte Menschen und betont den gemeinnützigen Charakter des Bundes.
[111] Das Schreiben hat allerdings keinerlei Anklänge an die wenig
später verübte Taktik der DAS-Funktionäre in den Verhandlungen mit den
nationalsozialistischen Behörden, wonach der DAS vor allem ein Hort der
Pflege deutschen Kulturgutes sei. Auch ein Schreiben des Berliner
Volks-Chors vom 3. April 1933 an das Berliner Polizeipräsidium in der
Keibelstraße zeigt die Nöte auf, in die die Vereine durch den Entzug
von Proberäumen und ähnlichen repressiven Maßnahmen geraten sind. Um
wieder in den bisher genutzten Schulräumen proben zu können, verwies
der Volks-Chor auf sein künstlerisches Schaffen der letzten Jahre,
seine soziokulturelle Bedeutung und betonte vor allem, dass „dem Chor
jede politische Wirksamkeit ferngelegen“ hätte. Der Eintritt in den DAS
hätte demnach rein wirtschaftliche Gründe gehabt. [112] Die
verzweifelten Bitten des Briefes wurde einige Tage später abschlägig
beschieden, dem Volks-Chor wurden die Übungsräume entzogen. [113]
Wenige Tage vor der Auflösung des Bundes, im Mai 1933, änderte sich
die Situation für den DAS allerdings. Hintergrund war ein Gespräch des
Präsidenten des „Reichskartells der deutschen Musikerschaft“, Havemann,
mit dem Vertreter der Deutschen Arbeitsfront, Rudolf Schmeer vom 27.
Mai 1933. Das Gespräch fand in Folge einer Unterredung Havemanns mit
Vertretern des DAS, unter ihnen auch Walter Hähnel, vom 24. Mai 1933
statt. Einen Tag später, am 25. Mai, entschied die IX.
Bundesgeneralversammlung des DAS, die gleichzeitig die letzte gewesen
ist, über die Auflösung des Verbandes als Organisation und
eingetragener Verein. [114] Damit sollten die engen politischen
Bindungen der einzelnen Chöre zum Bundesverband gelöst werden, um ihnen
so unter den neuen Bedingungen im faschistischen Deutschland eine
relative Bewegungsfreiheit zu ermöglichen. [115] Die Entscheidung der
Generalversammlung war eine Folge des Gesprächs vom 14. Mai und
Bedingung für die Verhandlungen der folgenden Zeit.
Inhalt der Unterredungen vom 24. Mai war die Situation und der
Fortbestand der Chöre des DAS unter nationalsozialistischen
Herrschaftsbedingungen. Die Vertreter des DAS hatten Havemann vorher
nach den Möglichkeiten einer Übernahme in die Deutsche Arbeitsfront
gefragt, da der DAS bereits seit 40 Jahren „eine Zusammenfassung der
freiwillig dem Chorgesang dienenden werktätigen Frauen und Männern“
sei. [116] In der Unterredung wurde des Weiteren betont, dass der DAS
politisch neutral sei und keinerlei Verbindungen zu politischen
Parteien, Gewerkschaften und dem politisch besonders verdächtigen
Arbeiter Turn- und Sportbund hätte. Zudem übten die Mitglieder des
Vorstandes des DAS keine politischen Funktionen aus. Havemann erklärte
zudem, dass der DAS bereit sei, „die in seinem Verlag erschienenen
Chorwerke einer textlichen Prüfung zu unterwerfen.“ [117]
Generell schien das Gespräch zwischen den DAS-Vertretern und
Havemann vor allem darin bestanden zu haben, die politische Bedeutung
des DAS und dessen eindeutige Hinwendung zum sozialdemokratischen
Spektrum zu verleugnen. Deutlich waren die D Vertreter Hähnel, Fehsel
und Klauder darauf bestrebt, eine Hinwendung zum
nationalsozialistischen Kunstideal vorzutäuschen. Die Aufzählung der
Komponisten, deren Werke vom DAS bisher aufgeführt wurden, beginnt
nicht umsonst mit dem überzeugten Nationalsozialisten Hans Pfitzner
[118], genauso wie die Erwähnung Siegfried Wagners als von der Arbeit
der proletarischen Chöre Begeisterten kein Zufall gewesen sein dürfte.
Betont wurde auch das vermeintliche Engagement des DAS bei der Pflege
deutscher Musik in Gebieten jenseits der Reichsgrenzen. Auch innerhalb
des DAS wurde als neues kulturelles Leitbild die Pflege des deutschen
Volksliedgutes propagiert, natürlich immer mit dem Hinweis auf die
verbesserten Überlebenschancen durch diesen Schritt weg von der
proletarischen Tradition. Im oben erwähnten Brief der DAS-Bundesleitung
an den Chor „Arion“ in Wittenberge heißt es bezüglich der
künstlerisch-pogrammatischen Gestaltung: „Es geht darum, in den nächsten Monaten unsere Hauptaufgabe in
der Pflege des Volks- und Heimatliedes, des Frühlings- und Wanderliedes
zu suchen.“ [119]
Das Verhalten der Vertreter des DAS in den ersten Gesprächen und
Verhandlungen mit den Vertretern der nationalsozialistischen Behörden
ist wohl auf existenzielle Ängste bezüglich des Überlebens des Bundes
zurückzuführen. Eine Notiz Havemanns gibt darüber Auskunft, dass sich
die Vertreter des DAS aufgrund schon ergangener Verbote gegenüber
einzelnen Chören des Bundesverbandes und der daraus resultierenden
finanziellen Krise um das Fortbestehen des Sängerbundes sorgten. [120]
Die in einigen Ländern bereits erfolgte Auflösung vieler
Arbeitergesangsvereine innerhalb des DAS wurde auch in den auf das
Gespräch folgenden Verhandlungen immer wieder angeführt und diente als
Druckmittel der nationalsozialistischen Behörden, den mitgliederstarken
Verband in das nationalsozialistische Geflecht aus „gleichgeschalteten“
Verbänden einzugliedern. [121] Havemann verkündete das Ergebnis der in
einem Brief an das Reichsministerium des Inneren: „Wir sind zu folgender Übereinkunft gekommen: Der Deutsche
Arbeiter- Sängerbund soll einstweilen mit seinem und in seiner Struktur
bestehen bleiben. Ich [im Text unterstrichen] soll den Vorsitz
übernehmen, mir den genauen Bericht über die Vermögensverhältnisse
geben lassen und Prof. Dr. Stein soll die künstlerische Arbeit
überwachen. [...] In verschiedenen deutschen Ländern sind die
Arbeiterchöre aufgelöst, verboten und ihr Vermögen beschlagnahmt
worden. Da der Arbeiter Sängerbund nur ein eingetragener Verein ist,
ist er im Augenblick nicht in der Lage, die in dieser Eigenschaft
obwaltenden Geschäfte durchzuführen. Der Vertreter von Herrn Dr. Ley
(Deutsche Arbeitsfront) hat weiter bestimmt, dass der Deutsche
Arbeiter-Sängerbund dem Reichskartell der Deutschen Musikerschaft
unterstellt wird.“ [122]
Das Schreiben endet mit einer Bitte Havemanns an das Ministerium, ihm weitere Anweisungen zu erteilen.
Folgerichtig begannen am 31. Mai 1933 die Verhandlungen über die
„Gleichschaltung“ des DAS. Schon im ersten Dokument der Verhandlungen
wird zwar von „Gleichschaltung“ gesprochen, im Vordergrund sollte aber
der Erhalt des DAS stehen. Zudem sollte die Arbeit des DAS zukünftig im
Sinne des „nationalen Aufbaus“ stattfinden. [123] Als ersten Schritt
hin zu einer „Einigung“ der Behörden mit dem DAS bat der
Verhandlungsführer Fritz Stein, Direktor der staatlichen akademischen
Hochschule für Musik, um den sofortigen Stopp der Auflösung von
Arbeitergesangsvereinen. [124] Bei erfolgreicher „Gleichschaltung“
sollten schließlich gar schon erfolgte Verbote zurückgezogen werden.
[125]
Ein Ergebnis der ersten Verhandlungen der Vertreter des DAS mit den
Vertretern der staatlichen Stellen [126], war die Einigung auf einen
„Generalbevollmächtigten“. Dieser sollte der Verhandlungsführer Fritz
Stein werden, welcher auch für die anvisierte Festigung der bis dato
losen Interessengemeinschaft für das deutsche Chorgesangswesen als
Vorsitzender vorgesehen war. [127] Als Struktur innerhalb des neuen
festen Dachverbandes war eine Übertragung der nationalsozialistischen
Führer-Struktur geplant. Ein erster Schritt sollte also die Ernennung
von Bevollmächtigten für die einzelnen Gaue sein. Zudem sollte das
Potential an Gegnern des Nationalsozialismus innerhalb der Vereine
durch eine Erhebung über die Zahl der Mitglieder der NSDAP und der
angeschlossenen Organisationen eingeschätzt werden. [128]
Widerspruch gegen die Maßnahmen aus Berlin
Die Lippische Landesregierung nahm bereits im Juli 1933 entschieden
Stellung gegen den Vorschlag des Reichsinnenministerium, von der
Auflösung der Chöre innerhalb des DAS abzusehen. Die Landesregierung
überbrachte dafür die Meinung des Lippischen Sängerbundes, Teil des
bürgerlichen und in den Nationalsozialismus integrierten Deutschen
Sängerbundes, wonach die Fortexistenz des DAS neben dem Deutschen
Sängerbund überflüssig sei. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass der
DAS noch immer „im Dienste der S.P.D.“ stehe. Auch die in den
Verhandlungen betonte Arbeit des DAS für das deutsche Kulturgut wurde
aus Lippe zurückgewiesen. Generell hielt die Lippische Regierung die in
Berlin verhandelten Ziele für nicht durchführbar und unrealistisch.
[129]
Die Vertreter des DAS in den Verhandlungen vom Mai 1933 haben
offensichtlich eine erfolgreiche Taktik gefahren. Während aus den
überlieferten Schriften hervorgeht, dass in den Reichsbehörden in
Berlin große Übereinstimmung und Wohlwollen gegenüber den dem
Fortbestand des DAS unter nationalsozialistischer Vorherrschaft
bestand, lehnten die Landesregierungen, die natürlich an den
Verhandlungen nicht beteiligt waren, die aus Berlin vorgeschlagenen
Schritte ab, bzw. äußerten zumindest große Zweifel an der Möglichkeit
einer Eingliederung des DAS in die bestehenden Strukturen der
NS-Massenkultur. Die Einwände der Länder zeigten offenbar Wirkung. Eine
Anfrage aus Mecklenburg-Schwerin bezüglich der Entscheidungen in
Berlin, blieb trotz nochmaliger postalischer Nachfrage unbeantwortet.
[130]
Der Umgang mit den Arbeiterchören und proletarischen
Gesangsvereinen kam, gemäß der Erfahrung auch anderer linker
Zusammenschlüsse im Zusammenhang mit der „Gleichschaltung“, schließlich
doch einem Verbot gleich. Sämtliche Vereine wurden der Reichmusikkammer
unterstellt und ihre Vermögen zugunsten des Reichsverbandes für
Chorwesen und Volksmusik beschlagnahmt. [131] Trotzdem bestand vor
allem nach dem 12. November 1933 die Einsicht in die Notwendigkeit, die
Arbeiterschaft in den nationalsozialistischen Staat einzugliedern und
„die Chöre wieder zum Singen zu bringen“. [132]
Aus dem Reichsinnenministerium wurde dieser Appell aufgenommen und
immer wieder mit Verweis auf den 12. November 1933 auf einen Stopp der
Repressionen gegenüber den Arbeiterchören hingewirkt. [133] Dieser
Erlass des Reichsinneministers ermöglichte zwar die Wiederbetätigung
einiger Arbeiterchöre, nicht jedoch ihr freies Agieren in einer
selbstbestimmten künstlerischen Programmatik. [134] Eine politische
Betätigung war natürlich gänzlich ausgeschlossen. Im Land Baden, wo vor
dem Erlass vom 12. November und trotz des anfänglich geäußerten
Wohlwollens während der Verhandlungen in Berlin im Mai 1933 sämtliche
Arbeitergesangsvereine verboten wurden, wurde deutlich gemacht, dass
keine Wiederzulassungen genehmigt werden, sondern lediglich
Neugründungen, denen strenge politische Auflagen zu Grunde lagen. So
sollte die Kontinuität von Vorständen aus ehemaligen DAS-Vereinen in
den neu gegründeten Vereinen durch ein Betätigungsverbot für die
ehemaligen DAS-Vorstände verhindert werden. Auch die Namenskontinuität
sollte durch Verbote der alten Bezeichnungen der Chöre unterbunden
werden, um jegliche Anklänge an sozialdemokratisch oder kommunistisch
geprägte Vereine zu vermeiden. [135] Interessant ist dabei die Regelung
zur Wiedererlangung von Vermögen für die neugegründeten Vereine. Diesen
stand es zu, gegen „angemessenes Entgelt“ einen Teil des
beschlagnahmten Vermögens aus den proletarischen Gesangsvereinen von
den Treuhändern des Landes Baden „für das marxistische Vermögen“ zu
erwerben. [136] In der Praxis stellten sich dabei den Chören einige
Schwierigkeiten in den Weg, da die Landesregierung offenbar großes
Interesse an den beschlagnahmten Geldern hatte. Der Kuhn'sche
Männerchor, der versuchte, über die Treuhänder Finanzen für die Arbeit
im Chor zu erhalten, verfasste daraufhin ein Schreiben, [137] in dem
sich seine Vertreter darüber beschwerten, dass ihnen keinerlei Vermögen
durch das Land Baden zugestanden wurde: „Wir wissen, dass in anderen Ländern, ausser Baden, den Vereinen
ihr beschlagnahmtes Vermögen wieder überlassen wurde, und was in der
einen Ecke des Deutschen Reiches richtig ist, müsste doch auch für alle
deutschen Volksgenossen gelten“ [138]
Die Angelegenheit des Kuhn'schen Männerchors wurde schließlich in
einem weiteren Brief bis in die Reichskanzlei getragen [139], da die
Behörden sowohl in Baden als auch im Reich Zuständigkeiten abstritten
oder die Ansprüche direkt verweigerten, obwohl die politische
Zuverlässigkeit bestätigt wurde, auch da die Hälfte der
Verwaltungsmitglieder des Vereins der NSDAP angehörten. [140]
Das Land Baden war ein Musterbeispiel für das Unbehagen um die
Möglichkeit zur Neugründung von Arbeitergesangsvereinen. Auffällig ist
das Zusammenspiel zwischen den Landesbehörden und bestehenden
bürgerlichen Gesangsvereinen. Die eine Seite hatte vor allem kein
Interesse daran, das lukrative Geschäft, das durch die Beschlagnahme
der Vermögen der Vereine entstanden ist, aufzugeben. Die andere Seite
äußerte im Gehorsam gegenüber der herrschenden Politik Sorge um die
Möglichkeit einer Wiederaufnahme der politischen Tätigkeit der
Arbeitgesangsvereine und fürchtete vor allem die Konkurrenz zu den
eigenen Vereinen und Verbänden. [141]
Deutlicher als es bei den Vorgängen in Baden der Fall war, äußert
sich ein internes Schreiben an Vereinsführer und Chormeister des
Deutschen Sängerbundes in Sachsen, aus dem abschriftlich Auszüge durch
das Amt für Chorwesen und Volksmusik in der RMK an das
Reichsinnenministerium weitergeleitet wurden.[142]
Das beinahe konspirative Schreiben zeigt klar Ideen und Vorschläge
auf, wie die Verfügungen des Reichsinnenministers vom 11. April 1934,
die Tätigkeit der Arbeiterchöre nicht mehr zu behindern und vom Oktober
und November 1934 zur Wiederzulassung von Arbeiterchören zu umgehen
ist: „Der letzte unterstrichene Satz der Verfügung des Reichsministers
besagt: soweit nicht in Einzelfalle besondere Bedenken bestehen.-
Dieser Nachsatz [ab „soweit“ im Original unterstrichen] wird
uns die Möglichkeit geben, bei den örtlichen Leitungen der NSDAP und
beim Bürgermeister des Ortes darauf hinzuweisen, dass eben solche
Bedenken dort bestehen, wo schon seit Jahrzehnten ein Gesangsverein des
DSB [Deutscher Sängerbund] besteht, der keine Klassenunterschiede
kennt. Ich ersuche alle Gruppen und Vereinsführer in den Orten, wo sich
„Deutsche Chorgemeinschaften“ bilden wollen, bei den örtlichen
Leitungen der NSDAP vorstellig zu werden und im vorstehenden Sinne die
Bildung solcher Vereine verhindern, immer unter Hinweis auf den letzten
Satz der ministeriellen Verfügung.“ [ab „immer“ im Original unterstrichen] [143]
Der Übereifer der Landesbehörden beim Verbot von
Arbeitergesangsvereinen bzw. die Verweigerung deren Wiederzulassung
schien die Behörden in der Reichshauptstadt stark unter Druck zu
setzen. Neben den schon erwähnten Mahnungen an die Länder, die
Verfügungen und Erlasse aus Berlin umzusetzen, wurde auch auf die
Positionen der Landesbehörden eingegangen. So bestätigte das
Reichsinnenministerium das Verbot des Arbeitergesangsvereins
„Liederwald“ aus dem sächsischen Waltersdorf durch die
Landespolizeibehörden vom April 1935 und verzichtete nach einem
längerem Briefwechsel auf weitere Schritte. [144]
Generell lassen sich an den unterschiedlichen Maßnahmen gegen die
Chöre des DAS in den Ländern die inneren Probleme der
nationalsozialistischen Verwaltung erkennen. Der Anspruch, einen Staat
in kürzester Zeit komplett nach festen ideologischen Gesichtspunkten
umzukehren, scheiterte hier immer wieder an Kommunikationsproblemen
oder schlicht dem Geltungsdrang einzelner Beamter. Dies kann auch als
Grund angenommen werden, dass sich die politische Polizei erst spät den
proletarischen Gesangsvereinen annahm und die Maßnahmen vorwiegend
durch überlastete und oft fachfremde Behörden ausgeführt wurden. [145]
Der Bestand des DAS als eigenständiger Dachverband der
Arbeitermusik war dennoch illusorisch. Die Durchführungsverordnung zum
Reichskulturkammergesetz vom 1. November 1933 führte zur Aufnahme
dreier großer Verbände des Chorwesens in die Reichsmusikkammer: der
schon vorher existierende bürgerliche Deutsche Sänger-Bund, der
Reichsverband für gemischte Chöre Deutschlands und der Reichsverband
für Volksmusik. Gesangsvereinen war es vorgeschrieben, sich in einen
dieser drei Verbände einzugliedern, damit die Mitgliedschaft in der RMK
zu erwerben, die mit einer Erlaubnis zur öffentlichen Betätigung
gleichzusetzen ist. [146] Aus einem Brief an Karl Fehsel vom 12.
November 1933 geht allerdings hervor, dass die Bedingung des Beitritts
in einen der drei Verbände für andere Gesangsvereine weniger streng
gehandhabt wurde. Dort heißt es: „Interessant ist für mich die Mitteilung, daß der Reichsverband
der gem. Chöre noch besteht. Uns hat man mitgeteilt, daß auch dieser
sich dem D.S.B. anschließen muß. Wir haben bisher noch immer gewartet
um uns irgendwie anzuschließen bis wir dann ein Schreiben vom
Gauvorstand des D.S.B. erhielten, worin wir aufgefordert wurden, dem
Bund beizutreten, welches nun in der Mitgliederversammlung beschlossen
wurde.“ [147]
Mit der Verordnung vom November 1933 war die „Gleichschaltung“ bzw.
das hinter diesem Euphemismus stehende faktische Verbot der Chöre des
DAS besiegelt. Durch eine klare Anweisung bezüglich der künstlerischen
Inhalte war somit auch der Erhalt der Charakteristik und der
eigentlichen Aufgaben der proletarischen Gesangsvereine hinfällig. Die
vereinzelte Wiederzulassung vorher verbotener Arbeitergesangsvereine
hatte daher kaum praktische Auswirkungen auf ein Wiederbeleben der
politischen und klassenbewussteinsbildenden Rolle der Gesangsvereine.
Anstelle des sozialistisch ausgerichteten DAS, traten die
Arbeiterchöre nun dem Deutschen Sänger-Bund bzw. dem Reichsverband der
gemischten Chöre bei. Zumindest aus der Perspektive der
Dachorganisation wurden die Traditionen der proletarischen
Musikbewegung aufgegeben. Stattdessen sollten sich die Arbeiterchöre
vorwiegend der Wiedergabe von Liedgut widmen, das dem
nationalsozialistischen Bild einer ländlichen deutsch-völkischen Idylle
entsprach. Am Übergang vom Deutschen Arbeiter-Sängerbund zum Deutschen
Sänger-Bund hingen auch propagandistische Interessen, die die reine
Namensgebung betrafen. Der Name DAS schien schon während der Gespräche
und Verhandlungen zwischen Vertretern des RIM und des DAS ein nicht
unwichtiges Thema zu sein. Im Gespräch vom 24. Mai 1933 forderten die
NS-Vertreter bereits die Funktionäre des DAS auf, auf den alten Namen
zu verzichten. [148] Wenige Tage später hatte sich die Frage um den
Namen erledigt, da der DAS Ende Mai 1933 faktisch und juristisch
aufgelöst war und sich bis zum Ende des Jahres in der Liquidation
befand.
Künstlerisch mussten sich Chöre des früheren DAS, die nun im
Deutschen Sänger-Bund organisiert waren, von den Traditionen der
proletarischen Musikkultur weitestgehend verabschieden und wurden so
der Rolle gerecht, die ihnen von der NS-Kulturpolitik zugesprochen
wurde und aus der die „vom künstlerisch-kulturellen Standpunkt aus
wünschenswerte Erhaltung“ dieser Chöre [149] hervorging.
Der zu konstatierende relativ reibungslose Ablauf der
Gleichschaltungsaktionen in den ersten Monaten des Jahres 1933 hat
seine Wurzeln vorwiegend in der starken Bindung des DAS an die SPD, die
nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten einer folgenschweren
Fehleinschätzung unterlag. Die staatstragende Rolle, die die SPD nach
der Novemberrevolution einnahm und die sie von der
systemoppositionellen KPD unterschied, führte 1933 zur Überzeugung,
dass die Partei und damit auch die ihr nahestehenden Organisationen
weiterhin auf dem Boden der Verfassung agieren sollten. Die
Sozialdemokratie ging von der folgenschweren Annahme aus, dass der
erste Schritt in einer nicht-legalen Auseinandersetzung zwischen den
rechten Machthabern und der linken Opposition von den
Nationalsozialisten ausgehen solle. [150] Außerparlamentarische
Aktionen wurden von den damals noch im Reichstag agierenden
sozialdemokratischen Abgeordneten abgelehnt, genauso wie ein Aufruf der
KPD zur schnellen Bildung einer Einheitsfront und zu politischen
Streiks. [151]
Von diesem Paradigma der Verfassungstreue um jeden Preis und dem
festen Glauben an das Fortbestehen der Republik waren auch die
sozialdemokratischen Arbeitersänger, vor allem aber die mit den
Nationalsozialisten verhandelnde Führung des DAS betroffen. Statt
schnell den Widerstand zu organisieren, die sozialdemokratische
Arbeiterschaft zu mobilisieren, versuchten Funktionäre
sozialdemokratischer Organisationen oftmals sogar, jegliche Unruhe im
Keim zu ersticken. [152] Dahinter stand die zum Zeitpunkt der
Machtübertragung weit verbreitete Annahme, hinter der NSDAP-Regierung
würde sich wieder nur eine weitere kurzlebige Regierung nach dem
Vorbild vorangegangener Administrationen der Weimarer Zeit verbergen
und man müsse diese Phase nur möglichst unbeschadet aussitzen.
Ideologische Eingliederung der ehemaligen Arbeitersänger in die faschistische Ideologie
Aus dem schon zitierten sehr umfangreichen Beschwerdebrief des
Präsidenten der RMK an das Propagandaministerium geht hervor, dass die
wieder entstandenen, noch immer existierenden oder stark umgestalteten
Arbeiterchöre innerhalb des Deutschen Sänger- Bundes durchaus für die
nationalsozialistische Politik zu begeistern waren. Es ist zwar
anzunehmen, dass das Büro des Präsidenten der RMK diesen Punkt aufgrund
des Zieles, mehr Arbeiterchöre neu zu gründen, überbetonte, dennoch
handelte es sich auch bei der RMK keineswegs um eine Einrichtung, die
taktisch gegen die herrschenden Grundsätze der NS-Kulturpolitik vorging
und diesen entgegengesetzte Ziele vertrat. Bezüglich der Einbindung der
proletarischen Gesangsvereine in die nationalsozialistische Ideologie
trifft der Brief folgende Aussage: „Schließlich darf aber auch nicht unerwähnt bleiben, wie dankbar
die Arbeitersänger die Singerlaubnis begrüssen. [...] Ich glaube auf
Grund meiner persönlichen Beobachtungen versichern zu dürfen, dass die
Mitglieder dieser Chöre nicht nur versuchen, den
nationalsozialistischen Staat und den Führer in seinem Kampf um
Deutschlands Zukunft zu verstehen, sondern sich ehrlich bemühen,
positiv mitzuarbeiten. [...] so darf man wohl feststellen, dass das
Vertrauen, welches den Arbeitersängern in dem Erlass vom 11.4.34
entgegengebracht worden ist, durch die Entwicklung gerechtfertigt
wurde.“ [153]
Dennoch lässt sich aus dem Verhalten der Arbeitermusikbewegung in
der Zeit der „Gleichschaltung“ kaum eine Aussage über die ideologische
Verankerung treffen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die
Bestrebungen, die Vereine und vor allem den Zusammenhalt der in ihnen
Organisierten zu erhalten, stärker war als das Bestehen auf politischen
Grundsätzen.
Maßnahmen gegen Chöre der Arbeitermusikbewegung nach 1933 und 1934
Dass die Repressionen gegen frühere proletarische Gesangsvereine
und Chöre nicht mit dem Abschluss des bürokratischen
Gleichschaltungsprozesses aufhörten, ist verständlich. Die Struktur der
Chöre, die zwar vor 1933 im DAS oder kleineren Dachverbänden
organisiert waren, aber trotzdem sich vorrangig auf der Basis einer
gemeinsamen Wohngegend oder eines gemeinsamen Arbeitsplatzes trafen und
arbeiteten, machte es den nationalsozialistischen Behörden nicht
einfach, gegen die noch immer bestehende sozialdemokratische oder
kommunistische Ideologie in den Chören vorzugehen. Noch immer wurden
Vereine verboten, häufiger aber personell umgestaltet. So war es den
Chören nicht mehr möglich, zumindest offiziell, eigenständig über ihre
organisatorische und musikalische Leitung zu bestimmen. Voraussetzung
für das Überleben der Gesangsvereine unter nationalsozialistischen
Bedingungen war unter anderem die Leitung der Chöre mit politisch
„unbedenklichen“ Menschen, die im Idealfall Mitglied der NSDAP bzw.
Mitglied einer der zahlreichen Unterorganisationen des
nationalsozialistischen Staates waren, zu besetzen. Keinesfalls wurden
ehemalige Mitglieder der SPD oder KPD geduldet, ebenso auch Personen,
die in der Vergangenheit durch besondere politische Aktivität
aufgefallen sind.
So erreichte etwa die Reformierte Gesangsgemeinschaft 1917 [154] in
Berlin-Neukölln erst im Februar 1937 ein Brief, in dem bekannt gemacht
wurde, dass der Vereinsvorsitzende Ernst Schmidt seines Amtes enthoben
und durch einen kommissarischen Vorsitzenden, der durch die Berliner
Sektion des Reichsverbandes der gemischten Chöre eingesetzt wurde,
ersetzt wurde. [155]
Die Zeit zwischen dem weitestgehenden Abschluss der
„Gleichschaltung“ der Arbeitermusik und dem Beginn der Verschärfung der
politischen Verhältnisse in Deutschland durch konkrete
Expansionsbestrebungen und verstärkte Interventionen ab dem Jahr 1936,
bedeutete aber für die Arbeiterchöre eine Phase einerseits der
Stagnation, was widerständiges Verhalten angeht, andererseits der
Einrichtung und Orientierung unter den neuen Verhältnissen. Ähnliches
galt für die staatlichen Behörden. Diese mussten in den verschiedenen
und vielschichtigen Vereinen der Arbeiterkultur Orientierung finden,
Möglichkeiten der Überwachung eruieren und andererseits versuchen,
Teile der Arbeiterkultur für die eigene Massenkultur zu gewinnen. Der
Repressionsdruck war so nach den formalen Gleichschaltungsmaßnahmen
oftmals stark zurückgenommen. Eine Ausnahme bildeten hier vor allem die
kommunistischen Vereine, die sich im Gegensatz zu den meisten
sozialdemokratischen nicht nur theoretisch in erster Linie auf das
politische Agieren konzentrierten, sondern dies auch in der Praxis
umsetzten. Offizielle Dokumente, die staatliche Bemühungen
dokumentieren, die kommunistischen Arbeitersänger für die
nationalsozialistischen Massenkultur zu gewinnen, sind nicht zu finden.
Überwindung der Spaltung: Einheitsfrontbestrebungen in der Arbeitermusik Einheitsfront und Volksfront
Die Einheitsfront, die Zusammenarbeit von Kommunisten und
Sozialdemokraten, wie sie die Komintern seit den frühen 20er Jahren
anstreben wollte, galt in den Jahren nach 1933 als faktisch nicht
erreichbar und gescheitert. 1935 trat mit dem letzten Weltkongress der
Komintern die Volksfrontstrategie zur Überwindung des in Europa
grassierenden Faschismus auf den Plan, die nun auch die Zusammenarbeit
mit bürgerlichen Kräften propagierte. Für die KPD etwa bedeutete die
neue Ausrichtung ein ideologisches Umdenken. Die Brüsseler
Parteikonferenz vom Oktober 1935 brachte eine Resolution hervor, die
sich auch in ihrem sprachlichen Duktus betont auf bürgerliche
Interessen bezog und zum Beispiel an patriotische und nationale Gefühle
appellierte. [156] Die organisierte und noch immer in Sozialdemokraten
und Kommunisten gespaltene Arbeitermusik versuchte ebenfalls 1935
nochmals, die Idee der Einheitsfront aus beiden sozialistisch gesinnten
Parteien und ihren Anhängern zu erreichen.
Schon nach 1933 spielte die Überwindung der extremen Spaltung der
Arbeiterbewegung aus der Zeit der Weimarer Republik eine bedeutende
Rolle für die Arbeitermusikbewegung, um die einsetzende schrittweise
Zerschlagung durch „Gleichschaltung“ und Verbote aufzuhalten. Kurz nach
der Machtübergabe an die NSDAP befanden sich auch die politischen
Einschätzungen von Sozialdemokraten und Kommunisten auf diametral
entgegengestellten Positionen. Die SPD bestand noch am Vorabend des
Ermächtigungsgesetzes auf unbedingter Treue zum längst nicht mehr
existenten Rechtsstaat und zur wertlos gewordenen Verfassung, während
die KPD und deren Mitglieder bereits von den neuen Machthabern aufs
Schärfste verfolgt wurden. Die KPD selbst befand sich in den ersten
Wochen und Monaten der nationalsozialistischen Herrschaft ohnehin in
einer paralysierten Aktionsunfähigkeit und reagierte auf die
Massenverhaftungen vor allem mit einer groß angelegten Selbsttäuschung,
die eine Erhebung der Volksmassen und einen funktionierenden
kommunistischen Widerstand herbei redete. [157]
Aus der Perspektive der Gegenwart bleibt aber festzustellen, dass
auch die kommunistisch geprägten Arbeitermusiker den Charakter der
neuen Machthaber treffender einschätzten und im Gegensatz zum Großteil
der noch im DAS organisierten sozialdemokratischen Vereine deutliche
Konsequenzen zogen und so den Weg des DAS, eine legale Zukunft zu
suchen, nicht gingen. Das mag daran gelegen haben, dass sich der
ideologisch motivierte Hass der Nationalsozialisten deutlich stärker
auf die Kommunisten konzentrierte. Zudem haben sich kommunistische
Arbeitersänger, Agitpropgruppen oder Orchester auch schon vor 1933 klar
politisch positioniert und konnten so im Gegensatz zu den
Sozialdemokraten kaum darauf verweisen, lediglich das deutsche
Volksliedgut zu pflegen oder die kulturelle Bildung der „Volksgenossen“
voranzutreiben. Dass auch sozialdemokratische Vereine die Strategie der
DAS-Führung im Zusammenhang mit der „Gleichschaltung“ ablehnten und
sich ähnlich wie die Kommunisten verhielten, ist eher eine Ausnahme.
Ein Beispiel für das Einnehmen einer klaren Oppositionshaltung war hier
der Volkschor Eberswalde, der Mitte der zwanziger Jahre aufgrund einer
Spaltung selbst zu einer sozialdemokratischen Positionierung gezwungen
war, am 5. Mai 1933 den DAS aber kurz vor dessen Auflösung verließ.
[158]
Die deutliche Positionierung kommunistischer Arbeitermusiker und
die intensive politische Aktivität, die sie von den sozialdemokratisch
geprägten Vereinen unterschied, rief eine besonders starke Verfolgung
durch die Polizei- und Justizorgane hervor. Ein schon beschriebenes
Beispiel war das Verwirrspiel um ein Verbot der Martinstrompete, die
als Symbol für den Rote Frontkämpferbund galt. Auch die hohe Anzahl und
Verbreitung von in der Weimarer Republik komponierten Kampfliedern rief
Reaktionen der Behörden hervor. Der Handel mit und teilweise auch der
Besitz von Schallplatten mit Aufnahmen von Kampfliedern war streng
verboten und wurde entsprechend geahndet. Durchsuchungen wurden immer
wieder durchgeführt und die Besitzer der Platten mit Strafen belegt.
[159] In der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs, in dem die Kompositionen
Hanns Eislers und anderer einen beinahe mythologischen Ruf erhielten,
verschärfte sich die Situation für Besitzer und Händler der verbotenen
Schallplatten nochmals. Der Besitz dieser Aufnahmen genügte als
Beweismittel für die Vorbereitung eines „hochverräterischen
Unternehmens“. [160]
Die Arbeitersänger-Olympiade 1935 in Strassburg
Schon kurz nach 1933 gab es verstärkt Initiativen zur Bildung einer
antifaschistischen Einheitsfront aus Kommunisten und Sozialdemokraten.
Während diese Bemühungen im Deutschen Reich nicht nur kaum Resonanz
fanden, sondern auch das politische Agieren in antifaschistischen
Kreisen immer gefährlicher wurde, bemühten sich im französischen
Elsass-Lothringen die deutschsprachigen Arbeitersänger um eine
Überwindung der Gräben. Auf Kongressen des Elsass-Lothringischen
Arbeitersängerbundes und des Elsass- Lothringischen Arbeitermusikbundes
am 12. und 13. Dezember 1934 wurde immer wieder versucht, die
Arbeitermusik als bedeutenden Teil der Arbeiterkultur und der
Arbeiterbildung zu einen, um einen effektiven Widerstand gegen das
NS-Regime organisieren zu können. [161] Der Ort der Manifestation der
Einheitsfront der Arbeitermusiker sollte die vom kommunistisch
geprägten Arbeitermusikbund in Elsass-Lothringen organisierte
Arbeitersänger-Olympiade in Strassburg vom 8. bis 10. Juni 1935 sein.
Zaghafte Annäherungen zwischen sozialdemokratischen und
kommunistischen Arbeitermusikern gab es schon im Jahr 1934. Das ZK der
KPD veröffentlichte am 1. August 1934 eine Resolution zur Bildung einer
Einheitsfront [162], der diverse ähnliche Aufrufe, Briefe etc.
vorausgegangen waren. In Folge dieser vertrat der Sozialdemokrat
Hermann Reichenbach nun gemeinsam mit Hanns Eisler die deutschen
Arbeitermusiker im kommunistischen Internationalen Musik-Büro (IMB).
[163] Mit dieser Maßnahme sollte eine Einheit zwischen der
sozialdemokratischen und aufgrund ihrer deutschen Dominanz recht
erfolglosen Internationale der Arbeitersänger (IDAS) geschaffen werden.
Ein von Erwin Piscator und Franz Szabo verfasster bedeutender Brief des
Internationalen Revolutionären Theaterbund (IRTB) und dessen Sektion
IMB an die IDAS vom 15. April 1934 sollte die Ernsthaftigkeit des
Bündnisangebots besiegeln: "Wir halten es für unsere Pflicht, dem IDAS eine positive
Zusammenarbeit vorzuschlagen. Ohne grundsätzliche
Meinungsverschiedenheiten zu leugnen und ihre sachliche Diskussion
ausschliessen zu wollen, sehen wir doch in solcher Zusammenarbeit die
beste Gewähr für einen siegreichen Kampf gegen Faschismus und Krieg.
Wir schlagen in diesem Zusammenhang der IDAS vor, unsere Zusammenarbeit
anlässlich der Arbeitermusikolympiade zu beginnen." [164]
Das Angebot der Kommunisten erzielte keinen Erfolg. Die IDAS
ignorierte das Angebot und entsendete keine offiziellen Vertreter nach
Strassburg. In Strassburg selbst fanden sich am 8. Juni mehr als 3000
Sänger aus über 70 Vereinen ein, darunter viele aus dem Deutschen
Reich. Die Olympiade war zudem prominent besucht: unter den Gästen
befanden sich unter anderem Bertolt Brecht, Egon Erwin Kisch, Martin
Andersen-Nexö, Erwin Piscator, Romain Rolland und Hanns Eisler, dem die
künstlerische und organisatorische Leitung aufgetragen wurde. Als
künstlerisches Symbol der Olympiade komponierte Eisler gemeinsam mit
Brecht wenige Monate vorher das Einheitsfrontlied, welches aus
einem Auftrag Piscators vom Dezember 1934 hervorging, ein "gutes
Einheitsfrontlied" zu schreiben. [165] An der Premiere des Liedes waren
alle anwesenden 3000 Sänger beteiligt, die es gemeinsam mit Ernst Busch
und unter der Klavierbegleitung Hanns Eislers sangen. Anhand des
Inhalts des Einheitsfrontliedes lässt sich auch der
Paradigmenwechsel der Kommunisten zur Einheitsfront nachvollziehen.
Schon 1932 vertonte Eisler ein Gedicht Erich Weinerts, das sich mit der
Einheitsfront beschäftigte, das Kampflied gegen den Faschismus.
Seinerzeit hieß es dort noch: "zum Teufel gejagt die Führer der SPD"
und "die Einheitsfont marschiert unter der roten Fahne, die Sichel und
Hammer führt." 1934 war von der Verdammung der Sozialdemokraten und der
Vorbedingung, dass die Einheitsfront unter Sichel und Hammer, bzw. in
einer späteren Version unter Marx und Lenin angeführt werde, keine Rede
mehr, sondern nur noch der Bezug auf gemeinsame Interessen, "weil du
auch ein Arbeiter bist".
Dennoch war die Olympiade überschattet von Repressionen durch die
französischen Behörden. Jegliche politischen Äußerungen sollten
unterdrückt werden. An diesen Vorgängen beteiligte sich auch die
Stadtverwaltung Strassburgs, die in der Hand der Sozialisten war. So
wurde eine Radioansprache Eislers unterbrochen, nachdem dieser die
Arbeitsbedingungen in den Werken des us-amerikanischen
Automobilherstellers Ford ansprach. Ford kooperierte seinerzeit mit dem
französischen Mathis-Konzern. Kritik wurde daher auch von den
Sozialisten als für die französische Wirtschaft schädlich angesehen.
[166] Der Bürgermeister Strassburgs verfügte zudem einige
Polizeiüberfälle auf die Olympiade und schließlich die Verhaftung Hanns
Eislers, die erst nach Intervention linker Kräfte aus Paris und der
Departement-Verwaltung Elsass-Lothringen wieder aufgehoben wurde. [167]
All diese Vorfälle heizten die Stimmung gegenüber den Sozialdemokraten
noch weiter an, die die Olympiade trotz diverser Angebote weitestgehend
ignorierten: "Diese Vorfälle beleuchten blitzartig die Situation, die
Aggressivität der faschistischen Kräfte, auch in Frankreich, sie werfen
das grelle Licht der Wahrheit auf die Passivität, auf den Fatalismus
gewisser sozialdemokratischer Kreise. Waren nicht sie es, die, als in
den letzten Wahlen eben dieser Herr Frey zum Bürgermeister gewählt
wurde, meinten: "Hätten die Wähler die sozialistische Fraktion in
stärkerer Anzahl als die anderen Parteien auf die Mayrie [Mairie]
gesandt, so hätte sie ihren Anspruch auf den Mayrie-Sitz geltend zu
machen gewusst." [168]
Die Bilanz der Olympiade fiel demnach aus kommunistischer Sicht
alles andere als positiv aus. Es wurde klar von "Sabotage" der
Einheitsfrontbestrebungen durch die "reformistische" IDAS gesprochen.
Zudem wurde angemerkt, dass die relativ geringe Zahl der Teilnehmer an
der Olympiade, vor allem auf die finanziellen Schwierigkeiten der
deutschen Arbeiterchöre nach der
zurückzuführen sei. Die geringe Resonanz wurde außerdem durch die
Verweigerung der Einreise einiger Chöre verstärkt. [169] Als
selbstverständlich wurde jedoch durch das Internationale Musikbüro
weiterhin dargestellt, dass sich "alle proletarischen Kräfte der
Arbeitermusik unter unserer Leitung [der des IMB] zu konzentrieren"
haben. [170] Ob dies eine resignierende Reaktion auf die
Verweigerungshaltung der Sozialdemokraten war oder lediglich das
Verharren in alten Positionen, bleibt offen. Fakt ist aber, dass auch
der Strassburger Versuch, die noch immer verfeindeten Lager der
Arbeiterbewegung zu einen, deutlich gescheitert war.
1936 bis 1939 Verschärfung der Maßnahmen am Beispiel des Berliner Lendvai-Chors
Nach der „Gleichschaltung“ der Arbeitermusikvereine und
Eingliederung in die nationalsozialistische Kulturpolitik und deren
Organisationen breiteten sich Mitte der dreißiger Jahre neue Wellen der
behördlichen Repressionen aus. Wurde in den ersten Jahren der
nationalsozialistischen Herrschaft noch die Neugründung von
Arbeitermusikvereinen aufgrund künstlerischer Prioritäten gefördert,
[171] nachdem die politischen Dachorganisationen zerschlagen waren,
wurden die Vereine nun zunehmend als Gefahr wahrgenommen und bisher
geduldetes Verhalten mehr und mehr sanktioniert.
In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre wurde der Berliner
Lendvai-Chor zu einem typischen Opfer der neuen Aufmerksamkeit der
Nationalsozialisten auf die Arbeitermusikvereine. Nachdem dem Chor
bereits 1933 das Tragen des Namens verboten wurde – er war nach dem
ungarischen Komponisten Erwin Lendvai [172] benannt, der den Chor auch
leitete – durfte er allerdings weiterhin agieren und öffentliche
Konzerte austragen, er musste sich jedoch den Namen „Arion“ geben und
wurde Deutschen Sänger-Bund „gleichgeschaltet“. Etwa Ende 1934 stürzte
der Chor in finanzielle Schwierigkeiten und musste auch von
Arbeitslosen und Kranken einen Mitgliedsbeitrag von 10 Pfennig pro
Woche verlangen. Zudem wurden die Mitglieder verstärkt zum Verkauf von
Eintrittskarten aufgefordert. [173] Der Wille, trotz diverser
Schwierigkeiten nicht in der nationalsozialistischen Kultur aufzugehen,
äußerte sich jedoch darin, dass der Chor nachweisbar noch im Jahr 1935
den Namen Lendvais trug. [174] Das Tragen des neuen Namens „Arion“ ist
hingegen erst für den März 1936 nachgewiesen. [175] Die Programmzettel,
auf denen sich die Namen finden lassen, haben jedoch gemeinsam, dass
sie beide betont harmlos gehalten sind. Immerhin finden sich 1935 noch
Stücke von Lendvai, allerdings politisch vollkommen harmlose, auch ein
wenig Weber und Wagner, der größte Teil des Konzertes bestand
allerdings aus Strauß-Walzern. 1936 waren die Lendvai-Kompositionen
komplett verbannt und das Programm wurde wieder von Johann Strauß
bestimmt. Als „Arion“ im Juni 1937 ein Konzert in Strausberg gab,
fanden sich allerdings keine Strauß- Walzer, dafür aber Werke von
Beethoven und Mozart, die sich in der Arbeitermusik unter den
Bedingungen nationalsozialistischer Herrschaft großer Beliebtheit
erfreuten. Ein bedeutendes Element des Abends blieb jedoch immer
erhalten: der letzte Programmpunkt „geselliges Beisammensein und
Gemeinschaftslieder“. [176] Die Programme unterschieden sich kaum von
anderen Programmen proletarischer Chöre der Zeit. Mit wenigen Ausnahmen
verzichteten die Arbeitermusikvereine auf allzu eindeutige Lieder und
drifteten mit den Jahren in ihren öffentlichen Darbietungen immer
stärker ins Triviale ab. Trotz allem bleibt auch der Programmpunkt des
„geselligen Beisammenseins“ ein Hinweis darauf, dass auch nach dem
Konzert das Beisammensein noch genutzt wurde um über die künstlerische
Arbeit hinaus zu agieren.
1937 geriet der Chor zunehmend in das Visier der Behörden, die eine
oppositionelle Tätigkeit vermuteten. Er wurde schließlich wegen
„politischer Unzuverlässigkeit“ aufgelöst, Noten und vor allem das
Vermögen des Vereins wurden beschlagnahmt. 50 Mitglieder konnten sich
anderen Gesangsvereinen anschließen, zum Beispiel der Lyrania und des
Chors Lyra in Berlin-Lichtenberg.[177] Der Lendvaichor gehörte zu den
wenigen Arbeitergesangsvereinen, die sich nach 1945 wieder etablieren
konnten. 1953 zählte er 120 Mitglieder und nahm an Musikfestivals in
der DDR teil.
Vernichtung der DAS-Liederbücher
Im Oktober 1936 geriet das Notenmaterial der Gesangsvereine, die
früher im DAS organisiert waren, in das Visier der staatlichen Organe.
Die Vereine nutzten zu diesem Zeitpunkt noch immer das offizielle
Liederbuch des DAS aufgrund des Mangels an Alternativen.
Staatlicherseits wurde schon vorher angeordnet, dass die Seiten
entfernt werden müssten, auf denen die „bekannten marxistischen
Kampflieder“ zu finden sind. [178] Ob dies tatsächlich so gehandhabt
wurde, ist unklar, fest steht jedoch, dass bei offiziellen Konzerten
diese Stücke nicht aufgeführt werden durften und dies auch im Sinne des
DAS war, der aufgrund der Hoffnungen eines Überlebens der
Arbeitergesangsvereine unter legalen Bedingungen auf seiner
Bundessitzung vom 1. April 1933 anordnete, das Singen von Liedern mit
politischem Inhalt zu unterlassen. Dass auf kleineren Veranstaltungen,
die nicht auf eine breite Öffentlichkeit angelegt waren, weiterhin die
sogenannten „marxistischen“ Lieder gesungen wurden, war der Polizei
durch Beobachtungen allerdings bekannt. [179] Für die Behörden wurde
die jahrelang geduldete Verwendung des DASLiederbuches nun zumindest
unhaltbar und sämtliche zuständigen staatlichen Institutionen wurden in
die Sache eingeschaltet. Zum Ende des Jahres 1936 entwickelte die
Reichskulturkammer Pläne, das DAS-Liederbuch zu ersetzen. Es zeichnete
sich ab, dass die DAS-Noten vor allem aufgrund von Geldmangel nicht
durch neues Material ersetzt wurden, allein der Neuentwurf eines
Liederbuches hätte 10.000 Reichsmark gekostet. [180] Die
Weiterverwendung des DAS-Materials beschäftigte schließlich sogar das
Reichspropagandaministerium. Goebbels ersuchte am 22. Juni 1937 in
einem Schreiben an die zuständige Reichsmusikkammer die sofortige
Vernichtung der DAS-Bücher und dass der zum Neuentwurf und zur
Anschaffung nötige Betrag „unter allen Umständen“ aufgebracht werden
muss. [181] Wenig später ordnete die Reichskulturkammer die Vernichtung
der Noten an. Die Möglichkeit des Überlebens der DAS-Noten und ihre
Weiterverwendung beschäftigte mittlerweile auch die höchsten Stellen
der NS-Politik. Das Propagandaministerium forderte von nun an, sofort
über Beobachtungen informiert zu werden, falls ein Gesangsverein
weiterhin politisch relevante Lieder aus dem DAS-Buch einstudiert und
aufführt.
Aufgrund der Masse der im Umlauf befindlichen Bücher und der
Schwierigkeiten bei der Erfassung der Gesamtbestände hat sich die
Vernichtung der Liederbücher weit über die vom Propagandaministerium
gesetzte Frist des 1. November 1937 hingezogen. Ein problemloses
Anlaufen der Vernichtungen war erst im Januar 1938 zu vermelden, den
Abschluss der Maßnahmen verkündete die Reichsmusikkammer erst im August
1938 [182], also mehr als zwei Jahre, nachdem die Behörden die Existenz
und Weiterverwendung der DAS-Noten als Problem erkannten. Die
Reichskulturkammer stellte nun einen Betrag von 15.000 RM zur
Verfügung, um die Gesangsvereine mit neuem, politisch „unbedenklichen“
Material zu versorgen.
Die späte „Entdeckung“ der jahrelangen Praxis der proletarischen
Gesangsvereine, die alten Notenbücher des DAS weiterhin zu verwenden,
ist bezeichnend für den Wandel des Umgangs der NS-Behörden mit der
Arbeitermusik ab 1936. Zunehmend erkannte die Kulturpolitik als auch
das übergeordnete Propagandaministerium, dass die
Arbeitergesangsvereine trotz der Bemühungen um „Gleichschaltung“ und
der Begeisterung der Arbeiter für die NS-Massenorganisationen, noch
immer recht eigenständig agierten und sich auch mit den Inhalten ihrer
Lieder weiterhin identifizieren konnten. Die zunehmende Radikalisierung
der NS-Politik, die sich aktiv auf den Krieg vorbereitete, diesen
faktisch schon durch das Eingreifen in den Spanischen Bürgerkrieg
führte und die mit den Anschlüssen von Teilen der Tschechoslowakei
sowie Österreichs auch schon imperialistisch expandierte, musste auch
zu einer Verschärfung der Innenpolitik gegenüber politischen Gegnern
führen und konnte diese kaum noch akzeptieren und in ihren Nischen
gewähren lassen.
1939-1945
Die Arbeitermusikbewegung im Krieg
„An die deutschen Gesangsvereine. Es wird von den Gesangsvereinen
erwartet, daß sie sich durch die ihrer Tätigkeit erwachsenden
Schwierigkeiten nicht abschrecken lassen, ihre Übungen weiter
abzuhalten. Das wird sicher mancherlei Opfer kosten, die – genau wie
alle anderen Opfer – jetzt als selbstverständliche Leistungen der nicht
im Felde Stehenden gebracht werden müssen. Der Präsident der Reichsmusikkamer: gez. Dr. Peter Raabe“ [183]
Mit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939
begann für den Alltag in Deutschland eine völlig neue Situation. Neben
reichen Beutezügen durch den Osten Europas mussten sich die Menschen
auch zunehmend an die Nachricht von gefallenen Familienangehörigen und
der totalen Umstellung der Wirtschaft auf Kriegsproduktion einstellen.
Wie der oben zitierte Aufruf zeigt, wurden auch die Chöre
Deutschlands, die zu einem nicht geringen Teil aus ehemaligen Chören
und Vereinen der proletarischen Musikbewegung bestanden, in den Kampf
der „Heimatfront“ mit eingebunden.
Die nationalsozialistische Kulturpolitik war bestrebt, den
Chorbetrieb auch zu Kriegszeiten unbedingt aufrecht zu erhalten. Statt
des emanzipatorischen Charakters einer politischen Bewegung sollte nun
aber die moralische Wirkung der Musikvereine in den Vordergrund treten.
Hier zeigt sich die identitätstiftende Wirkung des gemeinsamen Singens,
die ein Leitmotiv der proletarisch-emanzipatorischen Kulturideologie
der Arbeitermusikbewegung vor der Machtübergaber an die NSDAP gewesen
ist. Anstelle der Identität der gemeinsamen Klasse trat nun die
Notwendigkeit, sich als zu einem einheitlichen Volk, zu einer
Schicksalsgemeinschaft, zugehörig zu fühlen:
„Wo ein Chor zu schwach zum alleinigen Musizieren ist oder der
Dirigent zu den Fahnen gerufen ist, möge der Chor sich mit einem oder
mehreren Chören zu einer Arbeitsgemeinschaft, einer wahren singenden
Mannschaft, zusammenschließen und echte Sangeskameradschaft beweisen.“
[184] Ein Motto, das für die allermeisten der noch bestehenden
Arbeiterchöre in der Zeit des Krieges überlebensnotwendig wurde.
Die Chöre, die weiterhin im nationalsozialistischen Deutschland
überlebten, haben ihr Wirken dem Krieg auf eine ganz andere Art und
Weise angepasst, als es durch die Behörden geplant war. Vor allem in
der Korrespondenz der Chöre aus den späteren Kriegsjahren geht immer
wieder hervor, dass die Gesangsvereine nicht selten als Mittel dienten,
die Versorgungsengpässe zu umgehen. So fragte die Neuköllner
„Chorgemeinschaft Berlin“, ein aus der Not geborener Zusammenschluss
verschiedener vormals einzelner Chöre, im Mai 1943 eine Heilstätte an,
ob es ihr gestattet sei, für die dortigen Patienten ein Konzert zu
veranstalten. Mehr als die Hälfte des Briefes beschäftigt sich dabei
mit den Möglichkeiten, die Sänger des Chores in der Anstalt mit Eintopf
zu versorgen. [185] Im Juli 1942 nahm der selbe Chor den Aufruf, in
Lazaretten zu singen wahr und bot dem Reserve-Lazarett Beelitz ein
Konzert an. [186] In einem internen Schreiben [187] informierte Wilhelm
Becker die Sänger der Chorgemeinschaft über die Umstände des Konzerts,
wobei sich wieder gut zwei Drittel des Briefes mit der Essensversorgung
beschäftigten:
„Es kann jeder Teilnehmer 1 und 2 auch 3 Teller Erbsensuppe
bekommen. Ohne Ohne.....- jedoch ist das sehr vorsichtig zu
propagieren. [...] Zur Kaffeezeit gibts auch Kaffee mit Milch, wenn ich
die Zahl der Teilnehmer dem Wirt rechtzeitig melde.“ [188]
Die zeitweise Attraktivität der Vereine für die Versorgung mit
Lebensmitteln und für das Knüpfen überlebenswichtiger Kontakte kann
aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zunehmende Radikalisierung
des Krieges auch für den Bestand der noch aktiven Arbeitermusikvereine
eine große Gefahr war. Die Vereine organisierten zwar noch immer
Konzerte und kamen zu Proben zusammen, jedoch wirkte sich gerade die
Tradition des Männergesangsvereins der Arbeiterbewegung nun
negativ aus. Mehr und mehr Mitglieder wurden an die Front gerufen und
fielen nicht selten den Kämpfen zum Opfer. Ein im Jahr 1940 verfasstes
Schreiben an alle Mitglieder des Gemischten Chors Groß-Berlin 1920,
der schon im Namen erkennen ließ, dass er keinesfalls nur auf Männer
angewiesen war, forderte inständig die noch aktiven Sängerinnen und
Sänger zur regelmäßigen Teilnahme an den Proben auf, da sonst der Chor
in seinem Bestehen gefährdet sei. [189] Neben den Kriegsgefallenen, die
vor allem nach dem Überfall auf die Sowjetunion und den Beginn der
Bombenangriffe durch die Alliierten ins Gewicht fallen, spielte auch
die zunehmende Verschärfung des Arbeitsalltags eine Rolle bei der
Freizeitgestaltung. Der vollendete Wandel zur Kriegsindustrie führte
gemeinsam mit dem Abzug von Arbeitern an die Front zu einer Verknappung
von Arbeitskraft im Reichsgebiet, die wiederum zu längeren
Arbeitszeiten und größeren Anforderungen führte. Für ein Engagement in
den Gesangsvereinen blieb oftmals nur wenig der knappen Freizeit übrig.
Vor allem die noch immer explizit politischen Arbeitermusikvereine
und generell Vereine, die unter die von den Behörden verwendete
Bezeichnung „marxistisch“ fielen, die entweder in einer Nische agierten
oder in die Illegalität gezwungen waren, wurden bereits vor dem
Überfall der Wehrmacht auf Polen als mögliche Geldquelle für die im
Krieg zu erwartenden finanziellen Aufwendungen entdeckt. Im Juni 1939
wurden die Banken und Sparkassen im Reichsgebiet dazu aufgefordert,
ihre Bestände zu überprüfen und gegebenenfalls Kontenaufstellungen für
die Stapo-Leitstellen anzufertigen. Konten und Geldbestände „ehemaliger
volks- und staatsfeindlicher Organisationen“ sollten so von den
Behörden entdeckt und beschlagnahmt werden können.[190] Die explizite
Absicht, mit diesen Maßnahmen die Vereine zu zerschlagen, geht aus den
Quellen nicht hervor, vielmehr betonen sie die finanziellen
Möglichkeiten, die die Arbeitervereine boten.
Generell ist die Zeit des Krieges von Auflösungserscheinungen,
gepaart mit verschärfter Repression seitens der Behörden geprägt.
Allein das Quellenmaterial der Arbeitergesangsvereine aus dieser Zeit
lässt Aussagen zu: Es ist äußerst spärlich, beschäftigt sich fast nicht
mehr mit künstlerischen Fragen, stattdessen thematisiert es vorwiegend
Möglichkeiten des Überlebens.
Fallbeispiele
1. Langsames Sterben: Die Gesangsgemeinschaft Rosebery d'Arguto[191]
Mit dem aus Polen [192] stammendem Rosebery d'Arguto bekam die
proletarische Sängerbewegung einen ganz neuen Aspekt und bestritt neue,
teils umstrittene Wege. Rosebery d'Arguto, der 1890 als Martin
Rozenberg in Srenzk geboren wurde, war ein herausragender
Gesangspädagoge, der heute durch das Nachwirken der
nationalsozialistischen Vernichtungspolitik fast komplett vergessen
ist. D'Arguto war schon früh politisch aktiv, so wurde er mit 14 Jahren
bereits von der Polizei des Zaren in seiner russisch besetzten Heimat
wegen des Verteilens revolutionärer Flugblätter verhaftet und musste
ein Jahr später vor weiterer Verfolgung nach Österreich fliehen. Dort
begann er nach einiger Zeit ein Musikstudium und übernahm nach dessen
Abschluss sogar eine Professur. Nachdem er nach Deutschland ging,
übernahm er schließlich 1922 einen gemischten Chor im proletarisch
geprägten Berliner Stadtteil Neukölln, der bereits seit 1890
existierte. Das Profil des Chores, der sich vor allem auf die
künstlerische Ausbildung von Kindern spezialisierte, entsprach den
Interessen d'Argutos. Das erste Auftauchen seines Namens in
Musikzeitschriften aus dem Jahr 1918 war ebenfalls mit der
Musikpädagogik verbunden. D'Arguto entwickelte damals ein neuartiges
Konzept zur Stimmbildung in der Phase des Stimmbruchs, das die bis
dahin allseits geltenden konservativen Paradigmen des
Gesangsunterrichts vollständig hinter sich ließ. [193] Pädagogisches
Engagement bestimmte das Schaffen d'Argutos bis zu seiner Ermordung im
Vernichtungslager Auschwitz. [194] Eine Rekonstruktion des offenbar
bedeutenden Schaffens d'Argutos ist heute nicht mehr möglich, da die SS
Aufzeichungen für eine geplante Buchveröffentlichung zum Thema
Musikpädagogik, sowie weitere Dokumente, darunter viele Kompositionen
nach Kriegsbeginn 1939 planmäßig vernichtete. Von d'Arguto in einem
Schränkchen im Keller seines Wohnhauses versteckte weitere
Aufzeichnungen fielen Bombenangriffen zum Opfer. [195] Die wenigen
Dokumente, die zu Rosebery d'Arguto bekannt sind und nicht der
Täterperspektive der Konzentrationslager oder der Behörden entstammen,
wurden nach 1945 vom Schriftführer der Gesangsgemeinschaft Rosebery
d'Arguto, Ernst Schmidt, gesammelt und an das Arbeiterliedarchiv der
Akademie der Künste der DDR übergeben. [196] Bei dem als
„Gesangsgemeinschaft Rosebery d'Arguto“ bekannt gewordenen gemischten
Chor stellt sich zuerst die Frage, ob dieser Chor überhaupt im engeren
Sinne als proletarischer Chor zu bezeichnen ist. Zu stark wichen die
künstlerischen Vorstellungen der Gesangsgemeinschaft von anderen
Arbeitergesangsvereinen ab.
Als d'Arguto 1922 [197] die Gesangsgemeinschaft übernahm, stand
diese kaum in der Tradition proletarischer Chöre, vielmehr erinnerte
sie, auch aufgrund der künstlerischen Programmatik, an die bürgerlichen
Liedertafeln des 19. Jahrhunderts. Statt vorrangig Tendenzlieder
einzustudieren, versuchte d'Arguto, die Gesangsgemeinschaft zu einer
Avantgarde des gemeinschaftlichen Gesanges und der Vokalmusik allgemein
aufzubauen. Die Programme [198] der 20er Jahre sehen daher zwar auch
klassische proletarische Tendenzlieder und oftmals die Internationale
als Abschluss eines Konzertes vor, den größten Teil der Stücke machten
aber eigene und oft sehr ungewöhnliche Kompositionen d'Argutos, neben
den Werken des klassisch-romantischen Repertoires aus. Trotz allem
steht hinter der Idee der Gesangsgemeinschaft eine ganz klar politische
Vorstellung: Was sie von der bürgerlichen Liedertafelei unterschied,
war der unbedingte Wille zur Demokratie und zu demokratischen
Strukturen innerhalb der Kunst. Waren bürgerliche Gesangsvereine des
19. und frühen 20. Jahrhunderts oft davon geprägt, dass sie in der
Auswahl ihrer Mitglieder einen Elitarismus pflegten, als Beispiel kann
hier der erste namhafte bürgerliche Gesangsverein dienen, Zelters
Singakademie in Berlin, die sehr klare Auswahlkriterien hatte und auch
auf den gesellschaftlichen Ruf ihrer Mitglieder bedacht war, so war die
Grundidee von d'Argutos Gesangsgemeinschaft die absolute Demokratie und
das Gehen neuer Wege durch den Massengesang. Eine Mitgliedschaft in der
Gesangsgemeinschaft war so an keinerlei Bedingungen des künstlerischen
Könnens oder des gesellschaftlichen Standes gebunden. So hatte der Chor
bis zu 300 Mitglieder in allen Altersklassen. [199] Dieser Wille zur
Demokratie war in seiner Zeit in der Kunst oft zu finden. Der in den
20er Jahren vor allem durch Arnold Schönberg entwickelte Dodekaphonik
lag die selbe Idee zugrunde, nämlich keinen einzigen Ton aufgrund der
Zuschreibung einer Funktion innerhalb des Werkes zu bevorteilen und zu
einem bestimmenden und das Werk kennzeichnenden Ton zu machen.
Noch zweifelhafter erscheint die Zugehörigkeit der
Gesangsgemeinschaft Rosebery d'Arguto angesichts der künstlerischen
Werke ihres Leiters. Berühmt wurde d'Arguto vor allem mit seiner
Komposition der Absoluten Sinfonischen Gesänge. Dabei handelt es sich
um ein Werk, das die Möglichkeiten der menschlichen Stimme ausnutzte
und mit deren Hilfe ein Orchester nachbildet. Auffällig ist hier, dass
dies stark an jene Formen der bürgerlichen Musik erinnert, die sich
mehr und mehr in den kapitalistischen Produktionsprozess einpassten und
gerade aufgrund ihrer Eigenschaft des Absoluten keinerlei andere
Aufgabe mehr hatten, als zum bloßen Teil einer sich entwickelnden
Unterhaltungsindustrie, die nur noch Kriterien der Schönheit und des
Angenehmen kannte, zu werden. Der Unterschied dieser Entwicklung zu
Rosebery d'Argutos Ideen liegt aber darin, daß d'Arguto in seinen
Absoluten Sinfonischen Gesängen vielmehr ein Ideal des demokratischen
Massengesangs erprobte und die Möglichkeiten einer echten Gemeinschaft
auslotete. Dies wird in einer Kritik aus der „Montagszeitung“ vom 16.
Juli 1928 deutlich:
„Der Gesangschor Rosebery d'Arguto, künstlerisch vollendet wie
heute bestimmt kein zweiter deutscher Gesangschor, brachte mit
Volksweisen seines Meisters den Beweis, dass auch TENDENZLOSE Lieder
zünden, ja sogar tendenziös wirken können. Neben seinem
KAMPFENTSCHLOSSEN, dem ersten künstlerisch wertvollen Tendenz-Chor in
Deutschland, bedeuten Rosebery d'Argutos „absolute sinfonische Gesänge“
den Höhepunkt des modernen Chorgesangs.“[200]
Ähnliche überschwängliche Kritiken finden sich zu fast allen
öffentlichen Konzerten der Gesangsgemeinschaft, was darauf hindeutet,
dass d'Argutos Chor zumindest in Berlin der angesehenste unter den
Arbeitergesangsvereinen war und durch künstlerische Qualität
überzeugte.201 Auch die explizit linke Presse, namentlich die „Rote
Fahne“, konnte sich nach anfänglicher Verwirrung über das eher
bürgerliche Programm und die ungewohnten Kompositionen d'Argutos nicht
einer gewissen Wertschätzung dafür enthalten, dass diese Leistungen
ausschließlich von Arbeitern hervorgebracht wurden.202
Hintergrund dafür war die Struktur der Gesangsgemeinschaft Rosebery
d'Arguto. Diese bestand fast vollständig aus Arbeitern und deren
Kindern. Hier hatte d'Arguto von Anfang an die Idee, benachteiligten
Menschen, vor allem Kindern, zu einer höheren künstlerischen Bildung zu
verhelfen und im Rahmen ihrer künstlerischen Möglichkeiten in die
Gesangsgemeinschaft als gleichwertige Mitglieder einzubinden. Prinzip
war es, dass die Gesangsgemeinschaft nicht auf die Suche nach idealen
Stimmen ging, sondern versuchte, für jeden Typus einen Platz innerhalb
des Chores zu finden und sie in die Gemeinschaft der Stimmen
einzubinden. Darin lag schließlich auch das emanzipatorische und
klassenkämpferische Element, das Rosebery d'Arguto aufgrund seines
weitestgehenden Verzichts auf das Singen von Tendenzliedern und
proletarischer Chorlyrik, oft abgesprochen wurde.203 D'Arguto
praktizierte also das Motto, wonach die Befreiung des Einzelnen nur
durch die Emanzipation einer ganzen Gemeinschaft geschehen könne. Ziel
war es daher weniger, die Gesangsgemeinschaft mit dem Singen
politischer Texte zu beschäftigen, sondern vielmehr die Struktur der
bürgerlichen Gesellschaft zu überwinden und Individualismus wie
hergebrachte Herrschaftsprinzipien zu brechen. Die Gesangsgemeinschaft
gehörte damit sicherlich zu den revolutionären Gesangsvereinen, auch
wenn sie sich in ihrer künstlerischen Programmatik diametral
unterschied. Während der 20er und in den ersten der 30er Jahre wurde
die politische Bedeutung von Rosebery d'Arguto und seiner Idee
allerdings immer wieder von anderen Vertretern der
Arbeitermusikbewegung in Zweifel gezogen und seine Rolle oftmals auf
eine rein künstlerische und ästhetische beschränkt.204
Trotz der nicht eindeutigen politischen Einordnung der
Gesangsgemeinschaft für ihre Zeitgenossen, gingen auch Tendenzen der
gesamten Arbeitermusikbewegung der 20er Jahre nicht an d'Argutos Chor
vorbei. So musste dieser 1927 wie so viele andere auch eine politische
Spaltung zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten ertragen. Vorwiegend
Mitglieder der KPD verließen damals die Gesangsgemeinschaft und
bildeten die „Gesangsgemeinschaft Neukölln“, die aber nicht an die
künstlerische Qualität von d'Argutos Chor anknüpfen konnte. In einem
Schreiben der Chorgemeinschaft an das Fremdenamt des Berliner
Polizei-Präsidiums aus dem Jahr 1939 bezüglich der Verhaftung d'Argutos
ist von einer Spaltung aufgrund „einseitiger politischer
Zersetzungserscheinung“ die Rede, wobei sich Rosebery d'Arguto aus rein
künstlerischem Antrieb für die Einheit des Chores eingesetzt habe.205
Die Gesangsgemeinschaft nach 1933
Die ersten Schritte der nationalsozialistischen Behörden trafen
auch die Gesangsgemeinschaft genau wie alle alle anderen proletarischen
Chöre in Deutschland. Dies zeigte sich nach außen vor allem in einem
Wechsel der künstlerisch Programmatik. Sämtliche (ohnehin spärlich
vorhandenen) Tendenzlieder waren plötzlich aus den Konzertprogrammen
der Gesangsgemeinschaft verbannt. Auf dem Spielplan eines Konzerts vom
1. April 1933 finden sich nur noch politisch unbedenkliche Stücke von
d'Arguto selbst und einige wenige Werke aus dem romantischen
Repertoire. [206] Dahinter stand das Bestreben der meisten Vereine
innerhalb des DAS, durch eine Umgestaltung ihres künstlerischen
Programms jegliche politische Betätigung zu verschleiern. D'Argutos
Chor selbst war erstmals im Juni 1933 jenseits der Aktionen gegen die
Dachverbände der Arbeitermusikbewegung als einzelner Chor betroffen.
Diese erste Repression äußerte sich in der Verhaftung Rosebery
d'Argutos selbst, der mit dem Vorwand der Abschiebung nach Polen
aufgrund politischer Tätigkeit am 20. Juni 1933 verhaftet wurde. [207]
Auf die Verhaftung folgten Proteste der Angehörigen von d'Argutos
Chor.[208] Das Argumentationsmuster war das aus den Verhandlungen
zwischen DAS und nationalsozialistischen Behörden aus dem März 1933
bekannte. Betont wurde, dass Rosebery d'Arguto bis auf ein kleines
Engagement in den Jahren 1918 und 1919 nicht politisch tätig gewesen
sei, genauso wie auch die gesamte Gesangsgemeinschaft keinerlei
politische Ambitionen gehabt habe und sich vielmehr „für die Pflege und
den Aufbau des deutschen Volksliedes einsetzte“. [209] Auch d'Arguto
sei vor allem als Komponist und Bearbeiter deutscher Volkslieder
bekannt. Seine Rolle als Avantgardist des Chorgesangs musste in diesem
Schreiben natürlich verschwiegen werden.
Das Schreiben und Anliegen der Mitglieder der Gesangsgemeinschaft
blieb unbeantwortet und unbearbeitet. In einem zweiten Schreiben vom 2.
August gingen die Sänger des Chores noch stärker und direkter auf die
Verdienste d'Argutos um das deutsche Volkslied ein. Hinzu wurde das
„immer offene Eintreten gegen materialistische Strömungen“ seitens
d'Arguto betont. Besonders hoben die Verfasser des Briefes ein Konzert
der Gesangsgemeinschaft mit Clemens Schmalstich aus dem Jahre 1928
hervor. [210] Rosebery d'Arguto konnte im Ergebnis der Bemühungen
schließlich trotz seiner jüdischen Herkunft die Arbeit in der
Gesangsgemeinschaft wieder aufnehmen.
Am Ende des Jahres 1935 musste d'Arguto aber dennoch die Leitung
der Gesangsgemeinschaft endgültig [211] aufgeben. Sein Nachfolger
sollte Ernst Schmidt werden, der im Januar durch die
Reichsmusikerschaft in der Reichsmusikkammer Weisungen und Anleitungen
zur Übernahme des Chores erhielt. [212] Dass ein Gesangsverein
innerhalb des Reichsverbandes gemischter Chöre einen jüdischen
Chorleiter hatte, der sich trotz der Beteuerungen aus den
Protestschreiben der Mitglieder des Chores aus dem Jahre 1933,
eindeutig politisch positioniert hatte, war letztlich nicht mehr mit
den nationalsozialistischen Grundsätzen der „Gleichschaltung“ der
Arbeiterchöre vereinbar.
Nachdem die Chorgemeinschaft nach der Verhaftung d'Argutos und
darauf erfolgter Freilassung im Jahr 1933 relativ unbehelligt agieren
konnte, geriet d'Arguto in der zweiten Hälftes des Jahres 1935 erneut
ins Visier der nationalsozialistischen Behörden. Im September des
Jahres erwirkte der Reichsverband der gemischten Chöre, dass d'Arguto
die Gesangsgemeinschaft in einem öffentlichen Konzert des Gaues
Berlin-Kurmark Reichsverbandes nicht leiten durfte: „Im Anschluss an unsere Unterredung vom 15.cr. bitte ich Sie
nunmehr, dem Dirigenten der Gesangsgemeinschaft Rosebery d'Arguto,
Herrn Prof. Rosebery d'Arguto (Rosenberg) als Angehöriger der jüdischen
Rasse die öffentliche Mitwirkung an Ihrem Konzert zu untersagen.
Sollten die in Aussicht genommenen Stücke künstlerisch wertvoll sein,
würde ich ausnahmsweise [...] gegen die Aufführung nichts einzuwenden
haben, falls der Chor unter einem anderen Dirigenten singen will.“
[213]
Die Chorgemeinschaft verzichtete auf die Ernennung eines
Ersatzdirigenten und trat bei dem Gruppenkonzert des Reichsverbandes
nicht auf. Das Protokoll der Vereinssitzung vom 9. November 1935, der
Sitzung nach dem Gruppenkonzert, vermerkt als letzten Punkt ein
Treuegelöbnis zu Rosebery d'Arguto. [214]
Nachdem der Gesangsgemeinschaft nun die Möglichkeit des
öffentlichen Wirkens in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung genommen
wurde, begann der Reichsverband der gemischten Chöre im Dezember des
gleichen Jahres auch die innere Struktur des Chores unter der Leitung
d'Argutos zu zerschlagen:
„Wie ich erfahren habe, singt die Gesangsgemeinschaft Rosebery
d'Arguto heute noch unter der Leitung des Herrn Rosebery d'Arguto. Da
dem Leiter, weil Nichtarier, der Ausweis der Reichsmusikkammer zur
Berufsausübung entzogen ist, ist ihm natürlich auch die
Dirigiertätigkeit sowohl für Proben als auch Aufführungen untersagt.
[...] Die Gesangsgemeinschaft kann unter Leitung eines arischen
Berufsmusikers weiter musizieren, jedoch ist der Personenname aus der
Anschrift des Chorvereins zu streichen.“ [215]
Die nun in „Reformierte Gesangsgemeinschaft 1917“ umgetaufte und
damit auch namentlich vom Einfluss d'Argutos bereinigte
Chorgemeinschaft verabschiedete sich im Februar 1936 mit einem Brief an
ihren ehemaligen Chorleiter. [216]
Vorausgegangen waren der Absetzung d'Argutos genaueste Planungen
seitens des Reichsverbandes der gemischten Chöre in der
Reichsmusikkammer, in die sein Nachfolger Ernst Schmidt mit einbezogen
war. [217]
Mit der Absetzung Rosebery d'Argutos begann der Niedergang der
Gesangsgemeinschaft. Ein Jahr später konnte die jetzige „Reformierte
Gesangsgemeinschaft 1917“ nur noch 30 bis 35 Mitglieder aufweisen, eine
Zahl, die die revolutionären Konzepte d'Argutos vom demokratischen
Massengesang unmöglich machte. Zudem forderte der gerade neu engagierte
Dirigent Walter Rhode ein Honorar von 40 Reichsmark monatlich, [218]
eine Summe, die angesichts der dramatisch verringerten Mitgliederzahl
kaum aufgebracht werden konnte und sich deutlich von den 15-20
Reichsmark, die Rosebery d'Arguto während seiner Tätigkeit erhielt,
unterschied. Der Niedergang der Mitgliederzahl bedeutete auch eine
drastische künstlerische Einschränkung für den Chor. Programme, die
denen der 20er und frühen 30er Jahre gleichkamen, konnten nicht mehr
durchgeführt werden, da die Anzahl der Sänger nicht ausreichte.
Stattdessen baute Rhode ein Madrigal-Programm auf, das in der Hoffnung
einer Erholung der Gesangsgemeinschaft nur ein Übergangsstadium
darstellen sollte. [219] Auch der erst jetzt erfolgte Einzug der
Liederbücher des alten DAS bereitete der Gesangsgemeinschaft Probleme,
da kein Geld für die Anschaffung neuer Noten vorhanden war und auch der
Reichsverband der gemischten Chöre lange nicht über ein Noten-Depot in
der Menge und Qualität des DAS verfügte. [220]
Eine grundsätzliche Erholung konnte auch in den Folgejahren nicht
mehr aufgewiesen werden. Der Schriftführerbericht weist für das Jahr
1938 noch einen Zuwachs der Mitgliederzahlen auf 40 auf, verglichen mit
den Zahlen der 20er Jahre ist aber auch dieser Zuwachs von im Vergleich
zum Vorjahr fünf Personen keinesfalls als Erfolg zu werten. Die
Vermeldung im Bericht, dass in Zukunft auch die passiven Mitglieder in
die Statistik aufgenommen werden dürfen, ist bezeichnend für die
dramatische Lage der Gesangsgemeinschaft, handelte es sich doch bei
diesen Mitgliedern um gerade einmal zwei Personen. [221] Das Jahr 1938
bedeutet zudem, dass nun auch die Gesangsgemeinschaft das Schicksal
vieler anderer Arbeiterchöre teilen musste und ihre Proberäume in
öffentlichen Einrichtungen, hier in einer Schule, nicht mehr nutzen
konnte. Stattdessen musste auf ein Hinterzimmer einer Kneipe
ausgewichen werden. [222]
Zum organisatorischen und damit verbundenen künstlerischen
Niedergang kam schließlich auch der politisch-weltanschauliche hinzu.
Die revolutionären Kunstideale mussten mehr und mehr den
Notwendigkeiten der materiellen Knappheit weichen. Die
Gesangsgemeinschaft, die ehemals ein Teil des Deutschen
Arbeiter-Sängerbundes war, ging mehr und mehr zu den Formen über, die
der Bund vor Jahren noch bekämpfen und ablösen wollte. So wurde 1939
als neue programmatische Idee diskutiert, dass die Gesangsgemeinschaft
sich mehr auf die herrschenden Vorlieben bezüglich der
Unterhaltungsmusik konzentrieren solle: „Im Übrigen könnte man doch Rücksicht aufs Publikum nehmen,
sofern es mit dem Programm des Chores vereinbar ist (z.B. romantische
Musik), wenn gewisse Sangeffekte vorhanden sind und der Sänger sich
aussingen kann.“ [223]
Dieser Vorschlag bedeutete nichts anderes, als die Konzentration
auf den Gebrauchswert der Musik zulasten der avantgardistischen und
revolutionären Urideen Rosebery d'Argutos. Der deutsche Faschismus hat
es so geschafft, die Gesangsgemeinschaft in ihren Grundfesten nicht nur
zu erschüttern, sondern sie anhand der von von ihm geschaffenen
Realitäten auch künstlerisch und weltanschaulich zu zerschlagen.
Einen weiteren Schlag gegen die Arbeit der Gesangsgemeinschaft
stellte der Beginn des Krieges dar. Der Chor musste nochmals Einbußen
bei den aktiven Mitgliederzahlen hinnehmen, da einige der Sänger an die
Front eingezogen wurden. In der Statistik der Sängerinnen und Sänger
schlug sich dies in einem bedrohlichen Mangel an Tenor-Stimmen nieder.
[224] Zudem war es dem Chor nicht mehr möglich, in Schulräumen zu
proben, die sie nach dem Entzug dieser Räumlichkeiten 1938
wiedererlangt hatten. Die Verdunkelungsmaßnahmen vertrieben die
Gesangsgemeinschaft aus der Schule in das Hinterzimmer einer Kneipe und
zwangen sie zudem, die Übungsstunden so vorzuverlegen, dass immer
weniger Mitglieder an den Proben teilnehmen konnten. Immerhin konnte
der Chor aber noch weiter bestehen. Für viele andere
Arbeitergesangsvereine bedeutete der Kriegsbeginn hingegen das
endgültige Aus. [225]
Die Gesangsgemeinschaft forcierte so immer stärker die
Zusammenarbeit mit anderen Berliner Chören in einer Chorgemeinschaft.
Diese war allerdings nicht mehr auf Neukölln beschränkt, da selbst in
diesem traditionellen Arbeiterbezirk die organisierte proletarische
Kultur kaum noch Bestand hatte. Stattdessen fanden sich in der
Chorgemeinschaft neben der Gesangsgemeinschaft 1917 der Volkschor
Moabit, der Volkschor Südosten aus Schöneweide, der Madrigalkreis und
der Gemischte Chor Groß-Berlin wieder. Auch aus Kostengründen übernahm
der bisherige Dirigent der Gesangsgemeinschaft, Walter Rohde, die
künstlerische Leitung über alle Gesangsvereine in der Chorgemeinschaft.
Der Reichsverband der gemischten Chöre verlangte ab 1941 von den in
ihm organisierten Gesangsvereinen neue Satzungen. Die
Gesangsgemeinschaft 1917 musste sich demnach auf der Generalversammlung
des Vereins am 1. Februar 1941 ein neues Statut geben. Damit stand die
Gesangsgemeinschaft nun auch statuarisch „im Dienste der deutschen
Kulturbewegung und Volksgemeinschaft“ [226]. Die Position des früheren
Chorleiters hieß nun Vereinsführer, dessen Entscheidungen „nach den
Grundsätzen des Führerprinzips“ ergingen und der Zugang zur
Gesangsgemeinschaft war nur noch Deutschen im Sinne der
NSRassenideologie gestattet. [227]
Trotz neuer Satzung geriet die Gesangsgemeinschaft immer weiter in
die Krise. Bestand Ende des Jahres 1940 noch die Hoffnung, der Chor
könne bald wieder in einer Schule proben [228], so bestand im Sommer
1941 sogar die Gefahr, dass die Gesangsgemeinschaft nun auch das
Hinterzimmer in ihrem Lokal verlassen und auf Privatwohnungen
ausweichen muss. [229]
1942 schließlich wurde die Idee eines Zusammenschlusses mit
weiteren vier Chören aus der Umgebung angesprochen. [230] Dies war eine
Reaktion auf den in allen Gesangsvereinen zu beobachtenden
Mitgliederschwund. Die schon seit einiger Zeit existierende lockere
Zusammenarbeit der Gesangsvereine in einer Chorgemeinschaft sollte
damit weiter gefestigt und ausgebaut werden. Allerdings standen diesen
Überlegungen vor allem Ängste gegenüber, die Gesangsgemeinschaft könne
ihr Profil verlieren. Hinzu kam, dass trotz Allem der Chor in
künstlerischer Hinsicht noch immer den anderen Chören der
Chorgemeinschaft überlegen war und die Sorge bestand, dass sich die
künstlerische Qualität unter einer Fusion leiden könne. [231]
Durch die schon bestehende praktische Zusammenarbeit in der
Chorgemeinschaft war es allerdings auch weiterhin möglich, Konzerte zu
veranstalten. Am 21. März 1942 hielten die in der Gemeinschaft
vereinigten Chöre ein recht gut besuchtes Konzert mit einem
anspruchsvollen Programm ab, das in dieser Form die durch Krieg und
politische Wirren von den einzelnen Chören nicht hätte gemeistert
werden können. Das Programm [232] bestand aus einem sehr umfangreichen
Repertoire, das von Werken der Renaissance über klassischromantische
Stücke bis hin zu zeitgenössischer und volkstümlicher Musik reichte.
Erstaunlich ist hier das Stück „Wach auf“ von Walter Rohde, ein Werk,
dessen Inhalt eindeutige Traditionen der Arbeiterbewegung aufweist. So
lautet eine Strophe des Textes von Max Barthel: „Seht nun kämpfen wir zusammen,/ Und das Ziel ist klar,/ Seht nun
siegen wir zusammen,/ Wie's beschlossen war!/ Und die Fahnen schwingen,
/ Und der Hornstoß gellt, / Ja, nun laßt uns singen / In die
Arbeitswelt! / Einer für Alle! Alle für Einen! / Unser die Macht und
unser das Glück! / Immer und gemeinsam und niemals einsam! / Einer für
Alle! Alle für Einen! / Vorwärts und nicht zurück!“
Stücke, die eine Aussage in dieser Deutlichkeit erreichen, finden
sich in den ersten Monaten nach der Machtübergabe 1933 in keinem
offiziellen Programm der deutschen Arbeitergesangsvereine und für die
späteren 30er und die 40er Jahre nur äußerst selten. Die Verweigerung
der Teilnahme an einem Konzert zugunsten des Winterhilfswerks im Jahr
1942 [233] ist ein weiteres Indiz für den Versuch der proletarischen
Chöre in der Chorgemeinschaft, die Anpassung an die
nationalsozialistischen Einrichtungen nicht stärker zu betreiben als
unbedingt nötig. Verweigerungen, an Sammlungen und
Benefizveranstaltungen des Winterhilfswerks teilzunehmen, waren auch
schon ein Mittel der „Berliner Liederfreunde“, zumindest war es den
Gestapo-Spitzeln auf den Tarnkonzerten einen Vermerk in den Berichten
wert. Willi Emmerich, Mitglied des „Gemischten Chors Groß-Berlin“, der
ebenfalls in der Chorgemeinschaft organisiert war, konnte sich in einem
Gespräch an das ablehnende Schreiben bezüglich des Winterhilfswerks
erinnern: „Wie man es verstand, sich bei bestimmten Anlässen zu drücken,
zeigt der Brief vom 21.8.42. Der Chor hatte kein einziges Mal für das
Winterhilfswerk gesungen. Man hatte immer andere Arbeiten vorgeschützt
und war so stets um alle diese Dinge herumgekommen.“ [234]
Während der Kriegsjahre wurde die Gesangsgemeinschaft immer
inaktiver und das Überleben war immer stärker gefährdet. Letztlich ging
die Gesangsgemeinschaft in der sich immer stärker festigenden und
ursprünglich als Übergangslösung vorgesehenen Chorgemeinschaft auf. Für
das Jahr 1943 sind keine Dokumente überliefert, einzig für 1944
existiert ein Protokoll einer Sitzung der gesamten Chorgemeinschaft.
[235] Neben aufgrund der Materialknappheit während des Krieges
doppelseitig bedruckten brüchigen Papiers, fällt vor allem auf, dass
weitaus mehr Frauen mit Wortmeldungen aufgeführt sind, als in den
vergangenen Jahren. Die Ursache dafür war natürlich nicht ein Zuwachs
an weiblichen Mitgliedern, sondern vielmehr der starke Schwund der
männlichen Sänger durch den Krieg. Hauptthema dieser letzten
schriftlich dokumentierten Sitzung war der Bestand der
Chorgemeinschaft. Einerseits drückte der drastische personelle Schwund
durch den Krieg, andererseits schien nach dem Wortlaut des Protokolls
das Engagement in der Gesangsgemeinschaft für nicht wenige nur noch ein
lästiger Aufwand zu sein, der durch die Notwendigkeit von
Terminverlegungen aufgrund von Krieg und Abstimmungen mit den anderen
Chören der Chorgemeinschaft nur noch verstärkt wurde. Diese innere
Krise wurde durch den immer stärkeren Unmut gegenüber Walter Rohde
verstärkt, der sich kaum noch für die Gemeinschaft engagiert haben
soll. Diese letzte Überlieferung endet mit dem Vorschlag, den namhaften
Komponisten Heinz Tiessen als Vertretung zumindest übergangsweise zu
gewinnen.
Rosebery d'Arguto nach seiner Verschleppung nach Sachsenhausen
Was mit Rosebery d'Arguto nach seiner Verhaftung und Internierung
im Konzentrationslager Sachsenhausen geschah, ist weitestgehend unklar.
Informationen über sein weiteres Schicksal lassen sich fast nur aus
Berichten von Mitgefangenen d'Argutos rekonstruieren. D'Arguto wurde am
13. September 1939 mit dem ersten Transport ausschließlich jüdischer
Häftlinge nach Sachsenhausen gebracht, wo er unter der Häftlingsnummer
9299 und unter der angegebenen polnischen Nationalität interniert
wurde. [236]
Rosebery d'Arguto war in Sachsenhausen maßgeblich an Aufbau und
Arbeit eines Chores von etwa 25 bis 30 Häftlingen beteiligt. Dieser
Chor bildete sich zum Ende des Jahres 1940, das heißt, länger als ein
Jahr nach der Internierung d'Argutos und anderer Häftlinge mit dem
gleichen polnisch-jüdischen Hintergrund. Folgt man den Berichten der
damaligen Häftlinge, so setzte dieser Chor die Arbeit fort, die die
Gesangsgemeinschaft vor 1933 prägte. Im Mittelpunkt stand auch in
Sachsenhausen die Herstellung einer Gemeinschaft. Unter den Umständen
eines Konzentrationslagers war sie gar noch bedeutender als in der
offenen Klassengesellschaft der späten Weimarer Republik. Der
Sachsenhausener Lagerchor, den d'Arguto leitete, setzte sich zum
Inhalt, auch im Konzentrationslager eine generationsübergreifende
Kulturarbeit zu verrichten. Mit den erwachsenen Häftlingen wurde eine
fest zusammengehöriger Chor gebildet, der weiterhin anspruchsvolle
kulturelle Arbeit verrichtete während den jugendlichen Internierten das
Angebot des gemeinsamen Singens von Liedern gemacht wurde, um die
Zustände in Sachsenhausen zu verarbeiten und die Moral zu heben. [237]
Auch in künstlerischer Hinsicht war d'Argutos Chor in der Wahrnehmung
der Häftlinge herausragend im Vergleich zu den anderen Chören der
Gefangenen. [238]
Der politische Auftrag der Gesangsgemeinschaft äußerte sich auch in
der Arbeit des Lagerchors in Sachsenhausen. Das Zentrum des Chores
waren die Baracken 37, 38 und 39, die von Überlebenden teilweise als
„politischer Block“ bezeichnet werden [239], aber auch aufgrund der
Zugehörigkeit zum jüdischen Abschnitt als politisch heterogen oder als
mehrheitlich kleinbürgerlich. [240] Die Gefahren, die ein politisches
Handeln im Konzentrationslager mit sich brachten, führten dazu, dass
die künstlerischen Ideen d'Argutos aus der Zeit vor 1933, etwa die Idee
der sinfonischen Chormusik, die ohne konkrete Texte arbeitete, jetzt
von großem Nutzen waren, da der Sachsenhausener Chor so durch das
gemeinsame Singen auch ein gemeinschaftliches Gefühl erzeugen konnte,
ohne dass dieses Singen auf politisch gefährliche Texte angewiesen war:
„Er [Rosebery d'Arguto] sagte im Lager immer: Man braucht nicht
soviel Text zu haben, man kann z. B. Vokalisieren. Im Lager, wo man
jedes Gefühl verstecken mußte, merkte man, daß er recht hatte.“ [241]
Der Lagerchor d'Argutos in Sachsenhausen erfreute sich großer
Beliebtheit unter den Häftlingen. So erreichte er schon bei seinem
ersten Auftritt in einer der Baracken ein Publikum von 300 Menschen.
Das offizielle Singen des Chores im Lager war hingegen verboten.
Während die Lageraufsicht die Auftritte innerhalb der Baracken duldete
und den Chor in einem halblegalen Zustand hielt, wurde das
gemeinschaftliche Singen innerhalb des Chores mehr und mehr zum
Konkurrenten für die Lager-SS und die anderen Profiteure des
Konzentrationslagers. Diese nutzten ebenfalls das gemeinsame Singen für
ihre Zwecke aus, allerdings in der Art, durch das Diktat der zu
singenden Lieder, einen solidarischen Geist unter den Häftlingen zu
brechen. Anstelle der anspruchsvollen Chorwerke d'Argutos und heimlich
gesungener Tendenzlieder traten hier harmlose und banale Lieder, die
unter Druck und genauen Vorschriften über Lautstärke und Intonation
gesungen werden mussten. [242] Im Oktober 1942 [243] kam Rosebery
d'Arguto nach Auschwitz-Birkenau. Hintergrund war ein Befehl Hitlers,
sämtliche noch im Reich befindliche Juden in das Vernichtungslager zu
deportieren, in dessen Folge es im Konzentrationslager Sachsenhausen zu
einem offenen Aufruhr unter den Häftlingen kam. [244] Im gleichen Jahr
komponierte er den Jüdischen Todesgesang, ein Werk, das auf einem alten
jüdischen Lied basiert und auf jiddisch gesungen wurde und Elemente der
"Absoluten Gesänge" enthielt. Ein Jahr später, 1943, wurde d'Arguto in
den Gaskammern von Auschwitz ermordet.
Arbeitermusiker im Widerstand
Viele der Arbeitermusikvereine beteiligten sich aktiv am
antifaschistischen Widerstand. Sie waren Teil der Netzwerke um die
beiden illegalen Arbeiterparteien oder bewegten sich anderweitig im
widerständigen Milieu. Im Folgenden soll die spezifische Rolle der
Arbeitermusik im Widerstand zusammengefasst und einige typische
Beispiele für widerständiges Verhalten aufgeführt werden.
„Für den Antifaschisten in Deutschland steht heute auf
musikalischem Gebiet folgende konkrete Aufgabe: Wir müssen mit den von
der Kunstbürokratie zugelassenen Musikwerken legal gegen die
Unterdrückung, für die Freiheit kämpfen. Dann ist es vor allem
notwendig, sich das Material für den Kampf zu beschaffen und es
gewissermaßen zu präparieren. (...) Hat man sich nun genügend
Kenntnisse verschafft, so wird es z.B. gar nicht schwer sein, in die
Programme von Gesangsvereinen, in die kulturellen Veranstaltungen der
KdF, der Sportvereine, der Jugend, Musikstücke hereinzubringen, die den
Vorteil bieten, sowohl von den Faschisten erlaubt zu sein als auch
unserer Sache zu dienen. Ein Männerchor kann z.B. sehr gut den
Gefangenenchor aus „Fidelio“ mit Klavierbegleitung aufführen.“ [245]
Hanns Eislers Schrift „Mit Musik kämpfen“ aus der obiges Zitat
entnommen ist, fasste typische Formen des Widerstandes innerhalb der
proletarischen Musikbewegung zusammen. Die Schrift wurde 1938 als
Tarnschrift unter dem Titel „Spaniens Tor zum Mittelmeer und die
katalanische Frage“ des Autoren Franz Pauser [246] nach Deutschland
geschmuggelt. Unter der Überschrift „Kulturrundschau“ war Eislers Text
mit der Verfasserangabe „Hanns E.“ zu finden. [247]
Eislers Hinweise auf die Möglichkeiten antifaschistischer
Widerstandsarbeit mit den Möglichkeiten der Arbeiterchöre und der
proletarischen Gesangsvereine wurden verbreitet in die Tat umgesetzt.
Die Mittel dazu waren vor allem die Umdeutung von Werken der Kunstmusik
als auch das Wiederentdecken der Lieder der Bauernaufstände der frühen
Neuzeit oder auch die Verwendung von volkstümlichen Liedgut für
antifaschistische Zwecke.
Sowohl Beethovens als auch Mozarts Oper erfreuten sich großer
Beliebtheit, wenn es darum ging, illegale Botschaften im legalen
Zusammenhang zu übermitteln. Die nationalsozialistische Kulturpolitik
wurde so auch gleichzeitig in Zugzwang gebracht, da die Werke jener
Komponisten, in deren Schaffen die Machthaber den „großen deutschen
Kulturgeist“ widergespiegelt gesehen haben wollten, kaum verboten
werden konnten. [248] Eisler, dessen Schaffen sich immer wieder auf
einen Ausgleich zwischen der bürgerlichen Kunstmusik und der
proletarischen Musik bezog, der seinen Kompositionen der Arbeitermusik
den künstlerischen Anspruch der Kunstmusik gab, erkannte das Potential
der „großen Meister“ der Musikgeschichte für den antifaschistischen
Widerstand schnell. In „Mit Musik kämpfen“ zeigt Eisler in knapper Form
das humanistische Wesen und die Unvereinbarkeit der Werke mit dem
Faschismus dieser von den Nationalsozialisten instrumentalisierten
Künstler auf. Beethovens Freiheitsidealisierung, Mozarts Freigeist und
seine Verbindungen zur Freimaurersekte, Schumanns und Schuberts
Vertonungen von Texten des von den Nationalsozialisten gehassten
Heinrich Heines und vor allem Wagners antikapitalistische [249] Werke
in Musik und Schriften, sind für Eisler Grund genug, die Werke dieser
Komponisten gegen diejenigen zu verwenden, die sie für ihre Ansprüche
zu instrumentalisieren versuchten. [250]
Die Kunstmusik wurde so zur legalen Möglichkeit, einerseits
Botschaften zu transportieren, andererseits Konzerte zu veranstalten,
die gleichzeitig als Treffpunkte der illegalisierten Gruppen dienten
und so ermöglichten, Absprachen für die politische Arbeit zu tätigen,
bzw. einfach nur zu beweisen, dass die antifaschistische Bewegung nicht
zerschlagen war und es weiterhin einen Zusammenhalt zwischen den
Genossinnen und Genossen gab.
Die Kunstmusik nahm so eine ähnliche Funktion ein, wie das illegale
Singen verbotener Kampflieder oder gar der Internationale: Sie sollte
dem Schaffen von Kameradschaftsgeist dienen, den Durchhaltewillen
widerspiegeln und sollte damit vor allem denjenigen, die Eisler die
„politisch nicht Gefestigten“ [251] nannte, Kraft geben und sie vor
Resignation oder dem Überlaufen schützen.
Der Weg in den Widerstand der Arbeitermusikvereine war nicht
einfach, was sich vor allem im Zusammenhang mit dem Bemühen um eine
Einheitsfront äußerte. Das Festhalten der Sozialdemokratie an den
Mitteln der staatlichen Legalität einerseits und das teilweise
sektiererische Verhalten der Kommunisten andererseits konnten über
Jahre keinen schlagkräftigen Widerstand aufbauen. Trotzdem war die
Arbeiterbewegung nicht zerschlagen und in der Lage, Kräfte gegen das
Regime aufzubringen, lange Zeit allerdings noch immer in einen
sozialdemokratischen und kommunistischen Flügel getrennt.
Auch die Arbeitergesangsvereine waren ein Teil des Widerstands aus
der Arbeiterbewegung heraus. Durch die Verhandlungen der
DAS-Bundesführung mit der NS-Kulturpolitik kurz nach der Machtübergabe
konnten viele Chöre und Vereine weiter agieren, auch weit in die Phase
der Steigerungen der Verbote und Verfolgungen der späten dreißiger
Jahre. Hier bot sich die Gelegenheit, ein schon aus der Zeit der
Bismarckschen Sozialistengesetze bekanntes Verhaltensmuster wieder zu
beleben, nämlich die organisierte Arbeitermusik als Unterschlupf und
legalen Rahmen für oppositionelle Tätigkeiten der Sozialdemokratie oder
der Kommunisten zu verwenden. Arbeitermusikvereine wurden so oftmals
wichtige Teile der antifaschistischen Netzwerke innerhalb
kommunistischer oder sozialdemokratischer Strukturen und konnten so
durch ihr vorgebliches legales Handeln dem Widerstand einen
Handlungsspielraum geben. Andererseits wurde die Arbeit der Vereine für
den Widerstand auch oft durch die Behörden geduldet, um verbotene
antifaschistische Organisationen und einzelne Personen besser
überwachen zu können.
2. Die Deutsche Chorgemeinschaft Gruppe Westen II
Ein relativ großer Gesangsverein, der unter verstärkte Beobachtung
durch die Behörden geriet, war die in Delitzsch ansässige und ihrem
Namen nach scheinbar klar nationalsozialistische Deutsche
Chorgemeinschaft Gruppe Westen II, die sich vorwiegend aus ehemaligen
Mitgliedern des politisch deutlich links positionierten und nach der
„Gleichschaltung“ aufgelösten Chors „Freie Sänger“ bildete. Die zu
Beginn der verschärften Überwachungen im Jahre 1936 registrierten
Mitglieder der Gruppe Westen II wurden allerdings 1933 alle als
Einzelmitglieder in die Deutsche Chorgemeinschaft aufgenommen. [252] In
einem Brief der zuständigen Dresdner Gestapo an die Gestapo Berlin, der
erst im Mai 1937 verfasst wurde, wurde bemängelt, dass bei einem
Konzert der Gruppe Westen II der Saal nicht mit Hakenkreuzfahnen
geschmückt, dafür aber die Bühne mit einem roten Tuch bespannt gewesen
sei. Was noch in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre lediglich für
eine Rüge an die Chorleitung hinreichend war, bedeutete 1937 die
Einleitung eines Verbotsverfahrens. Die Behörden nahmen eine
Überprüfung der Mitglieder vor und stellten dabei fest, dass der
Chorleiter, der Schlosser August Meyenberg, seit 1900 bis zu deren
Verbot Mitglied der SPD gewesen war und es demzufolge „ausgeschlossen
[war], daß Meyerberg die Mitglieder dieses Vereins im
nationalsozialistischen Sinne zu führen imstande ist.“ [253] 1934 noch
konnte Meyerberg trotz seiner politischen Einstellung als zweiter, 1935
sogar als erster Vorsitzender der Gruppe Westen II eingesetzt werden.
Weiterhin wurde festgestellt, dass sämtliche Mitglieder des Vereins
einst Freidenker und Angehörige „marxistischer Parteien“ gewesen seien.
Zudem wurde „zahlreiches marxistisches Notenmaterial“ sichergestellt.
[254] In Folge dieser Erkenntnisse baten die Dresdner Behörden die
zuständigen Stellen in Berlin, die Gruppe Westen II der Deutschen
Chorgemeinschaft zu verbieten. Dem Antrag wurde in kürzester Zeit Folge
geleistet und der Gesangsverein auf der Grundlage der sogenannten
Reichstagsbrandverordnung, bzw. der „Verordnung des Reichspräsidenten
zum Schutze von Volk und Staat“ durch den Reichstatthalter in Sachsen
verboten. Die Gruppe Westen II ist damit ein treffendes Beispiel für
das widerständige Agieren der Arbeitersänger unter
nationalsozialistischen Herrschaftsbedingungen, hier gar unter einem
für die NS-Kultur typischen bürokratischen Namen, den der Chor tragen
musste. Das Schicksal der Sänger zeigt auch deutlich den Wandel in der
Repressions-Politik gegenüber den Arbeitersängern in den späten
dreißiger Jahren und die plötzliche Aufmerksamkeit und Empfindlichkeit
der Behörden in dieser Zeit.
3. Aktiver Widerstand: Die Berliner Liederfreunde
Ein Beispiel für die Fortsetzung der politischen Tätigkeit unter
nationalsozialistischer Herrschaft bildet der Berliner Arbeiterchor
Berliner Liederfreunde. Der Verein entstand nach der Zerschlagung des
DAS aus zwei sozialdemokratisch orientierten Chören, offizielle
Bezeichnung des neuen Gesangsvereins, der im proletarischen Bezirk
Neukölln angesiedelt war, war „Männerchor Berliner Liederfreunde 1879“.
In den nach 1933 folgenden Jahren blieb der Chor relativ unauffällig
und von staatlicher Repression weitestgehend verschont. Erst 1937 wurde
die Gestapo zunehmend auf die Liederfreunde aufmerksam. Hintergrund
waren Erkenntnisse der Polizeibehörden, wonach die Liederfreunde
gemeinsam mit der illegalen SPD ein Tarnkonzert veranstalten wollten,
das als Zusammentreffen von SPDFunktionären und Verbündeten genutzt
werden sollte: „Von absolut zuverlässiger Seite wird mir mitgeteilt, dass am
Sonntag, den 11.4.1937, die SPD ein Konzert veranstaltet, das in
Wirklichkeit ein getarntes Zusammentreffen ehemaliger Angehöriger der
SPD und ihren Anhängern darstellt. Zu diesem Konzert wurde lediglich
mündlich eingeladen. [...] Dieses Konzert werden auch SA-Leute und
Parteigenossen in Uniform besuchen. Derartige Konzert haben schon
mehrere stattgefunden, sie werden von Zeit zu Zeit wiederholt, einzig
und allein zu dem Zweck, ein Zusammensein ehemaliger SPD-Angehöriger zu
ermöglichen.“ [255]
Tatsächlich fand das Konzert der Liederfreunde am 11. April 1937 in der Neuköllner Neuen Welt,
einem traditionell linken Veranstaltungsort, statt. Insgesamt fanden
sich etwa 6000 Besucher [256] ein. Da der Kartenverkauf für das Konzert
noch relativ offen gehandhabt wurde, war es auch für die Spitzel der
Gestapo nicht allzu schwer, an der Veranstaltung teilzunehmen.
Das künstlerische Programm umfasste zwar keine Lieder Eislers,
Scherchens oder anderer, dennoch fanden sich auch wieder die bekannten
Werke aus der deutschen Kunstmusik, die als nicht zu verbietende
Chiffre dienten. So war der Gefangenenchor aus Beethovens Fidelio
wieder ein Bestandteil des Abends, der Rest des Programms war
allerdings auffallend harmlos [257] Das eigentliche Konzert nahm
pünktlich gegen 19,30 Uhr sein Ende, jedoch löste sich die
Veranstaltung erst gegen Mitternacht auf, der Punkt „geselliges
Zusammensein“ als Abschluss eines Konzertes ist auf beinahe jedem
Programmzettel der Arbeitermusikvereine nach 1933 zu finden und war
gerade auf dieser Veranstaltung der Liederfreunde von elementarer
Bedeutung und der eigentliche Höhepunkt.
Ein Spitzel der Gestapo vermerkte, dass „unzweideutig zu erkennen“
war, dass die Besucher „zum grössten Teil aus den ehemaligen Kreisen
der SPD stammen“. Parteiabzeichen und NS-Uniformen sind hingegen nicht
registriert worden. [258] Tatsächlich waren führende Vertreter der
Berliner Sozialdemokraten auf der Veranstaltung anwesend, unter ihnen
der ehemalige Vorsitzende Franz Künstler, der als inoffizieller
Organisator auftrat, sowie Paul Löbe, Max Westphal und viele andere
prominente Berliner SPD-Politiker. Den Beobachtungen der Spitzel
konnten sie sich allerdings dadurch entziehen, dass sie nacheinander
die Neue Welt verließen und sich in ein auf der anderen Seite
der Straße Hasenheide gelegenes Lokal begaben, in der sie in einem
geschützten Hinterzimmer Gespräche führten und dieses wenig später
einzeln wieder in Richtung der Neuen Welt verließen. Bei diesen
konspirativen Treffen nahm selbst ein erkennbarer SA-Mann teil, der
dafür ein Dienstfahrzeug benutzte. [259] Die Gestapo konnte auf diese
informellen Treffen keinen Einfluss nehmen, da auch die genutzte Neue Welt Klause zum konspirativen Netzwerk um die Berliner Liederfreunde und Kreise der illegalen SPD zählte.
Im Oktober 1937 veranstalteten die Liederfreunde ein weiteres
Konzert, das nach dem gleichen Muster ablaufen sollte. Die Gestapo
unternahm aufgrund des Konzertes vom April mittlerweile eine verstärkte
Beobachtung des Gesangsvereins, da für die Behörden mehr und mehr
deutlich wurde, dass es sich bei diesem um eine bedeutende
Verbindungsstelle zwischen der SPD-Führung und nicht-assimilierten
Arbeitern handelte. Die Liederfreunde reagierten auf die verschärfte
Überwachung mit einer ebensolchen Verschärfung der Konspiration. So
gelangte erst zwei Tage vor dem Tarnkonzert eine vertrauliche Meldung
an die Gestapo, mit einem Hinweis zu den Plänen, am 24. Oktober 1937
wieder eine als Konzert getarnte illegale SPD-Veranstaltung abzuhalten.
[260] Für die Spitzel des Gestapo war es entsprechend schwierig, Karten
zu erwerben, da diese wiederum nur im Vorverkauf und nur über das
Netzwerk aus Geschäften, deren Inhaber Anhänger der Sozialdemokratie
waren, an vertrauenswürdige Personen abgegeben wurden. Informanten der
Gestapo gelangten so überhaupt nicht in den Veranstaltungsraum, bei dem
es sich wieder um die Neue Welt an der Hasenheide handelte.
Beobachtungen konnten lediglich von außen angestellt werden: "Es konnte hierbei festgestellt werden, daß bereits 1 Stunde nach
Beginn des Konzerts kleinere Gruppen, ohne Mantel und Hut, aus dem Saal
kamen und gleich halb rechts über den Fahrdamm zu dem Lokal "Kleine
Neue Welt", BerlinerKindl, Hasenheide 9, gelegen, gingen" [261]
Der Spitzel folgte den Männern in das Lokal, konnte aber nicht mehr
herausfinden, als dass sich die Gruppe darum bemühte, den Bruder eines
Anwesenden im Exil zu unterstützen. [262] Für die Informanten war
hingegen erkennbar, dass die Liederfreunde bemüht waren, das Konzert
möglichst gut zu tarnen. Der Saal sei mit Hakenkreuzfahnen geschmückt
gewesen und auch "staatsfeindliche Propaganda" sei nicht wahrgenommen
worden. [263] Beim künstlerischen Programm des Abends griffen die
Veranstalter wieder auf bewährte Inhalte zurück: Das Konzert, das unter
dem Namen "Opern-Abend - Männerchöre aus deutschen Opern" veranstaltet
wurde, bot wiederum die üblichen Chiffren auf: Es fanden sich der Gefangenenchor aus Fidelio, genauso wie Ausschnitte aus der Zauberflöte oder das Lied der Matrosen aus dem Fliegenden Holländer. [264]
Aufgrund des Erfolges des Tarnkonzerts planten die Veranstalter
weitere ähnliche Veranstaltungen im Frühjahr 1938. Diese sollten wieder
als Parteiveranstaltungen genutzt werden. [265] Das letzte Konzert des
mittlerweile als eindeutiger SPD-Zusammenschluss identifizierten
Gesangsvereins [266] wurde am 30. Januar 1938 organisiert und fand im
Apollosaal des Deutschen Hofes in Berlin-Kreuzberg statt. Die Karten
waren diesmal im Vorverkauf frei erhältlich und wurden nicht zugeteilt,
was es der Gestapo wiederum erleichterte, die Veranstaltung zu
überwachen. Diese identifizierte einen Großteil der Besucher, die den
"Eindruck einer großen Familie" machten, als Gewerkschafter und hohe
SPD-Funktionäre, darunter auch Franz Künstler und Paul Löbe, die den
offiziellen Mittelpunkt der Veranstaltung dargestellt haben sollen.
[267] Wiederum wurde beobachtet, dass einzelne Personengruppen das
Konzert vorzeitig verließen, um in eine nahegelegene Kneipe zu gehen.
Im Apollosaal selbst konnte ein Spitzel beobachten, dass ein
Losverkäufer des Winterhilfswerks unter den Gästen kein einziges Los
absetzen konnte und von diesen ignoriert wurde. [268] Zudem fiel dem
Gestapo-Informanten auf diesem Konzert die Textzeile aus der
Zauberflöte "stärkt in Geduld euch" so sehr auf, dass er diese in
seinem Bericht erwähnte. [269]
Im Februar 1938 reagierten die Behörden und fertigten eine genaue
Analyse der Strukturen und Aktivitäten der Liederfreunde an. Dabei
stellte sich heraus, dass unter den Mitgliedern eine große Zahl
politisch missliebigen Organisationen und Gruppen angehörte, darunter
Freidenker, Sozialdemokraten, Anarchisten und andere. [270] Nach einer
Vorladung von Vertretern des Gesangsvereins wurde allerdings auf ein
Verbot vorläufig verzichtet, um die Liederfreunde weiterhin ohne große
Probleme beobachten zu können. Nachdem die illegale SPD unter der
Tarnung der Berliner Liederfreunde allerdings am 27. März 1938 ein
weiteres Konzert in der Neuen Welt durchführte, bereiteten
Gestapo und die Berliner Stapoleitstelle ein Auflösungsverfahren vor.
Hintergrund war auch, dass die Spitzel der Gestapo mittlerweile bekannt
waren und von den Arbeitersängern selbst überwacht wurden, so dass ein
weiterer Informationsgewinn für die NS-Behörden kaum noch möglich war.
Im August 1938 wurde die illegale Berliner SPD von einer
Verhaftungswelle erschüttert, der auch Franz Künstler zum Opfer fiel.
Zeitgenössische deutsche Zeitungen im Ausland berichteten, dass die
Verhaftungen eng mit der am 27. Mai erfolgten Auflösung der
Liederfreunde zusammenhingen. [271] Die in Paris erscheinende Zeitung Humanité und das Prager Tageblatt
nannten als Verhaftungsgrund gar explizit nicht die intensiven Kontakte
Franz Künstlers und anderer zu Widerstandsgruppen, sondern den auf den
Tarnkonzerten vorgetragenen Gefangenenchor aus Beethovens Fidelio mit seiner Textzeile "O, welche Lust! in freier Luft den Atem leicht zu heben". [272]
Trotz ihrer Mitgliedschaft im Deutschen Sängerbund konnten die
Liederfreunde der Zerschlagung nicht entgehen. Ein großer Teil der
Mitglieder schloss sich allerdings dem Beethovenchor Berlin an und
vergrößerte diesen auf etwa 70 Sänger.
Die Berliner Liederfreunde standen für eine Fortführung der
Strategie der Arbeitervereine, die bereits aus der Zeit der
Sozialistengesetze bekannt war. Vorfeldorganisationen wurden für die
illegale Kernorganisation, hier die SPD, für das Aufrechterhalten der
politischen Arbeit genutzt. Dabei entwickelte sich ein dichtes Netz, in
dem die Liederfreunde, aber auch andere kleinere Gesangsvereine, nur
einen Teil darstellten. Für einen Erfolg dieses konspirativen Netzwerks
waren auch Geschäfte mit oppositionellen Inhabern bedeutsam, die etwa
im Fall der Tarnkonzerte die Eintrittskarten vergaben oder auch eine
Reihe von Kneipen, die geschützte Hinterzimmer zur Verfügung stellten.
Ein Beispiel für den zumindest zeitweisen Erfolg dieser Netzwerke war
auch eine ebenfalls aus dem Umfeld der Liederfreunde und kleinerer
Gesangsvereine organisierten Dampferfahrt, die als Tarnung einer
oppositionellen Versammlung stattfinden sollte. Die Gestapo wusste zwar
ungenau über Pläne, dass aus dem Umfeld der Konzert-Besucher der
Liederfreunde eine Dampferfahrt stattfinden sollte, konnten aber nichts
Genaueres feststellen. [273] Selbst der Termin der Veranstaltung, der
3. Juli 1938, wurde erst wenige Tage vor der Fahrt festgestellt. Die
offiziellen Veranstalter waren die sozialdemokratisch geprägten
Gesangsvereine "Fichte-Georgina" und "Typographia". Bei der Typographia
handelte es sich um einen politisch klar bekennenden Chor, der sich aus
Druckern und Schriftgießern zusammensetzte. Vor 1933 erarbeitete sich
der Chor ein anspruchsvolles Programm aus Werken der Moderne, darunter
Arnold Schönberg und Hanns Eisler. Auch nahmen Tendenzlieder einen
großen Teil des Repertoires ein. [274] Dirigiert wurde der Chor
zeitweise vom DAS-Vorstandsmitglied Walter Hänel. Nach 1933 konnte der
Chor das politische Niveau nicht aufrechterhalten, wohl aber das
künstlerische und galt weiterhin als einer der talentiertesten
Arbeiterchöre. [275] Der Chor bestand bis 1945.
Beweise für ein konspiratives Treffen konnten die Behörden dennoch
nicht finden, nicht nur aufgrund der Unmöglichkeit der Überwachung
einer Dampferfahrt, sondern vor allem da wiederum ein dichtes Netzwerk,
von den legalen Gesangsvereinen bis hin zu dem Lokal, das das Ziel des
Ausflugs darstellte, genutzt wurde. Dabei handelte es sich um das
Ausflugslokal Krampenburg, das auf der gleichnamigen Landzunge
an der Dahme in Berlin-Köpenick lag und von einer proletarischen
Laubenkolonie umgeben war, unweit der Kuhlen Wampe.
4. Der Gemischte Chor Groß-Berlin bzw. die Arbeitsgemeinschaft Berliner Chöre
Der Gemischte Chor Groß-Berlin war vor der Machtübergabe einer der
bedeutendsten Arbeiterchöre kommunistischer Prägung in Berlin und im
gesamten Reich. Er war ein typisches Produkt der Abspaltung von den
sozialdemokratisch dominierten Arbeitersängern. Statt ausschließlich
auf organisierte Saalveranstaltungen ging der Chor vor allem auf die
Straßen und Höfe der Berliner Arbeiterviertel und betrieb
Agitprop-Arbeit für die KPD. [276] Seine künstlerische Arbeit
konzentrierte sich auf das Singen von Tendenzliedern. Eine große
Öffentlichkeit erreichte der Chor durch seine Mitwirkung im Film Kuhle
Wampe und Brechts Maßnahme. Durch die eindeutige politische
Positionierung geriet der Chor schon vor 1933 in Konflikt mit den
Behörden, so entzog ihm der SPD-Magistrat von Groß-Berlin zeitweilig
den Proberaum in einer Schule.
1933 wurde dem Chor endgültig der Proberaum im Grauen Kloster in
der Klosterstraße entzogen, er wurde allerdings nicht verboten, sondern
konnte weiterhin künstlerisch tätig sein, natürlich keinesfalls mehr in
der öffentlichkeitswirksamen Art und Weise aus der Zeit vor 1933. Die
ersten Monate der nationalsozialistischen Herrschaft brachten auch dem
Gemischten Chor Verluste in der Zahl der Mitglieder ein. Gemeinsam mit
anderen Arbeiterchören, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen
hatten, vereinigte sich der Chor 1934 zur Arbeitsgemeinschaft Berliner
Chöre. [277] Diese Gründung war die Initiative des Dirigenten Helmut
Koch, der zuvor mehrere einzelne Chöre leiten musste, da deren ehemals
politisch aktive Dirigenten die Arbeitserlaubnis entzogen wurde oder
sie in die Emigration gezwungen wurden.
Die Position Helmut Kochs wird durchaus zwiespältig beschreiben.
Emma Emmerichs Eindrücke von der Zeit nach Kochs Dirigat-Übernahme
waren die eines kulturellen Verfalls: „Und nun mußten wir Volkslieder
vom Maiengrün und Vogelsang singen! Schöne Lieder z.B. von
Mendelssohn-Bartholdy wurden gestrichen oder umgekrempelt.“ [278] Dass
diese Tendenzen Koch geschuldet waren, ist eher unwahrscheinlich,
vielmehr handelte es sich hier um den nach der Machtübergabe üblichen
Wandel im Programm, beispielsweise im Verbot jüdischer Komponisten wie
Felix Mendelssohn-Bartholdy. Tatsächlich war Koch kein Angehöriger der
alten politisch aktiven Besetzung des Chores vor 1933. Er selbst
beschreibt seine Rolle als Außenstehender, der nicht in die Aktivitäten
der Arbeitsgemeinschaft eingeschworen war, als durchaus nützlich.
Vielmehr wäre es von Bedeutung gewesen, wenn Koch als „politisch
Unbedenklicher“ weiterhin die Leitung des Chores innehat, sich
allerdings auf der Seite der Arbeitersänger verstand. [279]
Der Chor-Zusammenschluss konnte so auch nach 1933 noch relativ
autonom arbeiten, sich zum Beispiel neue Mitglieder selbst aussuchen,
um so zu verhindern, dass Spitzel der Gestapo oder überzeugte
Nationalsozialisten in den Chor eindringen konnten. Die
Arbeitsgemeinschaft konnte sich gar so stark behaupten, dass sie 1935
ihren 1933 verlorenen Proberaum im Grauen Kloster zurück erhielt. Trotz
allem trafen sich die Sänger in dieser Zeit immer wieder in privaten
Wohnungen zu konspirativen Versammlungen. [280] Bezeichnend für die
oppositionellen Bestrebungen des Chors sind die auch bei anderen
Arbeiterchören anzutreffenden Bemühen, den Sammlungen und Konzerten des
Winterhilfswerks aus dem Weg zu gehen, obwohl sie mit Kriegsbeginn dazu
verpflichtet wurden, wenigstens ein Konzert zugunsten des WHW zu geben.
[281]
Zum Ende des Jahres 1935 kam es offensichtlich zu Differenzen
zwischen Koch und dem ehemaligen Gemischten Chor Groß-Berlin.
Allerdings lassen sich zu dieser Zeit keine Dokumente finden, die die
tieferen Gründe für das Zerwürfnis beleuchten. [282] Der Chor blieb
trotz allem in seiner ursprünglichen Konstellation zusammen und
arbeitete wieder unter dem ursprünglichen Namen Gemischter Chor
Groß-Berlin. Noch immer konnte er öffentliche Konzerte geben, teilweise
auch an prominenten Orten wie der Berliner Singakademie. Viele der
Konzerte dienten allerdings primär als getarnte Zusammenkünfte der
illegalen KPD und anderer antifaschistischer Kreise. Der Gemischte Chor
hatte damit eine ähnliche Rolle wie die Berliner Liederfreunde, deren
Tarnkonzerte in der Neuen Welt allerdings noch einiges größer waren.
Vor allem zur KPD bestand ein guter Kontakt seitens des Chors. Mit Kurt
Riemer [283] gab es eine Kontaktperson, die innerhalb des Chores
Schulungen durchführte und die Verbindung zur KPD herstellte und
aufrecht erhielt. Der Chor war damit in die Gruppe Uhrig innerhalb des
antifaschistischen KPD-Netzwerks eingebunden. Vieles spricht dafür,
dass der Chor in diesem Netzwerk um Robert Uhrig sogar eine
Schlüsselrolle spielte und als erster Anlaufpunkt für Antifaschisten
fungierte. [284]
Auch beim Gemischten Chor zeigt sich eine Verstärkung der
antifaschistischen Arbeit seit der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre.
In den Jahren zuvor waren die kommunistischen Netzwerke, in denen sich
der Chor bewegte und dessen Teil er war, kaum entwickelt. Erst mit dem
Ende der Selbsttäuschung der Kommunisten, die sich einen starken und
funktionierenden Widerstand vortäuschten, konnten auch sie
arbeitsfähige Strukturen aufbauen.
Seine Arbeit konnte der Chor bis 1943 durchhalten. Richard
Gierschner bezeichnete den Gemischten Chor gemeinsam mit unter anderem
der Gesangsgemeinschaft Rosebery d'Arguto als „ideologisches Rückgrat
der Arbeitersänger während der Nazizeit.“ [285]
5. Zwei Konzert-Programme des Neuköllner Sängerchors
Im Folgenden sollen abschließend zwei Programme [286] des
Neuköllner Sängerchors untersucht werden. Das erste Programm entstammt
einem Konzert in der Berliner Singakademie vom 1. Februar 1925, das
zweite gehört zu einer Veranstaltung vom 4. Mai 1941 im Saalbau
Friedrichshain. Der Neuköllner Sängerchor war bis 1933 Teil des DAS,
nach der Zerschlagung wurde der Chor in den Deutschen Sänger-Bund
„gleichgeschaltet“. Das Konzert von 1925 wurde von Jascha Horenstein
geleitet, 1941 hatte Oskar Schumann die Leitung inne. An den
Unterschieden in der künstlerischen Gestaltung lässt sich so die
Entwicklung des Chores von der Weimarer Republik zur Zeit des
Nationalsozialismus nachvollziehen.
Beiden Konzerten war eine große Vielfalt in der Programmgestaltung
eigen. 1925 bot der Neuköllner Sängerchor dem Publikum die damals
typische Mischung der Chöre des DAS aus bürgerlicher Kunstmusik des 18.
und 19. Jahrhunderts, aus Volksliedern und dazwischen eingestreuten
Kampfliedern. Daneben bestand das Konzert nicht nur aus Vokalmusik,
sondern schloss gleichzeitig auch instrumentale Werke mit ein. Des
Weiteren beschränkte sich das Programm keineswegs nur auf Werke
deutscher Komponisten, sondern bot auch ein Stück des russischen
Komponisten Rimskij-Korsakow.
Das Programm begann mit einem Sanctus und dem Stück Die Nacht von Franz Schubert sowie dem katholischen Kirchenlied An Sankt Raphael
aus dem Jahr 1628. Dem schloss sich ein reines Instrumentalstück, das
Streichquartett in G-Dur von Joseph Haydn, an. Dem folgten wiederum
zwei Stücke von Hermann Scherchen mit Bezug zur Oktoberrevolution, dem Trauermarsch und dem Rotgardistenmarsch [287]. Nach einer Pause folgte die Sonnenhymne aus Der Goldene Hahn von Rimskij-Korsakow, einem Stück aus Die armseligen Besenbinder von Carl Hauptmann, sowie Musik aus Rosamunde
von Franz Schubert. Daraufhin wieder ein Streichquartett, diesmal von
Johannes Brahms in a-moll. Den Abend schlossen vier Volkslieder von
Felix Mendelssohn-Bartholdy, Hermann Scherchen und anderen.
Das Konzert des Neuköllner Sängerchores von 1925 ist ein typisches
Beispiel für die Programmgestaltung der Chöre im Deutschen
Arbeitersänger-Bund. Einerseits wurden bürgerliche Werke rezipiert,
andererseits bestand ein gewisser Teil des Programms aus politisch
eindeutigen Tendenzliedern, wobei der Anteil dieser Lieder im
vorliegenden Programm im Vergleich mit anderen DAS-Chören recht hoch
war. Der Anteil von Volksund Kirchenliedern hatte die Aufgabe, das
Publikum aus der reinen Konsumentenhaltung zu lösen und sie zum
Mitsingen zu animieren. Dies wurde durch den Abdruck der Liedtexte im
Programmheft unterstützt. Die Stücke der bürgerlichen Kunstmusik
wiederum brachten dem aus Arbeitern und unteren Angestellten
bestehenden Publikum ein Stück kulturelle Bildung näher, von dem sie
sonst aus diversen Gründen ausgeschlossen gewesen wären.
Eine gänzlich andere Programmgestaltung bot der mittlerweile
„gleichgeschaltete“ Neuköllner Sängerchor im Jahr 1941. Das Konzert
fand zwar im Rahmen der Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum des
Chors und damit mit einem expliziten Bezug auf die proletarische
Tradition zu Zeiten des DAS statt. Trotzdem fehlten natürlich die
eindeutigen Tendenzlieder, genauso wie die im Nationalsozialismus
verbotenen Werke Felix Mendelssohn-Bartholdys. Stattdessen bot sich
eine auf den ersten Blick harmlose Mischung aus bürgerlicher Kunstmusik
des 18. und 19. Jahrhunderts und traditionellen Volksliedern an.
Das Konzert begann mit dem Choral Trösterin Musik von Anton Bruckner und Weg-Worte
von Hugo Kaun. Ein erstes Anzeichen für die verbreitete Art und Weise,
Programme mit legalen Chiffren für illegalisierte Inhalte zu gestalten,
liefert das folgende Stück, das Weihelied Sarastros und des Priesterchors aus Mozarts Zauberflöte
mit der wiederkehrenden Kernaussage: "Stärkt mit Geduld sie in Gefahr."
Natürlich lässt sich der Inhalt des Liedes gerade 1941 auf zweierlei
Art und Weise deuten. Die Möglichkeit "stärkt mit Geduld sie in Gefahr"
auf die Gefahren des Krieges zu beziehen und darin eine
Durchhalteparole zu erkennen, ist aber vor dem Hintergrund des explizit
aufklärerischen Charakters der Zauberflöte und der allgemeinen
Beliebtheit, die sich diese Oper in Arbeiterchören erfreute, sehr
unwahrscheinlich, wurden diese Teile aus Mozarts Oper doch schon vor
Ausbruch des Krieges immer wieder auf Konzerten der Arbeitermusiker
aufgeführt.
Darauf folgten wiederum unverdächtige Werke von Franz Schubert und
Hugo Kaun. Bei 64 der Programmgestaltung nach der Pause ist das gleiche
Bild erkennbar: Zwischen Ausschnitten aus den Oratorien Die Jahreszeiten und Die Schöpfung
von Joseph Haydn und dem Straßburglied des konservativ bis national
geprägten Komponisten Wilhelm Kienzl, sowie einem der am meisten von
der nationalsozialistischen Kulturideologie missbrauchten Stücke, dem
Schlusschoral aus Wagners Meistersingern, findet sich der Gefangenenchor aus
Fidelio. Der Textbezug ist hier aus heutiger Sicht eindeutig und führte
dazu, dass sich dieses Chorstück als antifaschistische Chiffre großer
Beliebtheit erfreute:
„O welche Lust, in freier Luft den Atem leicht zu heben! O welche
Lust! / Nur hier, nur hier ist Leben. Der Kerker eine Gruft! / Wir
wollen im Vertrauen, auf Gottes Hilfe bauen, die Hoffnung flüstert
sanft mir zu: Wir werden frei, wir finden Ruh! / O, Hoffnung! –
Rettung! welch ein Glück! O, Freiheit, kehrst du zurück? / Sprecht
leise, haltet euch zurück, wir sind belauscht mit Ohr und Blick! / O
welche Lust, in freier Luft de Atem leicht zu heben, nur hier nur ist
Leben, der Kerker eine Gruft.“ [288]
Mit dem Gefangenenchor fand das Programm seinen inhaltlichen
und politischen Höhepunkt und wurde schließlich mit einer Reihe von
Volksliedern, darunter Schwarzbraun ist die Haselnuss und dem Strauß-Walzer An der schönen blauen Donau
beendet. Dem Konzert schloss sich eine „kameradschaftliche Stunde“ an.
Inwieweit dieser Abschluss eine politische Komponente hatte und zum
Treffen Gleichgesinnter im legalen Rahmen genutzt wurde, bleibt unklar.
Jedoch ist dieser Programmpunkt in den meisten der Konzertprogramme der
Arbeiterchöre dieser Zeit zu finden.
Dass die Leitung des Konzerts bei Georg Oskar Schumann lag, ist
wiederum für die Zeit nach 1935 äußerst unüblich. Schumann übernahm
1928 den Gemischten Chor Groß-Berlin und prägte diesen in den
Folgejahren maßgeblich. Der Gemischte Chor hatte immerhin den Ruf inne,
ein politisch besonders linker Verein zu sein, was er auch durch seine
Teilnahme an dem Film Kuhle Wampe unter Beweis stellte.
Verursacht war dies durch den relativ großen Anteil von kommunistischen
Sängern im Chor, der aber trotz der Spaltungstendenzen in der
Arbeitermusik auch Sozialdemokraten unter seinen Mitgliedern zählte.
[289]
Beide Programme machen den erzwungenen weltanschaulichen Wandel der
Arbeitermusiker anhand ihrer künstlerischen Programmatik deutlich. War
das Konzert aus der Weimarer Republik noch von der Mischung aus
bürgerlicher Kunstmusik und neu komponierten Tendenzliedern geprägt, so
musste sich das Programm von 1941 auf Harmlosigkeiten beschränken,
brachte aber trotzdem zwei der zur Zeit des Nationalsozialismus immer
wieder als Chiffre verwendeten Stücke zur Aufführung, Mozarts Zauberflöte und Beethovens Fidelio.
Ein untrügliches Zeichen dafür, dass zumindest der Neuköllner
Sängerchor versuchte, die politische Moral aufrecht zu erhalten und
allen Bemühungen der „Gleichschaltung“ zum Trotz keinesfalls ein Teil
der Massenkultur des Nationalsozialismus geworden ist.
Fazit
Ein einheitliches Bild der Arbeitermusikbewegung in der Zeit des
Nationalsozialismus zu zeichnen, ist unmöglich. Ursachen dafür sind
einerseits die prekäre Überlieferung und andererseits der Fakt, dass
die Arbeitermusik sich schlicht nicht einheitlich verhielt. Diese
Heterogenität der Arbeitermusiker nach 1933 macht aber gleichzeitig
Schlüsse auf die gesamte Situation der Arbeiterkulturbewegung möglich,
deren ursprüngliche Idee es war, eine klassenbewusste Arbeiterschaft zu
bilden. Nach der Machtübergabe wurden Gesangsvereine, vor allem die
kommunistischen, verboten, „gleichgeschaltet“ oder zerfielen aufgrund
der neuen Verhältnisse. Ganz gleich ob dafür die ökonomische Lage der
Arbeiter, die sich in Form der militarisierten Arbeit verschärfte oder
staatliche Repressionen der Grund waren. Viele passten sich an, gingen
in der NS-Massenkultur auf, wieder andere konnten ihre politische
Arbeit unter dem Deckmantel eines „gleichgeschalteten“ Chores
weiterführen und ihren Teil zu den antifaschistischen Netzwerken
beitragen.
Ausgangspunkt eines Fazits muss also die Feststellung sein, dass es
"die" Arbeiter und damit auch die angestrebte Klasse für sich nicht
gab, allem geteilten Schicksal aufgrund einer gemeinsamen Position im
Produktionsprozess zum Trotz. Demzufolge kann es auch "die" vollständig
politisierte Arbeitermusikbewegung nicht gegeben haben, in der sich
ausnahmslos klassenbewusste Arbeiter zum Zweck des gemeinsamen
Erlangens einer musischen Bildung zusammengefunden haben, um diese
Bildung eines Tages für politische Ziele nutzen zu können. Vielmehr
wird vor allem aus den Untersuchungen zur Lage der organisierten
Arbeitermusik in der Zeit des Nationalsozialismus deutlich, dass die
Musik und Gesangsvereine im Grad der politischen Festigung ihrer
Mitglieder relativ heterogen waren. Für viele stand daher trotz allem
die Gestaltung der Freizeit im Vordergrund. Ein Anliegen, das später
durch die Angebote der nivellierten Massenkultur des
Nationalsozialismus in den NS-Organisationen ebenso gut oder besser
erfüllt werden konnte. Dennoch muss die organisierte Arbeiterkultur,
seien es Sport-, Bühnen- oder eben Musikvereine, auch von der
allgemeinen Arbeiterschaft getrennt werden. Ausgehend von dem Fakt,
dass beispielsweise die größte Dachorganisation, der DAS, während ihres
gesamten Bestehens ständig in direkter Konkurrenz mit dem deutlich
größeren bürgerlichen Deutschen Sänger-Bund stand, der auch nicht
wenige Arbeiter unter seinen Mitgliedern zu verzeichnen hatte, kann
davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil derjenigen Arbeiter, die
sich in proletarischen Musikvereinen organisierten, ein höheres
politisches Bewusstsein hatte, als diejenigen, die Teil der
bürgerlichen Liedertafel-Tradition waren und sich für den DSB mit
seiner auch materiell deutlich besseren Ausstattung entschieden hatten.
Als ein Spiegel für die Heterogenität der Arbeitermusikvereine und
ihres Verhaltens während der Zeit des Nationalsozialismus lassen sich
die Programmzettel zu öffentlichen Konzerten heranziehen. Gezeigt wurde
hier, dass diese in der Zusammensetzung der dargebotenen Werke stark
variierten und sowohl politischen Widerstand im Aufführen chiffrierter
Werke der bürgerlichen Musik, als auch im Singen politisch eindeutig
konnotierter Tendenzlieder betrieben. Meist waren es diese Vereine, die
auch die Zeit des Krieges versuchten zu überstehen und künstlerische
Arbeit und Zusammenhalt unter den Mitgliedern aufrecht zu erhalten.
Der Fakt, dass die Zeit des Nationalsozialismus die Organisationen
der Arbeiterbewegung zerstört hat und einen immensen Schaden für die
Kultur, nicht nur für die proletarische, angerichtet hat, kann die
Frage nicht ausklammern, ob ein Niedergang der Arbeitermusikbewegung
auch ohne die NS-Herrschaft erfolgt wäre. Bedacht werden muss immerhin,
dass die klassischen Arbeiterchöre in der zweiten Hälfte der 20er Jahre
einen starken Mitgliederschwund erlebten und der DAS in vielerlei
Hinsicht in eine tiefe Krise gestürzt wurde. Zu vermuten wäre also,
dass durch die zunehmende Dominanz der Massenkultur, hier der
nicht-faschistischen, die Arbeitergesangsvereine in der Tradition des
späten 19. Jahrhunderts immer mehr unter Konkurrenzdruck geraten wären.
Schließlich hatten sie schon in der Zeit der "Goldenen Zwanziger" ihre
Mühe, gegen die vielfältigen neuen Unterhaltungsangebote vom Kino bis
zu den Tanzorchestern, anzukommen. Insofern kann der Fakt, dass die
partiellen Wiedergründungen von Arbeitermusikvereinen nach 1945
ausschließlich von ehemaligen und dann schon recht betagten Mitgliedern
aus der Zeit vor 1933 getragen wurden, auch als
generationsgeschichtliches Phänomen betrachtet werden. Allerdings
entstehen auch generationenabhängige Verhaltensmuster nicht aus dem
Zufall heraus. Bei allen Spekulationen um kulturelle Konkurrenzangebote
zum klassischen Arbeitergesangsverein darf auch nicht vergessen werden,
dass der Niedergang der Arbeitermusikbewegung – jenseits
administrativer Maßnahmen – eng mit dem Aufstieg der Massenkultur
zusammenhing. Der DAS beispielsweise war stets gezwungen, auf die
Konkurrenz dieser Kultur zu reagieren. Das Agieren war
ihm unter diesem Druck gar nicht mehr möglich, er war faktisch seiner
kulturellen Selbstbestimmung beraubt. Ausgehend davon, dass diese
Massenkultur in der Zeit des Nationalsozialismus einen extremen
Höhepunkt erreichte und gleichsam mit den politischen Heilsversprechen
verknüpft war, lässt sich auch hier wieder ein Zusammenhang finden. Bei
aller Heterogenität der Arbeitermusiker lässt sich allerdings im Bezug
auf deren Verhalten in der Zeit des Nationalsozialismus dennoch
konstatieren, dass die Arbeiterschaft für den Faschismus eine der am
schwersten zu gewinnenden Schichten und Milieus gewesen ist. Ein
bereitwilliges und den neuen Machthabern gegenüber konstruktives
Verhalten, wie es etwa der bürgerliche Gegenpart der Arbeitermusiker,
der Deutsche Sänger-Bund im Zusammenhang mit „Gleichschaltung“ und
Eingliederung in die NS-Ideologie zeigte, ist bei den proletarischen
Musikern nicht zu entdecken.
Nachfolgend das Verzeichnis der Anmerkungen, der benutzten Literatur und der Quellen
Anmerkungen
(Die Zählung folgt dem Text der Magisterarbeit und beginnt darum mit 48)
48 Karl-Heinz Kammertöns, Verbote und Zensur, S. 72
49 ebd.
50 AdK, M10/48
51 Karl-Heinz Kammertöns, Verbote und Zensur, S. 73f.
52 „Vorwärts“ vom 8. Oktober 1876, Artikel von Emil Sauerteig (später Herausgeber einer Liedersammlung)
53 s. „Vorwärts“ vom 9. März 1877, Einladung zum Gründungstreffen am 1.und 2. April des Jahres in Gotha
54 s. „Vorwärts“ vom 15. April 1877, Anzeige der Gründung des
Arbeitersänger-Bundes im Maingau. Trotzdem traten schon bald einige
Probleme bei der Gründung unter dem Dach des reichsweiten Verbandes
auf. So wurde in Hamburg sogar ein Partikularbund gegründet.
(„Vorwärts“, 23. November1877)
55 Auflistung der Mitgliederzahlen im Verlauf der Geschichte der organisierten Arbeitergesangsvereine in:BA R58/2310, Bl. 96
56 DAS, Erstes Deutsches Arbeiter-Sängerbundfest, S. 97f.
57 DAS, Arbeiter-Sängerbundfest, S. 98, die genaue Zahl der
Mitglieder zur Umwandlung der„Liedergemeinschaft“ zum DAS ist nicht
bekannt.
58 BA R58/2310, Bl. 96
59 s. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus und Arbeitermilieu, S. 528
60 s. Klenke, Lilje, Walter, S. 197. Die Ursache für diese
Wahrnehmung wird hier vor allem in der Renaissance der Kampflieder in
den späten 60er Jahren der BRD gesehen. Gleiches dürfte für die
offizielle Pflege der Arbeitermusik in der DDR gelten, die sich
mehrheitlich auf die kommunistische Tradition beschränkte.
61 „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ war in der Kategorie der
Tendenzlieder das meistgesungene Werk der Zeit vor 1933 und ist trotz
seines überzeugten kommunistischen Komponisten noch immer eine Art
Parteihymne der SPD.
62 Klenke, Lilje, Walter, S. 197
63 SAPMO, RY1 I 4/8/1, Bl. 10/11
64 SAPMO, RY1 I 4/8/1, Bl. 10/11
65 ebd.
66 Hanns Eisler, Über neue Methoden der Arbeitermusik, EGW, Bd. 3 Schriften, Addenda, S. 31
67 SAPMO, RY1 I 4/8/1, Bl. 14; Nordwestdeutsches Echo Nr. 234, 06.10.1922
68 Die Daten lassen sich nur aus Erinnerungsberichten
rekonstruieren, diese sind widersprüchlich und geben einerseits 1924/25
und andererseits 1926/27 an. (AdK, M2c/93[a])
69 ebd.
70 s. Werner Kaden, Signale, S. 24
71 s. Klenke, Lije, Walter, S. 199
72 s. Inge Lammel, Herausbildung, S. 139.
73 Werner Kaden, Signale des Aufbruchs, S. 13
74 Welt am Abend vom 18. Juni 1928
75 ebd.
76 Welt am Abend, 18. Juni 1928
77 s. Wolfgang Ruppert, Die Arbeiter, S. 50.
78 Kaden, Signale, S. 12
79 Über die Krise des DAS in der Weimarer Republik: Hans-Ulrich Michalik, Saarsängerbund, S. 125,
Klenke, Lilje, Walter, Arbeitersänger, S. 200ff.
80 Festprogramm: AdK, M1b/3; Werner Kaden, Signale, S. 13
81 Rotes Sprachrohr Material 1929 ohne genaues Datum; SAPMO, RY 1 I 2/707/110, Bl. 5
82 Rotes Sprachrohr Material Nr. 5 (September 1929), S. 5; SAPMO, RY 1 I 2/707/110, Bl. 62
83 SAPMO, RY 1 I 2/707/111, Bl. 124
84 s. AdK M2b/11e / Inge Lammel, „Scherchen-Chöre“, S. 82
85 Nach Michael Schneider, Unterm Hakenkreuz, S. 646
86 ebd.
87 Jürgen Kuczynski, Geschichte der Lage der Arbeiter, Bd. II,1, S. 119ff.
88 Jürgen Kuczynski, Geschichte der Lage der Arbeiter, Bd. II,1, S. 124f.
89 s. Rüdiger Hachtmann, Industriearbeit, S. 50f.
90 Zur Höhe des für diese Untersuchungen besonders geeigneten
Relativlohns nach Kuczynski: Geschichte der Lage der Arbeiter, Bd.
II,1, S. 151f.
91 Vgl. ebd. S. 129-143
92 Michael Schneider, Unterm Hakenkreuz, S. 643
93 Tabelle: Jürgen Kuczynski, Geschichte der Lage der Arbeiter, Bd. II,1, S. 208.
94 s. Michael Schneider, Unterm Hakenkreuz, S. 1046ff.
95 AdK, H41 Blatt 44f.
96 AdK, H41 Blatt 52
97 AdK, H41 Blatt 58f.
98 Martinstrompeten werden irrtümlich als Schalmei bezeichnet,
wobei es sich bei einer Schalmei um ein von der Martinstrompete
grundsätzlich technisch verschiedenes historisches Instrument handelt.
99 s. BA, R 58/Bl. 61-70
100 BA, R 58/Bl. 69
101 BA, R 58, Bl. 1; Schreiben vom Stab des Stellvertreter des
Führers an den Politischen Polizeikommandeur der Länder. 7. September
1935
102 BA, R 58, Bl. 2
103 BA, R 58, Bl. 3
104 BA, R 58, Bl. 4
105 Meisinger wechselte später zur SS, wurde als „Schlächter des
Warschauer Ghettos“ bekannt und war maßgeblich für die massenhafte
Ermordung von Juden verantwortlich.
106 BA, R 58, Bl. 5
107 s. D. Kolland, „...in keiner Not uns trennen...“, S. 204
108 Vgl. D. Klenke, Nationale oder proletarische
Solidargemeinschaft?, S. 45; D. Kolland „...in keiner Not uns
trennen...“, S. 205
109 s. D. Klenke, Nationale oder proletarische Solidargemeinschaft?, S. 46
110 AdK, M 2d/8
111 BA, R58 / 2310 Blatt 57
112 BA, R58 / 2310 Blatt 58 Die zitierte Stelle ist im Original
durch den Empfänger unterstrichen und mit einem nicht lesbaren
Kommentar versehen. Weitere, sehr zahlreiche Briefe bezüglich
staatlicher Repressionen sind dem Protokoll zur IX. Bundesversammlung
des DAS (s. Fußnote ) angefügt.
113 BA R58 / 2310 Blatt 60
114 Ausführliches Protokoll. BA R58 / 2310 Blatt 68 ff.
115 s. Inge Lammel, Scherchen-Chöre, S. 98 f.
116 AdK, H41, Blatt 2
117 ebd.
118 ebd. Vollständig: Pfitzner, v. Schillings (verantwortlich für
erste „Säuberungen“ von politischen Gegnern des NS in der AdK),
Schuricht, Scheinpflug, Richard Strauss (Präsident der RMK), Albert
Fischer, Maria Peschken, Gewandhausquartett, Wendlingquartett,
Bläservereinigung der Staatsoper.
119 AdK, M 2d/8
120 AdK, H41, Blatt 4 und 5.
121 s. AdK, H41, Blatt 6
122 AdK, H41, Blatt 1
123 AdK, H41, Blatt 6
124 AdK H41, Blatt 7 Am 20. Mai 1933 verfügte das RIM darüber, die
Verbote gegenüber Arbeitergesangsvereinen unverzüglich einzustellen und
gleichzeitig Fritz Stein als Generalbevollmächtigten einzusetzen. (AdK,
H41, Blatt 11)
125AdK, H41, Blatt 10
126Laut Protokoll (AdK H41, Blatt 7) nahmen an der ersten
Verhandlung teil: Klauder, Fehsle, Hänel (DAS),Preussner
(Interessengemeinschaft für das deutsche Chorgesangwesen), Mahling
(Reichskartell der deutschen Musikerschaft), Stein
(Verhandlungsvorsitz)
127 AdK, H41, Blatt 8
128 AdK, H41, Blatt 8
129 AdK, H41, Blatt 14f.
130 AdK, H41 Blatt 18 und 20
131 AdK, H41 Blatt 26
132 AdK, H41 Blatt 27 (Brief vom 12.Februar 1934 der RMK an die
Ländervertretungen mit der Bitte um Stopp der Verbote in den Ländern.)
133 AdK, H41 Blatt 29 (Brief vom 11. April 1934 des RIM an die Landesregierungen)
134 s. AdK, H41 Blatt 36 zur Wiederzulassung der Volkssingakademie
Bautzen.135 Badischer Staatsanzeiger 28. Juni 1934 (AdK, H41 Blatt 37)
136 ebd.
137 Adressat ist unbekannt, da die erste Seite des Briefes nicht
überliefert ist. Aus dem Inhalt geht hervor, dass es sich
wahrscheinlich um das RIM oder die Reichkanzlei handelte. (AdK,H41
Blatt 38)
138 ebd.
139 AdK, H41 Blatt 44ff.
140 Dies geschah, obwohl der Verein vor dem Verbot den Namen „Lasallia“ trug. (AdK, H41, Blatt 48)
141 Dies geht aus einem Brief Heinrich Zieglers, Bezirkschormeister
des Deutschen Sängerbundes in Baden hervor. Der Brief ist unterzeichnet
mit „Heil Hitler Heinrich Ziegler Mitglied N.S.D.A.P.
Bezirkschormeister“ (AdK H41, Blatt 42f.) Weiter oben zitierter Brief
aus der RMK (AdK, H41 Blatt 58f)wirft ebenso diese Vermutung auf. Siehe
Fußnote....
142 s. Anschreiben vom 4. Oktober 1934; AdK H41, Blatt 63
143 AdK H41, Blatt 64
144 BA, R58 / 2310 Blatt 169
145 s. Schmiechen-Ackermann, Strategien der Anpassung, S. 127
146 AdK H41, Blatt 30
147 Brief des Rostocker Volkschors an Karl Fehsel, 12. November 1933 (AdK M1a 17-22)
148 AdK, H41, Blatt 4
149 AdK, H41, Blatt 12 (Brief des RIM vom 20. Juni 1933 an die
Landesregierungen mit der Bitte, von Verboten gegen die Gesangsvereine
abzusehen. Von Frick direkt unterzeichnet.)
150 s. H.A. Winkler, Der Weg in die Katastrophe, S. 867f.
151 Aufrufe der KPD zu Massenstreiks und zur Bildung der
Einheitsfront vom 30. Januar 1933: Dokumente des ZK der KPD, S. 1f. ,
Aufruf an die SPD zur Bildung der Einheitsfront: ebd. S. 11.
152 s. H.A. Winkler, S. 869f.
153 AdK H41, Blatt 60 (Brief der RMK an das Propagandaministerium vom 13. September 1934)
154 Dabei handelt es sich um die frühere „Gesangsgemeinschaft Rosebery d'Arguto“, s. das gesonderte Kapitel.
155 Brief vom 08.02.1937; AdK, M 2h/44 (8)
156 Der neue Weg zum gemeinsamen Kampf aller Werktätigen für den
Sturz der Hitler-Diktatur, Dokumente des ZK der KPD 1933-1945, S.
220-227.
157 s. auch: Rainer Sandvoß, Die andere Reichshauptstadt, S. 273ff.
158 AdK, M2c/92 Der Volkschor wechselte zum Ende des Jahres 1933
doch die Strategie und bat um Aufnahme in den DSB. Da die
Ortspolizeibehörde den Chor als „scharf links eingestellt“ einstufte,
wurde eine Aufnahme allerdings verweigert. Der Volkschor Eberswalde
wurde Ende November 1933 polizeilich aufgelöst.
159 s. Bericht einer Durchsuchung im „Kunstantiquariat Johann Georg
Müller“ in Berlin-Schöneberg, bei dermehrere Schallplatten mit
„kommunistischen Liedern“ beschlagnahmt wurden. (BA, R 58/3689,
Bl.111,112)
160 s. Bericht der Erfurter Gestapo nach einer Durchsuchung. 22. Januar 1937 (BA R 58/3809, Bl. 83)
161 SAPMO, RY 1/I/4/8/2, Bl. 16f.
162 Dokumente des ZK der KPD, S. 150f.
163 s. Inge Lammel, Die Herausbildung der Arbeitermusikkultur, S. 140
164 SAPMO, RY 1/I/4/8/2, Bl. 13ff.
165 Inge Lammel, Die Herausbildung der Arbeitermusikkultur, S. 146
166 SAPMO, RY 1 I/4/8/2, Bl. 21
167 ebd. / Die französischen Kommunisten waren ohnehin in einer
anderen Situation als die deutschen. Im Nachwirken des
französisch-sowjetischen Verteidigungsbündisses waren sie gezwungen,
die französische Republik zu verteidigen und ein Bündnis mit
bürgerlichen Kräften einzugehen, was dem Einsatz für die
Oktoberrevolution gleichkam. Im Effekt gewannen die französischen
Linksparteien die Parlamentswahlen von 1936 mit einer gemeinsamen
absoluten Mehrheit, nachdem die Kommunisten schon nach Abschluss des
französisch-sowjetischen Vertrags kurz vor der Olympiade 1935 an
Zustimmung und Einflussgewinnen konnten. (s. auch Wolfgang Abendroth,
Sozialgeschichte, S. 131f.)
168 SAPMO, RY 1 I/4/8/2, Bl. 22
169 Resolution des IMB vom 9. Juli 1935. SAPMO, RY 1 I/4/8/2, Bl. 30f.
170 ebd. Bl. 31
171 s. Erlass des Reichsinnenministers vom 18. Oktober 1934 zur Neugründung von Arbeiter-Gesangsvereinen, BA R 58/1029, Bl. 5
172 Erwin Lendvai musste Deutschland 1933 verlassen, ging zuerst
ins Saargebiet und später über die Schweiz, Jugoslawien, Ungarn, Polen,
Schweden nach England, wo er unter dem Pseudonym „Prof. Devinal“ Musik
unterrichtete. (MGG [alt], Artikel Erwin Lendvai, Sp. 1562-1563)
173 AdK M2b/73 Rundschreiben an die Mitglieder des Lendvai-Chors (ohne Datum, vermutlich Ende 1934)
174 AdK M2b/72, Programm des Berliner Lendvai-Chors vom 13. Januar 1935
175 AdK M2b/73, Programm des Männer-Chors „Arion“ vom 22. März 1936
176 AdK M2b/79, Programm des Chores „Arion“ vom 27. Juni 1937 in Strausberg
177 AdK M2b/81, Broschüre „Berliner Lendvaichor 1893-1953“
178 BA, R 58/2310, Bl. 10
179 s. Brief der Reichskulturkammer bezüglich des Entwurfs eines neuen Liederbuchs, 30. Dezember 1936,BA, R 58/2310, Bl. 10
180 Ebd. Bl. 11
181 BA, R 58/2310, Bl. 14
182 BA, R 58/2310, Bl. 22
183 Aufruf der RMK vom 14. September 1939 anlässlich des
Kriegsbeginns am 1. September 1939 an die Chöre in der RMK; AdK M 2h/44
(5)
184 Brief vom 1. Oktober 1939 an die Mitglieder der Chöre im
Chorgau Berliner-Kurmark des Reichsverbandes der gemischten Chöre
Deutschlands. AdK M2h/44 (7)
185 AdK, M2h/46 (1) Das Angebot, ein Konzert zu veranstalten wurde
seitens der Heilanstalt angenommen, die Anfrage nach Essensversorgung
jeoch abgelehnt. (AdK, M2h/46 (2))
186 Anfrageschreiben nicht überliefert, zweiter Brief der Chorgemeinschaft vom 6. Juli 1942: AdK,M2h/47 (2)
187 ebd.; Interne Schreiben der Chorgemeinschaft und anderer
Arbeitergesangsvereine sind wie hier fast immer am fehlenden „Heil
Hitler“ in der Unterschrift zu erkennen, stattdessen wird der
übliche„Sangesgruß“ verwendet.
188 AdK,M2h/47
189 AdK, M2b/41. Mitgliederschreiben vom 23. September 1940
190 BA, R 58/1029, Bl. 52
191 Manchmal auch als „Chorgemeinschaft“ bezeichnet. Eigentlich:
„Reformiertes pädagogisch-künstlerisches und
experimentell-wissenschaftliches Institut für Solo-, Kinder- und
Chorgesangskunst / Stimmwechselnde Knaben- und Mädchen-Klasse /
Vierteltongesang“ – („Reformierte Gesangsgemeinschaft
Roseberyd'Arguto“)
192 Unterschiedliche Angaben über die Herkunft, auch Russland (Adk
M2h/11, hier liegt sicherlich eine Verwechslung mit dem russisch
besetzten Polen vor)
193 s. Peter Andert, Rosebery d'Arguto, S. 341 Die Theorien
d'Argutos, wonach ein Gesangsschüler während der Stimmutation nicht
pausieren, sondern vorsichtig weitersingen solle, sind heute
weitestgehend akzeptiert.
194 Ausführliche Biographie: Archiv Sachsenhausen, P3, Bl. 28ff.;
Faltblatt „Ein Leben für den proletarischen Chorgesang“ von Ernst
Hermann Meyer, 1981 (P3, Bl. 76/77)
195 Archiv Sachsenhausen, P3, Bl. 29,30
196 Peter Andert, Rosebery d'Arguto, S. 340
197 Auch 1923 (Peter Andert, Rosebery d'Arguto, S. 342f.)
198 Eine Auswahl der Programme aus den 20er Jahren: AdK, M2e/50-56
199 Rosebery d'Arguto und seine Gesangsgemeinschaft, S. 4 (AdK, RdA, 107)
200 AdK, RdA, 109
201 s. Peter Andert, Rosebery d'Arguto, S. 343
202 Ebd, S. 343f.
203 Johann Hüttner bezeichnete R.d'A. im Zusammenhang mit seiner
Internierung im KZ Sachsenhausen als unpolitisch und eher dem
kleinbürgerlichen Spektrum zugehörig aber nützlich für den Zusammenhalt
der Häftlinge.
204 s. Kl. N., Rosebery d'Arguto, in: Rosebery d'Arguto und seine
Gesangsgemeinschaft, S. 13f. (Adk, RdA,107) Der Autor des Artikel
schrieb für die „Rote Fahne“.
205 Archiv Sachsenhausen, P3, Bl. 153
206 AdK, M2e/57
207 s. Protestschreiben der Mitglieder der Gesangsgemeinschaft (AdK, M2h/11)
208 ebd.
209 ebd.
210 Brief an den Gerichtsassessor Preussner (AdK, M2h/12);
Schmalstich hatte 1933-1945 eine Professur an der Berliner
Musikhochschule inne und war vorher Leiter des Berliner
Symphonie-Orchesters.
211 Aufgrund der Intervention der Gestapo war schon eine
zwischenzeitliche Abgabe der Chorleitung an Ernst Lindenberg notwendig
geworden. (AdK, Musik im KZ 3, S. 6)
212 AdK M2h/43/6213 Brief des Reichsverbandes der gemischten Chöre
an den Chorgruppenführer Neukölln Wilhelm Gribkowsky, 20.09.1935; AdK,
M2h/20
214 AdK, M2k/1/
215 AdK, M2h/21
216 AdK, M2h/24/I-II
217 Schmidt erhielt im besagten Zeitraum in sehr kurzen Abständen
immer wieder Postkarten und Telegramme, die Einladungen zu
Besprechungen mit Vertretern der RMK beinhalteten. ( AdK, M2h/22)
218 Protokoll der Generalversammlung der Gesangsgemeinschaft vom 07.07.1937 (AdK, M2k/3/3)
219 ebd.
220 Protokoll der Generalversammlung der Gesangsgemeinschaft vom 07.07.1937 (AdK, M2k/3/3)
221 Schriftführerbericht für das Jahr 1938; AdK, M2k/4/1, Das
Protokoll der Generalversammlung vom07.01.1939 spricht allerdings von
12 „fördernden“ Mitgliedern (Adk, M2k/5/2), der Schriftführerbericht
für das Jahr 1939 wiederum weiß nur 5 passive (fördernde) Mitglieder zu
verzeichnen. (M2k/5/6)
222 Protokoll der Mitgliederversammlung v. 02.04.193; AdK, M2k/4/4
223 Protokoll der Sachwaltersitzung der Gesangsgemeinschaft vom 10.07.1939; AdK, M2k/5/3
224 s. Protokoll der Generalversammlung vom 27. Januar 1940, AdK, M2k/6/1
225 ebd.
226 Paragraph 3 der Satzung, AdK, M2k/7/6
227 ebd., § 5 und § 13
228 Protokoll der Funktionärssitzung 09.11.1940; AdK, M2K/6/3
229 Protokoll der Funktionärssitzung, 10.06.1941; AdK, M2k/7/9
230 Protokoll der Generalversammlung 07.02.1942 AdK, M2k/8/2
231 ebd.
232 AdK, M2b/42
233 Schreiben der Chorgemeinschaft an Hugo Klebe (Chorgauführer in
Berlin des Reichsverbandes der gemischten Chöre) vom 21.08.1942 AdK,
M2b/26e
234 Protokoll eines Besuchs bei Willi Emmerich im Juli 1957 im
Rahmen des Aufbaus des Arbeiterliedarchivs der AdK der DDR, AdK,
M2b/11e
235 Protokoll der Mitgliederversammlung der Chorgemeinschaft vom
28. Juni 1944; AdK, M2k/10/2236 AdK, Lieder im KZ 3, S. 4,
Einlieferungsliste des KZ Sachsenhausen vom 13.09.39: Archiv
Sachsenhausen, P3 Bl. 139
237 s. Gespräch zwischen Aleksander Kulisiewicz und ehemaligen
Mitgliedern der Gesangsgemeinschaft Rosebery d'Arguto, AdK, Lieder im
KZ 3, S. 2.
238 AdK, Lieder im KZ 2, Bericht von Aleksander Kulisiewicz, S. 19
239 AdK, Lieder im KZ 3, S. 3; Die Baracken dienten primär der
Internierung jüdischer Häftlinge mitpolnischer Staatsangehörigkeit aus
dem Raum Berlin. Vor der Internierung in Sachsenhausen wurde diese
Häftlinge in der Regel an die polnische Grenze gebracht. Die polnische
Regierung lehnte die Aufnahme der Juden allerdings ab, da diese Polen,
die in Deutschland lebten, die Staatsbürgerschaft entzogen hatte. Die
drei Baracken waren von den restlichen im Lager isoliert. Während der
ersten Monate des Krieges inPolen waren die Insassen besonderer
Grausamkeiten ausgesetzt.
240 Gespräch mit Johann Hüttner vom 6. September 1961 für die AdK der DDR. AdK, Rosebery d'Arguto,114
241 AdK, Lieder im KZ 3, S. 6
242 AdK, Lieder im KZ 3, S. 17
243 Am 22. Oktober 1942 wurden fast alle jüdischen Häftlinge des KZ Sachsenhausen nach Auschwitzdeportiert.
244 Archiv Sachsenhausen, P3, Bl. 31
245 Hanns Eisler, Mit Musik kämpfen, in: Gesammelte Werke, Musik und Politik, Schriften, Addenda, S. 48f.
246 Ein Autor, der vor allem Bücher über Regionen außerhalb
Deutschlands verfasste, die einen starkenvölkischen Bezug hatten.
„Spaniens Tor zum Mittelmeer und die katAdKnische Frage“ erschien 1938
als erstes Werk Pausers.
247 Hanns Eisler, Mit Musik kämpfen, in: Gesammelte Werke, Musik und Politik, Schriften, Addenda, S. 49
248 Es fanden sich jedoch trotzdem Wege, jenseits von Verboten
ungeliebte Botschaften zu unterdrücken. Ein Beispiel ist das
Verschwinden von Wagners Parsifal von den Spielplänen der Opernhäuser
nach Ausbruch des Krieges. Ein offizielles Verbot der Oper bestand
hingegen nicht und wäre angesichts der in „Mein Kampf“ beschworenen
Wagner-Verehrung auch nicht vermittelbar gewesen.
249 Eisler verzichtete aufgrund seines ambivalenten Verhältnisses
zu Wagner explizit auf den Begriff„sozialistisch“ für dessen Werke und
Ideen, sondern spricht vielmehr von einem „antikapitalistischen,
sozialen Kunstwerk“ (Gesammelte Werke, Musik und Politik, Schriften,
Addenda, S. 47)
250 Eisler, Mit Musik kämpfen, S. 44ff.
251 s. Eisler, Das Lied der Moorsoldaten, Gesammelte Werke: Musik und Politik, Schriften, Addenda, S. 37
252 BA, R 58/2310, Bl. 6 (Brief Gestapo Dresden an Gestapo Berlin, 24. Mai 1937)
253 ebd.
254 BA, R 58/2310, Bl. 4 und 7, siehe auch Kapitel zur Vernichtung der DAS-Notenbücher
255 BA, R 58/2310, Bl. 172, Absender des Schreibens unbekannt, wahrscheinlich von der Gestapo verfasst.
256 D. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus und
Arbeitermilieu, S. 531, ein Gestapo-Bericht spricht nur von 3000. (BA,
R 58/2310, Bl. 173)
257 D. Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus und Arbeitermilieu, S. 531, Programm: BA, R 58/2310,Bl. 178ff.
258 BA, R 58/2310, Bl. 173
259 BA, R 58/2310, Bl. 205, ausführlicher Gestapo-Bericht vom 18. Mai 1937
260 BA R 58/2310, Bl. 211/212, nur als Abschrift vom 2. Juni 1938.
261 BA R 58/2310, Bl. 214, Bericht vom 25. Oktober 1937
262 ebd.
263 BA R58/2310, Bl. 216
264 Programm: BA, R 58/2310, Bl. 219
265 BA R 58/2310, Bl. 225
266 s. Gestapo-Schreiben vom 28. Januar 1938, BA R 58/2310, Bl. 227
267 BA R 58/2310, Bl. 232/236268 Gestapo-Bericht vom 31. Januar 1938, BA R 58/2310, Bl. 238
269 ebd.
270 BA R 58/2310, Bl. 247f.
271 s. z.B: Pariser Tageblatt vom 13. August 1938
272 Humanité vom 30. September 1938; Prager Tageblatt vom 23. August 1938
273 s. Gestapo-Korrespondenz, BA, R 58/2310, Bl. 203-210
274 s. Programm von 1932: AdK, M2b/159
275 s. Programme von 1939 bis 1941: AdK, M2b/151-156
276 s. Erinnerungsbericht von Emma Emmerich für die Akademie der Künste von 1957: AdK M2b/11d
277 s. Inge Lammel, Scherchenchöre, S. 100
278 s. Erinnerungsbericht von Emma Emmerich für die Akademie der Künste von 1957: AdK M2b/11d
279 Inge Lammel, Scherchenchöre, S. 101
280 Adk, M2b/11d (Bericht von Emma Emmerich)
281 s. Dorothea Kolland, "...in keiner Not uns trennen...", S. 210.
282 In den recht gut dokumentierten Beständen des Archivs der AdK
ist hier ein Lücke, siehe auch: Inge Lammel, Scherchenchöre, S. 103.
283 Kurt Riemer wurde nach dem Krieg Hauptabteilungsleiter im
Ausschuß zum Schutze des Volkseigentums bei der Deutschen
Wirtschaftskommission in der SBZ (DWK).
284 s. Hans-Rainer Sandvoß, Die „andere“ Reichshauptstadt, S. 457,
sehr materialreiche Behandlung der Gruppe Uhrig: ebd., S. 455-469.
285 zit. aus Inge Lammel, Scherchenchöre, S. 105.
286 AdK, M2a/70,71
287 Besser bekannt als „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“
288 Zitiert nach dem Programmzettel des Konzerts vom 4. Mai 1941, AdK, AdK, M 2a/70
289 s. Inge Lammel, Scherchen-Chöre, S. 87f.
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Die Pflege Händelscher Oratorien durch die deutsche Arbeitersänger-Bewegung (1959), S. 63-71
Die beiden Berliner „Scherchen-Chöre“ (1988), S. 72-114
Kampflied und „Tendenzlied“ in der Arbeiterchorbewegung (1974), S. 115-136
Musik und Gesang im antifaschistischen Widerstand 1933-1945 (1985), S. 165-175
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Hilfsmittel
Heinz Boberach, Bestand R 58 Reichssicherheitshauptamt, Koblenz 1982 (Findbuch)
Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Bibliographie zur Geschichte der deutschen
Arbeiterbewegung
Benutzte Archivbestände und deren Abkürzungen
Bestände im Bundesarchiv (Berlin) (BA) SAPMO:
RY1 I4/8/1: Materialien zum Sozialistischen Arbeitersängerbund und
Kommunistischen Arbeitersängerbund (Satzungen, Zeitungen, Material 1922
bis 1932) RY1 I4/8/2: Internationale revolutionäre Musikbewegung 1932, 1935
RY1 I2/707/110: "Das Rote Sprachrohr" 1928 bis 1933
RY1 I"/707/111: Sprachchöre, Gedichte, Noten, Songs der kommunistischen Arbeitermusik 1930-1932
Bestand R58 - Reichssicherheitshauptamt:
3141: Berichte über Auflösung getarnter Musikveranstaltungen u.a.1933 bis 1942
3285: RFB, Polizeimeldungen über Schalmeienkapellen u.a.
2310: Überwachung und Tätigkeit von Gesangs- und Musikvereinen 1913 bis 1943
2541: Auflösung „marxistischer“ Vereine 1936-1942
3689: Schallplatten mit Kampfliedern 1936-1942
3757: Beschlagnahme von Schallplatten
3809: Beschlagnahme von Schallplatten
330: Gesangsverein Volkschor Ost
Bestände im Arbeiterliedarchiv der Stiftung Archiv der Akademie der Künste (AdK)
Sammlung Rosebery d'Arguto:
101: „Feierstunde der Arbeitersänger“
106: „Der Musikrevolutionär Rosebery d'Arguto“
107: „Rosebery d'Arguto und seine Gesangsgemeinschaft
109: Zusammenstellung von Presseberichten zur Gesangsgemeinschaft
110: allgemeine Dokumente der Gesangsgemeinschaft
114: Gespräch mit Johann Hüttner über Rosebery d'Arguto
139: Faltblatt zu einer Ausstellung über d'Arguto an der AdK der DDR
Sammlung Lieder im KZ
2: Liedermacher im Kampf gegen den Faschismus
3: Gespräche mit ehm. Mitglieder der Gesangsgemeinschaft Rosebery d'Arguto
Aktenmaterial
H 35: Verbot des Volkschors Essen
H 41: Verhandlung DAS-Reichsinnenministerium wegen „Gleichschaltung“
allgemeine Sammlung
M1a/17-22: Briefe an Fehsel 1933 bis 1934
M1a/27-30: Telegramme der Gestapo
M1b/1-24: Hannoveraner Sängerfest 1928
M2a/70-86 Dokumente des Neuköllner Sängerchors
M2b/22-23: diverse Konzertprogramme
M2b/35-36: diverse Konzertprogramme
2e/50-59: diverse Konzertprogramme 1923 bis 1935
M2g/30: E. Lindenberg über R. d'Argutos Bedeutung
M2h/11-12: Bitte um Enthaftung R. d'Argutos
M2h/43-45: Briefwechsel der Gesangsgemeinschaft R. d'Arguto mit den Behörden
M2k/1-10: Vorstandsprotokolle der Gesangsgemeinschaft R. d'Arguto 1935 bis 1944
M3b/9-12: Volkschor Dresden-Neustadt 1935 bis 1944
M3b/55: Volkschor Dresden
M13/183: Erinnerungen an den RFB und Schalmeienkapellen
Archiv des Konzentrationslagers Sachsenhausen (Archiv Sachsenhausen)
Signatur P 3: Rosebery d'Arguto
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