Text | Kulturation 2/2007 | Anne-Kathrein Petereit | Mythensturz und kommunistisches Matriarchat
2 Briefe an Renate Schuster und deren Antwort
| Sehr geehrte Frau Schuster,
Ihren Text „Die Wende – ein Mythensturz“ finde ich sehr
interessant. Der Kunstgriff mit dem Archäologenfreund ist witzig, der
schafft Distanz zur DDR-Vergangenheit. In einem einzigen Punkt kann ich
Ihnen nicht zustimmen: wenn Sie schreiben, jeder aufgeklärte Kommunist
würde verneinen, dass es irgendwo Kommunismus gab. Also, entweder bin
ich keine aufgeklärte Kommunistin, ich bin die Ausnahme.
Seit 2,3 Mio. Jahren gibt es Menschen auf der Erde. In diesem
gewaltigen Zeitraum, mit Ausnahme der letzten 6000 Jahre, haben die
Menschen kommunistisch zusammengelebt. Es war ein erfolgreiches
Gesellschaftsmodell. Die Art hat sich nicht nur erhalten, sondern auch
auf der ganzen Erde ausgebreitet. Ich ahne Ihren Einwand: Der
„Urkommunismus“ der Urgemeinschaft war primitiv. Zumindest für die
Jungsteinzeit trifft das aber nicht zu. Gewiss, die materielle Basis
war mit unserer, der Stand von Wissenschaft und Technik war unserem
nicht im Entferntesten zu vergleichen. Doch vom sozialen Standard
dieser Gemeinwesen können wir Heutige nur träumen. Bevor ich das
beschreibe, muss ich fairerweise sagen: Es handelt sich um matriarchale
Gesellschaften. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das waren
nichthierarchische, herrschaftsfreie Gesellschaften. Das griechische
Wort arche bedeutete ursprünglich „Anfang, Ursprung“. „Am Anfang die
Mütter“ könnte man übersetzen.
Das Land gehörte der ganzen Sippe (80 – 100 Menschen). Diese
Gesellschaften waren geprägt von einem ständigen Geben und Nehmen, man
nennt sie deshalb auch Ausgleichs-Gesellschaften. War eine Sippe zu
einigem Wohlstand gelangt, dann widerfuhr ihr eine große Ehre: sie
durfte die nächsten Jahreszeiten-Feste ausrichten und das ganze Dorf
dazu einladen. Wenn sie das ein paar Mal gemacht hatten, waren sie
nicht mehr wohlhabend, und eine andere Sippe wurde auf diese Weise
geehrt. Da es keine soziale Ungerechtigkeit gab, musste sie auch nicht
in Form von Kriegen nach außen transportiert werden.
Sie werden nun fragen, woher man wissen will, wie die Menschen der
Jungsteinzeit ihr Zusammenleben organisiert hatten. Die Antwort heißt:
durch die Ergebnisse der modernen Matriarchatsforschung. Die
Richtigkeit dieser Ergebnisse wird oft angezweifelt (mitunter auch
diskriminiert). Beispielsweise sagen Archäologen: „Nun ja, wir haben in
Catal Hüyük eine stadtähnliche Siedlung ausgegraben, sie ist 8000 Jahre
alt, aber wir können aus den Artefakten nicht ablesen, dass ihre
Bewohner matriarchal organisiert waren.“ Das ist natürlich richtig.
Aber die Matriarchatsforschung beruht ja nicht nur auf den Befunden der
Archäologie, sondern sie ist interdisziplinäre Forschung der Gebiete
Archäologie, Ethnologie, Mythenkunde, Linguistik, Kulturwissenschaft,
Soziologie und anderer Wissenschaften.
Etwa um 4200 v.u.Z. gab es auf der Erde eine große
Klimaveränderung. Gebiete in Afrika (Sahara), Arabien und Asien wurden
zu Wüste und Steppe. Auf diesen Fakten gründet James DeMeo seine
Saharasia-Hypothese. Er glaubt, dass die Menschen aus diesen Gebieten
gezwungen waren, eine neue Heimat zu suchen. Da alle fruchtbaren
Gebiete bereits besiedelt waren, vertrieben oder töteten sie die
Einwohner und ließen sich dort nieder. Auf dieser Grundlage ist aber
eine egalitäre, friedliche Gesellschaft nicht aufrecht zu erhalten.
Übrigens sind die ersten Funde, die auf Kriegshandlungen auf der Erde
hinweisen, 6000 Jahre alt. Der Prozess der Patriarchalisierung zieht
sich über die Jahrtausende bis in unsere Gegenwart. Es gibt nämlich
noch heute kleine Völker (in Afrika, Amerika, Asien), die matriarchal
organisiert sind.
Soviel für heute. Mehr möchte ich den freundlichen Menschen, die
das alles abtippen und ins Netz stellen (danke!), erstmal nicht
zumuten. Ich bin im Begriff, meine Konsumverweigerungs-Haltung
hinsichtlich eines PC aufzugeben und seine Bedienung zu erlernen.
Mit kommunistischen Grüßen
Anne-Kathrein Petereit
Zweiter Brief
Liebe Renate Schuster,
zwar weiß ich nicht, ob mein Beitrag Sie interessiert hat, dennoch
setze ich meine Überlegungen über frühkommunistische, matriarchale
Gesellschaften fort. Keinesfalls_ geht es darum, ein Matriarchat neu zu
etablieren oder einen neuen "Mutterkult“ zu propagieren, wie manche
argwöhnen. Sondern es wäre gut, erst einmal vorurteilslos zur Kenntnis
zu nehmen, wie diese Menschen leben, gelebt haben. Dieses Wissen
ermöglicht einen fremden, unvertrauten Blick auf das Gruselstück der
spätpatriarchalen, kapitalistischen Gesellschaft. Dass diese
Gesellschaft krank ist, wusste ich seit langem. Wie krank sie ist,
wurde mir erst durch die Beschäftigung mit matriarchalen Gesellschaften
klar. Und ich habe auch erkannt, dass die DDR-Gesellschaft, trotz
Gleichberechtigung und Frauenförderung, eine patriarchale Gesellschaft
war. Der nächste Schritt könnte sein, in einer allgemeinen Diskussion
zu klären, welche Bestandteile matriarchaler Gesellschaften wir
hinsichtlich einer künftigen kommunistischen Gesellschaft für
essentiell halten. Und welche wir nicht für sinnvoll halten.
Heute will ich versuchen zu erklären, wieso diese Gesellschaften
herrschaftsfrei waren und warum Frauen eine so geachtete Stellung
hatten. Steht in einer Sippe eine Entscheidung an, so sagt zuerst die
Sippenälteste ihre Meinung dazu, erteilt ihren Rat. Weisungsberechtigt
ist sie nicht. Nun beginnt eine allgemeine Diskussion, in manchen
afrikanischen Völkern "Palaver" genannt. Das kann Stunden, Tage oder
Wochen dauern. Das Ergebnis ist eine Konsensentscheidung, die auch die
Mitglieder mittragen können, die zuerst gegen diese Lösung waren. Der
Nachteil von Konsensentscheidungen ist der größere Zeitaufwand, der
Vorteil die größere Zufriedenheit der Menschen. Ich finde
Konsensentscheidungen sehr wünschenswert und gebe hier aus dem
Gedächtnis wieder, wie Hans-Joachim Maaz eine solche Entscheidung in
einer therapeutischen Gruppe in seiner Klinik schildert.
Die Gruppe hatte über den Vorschlag zu entscheiden, am nächsten Tag
in ein bestimmtes Kino zu gehen und einen bestimmten Film anzusehen.
Alle waren dafür bis auf zwei. Die beiden wurden gefragt, warum sie
dagegen sind. Der eine Patient sagte, dass die Gruppe auf dem Weg
dorthin durch sein Wohngebiet kommen würde. Wenn er dort Nachbarn
begegnen würde, sei es ihm peinlich, wenn er mit der Nervenklinik
unterwegs wäre. Die Gruppe beschloss, einen anderen Weg zu nehmen. Die
andere Patientin hatte Fußschmerzen, sie wollte gar nicht gehen. Da
versprachen ihr die anderen, sie abwechselnd ein Stück zu tragen.
In einer matriarchalen Gesellschaft kann niemand Herrschaft
ausüben, weil es keine Zwangsinstitutionen gibt: Rechtswesen,
Strafvollzug, Polizei, Armee - was fehlt noch? richtig, Geheimdienste.
Es gibt auch traditionell lebende Völker, die nicht matriarchal
organisiert sind, deren Mitglieder aber trotzdem sorgsam darauf achten,
dass der Häuptling und der Schamane weder Reichtum noch Macht anhäufen
können. (Clastres: Staatsfeinde?)
Da Matriarchate schriftlose Gesellschaften sind, gibt es keine
Gesetze. Verhaltensnormen und "Tabus" werden mündlich weitergegeben,
sie sind mythisch fixiert. Bei Regelverstößen gibt es nur zwei
Möglichkeiten der Bestrafung: eine zeitlich begrenzte Missachtung durch
die Gemeinschaft und den Ausschluss, was den sicheren Tod bedeutete
(bei sehr schweren Vergehen).
Ob es je eine hochkomplexe Gesellschaft wie die unsere geben wird,
die völlig frei ist von Herrschaftsbeziehungen, kann niemand
voraussagen. Aber Herrschaftsarmut ist jedenfalls anzustreben.
Frauen genießen hohes Ansehen, weil sie das Leben weitergeben. Der
Anteil des Mannes an der Zeugung war lange unbekannt. Außerdem hatten
diese Menschen einen ganz konkreten Wiedergeburtsglauben. Sie hatten
die Vorstellung, daß alle Verstorbenen der Sippe eines Tages von den
jungen Frauen wiedergeboren würden. Frauen nahmen wichtige soziale und
kulturelle Mittelpunktsstellungen ein. Sie waren es, die vom Sammeln
zum Ackerbau übergegangen waren und auch wichtige handwerkliche
Erfindungen machten (Töpfern, Weben). Zusammen mit dem Ackerbau hatte
sich das Matriarchat fast auf der ganzen Erde ausgebreitet (seit etwa
12 000 Jahren).
Die Menschen im historischen Matriarchat gingen von der Einheit und
Heiligkeit aller Natur, einschließlich der Menschen, aus. Alles ist in
einander eingebettet: die Menschen in die Gesellschaft, diese in die
irdische Natur und diese wiederum in den Kosmos. Sie kannten keine
transzendente Gottesvorstellung. Die Erde als die "Große Mutter" und
"Urgöttin" sichert die Ernährung und Wiedergeburt allen Lebens. Alles
besitzt Göttlichkeit, das kleinste Wesen und der größte Stern, jede
Frau, jeder Mann und jedes Kind. Durch ihren Wiedergeburtsglauben
hatten sie keine Angst vor dem eigenen Tod und dem ihrer Angehörigen.
Ihre Begräbnisfeiern waren schöne, heitere Feste mit Essen, Trinken,
Tanz und Liebesfesten. Tiefstes Wirkprinzip in diesen Gesellschaften
ist Behüten, Beschützen, Bewahren. Bei Jahreszeitenfesten wurden diese
Werte und Glaubensvorstellungen praktiziert, mit Ritualen und
Darstellung der Stammesmythen.
Da für diese Menschen alles in der Natur heilig war, da sie die
Erde als ihrer aller Mutter ansahen, griffen sie nicht mehr als zum
Unterhalt der Gemeinschaft nötig, in die Natur ein. An dieser Stelle
wird mir von Gesprächspartnern oft entgegnet: das ging damals, weil es
noch nicht so viele Menschen auf der Erde gab. Ich sage dann immer:
gerade, weil wir heute 6,67 Mrd. sind, wird es allerhöchste Zeit, dass
wir wieder zu so einem Naturverhältnis zurückkehren.
Die jungen Leute beiderlei Geschlechts durften ganz zwanglos
miteinander verkehren. Zur Verhütung (und wohl auch Abtreibung) kannten
sie Pflanzensäfte. Eine Frau brachte meist 3-4 Kinder zur Welt.
Verheiratet wurden die jungen Männer und Frauen von den Müttern nach
bestimmten Regeln. Vereinfacht: die Söhne einer, Frau aus der einen
Sippe heirateten die Töchter einer anderen Frau aus einer anderen
Sippe. Das ist für uns schwer vorstellbar, aber: die romantische Liebe
war noch nicht erfunden, und das Individuum hat sich erst vor 2 1,2 bis
3 Tausend Jahren herausgebildet. (Die Odyssee, 8. Jh. v.d.Z., soll das
älteste literarische Zeugnis sein, in dem das Wort "ich" vorkommt: "Ich
bin Odysseus.") Auf jeden Fall hatte jeder Erwachsene Partner, auch die
hässliche Frau und der behinderte Mann blieben nicht allein.
Vergewaltigung und Sexualkontakt mit Kindern waren unbekannt.
Die Männer gingen nur nachts zu ihren Frauen, am Morgen kehrten sie
in ihre mütterliche Sippe zurück, wo sie versorgt wurden und ihre
Arbeitskraft zur Verfügung stellten (Besuchsehe). Keine ökonomische
Abhängigkeit zwischen den Ehepartnern! Wenn ein Mann und eine Frau
nicht mehr miteinander verkehrten, dann war das für die Kinder ganz
ohne Belang, für sie änderte sich nichts. Die Brüder der Mütter übten
eine Art soziale Vaterschaft bei ihren Nichten und Neffen aus
(Avunkulat).
Wenn eine Frau krank war, ging der Mann zu ihrer Schwester. War ein
Mann, vielleicht mit einer Viehherde, einige Zeit unterwegs, dann
empfing die Frau seinen Bruder. Kam der Mann von seiner Wanderung
zurück und sah vor dem Raum seiner Frau ein Paar Männerschuhe stehen,
dann zog er sich diskret zurück. Lernten sich, vielleicht beim
Viehhüten, eine Frau und ein Mann aus verschieden Dörfern kennen und
fanden Gefallen aneinander, dann hatte niemand etwas gegen eine Episode
der beiden einzuwenden. Fast unsere ganze Opernliteratur wäre
hinfällig, wenn wir unsere Liebes- und Ehebeziehungen so klug regeln,
würden. Am Schluss ihrer ersten Vorlesung an der HUB sagte Heide
Göttner-Abendroth: "Und wir glauben, dass wir Völkern, die heute noch
so leben, Entwicklungshilfe bringen müssten."
Das war im Sommersemester 1991, seitdem beschäftigt mich das Thema.
Margrit Kennedy schreibt in "Geld ohne Zinsen und Inflation", dass
Geld, Privateigentum und Patriarchat "uno actu", also gleichzeitig
entstanden sind und wohl auch nur so wieder abgeschafft werden können.
In ihrer Aufzählung fehlt die monogame Ehe. Wilhelm Reich,
Psychoanalytiker und Kommunist, schrieb schon vor 70 Jahren gegen die
Monogamie an. Angesichts der Horrormeldungen, die uns ständig erreichen
über das Leben in Kleinfamilien bzw. nach der Trennung, denke ich viel
über ein neues Ehe- und Familienmodell nach. Im Februar 2004 hatte
Göttner-Abendroth ein solches Modell im Internet zur Diskussion
gestellt, ich weiß nicht, ob das noch abrufbar ist. Wir brauchen
dringend eine öffentliche Diskussion darüber, wie es in diesem Bereich
weitergehen könnte. Natürlich will niemand die Einehe verbieten. Es
soll ja Menschen geben, die sich gut dabei befinden. Unerträglich finde
ich aber den gesellschaftlichen Zwang zu dieser Lebensweise. Er besteht
in Form von Gesetzen (Bigamie erfüllt noch immer einen
Straftatbestand), von Steuergesetzen (Ehegattensplitting) und der
geltenden öffentlichen Moral. Wie brüchig diese bereits ist, ist vielen
Menschen noch nicht bewusst. Das wurde deutlich durch folgende
Untersuchung. Einer großen Anzahl von Männern und Frauen wurden zwei
Fragen gestellt.
1. Haben Sie oder hatten Sie mal eine Mehrfachbeziehung? Zwei
Drittel der Befragten antworteten mit "ja". 2. Welche Eheform halten
Sie für die ideale? Wiederum zwei Drittel antworteten: "Monogamie".
Robby Petereit (Essentieller Regelungsbedarf inszenierter
Gemeinschaften, Diplomarbeit) hat mich zu der Vermutung angeregt, dass
sich gemeinschaftlicher Besitz und Monogamie auf Dauer nicht vertragen.
Ich betrachte zunächst die Klöster, die Menschen, die in der
Gesellschaft gescheitert waren, und Besitzlosen das Überleben sicherten
sowie feudaler Ausbeutung zumindest Grenzen setzten. Es waren meist
wirtschaftlich blühende Gemeinwesen. Möglicherweise hatte die
Einführung des Zölibats nicht nur ideologische Gründe, sondern das
Klostervermögen sollte durch Eheschließungen und Familiengründungen
nicht gefährdet werden. Auch die Katharer lebten ehelos. In anderen
religiös-sozialen Bewegungen war Gruppenehe erlaubt. Die katholische
Kirche heute zahlt große Summen als Alimente für Priesterkinder und
Abfindungen für missbrauchte Kinder, sie hat außerdem mit
Priestermangel zu kämpfen, aber sie hält zäh am Zölibat fest. Die
wirtschaftlichen Folgen bei Aufhebung des Zölibats werden
möglicherweise noch höher eingeschätzt.
Von 1848-1881 gab es in Nordamerika die Oneida-Kommune, die gut
funktioniert hat. Als Hauptgrund für ihr schließliches Scheitern wird
angegeben, dass auf den Druck der Öffentlichkeit hin die Gruppenehe
verboten wurde. Wenige Jahre danach wurde das gemeinsame Eigentum in
eine Aktiengesellschaft umgewandelt, und die Kommune zerfiel. Daß in
der DDR viel Volkseigentum gestohlen wurde für den Bedarf der
Kleinfamilien, wissen wir.
Zwei Ausnahmen sind mir bekannt, wo sich gemeinsames Eigentum und
Monogamie offenbar vertragen: die Kommune Niederkaufungen (besteht seit
1986) und die Kibbuzim Israel (seit etwa 100 Jahren). Die Gründe, warum
es hier trotzdem funktioniert, müsste mal jemand untersuchen.
Ob Privat- oder Gemeinschaftsbesitz, ich plädiere für Gruppenehe.
Regula Heinzelmann führt an Hand von Fallbeispielen deren Vorzüge an
(Die neuen Paare. Anleitung zur Polygamie). Außerdem habe ich die
Vermutung, dass Gruppenehen es in einer Gemeinschaft erleichtern, den
Konsens immer wieder herzustellen.
Am weitesten fortgeschritten auf dem Weg, neue Lebensweisen zu
erforschen und auszuprobieren, scheint mir das Zentrum für
experimentelle Gesellschaftsgestaltung zu sein (www.zegg.de). Hier
werden auch ständig Konflikte bearbeitet, noch bestehende Eifersucht
abgebaut. Sie nennen das Forum und sagen, dass es ihre Gemeinschaft
ohne diese Einrichtung nicht mehr geben würde.
Literatur
Heide Göttner-Abendroth, Das Matriarchat, bisher 3 Bände
dieselbe, Die tanzende Göttin. Prinzipien einer matriarchalen Ästhetik. Die Ausgabe von 1991 enthält ein bemerkenswertes Nachwort.
dieselbe (Hrsgn.), Gesellschaft in Balance. Dokumentation des 1. Weltkongresses für Matriarchatsforschung 2003 in Luxemburg.
Veronika Bennholdt-Thomsen (Hrsgn.), Juchitan - Stadt der Frauen
Antwort vor Renate Schuster
Liebe Frau Petereit,
für Ihre freundliche Reaktion auf meine – allerdings schon etwas in
die Jahre gekommene – „Wendesatire“ in Gestalt einer Mythendebatte
möchte ich mich nun doch endlich wenigstens bedanken.
Als Veranlasser(in) und Adressat(in) Ihrer durchaus bedenkenswerten
Ausführungen zu matriarchalisch, naturnah, herrschaftsfrei, polygamisch
organisierten Paradiesen der Vorzeit fühle ich mich allerdings
missverstanden und überfordert.
Von Kommunismus redete ich in meinem Text nur im Sinne einer
nachkapitalistischen Gesellschaft, zu deren Minimalvoraussetzungen in
meinem bisherigen Verständnis stets die zivilisatorischen und
emanzipatorischen Leistungen entfalteter arbeitsteiliger
Warenproduktion, von Urbanität, rationaler Weltdeutung und
fortschreitender Möglichkeiten von Individualitätsentwicklung für jeden
und „in aller Welt“ gehörten, gewalt- und herrschaftsfreie
Geschlechterbeziehungen selbstverständlich eingeschlossen.
Das mag Ihnen möglicherweise nicht behagen, aus begreiflichen und
ja auch von ihnen benannten Gründen, aber nur so vermochte ich bisher
Alternativen zum gegenwärtigen Zustand zu denken.
Wer nun – wie die selbsternannten „Sieger der Geschichte“ –
glaubte, über den gescheiterten Versuch einer Neuordnung des
Zusammenlebens nicht nur triumphieren zu können, sondern, indem die
ersten Schritte (nicht nur sprachlich) mit dem Ziel identifiziert
wurden, das Ziel selbst (eine kommunistisch verfasste Gesellschaft)
endgültig denunzieren zu dürfen, dem hätte ich gern gesagt: entweder
habt ihr ein begriffliches Problem oder aus guten (oder schlechten)
Gründen für (überwundene) Realität genommen, was noch Zukunftsmusik,
gewissermaßen eine Vision war. Warum? Vielleicht, weil euch eine solche
Vision per se ein Horror, ein Gespenst ist, vor dem man nur warnen
kann, das man unbedingt aus dem Gedächtnis vertreiben sollte etc. etc.
So ungefähr war meine Intention.
Rückgriffe jedoch auf jene von Ihnen geschilderten
urkommunistischen Zustände ( mit denen ich mich ohnehin nicht so
auskenne wie Sie und die mir, so wie Sie sie schildern, auch gar nicht
so attraktiv und wünschenswert erscheinen) lagen also gar nicht in
meinem Blickfeld und werden mir wohl auch künftig nur am Rande
unterlaufen, etwa, wenn ich dereinst wieder Zeit finde, d. h. nach
meinem absehbaren Eintritt ins Rentnerdasein, mich dem Weiterleben des
antiken(!) Mythos in der bildenden Kunst genießend, neugierig spielend
zu nähern und dabei notgedrungen hier und da den Entstehungsbedingungen
mythischer Erzählungen nachzulauschen.
In meinem Text aber war von Mythen (Mythenstürzen) nur im metaphorischen Sinne die Rede.
Kurzum, liebe Frau Petereit, Sie haben eine missverstandene
kontextgebundene Verwendung eines Begriffs (Kommunismus) zu Anlass
genommen, Ihre Überlegungen zu einem ganz anderen Gegenstand an mich zu
adressieren. Das ist völlig legitim und anregend, aber für mich
insofern irritierend und für Sie sicher enttäuschend, als ich nicht
beabsichtige, nun wiederum meine Vorlieben zu korrigieren, und die
liegen eben – wie angedeutet - auf einem völlig anderen, nicht weniger
„weiten Feld“.
Seien Sie freundlich gegrüßt
von Renate Schuster
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