Text | Kulturation 1/2003 | Ina Merkel | Außerhalb von Mittendrin Individuum und Kultur in der zweiten Moderne
| „Ich
habe einen Traum. Es ist ein luxuriöser Traum. Er handelt vom Luxus,
nein sagen zu können. Nicht erreichbar zu sein. Es ist mein Traum von
der totalen Unabhängigkeit. Von der Freiheit, sich verweigern zu
können... Wenn ich am Computer sitze, meist nachts, sehe ich draußen
die Lichter von New York. Ich befinde mich in einem Dauerzustand von
hoch kreativer Einsamkeit. Ungestört, unbehelligt, im Zentrum der
Stadt, über der Stadt. Das ist für mich der Idealzustand: mittendrin
und doch isoliert.“ [1]
Das schreibt die 35jährige Else
Buschheuer in der Zeit-Serie: „Ich habe einen Traum...“. Sie hat in
ihrer privaten Utopie alle direkten Kontakte mit lebenden Menschen
abgebrochen. Ihre Wohnung ist tabu für andere. Niemand darf sie
betreten außer ihr selbst. „Schalldicht, mit dicken Türen. Keine
Klingel. Kein Telefon. Kein Fax. Nur Internet, ich bin Tag und Nacht
online.“ Wenn sie das Bedürfnis hat, von Leuten umgeben zu sein, dann
nur, um sie zu beobachten, den Geschichten, die sie sich erzählen,
zuzuhören, selbst unsichtbar gemacht durch eine Tarnkappe. Sex, nach
dem offenbar ihr Körper verlangt, so, wie er essen und trinken muß,
holt sie sich beim Hausmeister ihres Appartements. Heimlich, nachts,
stiehlt sie sich in seinen Traum.
Das ist keine
Untergangsphantasie oder ein Albtraum, das ist ein Traum vom Glück. So
stellt sich das moderne Leben dar: beziehungslos, isoliert, außerhalb
und doch zugleich selbstbestimmt, kreativ, mit dem Anspruch, dem
Gefühl, an allem teilzuhaben, mittendrin zu sein. Die Geschichte ist
vielleicht beliebig, aber zugleich exemplarisch, denn in ihr kommen
zwei Kernprozesse der Modernisierung zum Ausdruck: Individualisierung
und Globalisierung.
Individualisierung wird hier vorgeführt
bis zur kompletten Bindungslosigkeit – diese Frau vermeidet jeden
unmittelbaren Kontakt zu einem lebenden Menschen. Sie ist deshalb nicht
isoliert, über die neuen Medien kommuniziert sie mit der ganzen Welt,
aber ist das mehr als ein großes Weltgeschwätz, das da durch den Äther
murmelt? Doch das Problem mit der Individualisierung ist nicht einfach,
daß sie den Horizont der auf Gemeinschaft fixierten kulturellen
Wertvorstellungen sprengt, sondern daß damit das Subjekt der Geschichte
abhanden kommen könnte.
Und auch Globalisierung bedeutet mehr
als das Überschreiten nationalstaatlicher Grenzen oder wechselseitige
weltweite Abhängigkeit aller von allen. Eine deutsche Frau beschreibt
ihr Leben in New York, aber dieser Ort hat keinerlei Bedeutung für ihr
Leben, außer, daß sie abends auf die Lichter der Stadt sehen kann.
Globalisierung als Ent-Ortung?
Die Phantasie endet konsequent
in einer Art Körperlosigkeit. Der Wunsch, sich unsichtbar zu machen,
bedeutet genau das: nur noch im Geiste in der Welt anwesend zu sein.
Doch selbst in einem solch kühnen Traum will die Protagonistin auf
eines nicht verzichten: Sex, der hier als ein rein vitales
Körperbedürfnis erscheint. Und das alles zusammengefaßt sind die
Bedingungen für Kreativität.
Der Traum der Else Buschheuer ist
nicht einfach aus der Luft gegriffen, er verweist im Gegenteil auf die
tatsächlichen individuellen Erfahrungen mit einem Leben, wie es in der
Moderne wirklich gelebt wird: Alle Arten der Lebensführung sind
hochgradig vergesellschaftet, d.h. sie können nur in Teilhabe und
Abhängigkeit von vielfältigen Institutionen geführt werden. Und das
widerspricht dem Wunschtraum von Selbstbestimmtheit und totaler
Autonomie. Nun meint aber Individualisierung nicht nur eine (negative)
Freiheit von Bindungen, Zwängen oder Hindernissen, sondern begreift
Freiheit als gesellschaftlich anschlußfähiges Handeln, als
Entscheidungsmöglichkeit zwischen Alternativen. Mit Niklas Luhmann
könnte man die neuen modernen Formen der Lebensführung als solche
Entscheidungen interpretieren und danach fragen, welche Erfahrungen die
Individuen damit machen. Dabei geht es darum, sowohl das System zu
verstehen, das die gesamte Lebenswelt strukturiert, als auch die
Lebensweisen, welche die Individuen in ihr entwerfen. Denn es ist
dieses individuelle Gestaltungsinteresse, die Fähigkeit dazu und die
Erfahrung damit, die zum Gegenstand der empirischen Kulturwissenschaft
werden.
„Außerhalb von Mittendrin“, das ist eine Metapher für
den Ort des Individuums in der zweiten Moderne: mitten in das moderne
Leben verwickelt zu sein und zugleich neben sich zu stehen und zu
fragen, was das Ganze soll. Mit den von der Soziologie als
Individualisierung und Globalisierung bezeichneten Entwicklungsmodi
moderner Gesellschaften sind nicht nur die Paradigmen der Moderne
(wirtschaftliches Wachstum und technischer Fortschritt), ihre
Selbstgewißheiten (individuelle Grundrechte und Demokratie), in Frage
gestellt, es stellt sich den Individuen die Sinnfrage auf neue Weise
(Arbeit und Familie). Es handelt sich um Prozesse, die ihr Alltagsleben
auf tiefgreifende Weise verändern, und sie sind herausgefordert, diese
Veränderungen auszuhalten, zu bewältigen, zu leben.
In der
Tendenz neigt die öffentliche Meinung dazu, moderne Lebensformen als
Erosionsprozesse zu deuten, als Niedergang der Kultur zu beschreiben:
Auflösung der Familie, Vermassung, Verfall der Sitten und Werte,
Egoismus, Konsumismus, Trivialisierung, Medienverdummung seien als
Schlagworte genannt. Aber stimmt dieses Interpretationsmuster
überhaupt?
Wenn Ronald Hitzler das Leben in der Moderne als
Dauerbaustelle charakterisiert, gekennzeichnet von ewiger
Improvisation: die Bastelbiographie und man sich in der
Kulturwissenschaft neuerdings des Ausdrucks hybride Lebensformen
bedient, der aus der Biologie entlehnt ist, und mit dem die
Uneindeutigkeit kultureller Identität gefaßt werden soll, dann wird
damit eines behauptet: daß es für die Individuen der Moderne kein
Mittendrin mehr gibt. Die großen, soziokulturell identifizierbaren
Gemeinschaften: Klasse, Gruppe, Religion, Ethnie – haben sich aufgelöst
und die kleinen, wie Familie, Elternschaft, Liebe, Arbeitskollektiv
oder Haushalt bestehen nur noch sequentiell, fallen immer wieder
auseinander und bilden sich an anderer Stelle neu. Der industriellen
Arbeitsgesellschaft geht die Erwerbsarbeit aus. Sicherheitsmilieus
brechen auf und produzieren eine neue Zerbrechlichkeit sozialer Lagen,
summieren und potenzieren Exklusionen, die irgendwann in die Zentren
der Moderne zurückschlagen werden.
Ulrich Beck, von dem dieses
Szenario der Erosion der industriegesellschaftlichen Moderne stammt,
begreift diese Auflösungsprozesse nicht einfach als Folgeerscheinungen
industrieller Entwicklung, sondern als etwas der Moderne, ihrem
Entwicklungsprinzip innewohnendes, als gleichursprünglichen, von Anfang
an existierenden Widerpart. Und er begreift sie als notwendigen
Entwicklungsmodus. Die Zerstörung als Voraussetzung für einen
Neubeginn: die Negation der Negation. Und damit wird eine andere
Perspektive auf den Gegenstand eröffnet. Die Begriffe „zweite Moderne“
oder „reflexive Modernisierung“ zielen auf das In-Frage-Stellen der
grundlegenden Gewißheiten moderner Gesellschaften durch die Moderne
selbst – nicht als Erosionsmodus, sondern als Entwicklungsbedingung.
Dieses
Denkmuster ist anregend: Gesellschaften entwickeln sich nur weiter,
wenn sie sich selbst in Frage stellen, ihren Wandel vorantreiben, sich
verändern. [2] Das Faszinierende an dem Gedanken, daß die
Basisgewißheiten problematisiert werden, ist für mich die Hoffnung auf
Veränderung, die sich darin ausdrückt. Und sind nicht wir als Kultur-
und Gesellschaftswissenschaftler die Beobachter gesellschaftlicher
Veränderung? In diesen Diskussionszusammenhang möchte ich meine
Überlegungen einbinden und aus der Perspektive unseres Faches heraus
fragen, wie die Widersprüche der Moderne von den Individuen gelebt
und verarbeitet werden, welche Bewältigungsformen sie entwickeln, und
in welche „Bedeutungsgewebe“ sie dabei eingesponnen sind (Weber/Geerts).
Die
gegenwärtig zu verzeichnenden globalen Verflechtungen unseres Lebens
haben auch einen Einfluß darauf, wie wir über Kultur nachdenken, wie
sich das Verhältnis von kultureller Identität, Raum und Bewegung in
modernen Gesellschaften darstellt, wo die Räume, in denen die Menschen
wichtige Daseinsfunktionen und soziale Beziehungen realisieren,
zunehmend auseinandertreten. [3] Mobilität und Seßhaftigkeit sind
entsprechende kulturelle Praxen, in denen diese Widersprüche unseres
Lebens in der zweiten Moderne verarbeitet werden. Die empirische
Untersuchung dieser Praxen könnte der
kulturwissenschaftlich-ethnologischen Forschung einen Zugang par
excellence zur bisher soziologisch geprägten
modernisierungstheoretischen Debatte eröffnen.
Bei den
kulturellen Praxen der Individuen handelt es sich immer um Experimente
des Alltags, geht es um das Ausprobieren von Alternativen. Es sind
Erfahrungen, die die Menschen im Hinblick auf ihr Leben inmitten einer
komplizierten und sich permanent verändernden Welt machen. Solche
Experimente sind nicht gut oder schlecht, schön oder häßlich, geistvoll
oder primitiv, es sind Experimente mit ungewissem Ausgang. Sie können
schief gehen, aber sie müssen trotzdem gemacht werden.
Mobilität
und Seßhaftigkeit sind mit widersprüchlichen, ja gegensätzlichen
Bildern und Wertvorstellungen besetzt. Auf der einen Seite steht
Mobilität synonym für geistige Beweglichkeit, Dynamik, Unabhängigkeit,
Kreativität und Freiheit und entwickelt sich in diesem Sinne zu einer
sozialen Norm mit hoher Verbindlichkeit. „In dieser Phase der
gesellschaftlichen Entwicklung wird Mobilität zu einem Vehikel der
Konstruktion von Freiheit und Fortschritt. Physische Mobilität wird mit
sozialer in Verbindung gedacht, wird mit Fortschritt und Zukunft
positiv assoziiert.“ [4] Auf der anderen Seite können Mobilität und
Flexibilität vielleicht zu wirtschaftlichem Erfolg, auf der anderen
aber eben auch zu dem Verlust sozialer und räumlicher Bindungen, zu
Ent-Ortung und Einsamkeit führen.
„Entwirf dein Leben selbst!
Improvisiere! Setze Ziele! Erkenne Hindernisse! Stecke Niederlagen ein!
Versuche neue Anfänge!“ heißen die Imperative der neuen Freiheit.
Hinter solchen Forderungen steckt die Drohung: Sonst wirst du
scheitern! Die Chancen und Risiken des Arbeitsmarktes erzwingen immer
wieder Neuanfänge. Den Job fürs Leben gibt es nicht mehr, das
„Normalarbeitsverhältnis“ gehört der Vergangenheit an. Ein
US-Amerikaner muß heute damit rechnen, in 40 Arbeitsjahren wenigstens
elfmal die Stelle zu wechseln. Immobilität und Trägheit werden mit
Arbeitslosigkeit bestraft. Und bei Mobilität ist der Erfolg nicht
garantiert. Überdies ist zu fragen, welchen Preis die modernen Nomaden
für ihre Mobilität bezahlen? Wie hoch beziffern sie den Verlust an
Lebensqualität? Jahrelange Fahrerei, provisorisches Wohnen, ewige
Überstunden, Arbeit ohne Ende, Verzicht auf Kinder, Freunde,
Unterhaltung und Vergnügen? Brüche in der Biographie sind offenbar
normal in modernen Gesellschaften. Aber nichtsdestotrotz sind sie eine
Zumutung, bedeuten sie eine enorme Anstrengung für die Individuen. Das
ist jedenfalls der Tenor der unlängst von der Bundesministerin für
Familie, Christine Bergmann, präsentierten ersten umfangreicheren
soziologischen Studie über „Berufsmobilität und Lebensform“, die
bereits im Untertitel die schicksalsschwere Frage aufwirft: „Sind
berufliche Mobilitätserfordernisse in Zeiten der Globalisierung noch
mit Familie vereinbar?“ [5]
Mobilität, so die Autoren, hat
sich in Zeiten der Globalisierung zu einer „sozialen Norm“ entwickelt,
sie ist ein „Gebot der modernen Ökonomie“. „Leitfigur der Moderne ist
das ‚mobile Subjekt’, verfügbar, leistungsbereit, ungebunden.“ [6]
Dieses mobile Subjekt erscheint einerseits frei von privaten Bindungen
und Obligationen und bereit, sich offen auf immer neue Anforderungen
einzustellen. Dynamische Arbeitsmarkterfordernisse machen flexible
private Lebensformen notwendig, erfordern moderne, gestaltungsoffene
Familienstrukturen. Doch gleichzeitig gibt es ein Bedürfnis nach
Stabilität, Nähe und Vertrautheit, nach einem gemeinsamen
Lebensmittelpunkt. In der Vergangenheit war das die Familie, die von
zeitlicher und räumlicher Gemeinsamkeit ihrer Mitglieder getragen war.
Heute muß das Auseinanderfallen der Lebensräume konstatiert werden. Das
bleibt nicht ohne Folgen für das Zusammenleben. So, wie die Individuen
eine Gewinn-Verlust-Rechnung aufmachen, wenn sie vor der Entscheidung
stehen, der Arbeit hinterherzuziehen, so werden auch in der Studie
Positiva und Negativa gegeneinander abgewogen.
In der
Quintessenz stellen die Verfasser eine Reihe von Entwicklungsvorteilen
im Berufsleben fest, denen eine Vielzahl von Nachteilen im Privatleben
gegenüberstehen. Mobilität hemme die Familiengründung, befördere
besonders bei Frauen Kinderlosigkeit oder sehr späte Mutterschaft,
führe zu psychischen und physischen Belastungen, zur Entfremdung von
Partner und Kindern, sei gezeichnet von Zeitmangel und sozialer
Isolation. Nur wenige der Befragten könnten auch im Privatleben echte
Vorteile aus der Situation ziehen: Sie betonen das Erleben von Neuem,
die wohltuende Distanz zum Partner, die letztlich zu einer
Intensitätssteigerung im Zusammenleben führe. Da in der Studie auch
eine seßhafte Referenzgruppe befragt worden ist, wird um so deutlicher,
gegen welche normativen Setzungen die Erfahrungen gesprochen sind:
nämlich gegen die unhinterfragte kulturelle Norm der Seßhaftigkeit.
„Mobile Lebensformen sind keine Selbstverständlichkeiten, auch dort, wo
sie geplant entstanden sind, bleiben sie häufig Thema weiterer
Überlegungen. Und dort, wo sie sich ‚so ergeben haben’, wie es manche
Befragte ausdrücken, bleibt vielfach die Notwendigkeit zu weiterer
Auseinandersetzung darüber ohnehin bestehen.“ [7] Im Gegenzug bieten
„Nicht-mobile Lebensformen ... meist wenig Anlaß zur Reflexion, sie
werden als etwas Normales, Selbstverständliches erlebt. Eventuelle
Veränderungen erscheinen eher als bedrohlich denn als reizvoll.“ [8]
Seßhaftigkeit
bietet zwar scheinbar Sicherheit und Stabilität, wird andererseits aber
konnotiert mit Stagnation und geistiger Trägheit. Gundula Englisch,
eine der Verkünderinnen des neuen Evangeliums, spricht sogar von einer
„Tragödie der Gleichförmigkeit“. [9] Immobile Menschen gelten als
unflexibel, unzeitgemäß und beruflich mäßig engagiert. Sie erscheinen
unfrei, vom Besitz besessen, in beengende Verhältnisse eingebunden.
Richard Sennett hält dagegen, daß erst durch dauerhafte und
kontinuierliche Beziehungen bestimmte Erfahrungen überhaupt möglich
werden. Gewohnheiten und Routinen seien notwendig, um tiefergehende
Erkenntnisse gewinnen zu können. Soziale Bindungen brauchen Zeit, um
sich zu entwickeln. Vertrauen, Verpflichtung und Loyalität entstehen
auf der Grundlage langfristiger Bindungen. Gemeinsamkeit bedarf der
geteilten Erfahrung. [10] Seßhaftigkeit ist gelebte
Selbstverständlichkeit, unhinterfragt, unreflektiert. Als
Alltagsroutine verspricht sie Sicherheit, bietet sie eine emotionale
Grundlage.
Doch Mobilität oder Seßhaftigkeit, so meine These,
gibt es nicht an sich. Es sind – wenigstens in unserer heutigen Zeit –
keine einander ausschließende Lebensprinzipien mehr. Man muß sie
zusammen denken. Wenn mit Seßhaftigkeit die physische und soziale
Verbundenheit mit einem klar eingegrenzten Territorium gemeint ist,
dann kommt die damit verknüpfte Emotionalität (Heimatgefühl) überhaupt
erst und immer nur vor dem Hintergrund von Wanderung zur Erscheinung.
In der gelebten Selbstverständlichkeit des immer-da-Seins gibt es
Heimat nicht, gibt es keine gefühlsmäßige Verknüpfung mit dem Ort.
Heimat (Seßhaftigkeit) und Wanderung bilden insofern eine untrennbare
semantische Verknüpfung. Sie stellen sowohl biographisch-prozesshaft
gesehen wie im Blick auf das Leben vor Ort immer ein relationales
Verhältnis dar.
Mobilität und Seßhaftigkeit sind jeweils
zeitlich voneinander abgehobene Phasen im Leben heutiger Individuen.
Doch das läßt sich nicht auf die einfache Formel: In der Jugend mobil,
im Alter seßhaft – bringen. Manche entdecken erst in der postfamilialen
Phase die Vorteile eines Ortswechsels. Mobilität oder Seßhaftigkeit
sind keine irreversiblen Lebensentscheidungen, sondern Optionen, die
den Individuen jederzeit neu offen stehen. Nicht einmal mehr Hausbesitz
garantiert Seßhaftigkeit.
Seßhafte und Mobile leben auch nicht
streng voneinander geschieden, sondern begegnen sich allerorten und
konfrontieren sich so gegenseitig mit dem jeweils anderen
Lebenskonzept. Selbst diejenigen, die sich seit Generationen an den Hof
und das Haus ihrer Vorfahren gebunden haben, sind zumindest von den
Bewegungen anderer, die von ihrem Heimatort wegziehen oder hinzuziehen,
berührt. Durch Ab- und Zuwanderung, durch Pendler und Durchreisende vor
Ort verändern sich die demographischen Verhältnisse (Geschlecht und
Generation), das soziale Gefüge, politisches und wirtschaftliches
Handeln. „Die Identitätsmuster werden komplexer, weil die Menschen sich
vermehrt auf lokale Loyalitäten berufen, zugleich aber auch an globalen
Werten und Lebensstilen teilhaben wollen.“ [11]
Andersherum
haben selbst die beweglichsten Menschen irgendwo eine Wohnung, einen
Lebensmittelpunkt, von dem aus sie fortgehen und zu dem sie
zurückkehren. Die wenigsten führen wirklich ein Leben „on the road“,
immer auf gepackten Koffern sitzend, von Hotel zu Motel. Und selbst
das, so ist zu vermuten, stellt nur eine Phase in ihrem Leben dar, der
womöglich eine lange Periode der Seßhaftigkeit in der Kindheit
vorausgegangen ist und der eine lange Phase der Seßhaftigkeit
spätestens mit der Familiengründung folgen kann.
Die sogenannten
modernen Nomaden sind keine neue Spezies, sondern Menschen, die sich
gerade in einem Lebensabschnitt befinden, der von Mobilität geprägt
ist, einer liminalen Phase des Übergangs vom alten Ort zu einem neuen.
Darunter gibt es ‚klassische’ Migranten, Menschen, die mit ihrer
gesamten Habe und oft ihrem sozialen Umfeld, der Familie umziehen, also
einen mehr oder weniger abrupten und konsequenten Ortswechsel
vollziehen, und wieder andere, die noch jahrelang zwischen dem alten
und dem neuen Ort pendeln, eine Art von Doppelleben führen.
Die
Widersprüchlichkeit macht das Phänomen so interessant. Zwang oder
Chance? Verlust oder Gewinn? Beziehungslosigkeit oder
Beziehungsreichtum? Moderne Nomaden haben gravierende
Verlusterfahrungen gemacht und die Erfahrung, daß sie das aushalten
können. Sie gewinnen ein neues Verhältnis zur heimatlichen Landschaft,
zu Familienmitgliedern und Freunden und zum Eigentum: Haus, Garten,
Möbel usw. Alles bekommt eine andere Bedeutung im Lebenszusammenhang.
Man könnte die modernen Nomaden als kulturelle Pioniere verstehen. Es
werden neue Formen des Zusammenlebens ausprobiert, neue Konzepte und
Praxen gemeinschaftlicher Bindung und Lösung entwickelt und auch wieder
verworfen.
Soweit diejenigen, die aus beruflichen Gründen mobil
sein müssen. Sicher gibt es auch Lebensstilnomaden, Menschen, die aus
dem regulären Berufsleben ausgestiegen sind, die Bindungslosigkeit zur
antibürgerlichen Lebensphilosophie entwickelt haben, oder die es
einfach nur vorziehen, die langen kalten Winter in wärmeren Gegenden zu
verbringen. Menschen, wie Else Buschheuer, die eine Stadt wie New York
zum temporären Lebensmittelpunkt wählen, ohne Anknüpfungspunkte
beruflicher oder sozialer Art an diesen Ort zu haben, getrieben von
Imaginationen. Der Formen und Varianten gibt es viele mehr, die
Bandbreite ist schier unerschöpflich und dennoch sind sie alle von der
Ambivalenz von Freiheit und Zwang, von Individualisierungsgewinn und
Gemeinschaftsverlust gekennzeichnet.
Sie lassen sich nur vor dem
Hintergrund der Seßhaftigkeit der breiten Bevölkerungsmasse einerseits
und den Zügen von „echten“ Nomaden, also den zu großen Teilen sogar
illegalen Arbeitsmigranten andererseits angemessen behandeln. Und
dahinter steht die Frage, ob die modernen Nomaden im Keim die
Lebensform der zweiten Moderne ausbilden, oder ob die Aufmerksamkeit
angesichts der Wanderungserfahrungen vorangegangener Generationen
(Industrialisierung, Massenarbeitslosigkeit, Flucht, Vertreibung...)
nicht übertrieben ist. Die Zahlen über Mobilität in Deutschland fördern
solche Zweifel. Zwar ist mindestens jeder sechste Berufstätige zwischen
25 und 55 Jahren, der in einer festen Partnerschaft lebt, heute mobil,
zieht um, führt eine Wochenendehe oder wird zum Tagespendler. Insgesamt
dürfte sogar fast jeder vierte Erwerbstätige betroffen sein, die
wenigsten davon sind freiwillig mobil. Dennoch steht ein „erstaunliches
Maß an Sesshaftigkeit.“ dagegen. „Fast die Hälfte (48%) der 40- bis
54jährigen leben im gleichen Ort wie ihre Eltern und nur 17% wohnen
weiter weg als zwei Stunden entfernt.“ [12]
Und dennoch verdient
das Phänomen besondere Aufmerksamkeit, denn Mobilität und Flexibilität
sind längst zur kulturellen Norm avanciert, synonym gesetzt mit
Freiheit, Individualisierung, Erfolg. Und Glück? Aber wer in aller Welt
fragt denn heutzutage noch nach dem Glück? Oder gar nach
Gemeinschaft... Wer nicht bereit ist, ein Risiko einzugehen oder
Verluste in Kauf zu nehmen, läuft Gefahr abzurutschen. An den Rändern
sammeln sich bereits die Individualisierungsverlierer, Arbeitslose und
Sozialhilfeempfänger. Mobilität versus Trägheit erscheinen als zwei
Seiten ein und desselben Widerspruchs der Individualisierung. Doch
diese Gewinn-Verlust-Rechnung funktioniert nur in Bezug auf das Thema
Arbeit als zentral und lebenssinnstiftend. Im Leben außerhalb von
Arbeit kehrt sich die Sache möglicherweise um. Hier summieren sich die
Verluste für die Individualisierungsgewinner. Und damit werden
Grundgewißheiten der Moderne in Frage gestellt: Lohnt es sich überhaupt
noch zu arbeiten? Denn: wer arbeitet, hat kaum noch Zeit für die
Familie, zum Kinderkriegen, zum Geldausgeben. Er – und in der Regel ist
es er und nicht sie – gibt soziale Zusammenhänge auf, wenn es sein muß.
Er richtet seine gesamte Lebensführung darauf ein, but for what? Geld
oder Leben? Das ist hier die Frage.
Damit sei eines von vielen
anderen möglichen Feldern, in denen sich die Widersprüche unseres
Lebens in der zweiten Moderne verdichten, umrissen. Ein Thema, das
schnell als modernistisch abgewehrt werden kann. Ich möchte mich
trotzdem oder gerade deshalb damit befassen.
„Außerhalb von
Mittendrin“, das ist auch eine Metapher für die Rolle der Wissenschaft
in modernen Gesellschaften. Denn „... ohne Sozialwissenschaft ist die
Öffentlichkeit blind. Ohne Öffentlichkeit aber bleibt die
sozialwissenschaftliche Debatte taub, stumm und verstaubt.“ [13] Ein
Fach wie die Europäische Ethnologie oder Kulturwissenschaft (mit seiner
Herkunft aus der Volkskunde) steht angesichts der Komplexität moderner
kultureller Entwicklungen und angesichts einer Wissenschaftslandschaft,
in der sich Kultur neuerdings zum Leitbegriff entwickelt (anstelle von
Gesellschaft), vor neuen Herausforderungen. Sie muß sich mit den
modernen Phänomenen der Kultur befassen und versuchen, eine andere
Perspektive anzulegen, die gängigen Interpretationsmuster gegen den
Strich zu bürsten.
Unser Fach versteht sich als
Erfahrungswissenschaft, die danach fragt, wie die Individuen ihr Leben
in gegebenen Machtverhältnissen und Strukturen bewältigen, welchen Sinn
sie ihm geben, welche Bedeutungen sie dabei produzieren. In diesem
Sinne möchte ich versuchen Zugänge zu entwickeln, für die mir unser
Fach prädestiniert zu sein scheinen, und ich will Sie provozieren, mit
mir darüber zu streiten. Gestatten Sie mir, daß ich mich dabei nicht
auf Gewißheiten berufe, sondern ungewisse Fragen stelle. Solche Fragen
sollen im Folgen in Bezug auf drei Dimensionen des Themas entwickelt
werden: Ort, Körper und Gemeinschaft.
Die kulturelle Bedeutung
des Ortes: Im Zuge der Globalisierung werden die festen Bindungen an
Orte durch Wanderungsbewegungen verschiedenster Art aufgelöst
(Migration, Tourismus, Dienstreisen usw.). Das hat nicht nur Folgen für
die Lebensweise der „modernen Nomaden“, den Wanderern zwischen den
Welten, sondern auch für die Identität der Orte, die von Abwanderung
oder Zustrom betroffen sind. Es entstehen Spannungsverhältnisse
zwischen Weggegangenen bzw. Hinzugekommenen und Dagebliebenen, sowohl
in Regionen, die von einem regelrechten Brain Drain betroffen sind –
z.B. Ostdeutschland – als auch an Orten, wo die Nomaden die Seßhaften
zu dominieren beginnen.
Körperlichkeit: Raum und Körper bilden
einen semantischen Zusammenhang. Mit ihnen sind materielle Dimensionen
des menschlichen Lebenszusammenhangs bezeichnet, die sich in der
Moderne scheinbar auflösen, wie es der Begriff der Virtualität
suggeriert. Im Zusammenhang mit Deindustrialisierungsprozessen wird der
für die Maschinenarbeit disziplinierte Körper regelrecht disfunktional.
Reproduktionstechnologien machen ihn überflüssig. Im Cyberspace
existiert er entmaterialisiert. Zugleich verlangt uns dieser „sinnlos“
gewordene Körper ungewohnte Aufmerksamkeit ab, der in Fitneßcentern,
Wellnessoasen oder Schönheitskliniken nachgegangen wird. Der Mensch
begibt sich außerhalb seines Körpers und kann doch nur in ihm leben.
Fragmentierte
Gemeinschaft: Allenthalben wird der Verlust gemeinschaftsstiftender
Werte, mangelnde Partizipation am Gemeinwesen, die Auflösung sozialer
Bindungen beklagt. Individuen gehen nur noch kurzfristig Loyalitäten
ein, agieren in wechselnden Beziehungsgefügen. Doch das Bedürfnis nach
Geborgenheit, nach sicherem Rückhalt, nach Eingebundensein in
kollektive Zusammenhänge bleibt. Es verschafft sich mitunter in
fundamentalistischen Bewegungen einen radikalen und vor allem
gewaltsamen Ausdruck. Zusammengehörigkeitsgefühle werden durch
Diskriminierung und Ausgrenzung sozial oder kulturell Fremder erzeugt.
Bisher sind solche terroristischen Aktivitäten von den Rändern der
Gesellschaft ausgegangen. Doch neuerdings werden sie zum zentralen
Problem moderner Gesellschaften. Alltäglicher Rassismus kann sich der
schweigenden Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten sicher sein, ist
konsensfähig geworden.
1. Die kulturelle Bedeutung des Ortes
„Der
Mensch der Zukunft wird ein beschleunigter, elektronischer Nomade sein
– überall unterwegs im globalen Dorf, aber nirgends zu Hause.“ [14]
Der
Globalisierungsdiskurs geht mit der Feststellung einher, daß die
Spätmoderne verstärkte Mobilitätsanforderungen und eine bislang
unbekannte soziale Flexibilität im Raum mit sich bringt. Die Zunahme
berufsbedingter Reisetätigkeiten, ein räumlich immer weiter
ausgreifender Tourismus und die Grenzüberschreitungen einer neuen
sozialen Schicht, der sog. „global players“, können dabei als Beispiele
für eine Entwicklung genannt werden, im Zuge derer sich Loyalitäten
gegenüber Orten auflösen.
Dies zeitigt Folgen in drei
Richtungen: Erstens können die Individuen ihre kulturelle Identität
nicht mehr aus ihrer Herkunft von einem bestimmten Ort ableiten. Wenn
sie an verschiedenen Orten unterschiedliche Erfahrungen machen, was
bedeutet ihnen dann noch ein konkreter Ort? Zweitens entsteht die
Frage, auf welcher Grundlage sich Gemeinschaftshandeln ausbilden kann,
wenn der räumliche Zusammenhang der Individuen nicht mehr gegeben ist,
weil sie je nach Notwendigkeit oder Belieben in Orte – und damit auch
in die Gemeinschaften – ein- und auch austreten können. Wie stellt sich
unter Bedingungen räumlicher und personeller Diskontinuität
Gemeinschaft her? Und was bedeutet es drittens für die Identität des
konkreten Ortes, wenn sie nicht mehr durch die Kontinuität einer
bestimmten Gruppe von Einwohnern und deren gemeinschaftlichem Handeln
gegeben ist? Werden die Orte dann gesichtslos und müssen neu imaginiert
werden?
Diese drei Fragen werden in der neueren postmodernen
Debatte unter dem Stichwort Ortlosigkeit oder De-Localization
thematisiert. Diese Begriffe unterstellen nicht nur die zunehmende
Bedeutungslosigkeit konkreter Orte, sondern vermuten dahinter die
Bindungslosigkeit des wandernden Individuums, die Auflösung von
Gemeinschaft. Wer ortsungebunden lebt, ist auch beziehungslos.
Orvar
Lövgren empfiehlt einen Perspektivwechsel: „Statt zu fragen, ob wir es
mit entwurzelten oder fragmentierten Identitäten zu tun haben, sollten
wir uns zuerst fragen, welche kulturellen Kompetenzen benötigt werden,
um in Milieus zu leben, die sich chaotisch, flüchtig und zersplittert
darstellen.“ [15] Es ist die Empfehlung, sich den kulturellen Praxen
deskriptiv zu nähern und offene Fragen an das Forschungsfeld zu
formulieren.
Nun sind ja Massenwanderungen nichts wirklich
historisch Neues. Abgesehen von durch Kriegsereignisse oder
Katastrophen erzwungenen Fluchtbewegungen, waren es die durch die
Industrialisierung hervorgerufenen Land-Stadt-Wanderungen, die den
heutigen Städten ihr Gepräge gegeben haben. Aber in der Regel waren das
einmalige Migrationen. Am neuen Ort angekommen, wurde man wieder
seßhaft, integrierte sich in die vorhandenen städtischen Gemeinschaften
oder bildete selber welche. Frühere Massenwanderungen haben nicht
annähernd solche Diskussionen über Ortlosigkeit, kulturelle Ambiguität
oder Gemeinschaftsverlust ausgelöst, wie die modernen Wanderungen,
obwohl diese rein quantitativ nicht einmal annähernd die Dimensionen
früherer Bewegungen erreichen.
In den modernen Wanderungen
werden die Widersprüche der postindustriellen Moderne auf exemplarische
Weise sinnfällig. Hier ist auf die Spitze getrieben, was längst zum
Regelfall in modernen Gesellschaften geworden ist: die Fragmentierung
der Gemeinschaft, die Hybridität kultureller Identität. Im Ortswechsel
wird auf besondere Weise sinnlich erfahrbar, was längst zum
Alltagswissen gehört: daß familiale Strukturen und emotionale Bindungen
nicht von ewiger, ja nicht einmal mehr von Lebensdauer sind, daß man in
den erlernten Berufen nicht alt wird, daß die Gegenstandswelten um uns
herum (Wohnung, Auto, Kleidung) in einem immer kürzer werdenden
Rhythmus ausgewechselt werden usw.
Die alten, Sicherheit und
Stabilität versprechenden Zusammenhänge haben sich nicht erst durch die
Wanderungsbewegungen aufgelöst, sondern weil sie sich aufgelöst und die
Individuen aus gemeinschaftlichen und räumlichen Bindungen freigesetzt
haben, sind diese nunmehr in der Lage ohne Identitätsverlust nach
Belieben Orte zu wechseln. Die Orte garantieren schon lange weder die
Integration in Gemeinschaftszusammenhänge noch sonst irgendwie geartete
Identitätsbezüge. Aber es ist müßig, nach dem Ursprung der Entwicklung
(Henne oder Ei) zu fragen. Viel interessanter scheint es, Seßhaftigkeit
und Mobilität als aufeinander bezogene und miteinander konkurrierende
Antworten auf dieselben Herausforderungen zu interpretieren.
Die
modernen Wanderungen – und das impliziert auch der Begriff des
Nomadentums – sind Wanderungen in Permanenz. Die Verweildauer an
bestimmten Orten ist von vornherein begrenzt. Die Wanderung ist auf
erneute Wanderung angelegt und nicht auf endliche Seßhaftigkeit. Und
das hat Folgen für die Gefühlsstrukturen, die gegenüber Orten und
Gemeinschaften ausgebildet werden. Doch diese Gefühle bilden sich auch
nicht einfach nur durch lange Ansässigkeit aus. Zum Heimatgefühl gehört
die Erfahrung der Fremde. Und diese Erfahrung wird heute schon in
frühestem Kindesalter gemacht: durch die Urlaubsreise, den Besuch der
Großeltern, den Einkauf in der nächsten größeren Stadt. Zurückgekehrt
sieht man die eigene Welt mit fremden Augen. Sie kommt einem schäbiger
oder glorreicher vor, als man sie in Erinnerung hatte.
Insofern
ist „Heimat“ nicht nur eine symbolische Konstruktion, sondern
bezeichnet ein Territorium mit einem gelebten „Zuhausegefühl“. „Unserem
Zuhausegefühl können wir unterschiedliche Verankerungen verleihen. Sich
zuhause zu fühlen kann bedeuten, die Tür zu seinem Zimmer zuzumachen
oder sich innerhalb eines Ortes zu bewegen, in dem man sich sowohl mit
den Straßennamen auskennt als auch zwischen den Regalen im Supermarkt.“
[16] Insofern ist es sinnvoll, zwischen Heimat und Zuhause
zu unterscheiden. Menschen, die mobil sind, leben vielleicht fern der
Heimat, aber sie haben trotzdem ein Zuhause. „Man hält die Heimat für
den relativ permanenten, die Wohnung für den auswechselbaren,
übersiedelbaren Standort. Das Gegenteil ist richtig: Man kann die
Heimat auswechseln oder keine haben, aber man muß immer, gleichgültig
wo, wohnen.“ [17]
Die Ortlosigkeit ist also gar keine
Ortlosigkeit, sondern Heimatlosigkeit. Es gibt nicht mehr diesen
eindeutigen, mit Gefühlen aufgeladenen territorial definierten Ort, der
die kulturelle Identität bestimmt. Aber es gibt ein Zuhause. Bedeutet
das am Ende eine Privatisierung des Ortsbezugs statt des imaginierten
Kosmopolitismus, den Rückzug in die vier Wände statt der Erweiterung in
die Welt? So, wie die Träumerin Else Buschheuer zwar in New York
Wohnung bezieht aber nicht die Straße betritt, zwar virtuelle zugleich
an verschiedenen Orten in der Welt agiert aber nicht unter Menschen
geht. Während die seßhaft an einem Ort Verankerten ihren privaten
Bereich auf den ganzen Ort beziehen, so daß noch der Marktplatz wie der
erweiterte Küchentisch erscheint, an dem sich ein Fremder fremd und als
Eindringling vorkommen darf. Was ist dann mit Ortsbezüglichkeit
gemeint, vielleicht die Intimität des lange bewohnten Ortes, die sich
in Besitzansprüchen geltend macht (meine Straße, mein Café, mein
Parkplatz)? Oder nicht vielmehr doch die Verbindlichkeit derer, die
diesen Ort als Lebensmittelpunkt miteinander teilen?
Das Problem
gewinnt in der aktuellen Globalisierungsdebatte eine weitere Dimension,
nämlich wenn es um den Zusammenhang von Globalem und Lokalem geht.
Ulrich Beck nennt das „Verheiratetsein“ mit mehreren Orten,
„Ortspolygamie“ [18], sie sei das „Einfallstor der Globalität im
eigenen Leben“. Der Zugewinn an Orten, Globalisierung oder
Kosmopolitismus bedeuten auch den Abschied von der beruhigenden
Vertrautheit, dem Ineinssein mit einer Kultur, einer Region, einer
Landschaft oder einer Stadt. Diese Vertrautheit muß auf andere Weise
wiederhergestellt werden.
Das scheint heute einfacher denn je:
Industrialisierung und Massenkonsum haben zu einer Vereinheitlichung
der Grundstrukturen des Lebens in industriellen Gesellschaften geführt,
so daß dieses Leben an verschiedenen Orten ohne größere
Orientierungsprobleme wieder aufgenommen werden kann. [19] Innerhalb
Europas ist nicht mal mehr der Wechsel des Landes wirklich irritierend.
Mit der Einführung des Euros wird dieser Entwicklung auch Rechnung
getragen: die Lebensverhältnisse sind vergleichbar geworden. Die
Vertrautheit mit einem konkreten Ort wird durch Vertrauen ersetzt, das
in die Produkte, Institutionen und Strukturen der Industriegesellschaft
gesetzt wird.
Aber während ich ohne größere Probleme meinen
individuellen Lebenszusammenhang am nächsten Orte reproduzieren kann,
ist dies mit den sozialen Beziehungen nicht so ohne weiteres möglich.
Gemeinschaften beruhen auf Aushandlung, sind oft fragile Gebilde, in
denen Kompetenzen, Macht und Emotionen klar verteilt sind. Jeder
Austritt von Mitgliedern wie auch der Eintritt neuer stört dieses
Gleichgewicht. Und es ist dabei gleichgültig, ob es sich um politische
Gemeinschaften, einen Verein, die Schulklasse, das Arbeitskollektiv
oder die fremde Familie, den fremden Freundeskreis oder die Nachbarn
handelt. Vertrauensverhältnisse entstehen in solchen Zusammenhängen
nicht aufgrund der Position, des Namens oder der Herkunft – wenngleich
das Dooropener sein können – sondern aufgrund gemeinsamen Handelns.
Die
neu eintretenden Individuen können ihre sozialen Erfahrungen,
Fähigkeiten und Kompetenzen nicht so ohne weiteres wieder zur Geltung
bringen. Die Verhältnisse, Probleme, Konflikte mögen sich ähneln, doch
sie werden in für Außenstehende nicht leicht zu durchschauenden
Konstellationen ausgetragen. Soziale Gemeinschaften sind keine reinen
Sachbeziehungen, sie werden von Emotionen zusammengehalten. Und über
emotionale Kompetenzen verfügt man nicht an sich, sondern immer nur in
konkreten Beziehungen. Mit anderen Worten: die Eingliederung in soziale
Zusammenhänge braucht Zeit. Wenn mir nun von vornherein nur ein
begrenzter Zeitrahmen zur Verfügung steht, weil der Arbeitsvertrag etwa
befristet ist oder den erneuten Wechsel nach einigen Jahren von
vornherein vorsieht, dann erscheint die Investition in soziale Gefüge
nicht lohnenswert. Sie werden ja sowieso bald wieder verlassen.
Dadurch
entsteht ein Ungleichgewicht zwischen auf Langfristigkeit angelegten
Beziehungen und ihren Loyalitätserwartungen und kurzfristigen, auf ein
baldiges Ende eingegangenen Beziehungen. Das Investment an Zeit – nicht
im Moment, sondern auf Dauer gesehen – beeinträchtigt die Verhältnisse.
Derjenige, der bereit ist, sich langfristig zu engagieren, wird von
kurzfristigem Engagement immer beleidigt sein. Die Weggegangenen haben
deshalb oft dreifache Arbeit zu leisten: Sie müssen die Einsamkeit
aushalten, sind für das Aufrechterhalten der Kontakte zu den
Dagebliebenen zuständig und müssen überdies in neue Beziehungen
investieren.
Und hierin besteht ein entscheidender Unterschied
zu den traditionellen Nomadenvölkern, denn diese waren oder sind von
der Kontinuität der wandernden Gemeinschaft geprägt. Die modernen
Nomaden hingegen wandern als Einzelindividuen. Es sind Eremiten,
Einzelgänger, lonely people ohne Loyalität gegenüber Orten und den mit
ihnen verknüpften sozialen Gruppen.. Insofern zielt der metaphorische
Begriff „Jobnomaden“, wie ihn bspw. Gundula Englisch verwendet, an
etwas ganz wesentlichem vorbei: an der sozialen Einsamkeit, die diese
Menschen trotz aller hektischen Betriebsamkeit wenigstens zeitweise
umgibt. Sie treten eben nicht nur in Orte ein und aus, sondern auch in
Gemeinschaften.
Die Euphorie über die neuen
Kommunikationstechniken (E-mail, Handy) kann nicht darüber
hinwegtäuschen, daß sie den sinnlichen Kontakt mit einem Menschen, dem
ich im Café gegenübersitze, den ich riechen und berühren kann, dessen
Gestik und Mimik, Tonfall, Lachen usw. mir ganz wichtige Informationen
zukommen lassen, nicht ersetzen kann. Emotionen sind an unsere Sinne
geknüpft, ihre Reduktion auf das geschriebene oder fernmündlich
gesprochene Wort fordert unsere ganze Phantasie zur apperzeptiven
Ergänzung, zur Projektion auf den anderen heraus. Solcherart virtuell
geführte Beziehungen – seien sie politischer, wirtschaftlicher oder
privater Art – folgen einer grundsätzlich anderen Logik als die, die
sich an einem konkreten Ort herstellen.
„Soziale
Gemeinschaftsbindung löst sich von der Basis räumlicher Nähe und
erfolgt zunehmend ortungebunden. Räumlich gebundene Identität wird
gesprengt und rekonfiguriert sich fortan über Geschlecht,
Beziehungswahl, individuelle Vorlieben und berufliche Positionen. Für
eine wachsende Zahl mobiler Menschen verliert Lokalität, im Sinne
örtlicher Fixierung, an sozialrelevanter Bedeutung.“ [20], schreiben
die Autoren der neuesten Mobilitätsstudie. Aber was tritt an deren
Stelle? „Gemeinschaften, in die man leicht eintreten kann und die man
leicht wieder verlassen kann. Sie sollen nicht dauerhaft verpflichten,
sondern nur in dem Maße, wie sie gerade ins eigene Bastelkonzept
passen. Dabei entstehen mitunter ganz intensive Wirgefühle, kurzzeitige
Solidaritäten und Loyalitäten.“ [21] So, wie der Ort gewechselt wird,
wird auch die Gemeinschaft gewechselt? Das hat nicht nur Konsequenzen
für die modernen Nomaden selbst und für die Art von
Gemeinschaftlichkeit, die sich unter diesen Bedingungen ausbildet,
sondern auch für die Orte, die sich nicht mehr über
Gemeinschaftsbildungen definieren können, sondern als beliebige
Ansammlungen zufällig dort seiender Individuen erscheinen.
Wie
stellt sich das soziale Gefüge in Orten dar, die von enormer
Abwanderung betroffen sind, wie in solchen, die mit Zuzug oder Pendelei
in größerem Umfang konfrontiert sind? Wer wird da noch
kommunalpolitisch aktiv, mischt sich in die Entscheidungen der lange
etablierten politischen Protagonisten? Was geschieht mit den Orten,
wenn sie nur mehr passiert werden, sozusagen im Vorübergehen
eingenommen und gleich wieder verlassen? Wenn Individuen solche
Aushandlungsprozesse an mehreren Orten zugleich führen? Oder wenn
solche Aushandlungsprozesse zwar stattfinden, aber nicht am Ort,
sondern medial vermittelt zwischen sich sinnlich nicht mehr unmittelbar
wahrnehmbaren Personen? Die Gleichzeitigkeit, mit der Individuen an
mehreren Orten präsent sein können, bringt die soziale Konstruktion vor
Ort ins Wanken. Und das ist es, was empirisch so schwer zu fassen ist.
Denn da haben wir es immer mit konkreten Menschen an konkreten Orten zu
tun.
Doch vermittels der Medien werden die wirklichen Orte, so
Arjun Appadurai, durch Projektionen verschiedenster Art überformt, sie
werden zu Landschaften der Imagination. „Mehr Menschen als je zuvor, in
mehr Teilen der Welt als zuvor ziehen heute mehr Variationen
‚möglicher’ Leben in Betracht als je zuvor.“ [22] Die Sehnsucht nach
einem bestimmten Ort ist eng an solche Lebensentwürfe gekoppelt. Leben
in der Stadt oder auf dem Land, in Europa oder Asien oder wo auch immer
ist nicht mehr länger eine Frage des Schicksals, der Geburt, sondern
eine Lebensentscheidung. Insofern verlieren vielleicht die Orte unserer
Geburt an lebensbestimmender Bedeutung, das heißt aber nicht, daß
deswegen auch die Einzigartigkeit des Lokalen verschwindet. Andrew
Kirby argumentiert, daß der konkrete Ort die Arena bleibt, in der
Ressourcen genutzt werden (Wohnung, Bildung und andere öffentliche
Leistungen). [23] Die Welt, so seine These, wird immer im Kontext des
Lokalen, als Teil der alltäglichen sozialen Beziehungen erlebt.
Wahrnehmung und Erfahrung sind immer an einen konkreten Ort gebunden.
Dennoch gibt es darüber hinaus ein durch die Medien vermitteltes
„Bewußtsein des ‚generalisierten Anderswo’“, das als ein Spiegel dient,
„in dem wir den eigenen Ort, an dem wir leben, nicht nur als die
Gemeinschaft erleben, sondern als eine von vielen möglichen
Gemeinschaften; nicht nur als das Zentrum unserer Erfahrungen, sondern
als einen Ort, der nördlicher oder westlicher liegt und liberaler oder
konservativer ist als andere Orte.“ [24]
Damit wird nicht mehr
die Zerstörung des Lokalen behauptet, sondern festgestellt, „daß der
Ort kein abgegrenztes Kommunikationssystem mehr ist, wie er es einmal
war. Wir sind heute nicht mehr im selben Maße wie früher auf die lokale
Verortung als Quelle von Information, Erfahrung, Unterhaltung,
Sicherheitsgefühl und Selbstverständnis angewiesen.“ [25] Insofern geht
es nicht um die Loslösung des Individuums vom Ort, sondern um den
stärker individualisierten Umgang mit dem Ort im Sinne einer Wahl des
Lebensstils.
„Ortsbindungen bleiben also weiterhin wichtig,
aber nicht im traditionellen Sinne. Die physische Nähe zu anderen ist
nicht mehr gleichbedeutend mit der Einbindung in Kommunikationssysteme
der gegenseitigen Abhängigkeit. Umgekehrt bedeutet physische Ferne von
anderen nicht automatisch kommunikative Ferne. Daher ist der
Ortswechsel keine so traumatische Erfahrung mehr wie früher. Man kann
seine psychische Nachbarschaft per Telefon und Computer
aufrechterhalten, und große Teile von Unterhaltung und Nachrichten sind
ohnehin landesweit identisch.“ [26] Anthony Giddens argumentiert, daß
„Orte zunehmend phantasmorganisch werden: das heißt, lokale Schauplätze
sind von Grund auf durchdrungen und geformt von weit entfernt liegenden
sozialen Einflüssen..., die ‚sichtbare Form’ eines Ortes verbirgt die
entfernten Verbindungen, die eigentlich seine Eigenart bestimmen.“ [27]
Das Verhältnis von Ort und kultureller Identität hat demnach
nicht nur einen Bedeutungswandel erfahren, es ist auch ein Verhältnis,
das nicht ein für alle mal gegeben ist, sondern einem permanenten
Wandel unterliegt. Dies impliziert die Abkehr von einem
essentialisierenden, an Raum gebundenen Kultur- und Identitätsbegriff
und eine gerade für die Ethnologie bedeutsame Herausforderung, die
Beziehung zwischen Raum und Identität neu zu denken. [28] Lokalität
wird nicht mehr als selbstverständlich gegebene räumliche Kategorie
konzeptualisiert, sondern als fragile soziale Errungenschaft, die immer
wieder hergestellt werden muß. In einer solchen Perspektive richtet
sich das Augenmerk nun auf die Produktion/Konstruktion von Lokalität im
Sinne sozialräumlicher Verortung oder gefühlsmäßig aufgeladener
virtueller Räume wie „Heimat“ (Appadurai), auf „Raumtechnologien“
(Lövgren), mithin also auf die soziale und kulturelle Bedeutung und
Konstituierung von Räumen. Die forschungsleitende Frage könnte daher
lauten: „Was bedeutet Örtlichkeit als gelebte Erfahrung innerhalb einer
globalisierten, enträumlichten Welt?“ [29]
2. Der Körper in den Zeiten der Deindustrialisierung
So,
wie sich der Mensch immer an einem konkreten Ort befindet, lebt er auch
in einem Körper. Die Banalität solcher Weisheiten ist offenkundig,
sollte man meinen. Sie ist es nicht, sieht man sich die jüngsten
Debatten über Gentechnologie oder die Virtualität im Cyberspace an. In
deren Begrifflichkeit deutet sich ein Verständnis von technischer
Entwicklung an, die den menschlichen Körper als etwas Defizitäres, die
Entwicklungsmöglichkeiten Begrenzendes versteht, das überwunden werden
kann und muß. Überdies suggerieren Vorstellungen von der
Dienstleistungs-, Informations- oder virtuellen Gesellschaft, die auf
das Verschwinden körperlicher Arbeit verweisen, oder Phantasien über
das Clonen, die Reproduktion von Körperteilen über die Manipulation von
Stammzellen usw., daß man den Körper bald so oder so nicht mehr
braucht.
Wenn einer Gesellschaft, die ihr gesamtes kulturelles
Wertgefüge auf Erwerbsarbeit gründet, eben diese Erwerbsarbeit ausgeht,
dann zerrieselt nicht nur ein altes Werte- und Normsystem. Das gesamte
Prinzip der Sozialisation, der Erziehung, Bildung,
Körperdisziplinierung, das auf Arbeit abgestellt ist, verliert seinen
Sinn. Der industrialisierte Körper wird disfunktional. Zugleich wird
dem Körper in einer Weise Aufmerksamkeit geschenkt, die ihm nie zuvor
gegönnt wurde. Er wird gepflegt und gestylt, gesunderhalten und jung
gemacht. Der disfunktional gewordene Körper wird nun in anderer Weise
wichtig für die Individuen: als Ausdrucksmedium im symbolischen Kampf
um Anerkennung. Dazu muß der Körper nach den geltenden
Schönheitsidealen modellierbar sein. Der Körper wird zur
Projektionsfläche für sehr widersprüchliche Vorgänge.
An
diesen Gedanken möchte ich mein zweites Thema knüpfen: Körperlichkeit
in den Zeiten der Deindustrialisierung. Der Körper – jahrzehntelang
vernachlässigt von den Geistes- und Sozialwissenschaften, vom
Feminismus entdeckt und salonfähig gemacht, wird neuerdings auf
patriarchalische Weise wiederangeeignet – er wird zum Modethema. Ich
möchte mich trotzdem damit beschäftigen, und vielleicht habe ich als
altgediente Feministin auch ein Recht darauf.
Wie leben nun die
Individuen diesen Widerspruch mit ihrem – in ihrem Körper? Ich möchte
diese Frage exemplarisch an der Umfunktionalisierung des alten
industrialisierten Körpers von einem Körper der Arbeit in ein Medium des symbolischen Ausdrucks am Beispiel des britischen Films weiterverfolgen und dann noch kurz die Gegenbewegung anreißen: wie könnte ein Leben ohne Körper
aussehen? Beide Bewegungen kennzeichnen die Übergangs-,
Schwellensituation, in der sich der Körper zur Zeit befindet: nicht
mehr in den alten Zusammenhängen zu funktionieren und für die neuen
Funktionen noch der falsche Körper zu sein. Arnold van Gennep, von dem
das Konzept stammt, unterscheidet in diesem Zusammenhang drei Phasen:
die Phase der Trennung, der Loslösung vom früheren sozialen Status – die Phase der Schwelle bzw. Umwandlung (liminale Phase), ein soziales Zwischenstadium, das von Ambiguität gekennzeichnet ist und die Phase der Angliederung, der Rückkehr der rituellen Subjekte in die Gesellschaft und zu ihren neuen, relativ stabilen und genau definierten Positionen.
Exemplarisch
wird die Disfunktionalität des industrialisierten Körpers in dem
britischen Film „Billy Elliot: I Will Dance“ [30] vorgeführt,
wenngleich nicht wirklich thematisiert. Der Film spielt Mitte der 80er
Jahre in einer Bergarbeiterregion. Es ist die Zeit des großen
Zechensterbens. Als der Film einsetzt, befinden sich der Vater und der
große Bruder des etwa zehnjährigen Haupthelden im Streik. Die Familie
ist eine klassische Industriearbeiterfamilie: seit Generationen
arbeiten die Männer untertage im Bergbau. Sie sind kernig, stämmig,
muskulös. Es ist eine körperlich schwere Arbeit, auf die der Körper des
jüngsten Sohnes ebenfalls vorbereitet werden soll. Er soll boxen lernen.
Doch
den Jungen zieht es zum Tanzen, genauer zum Ballett. Warum Billy, der
zu Hause nach der Rockmusik des Bruders auf dem Bett herumhopst, sich
von den gezierten Bewegungen des aus der höfischen Tradition
entstandenen Balletts angezogen fühlt, bleibt allerdings ein Rätsel.
Der darin liegende ästhetische Bruch ist zwar augenscheinlich, aber
nicht das Thema des Films. Das heißt: der Junge hat die faszinierende
Begabung, mit seinem Körper nicht nur seine Stimmungen und Gefühle zum
Ausdruck zu bringen. Er tanzt industriell, er tanzt Arbeiterklasse,
solidarischen Zusammenhang, politisches Engagement, Wut. Er tanzt
sozial genau. Das sind die überzeugendsten und sympathischsten Szenen
des Films. Und eben dieser Junge begeistert sich für eine Form des
Tanzens, die ihm genau diese Begabung systematisch austreibt. Gezierte
Bewegungen, gestelzter Gang, vorgeschriebene Figuren, jede Bewegung hat
eine symbolische Bedeutung – das Ballett repräsentiert eine Form der
vorindustriellen Körperbeherrschung.
Der gradlinige Instinkt
des Vaters und des Bruders richtet sich jedoch nicht gegen die
aristokratische Ästhetik, sondern auf die Zuschreibung gezierter und
gekünstelter Bewegungen zum weiblichen Geschlecht. Ballett könnte
schwul machen, auf jeden Fall aber arbeitsunfähig. So der im Film
konstruierte Konflikt. Doch eigentlich geht es weder um
Geschlechtscharaktere, noch um Sexualität – es geht um das
Infragestehen der industriellen Lebensweise. Es macht keinen Sinn, das
Training der Muskeln zu fordern, wenn Muskelarbeit gerade abgeschafft
wird und vielleicht auch von Männern die Fähigkeit gefragt ist, auf
einer zarten Computer-Tastatur filigrane Fingerarbeit zu leisten.
Hinter der Ballett-Geschichte findet eine Auseinandersetzung über die
Funktionalität des Körpers in Zeiten der Deindustrialisierung statt.
Erst
als der Vater begreift, daß der Junge als Bergarbeiter keine Zukunft
hat, akzeptiert er das Begehren. Der Junge setzt sich durch, er darf
auf die Royal Ballett School. Offenbar ist er dort auch erfolgreich. In
den Schlußszenen sehen wir einen riesengroß gewachsenen Mann, ein
einziges Muskelpaket, das in ein lächerliches Federkostüm gekleidet
ist, wie er uns den Schwan tanzt. Und dem armen, gebeutelten Vater
kommen im Parkett die Tränen. Wohl nicht, weil der Junge so schön
tanzt, sondern weil er es geschafft hat. Er ist berühmt, verdient seine
dicke Kohle, und die Bildungsbürger zollen dem Arbeiterjungen Beifall.
„Einer von uns, der hochgekommen ist“ – das ist zweifellos ein
kraftvolles und ausdrucksstarkes Motiv, aber kann es Genugtuung
verschaffen? Die Negation proletarischer Körperlichkeit durch
höfisch-bürgerliche Ästhetisierung weist keine Perspektive, sondern
macht nur den Konflikt deutlich, in dem die Individuen stecken. Der
Junge hat gelernt, eine Message zum Ausdruck zu bringen, die nicht mehr
die seiner Klasse ist. Das mag einträglich sein, eine überzeugende
Alternative stellt das nicht dar.
Eine etwas andere Lösung des
gleichen Konflikts finden wir in dem Film „Ganz oder gar nicht“, auch
ein britischer Film aus einem ähnlichen Milieu. Eine Gruppe
arbeitsloser Männer tut sich zusammen und erfindet eine Stripper-Show.
Hier wird also auch getanzt, noch eindeutiger für Geld, noch klarer von
Arbeitslosen. Die Körper, die wir hier sehen, sind gealtert,
abgearbeitet, ungepflegt, leicht verfettet. Und trotzdem gelingt es der
Choreographie, sie zu einem Triumph zu führen. Die solidarische
(Männer-)Gemeinschaft ist am Ende nicht lächerlich, sondern sogar
schön. Das weibliche Publikum goutiert den Funktionswandel des
Industriearbeiterkörpers zu einem Körper des Vergnügens. Der Tanz als
Ausdrucksmöglichkeit des Körpers wird zum kurzzeitigen Medium der
Wiedergewinnung von Würde, von kultureller Identität, die sie mit dem
Verlust der Arbeit verloren haben. Die Umarbeitung hat hier jedoch
einen anderen Sinn: Sie funktioniert als Persiflage: auf
industrialisierte Arbeit, auf die Kulturindustrie, auf Werbung und
Kommerz und ihre Suggestion des perfekten Körpers. Durch die Ironie
wird zwar der Widerspruch artikuliert, aber auch nicht gelöst.
Dieses
letzte Aufbäumen des industrialisierten Körpers macht nur einmal mehr
deutlich, daß der Körper in der zweiten Moderne ganz grundsätzlich in
Frage gestellt ist. Er ist einfach nicht mehr notwendig – weder zur
Fortpflanzung, noch für die Arbeit, nicht für die Liebe, für rein gar
nichts mehr. Und damit nicht genug: Er ist nicht nur zu nichts mehr
nutze, er ist auch noch überflüssig: dauernd will er essen, trinken
oder schlafen und überhaupt: er paßt nicht zu mir.
Wenn gar
nichts mehr geht, dann werde ich eben virtuell. Der Ausstieg aus dem
Körper ist eine weitere Variante desselben Spiels. Sich körperlos im
virtuellen Raum bewegen. Sich von der „blutigen Schweinerei organischer
Materie“ befreien, wie das der MIT-Professor Marvin Minsky einmal
ausgedrückt hat, unsterblich werden. Virtualität suggeriert die
Entmaterialisierung des Daseins. Das Medium Internet funktioniert unter
Absehung des Körpers. „Ich bin drin“, sagt Boris Becker fassungslos und
sitzt doch draußen an einem Tisch, vor dem Computer. Drin ist er nur im
Geiste, doch der Körper ist unwichtig geworden. Im Internet kann man
sich neu erfinden, sich eine andere Identität geben, auch körperlich.
Beim Chatten – der neuen Form urbaner, d.h. weitgehend anonymer
Kommunikation – können verschiedene Rollen ausprobiert werden, das
Alter, das Geschlecht, die Profession nach Belieben wechselnd. Durch
die Anonymität der Körper entsteht eine eigenartige Unbefangenheit beim
Flirten, Austausch von Intimitäten, beim Einholen oder Austeilen von
Lebensberatung. Man kann nicht das Gesicht verlieren, weil man es gar
nicht erst zeigt. Der Körper scheidet als Ausdrucksmedium und damit
auch als Orientierungssystem aus.
Im Internet eröffnet sich eine
neue Welt, deren Übergänge zur wirklichen Welt fließend sind. Die
Verlängerung der Großstadt in den virtuellen Raum. Eine Option, aus
seinem Alltagsleben auszusteigen, die es in dieser Form bisher nicht
gegeben hat. Internet-Flirts funktionieren ein bißchen wie
Karnevals-Bekanntschaften. Die Symbole der Distinktion sind außer Kraft
gesetzt. Es lernen sich Menschen kennen, die sich sonst niemals
begegnet wären. Und die im Grunde nur eines miteinander teilen: die
Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben, das Vergnügen, sich schriftlich
auszudrücken. Im Chat wahrt man die körperliche Distanz, auch wenn man
sich geistig noch so nahe kommt. Aber im wirklichen Leben schenken wir
dem Körper wieder unsere ganze Aufmerksamkeit. Bin ich gesund? Sehe ich
noch jung genug aus? Was war das jetzt wieder, was ziept da? Eine
Allergie vielleicht? Der Körper spricht zu uns, und wir sind geneigt,
ihm zuzuhören. Und so schleppen wir ihn ins Solarium, wir cremen ihn
ein, wir tragen ihn ins Fitneßcenter.
Hier hängen mittlerweile
nicht nur die Protagonisten der new economy ab und trainieren ihren
Körper. Es geht nicht um Gesundheit oder um Ausgleichssport. Es geht um
Körperbildung. Es werden Muskeln antrainiert, die kein Mensch je in
seinem Leben gebrauchen kann. Zwischen Entkörperlichung und
übertriebener Aufmerksamkeit für den Körper liegen keine Welten, es
sind zwei Seiten ein und derselben Sache. Körperlichkeit am Ende der
industriellen Moderne ist eine in sich zerrissene Geschichte. Wir
können mit ihm machen, was wir wollen, aber am Ende macht er mit uns,
was er will. Das ist ja gerade der Witz. Je mehr der Körper sinnlos
oder besser disfunktional wird, desto lauter rufen alle: hoch lebe der
Körper. Er erlebt eine dominante Funktionszuschreibung als Mittel der
Darstellung und des Ausdrucks.
3. Alltäglicher Rassismus
Mit
dem Körper hat in gewisser Weise auch das dritte Feld von Fragen zu
tun, das ich hier anreißen will: jugendliche rechte Gewalt. Sie stellt
sich als eine Inszenierung des Körpers dar, Gewalt ist ein Eingriff in
den Körper eines anderen. Aber ich möchte das Thema hier in eine andere
Richtung entwickeln:
Der Diskurs über Rechtsradikalismus hat mit
dem Vereinigungsprozeß der beiden deutschen Staaten eine erstaunliche
Wendung erfahren. Erschien er vor 1989 als Folge der in der
Bundesrepublik nicht konsequent aufgearbeiteten nationalsozialistischen
Vergangenheit, so wird er nun als Folge des „verordneten
Antifaschismus“ in der DDR interpretiert. Aber die Gewaltbereitschaft
der heutigen Jugend, die ihre Sozialisation vorherrschend unter den
Verhältnissen pluraler und liberaler Demokratie erfahren hat, läßt sich
nicht so umstandslos auf das politische System der DDR zurückführen.
Autoritäre Erziehung oder weitgehende Abwesenheit von Fremden reichen
als Erklärung für heutige Fremdenfeindlichkeit nicht aus.
Auch
sozialwissenschaftliche Bemühungen, Rechtsradikalismus mit jugendlicher
Devianz, also dem Fehlen geordneter familiärer Verhältnisse, mit
Arbeitslosigkeit und Chancenlosigkeit zu erklären, und Versuche, die
„gefallenen Jungs“ mit Sonderprogrammen auf den Weg der Tugend
zurückzuführen, befriedigen nicht.
Ein solch massiver sozialer
und kultureller Wandel, wie wir ihn gegenwärtig erfahren, ruft
Gegenbewegungen hervor. Orvar Lövgren vermutet dahinter eine
„marginalisierte Arbeiterklasse, die sich gegen Globalisierung wehrt,
indem sie noch nationaler, noch regionaler, noch lokaler, noch
heimatfixierter wird“, die sich einer „rituellen Beheimatung“ widmet
und dabei fremdenfeindlich wird. [31]
Rechtsradikale
Jugendliche, zu diesem Schluß kam unlängst eine Shell-Studie, seien
eine kleine Minderheit mit mangelnden Zukunftsaussichten. Sie hätten
das Gefühl, zu kurz zu kommen, weil der Staat sich um andere kümmere.
Diese „anderen“ sind für sie sichtbar anders: Ausländer, Behinderte,
Rußland-Deutsche, Obdachlose, Penner, Schwule usw. Überdies hätten die
Jugendlichen einen deutlichen Rückhalt in der älteren Generation. Sie
fungierten als Projektionsfläche der Wünsche und Ängste der
Erwachsenen. Die Erwachsenen würden ihre eigene Unsicherheit an die
Jugendlichen weitergeben. Die Ratlosigkeit der Eltern verwandele sich
dann in üble Aggressivität. Im Werteverlust der Jugend spiegele sich
die Wertekrise der Älteren.
Rechte Gewalt ist insbesondere im
Osten Deutschlands vielerorts präsent, ohne überhaupt Gewalt anwenden
zu müssen. Ihre Gegenwart ist schon Drohung genug: Glatze, Bomberjacke,
Springerstiefel, Stahlbehänge und Nieten – das Auftreten in der
Öffentlichkeit ist eine perfekte Performance. Der rechten Szene
zuzurechnenden Jugendgruppen okkupieren öffentliche Plätze, Kneipen,
Geschäfte. Gewaltbereitschaft wird offen gezeigt. Die Bevölkerung
sympathisiert oder duldet das Treiben weitgehend. Und das ist eine
Situation, die der Erklärung bedarf.
Ich möchte im folgenden
zwei Gedankenansätze verfolgen, die mir fruchtbar erscheinen: Das ist
zum einen die Frage nach der Spezifik jugendlicher Gewaltbereitschaft
und zum anderen die Frage nach den Wurzeln von Ausländerfeindlichkeit.
Der
Ethnologe Georg Elwert ordnet rechtsradikale Gewalt in ein größeres
Spektrum jugendlicher Protestkultur ein. Die jungen Täter befinden sich
in einer Schwellenphase zwischen Kindheit und Erwachsensein. In
verschiedenen Stammesgesellschaften gibt es Initiationsrituale, die
dieser Gruppe Gewalt in bestimmten Bahnen erlauben. „Männer zwischen 15
und 25, besonders kräftig und kreativ, suchen Gemeinschaft, Risiko und Ehre.
In der Jugend schafft man Bünde und Organisationen, die besser halten
als alles, was nachkommt. Im Risiko suchen junge Leute Selbsterfahrung
bis an die Grenzen. Und sie gewinnen Prestige, das sie von den Eltern
emanzipiert.“ [32] Es ist der Nervenkitzel, das Gefühl von Stärke, der
Reiz, der darin liegt, etwa Verbotenes tun. In einer Gesellschaft, die
sich fast aller Tabus entledigt hat, gibt es kaum noch etwas, mit dem
man provozieren kann. Klassische jugendliche Schandtaten wie
Graffitties sprayen, laut und enervierend Musik hören und Parties bis
in den Morgen zu feiern, zielen immer auf Provokation in der
Öffentlichkeit und rühren an den letzten Festen der erodierten
bürgerlichen Gesellschaft. Doch damit kann man zwar seine Nachbarn
nerven oder einen einzelnen Hausbesitzer, aber es regt sich nicht mehr
wirklich jemand drüber auf.
Wie kann man in unserer tabulosen
Gesellschaft, die von einer antiautoritären oder zumindest liberalen
Pädagogik des „alles verstehen“ geprägt ist, überhaupt noch
provozieren? Du färbst die die Haare grün? Das bringt doch höchstens
ein Achselzucken ein. Aber sich einer Gruppe gewaltbereiter
Jugendlicher zuzuordnen, sich eine Glatze schneiden zu lassen und
Schnürstiefel zu tragen, verspricht Auseinandersetzung.
Auch
Elwert interpretiert am Ende die jugendliche Gewalttat als „Chance der
Chancenlosen“. Das sind diejenigen, denen die Mittel und die Macht
fehlen, ihr Risikobedürfnis friedlich auszuleben, bspw. in Form einer
Unternehmensgründung. Es bieten sich ihnen keine lohnenden Risiken an,
außer dem „fight“. Nun könnte man sich berechtigterweise fragen,
inwiefern der Kampf einer Gruppe starker Burschen gegen einen einzelnen
„schwachen“ Ausländer oder Obdachlosen „Ehre“ erzeugt. Dürfte doch der
Moralkodex auch in der rechten Ideologie gelten. Doch das Risiko und
damit der Prestigegewinn liegt gar nicht im gewonnenen oder verlorenen
Kampf gegen einen einzelnen Ausländer, sondern in der dadurch
herausgeforderten Auseinandersetzung mit dem Staat, mit der Polizei,
den Autoritäten begründet.
Während es bei anderen kriminellen
Taten in der Regel darum geht, nicht gesehen und nicht erwischt zu
werden, werden Ausländer zusammengeschlagen, um gesehen und
wahrgenommen zu werden. Das Zusammenschlagen selbst passiert auch im
Dunkeln, aber um so provokanter wird am nächsten Morgen die
Zugehörigkeit zur Täterschaft gezeigt. Und so bewegt man sich immer
hart am Rand der Legalität. Das betrifft auch das Tragen
nationalsozialistischer Abzeichen und Symbole, die leicht verfremdet
werden, aber natürlich dennoch erkennbar sind. Das war schon in der DDR
so: nichts konnte eine Lehrerin mehr auf die Palme treiben, als ein in
die Schulbank geritztes Hakenkreuz.
Die Alternativen, die die
Gesellschaft für den Prestigegewinn zu bieten hat, richten sich
ausschließlich an das einzelne Individuum. Es sind
Individualisierungsoptionen, die dem Bedürfnis nach
Gruppenzugehörigkeit, nach Gemeinschaft, nach einem Lebenssinn, der
über das individuelle hinausreicht, nicht Rechnung tragen. Und dieses
Bedürfnis ist in unserer pluralistischen Gesellschaft – nach dem
Zusammenbruch der sozialistischen Gesellschaftssysteme einmal mehr –
schon von vornherein denunziert als „kollektivistisch“. Der
intellektuelle Abscheu vor der Masse, der bürgerliche vor der Gruppe,
unterstellt bei jeder Art kollektiver Handlung immer Entdifferenzierung
und Homogenisierung. Daher auch die Verständnislosigkeit gegenüber dem
jugendlichen Bedürfnis, in einer Gruppe aufzugehen.
Daß es sich
um ein Jugendphänomen – und damit um eine Schwellensituation in der
individuellen Biographie – handelt, zeigt sich deutlich bei den
Ausstiegsmotiven. Es ist nach Untersuchungen von Kriminologen der
zunehmende Vertrauensverlust in die Gruppenideologie, die
Unzufriedenheit mit dem Konformitätsdruck und die Mißbilligung durch
die Umwelt, neben der Erfahrung exzessiver Gewalt, die mit zunehmendem
Alter den Ausstieg nahelegen. In einem bestimmten Alter haben die
Jugendlichen keine Lust mehr auf Gruppenzugehörigkeit, sie möchten
ihren eigenen Vorlieben nachgehen.
Rechte Gewalt ließe sich so
in einen größeren Zusammenhang von Gewaltbereitschaft und
demonstrativer Jugendkultur einordnen. Doch das Thema hat mindestens
noch eine zweite Seite: Das Problem der Fremdenfeindlichkeit. Der
Philosoph Christoph Menke schlägt fast entgegengesetzt zu Elwert vor,
das Problem rechtsradikaler Jugend nicht als Gewalt schlechthin zu
fassen, sondern als spezifische Gewalt gegen Fremde.
Fremdenfeindlichkeit, so seine These, sei nicht das Problem
Jugendlicher, sondern die Spur der Ängste und Befürchtungen reiche „bis
weit in die Mitte der Gesellschaft... Die fremdenfeindliche Gewalt von
wenigen gründet in der fremdenfeindlichen Mentalität der vielen.“
Dieser Gedanke ist nicht neu, aber Menke führt ihn weiter, wenn er
postuliert, daß die Institutionen und Praktiken des
liberaldemokratischen Staates strukturell mit Mechanismen der Exklusion durchzogen sind.
Liberale
Demokratien billigen allen gleichen politischen Status zu, ungeachtet
kultureller Unterschiede. „Das Kulturelle, die unterschiedliche Weise,
in der wir die Dinge unseres Lebens sehen, machen liberale Demokratien
damit zur Privatsache. Ob wir jemandem kulturell nah oder fern,
vertraut oder fremd sind, betrifft nicht die Rechte, die wir allen
gleichermaßen zugestehen. Das heißt aber umgekehrt auch, daß die
Rechte, die wir politisch haben, mit keiner der kulturellen Sicht- und
Wertungsweisen verknüpft sind, die im privaten unsere Verhältnisse von
Nähe oder Fremdheit ausmachen. Die politischen Rechte sollen strikt
neutral sein.“ [34]
So verstehen sich liberale Demokratien, so
funktionieren sie aber nicht. Die Prinzipien liberaler Gleichheit
können immer nur im Zusammenhang mit kulturellen Sicht- und
Wertungsweisen angewandt werden. Das Selbstverständnis der liberalen
Demokratie verbindet sich mit einem Anspruch auf Universalismus der
westlichen Kultur – das hat Samuel P. Huntington exemplarisch
vorgeführt. Damit funktioniert selbst das Paradigma demokratischer
Gleichheit als Hegemonie einer bestimmten kulturellen Sicht- und
Wertungsweise – und damit als Unterdrückung oder Marginalisierung
anderer. Das liberale Gleichheitsprinzip ist zugleich eines der
Exklusion, es schließt alle von Entscheidungen aus, die die kulturellen
Wertvorstellungen nicht teilen. Ob zu Recht oder Unrecht, ist hier
nicht die Frage. Wichtig ist, daß das Prinzip der politischen
Gleichheit unter Absehung kultureller Unterschiede „selbst kulturelle
Unterscheidungen von Eigenem und Fremdem, Normalem und Abnormalem
hervor(bringt), und (...) solche kulturellen Unterscheidungen mit
politischer Bedeutung (ausstattet): Sie setzen die eine kulturelle
Deutung ihrer Prinzipien in Geltung und weisen die andere zurück; sie
definieren für Tätigkeiten Standards der Normalität und produzieren
damit in sich, aber an ihrem Rand Zonen und Formen des Abnormalen.“ [35]
Der
sozial oder kulturell Fremde ist ein Problem, weil wir dessen
Lebensweise nicht teilen, dessen Werteordnung nicht verstehen. Wir
begreifen die Zugewanderten in der Regel als unvollkommene Deutsche,
die für gewisse Zeit, zumindest in der ersten Generation, am Rande der
Gesellschaft leben werden. Wir verstehen sie als Opfer, als Entwurzelte
als Gezwungene und nicht als Menschen, die sich bewußt aus
Abhängigkeitsverhältnissen gelöst haben, und auf der Suche nach
größerer persönlicher Freiheit sind. Sie gehören eben auch in die
Kategorie der modernen Nomaden. In diesem Sinne schlägt der kanadische
Philosoph Charles Taylor eine Politik der Anerkennung vor. Sie läuft
darauf hinaus, den Eigenwert kultureller Differenzen zu schätzen und
die darauf gestützte Behauptung von Identität zu akzeptieren, ohne
deshalb Gruppenrechte nach dem Modell des völkerrechtlichen
Minderheitenschutzes zu garantieren. [36]
Was folgt daraus für
die Untersuchung fremdenfeindlicher Gewalt? Z.B., daß wir sie
grundsätzlicher angehen müssen, nicht nur als Problem extremer Gruppen.
Daß wir sie im Zusammenhang mit der Lebensweise kulturell Fremder in
unserer Gesellschaft untersuchen müssen. Alltäglicher Rassismus und Migration
bilden einen Zusammenhang. Und zwar als Frage nach der Bedeutung
kultureller Unterschiede in einer modernen Gesellschaft. Das Fremde,
der Andere muß uns in gewisser Weise gleich-gültig werden, das heißt
gleich geltend. Ich muß mit ihm auch eine Auseinandersetzung über seine
Lebensformen führen können, wenn sie für mich nicht akzeptabel sind.
Die Idee von der multikulturellen Gesellschaft verlangt aber gerade das
von der Mehrheitsgesellschaft: sie soll nachvollziehen, wie der andere
fühlt, denkt und lebt, und wenn ihm das nicht möglich ist, soll er sich
trotzdem jeder Beurteilung enthalten. Die Differenz ist das, was
tabuisiert wird, aus Angst, die Regeln politischer Korrektheit zu
verletzen. Und vielleicht auch, weil man sich dann umgekehrt gefallen
lassen müßte, daß sie mich kritisieren. Wenn ich die politische, die
intellektuelle, die kulturelle Auseinandersetzung nicht führe, dann
darf ich mich nicht wundern, wenn andere zum Knüppel greifen. Rechte
Gewalt – das hoffe ich deutlich gemacht zu haben – ist nicht etwas am
Rande der Gesellschaft, sondern geht als Riß mitten durch uns hindurch.
Sie
ist eine der möglichen, wenngleich destruktiven Antworten auf das
Globalisierungsproblem. In der ersten Moderne wurde der Zusammenhang
von erster und dritter Welt fraglos als Kolonialisierung, als Ausübung
imperialer Macht gelebt. Doch die Gewißheit des kulturellen
Universalismus der westlichen Welt ist heute tief erschüttert. Unter
dem Begriff Globalisierung – mit dem erst einmal nichts weiter
bezeichnet sein mag als die Auflösung nationalstaatliche
Grenzziehungen, das Ineinandergreifen der verschiedenen Welten, ihre
Interdependenz, ihr miteinander unauflösbares Verwickeltsein – verbirgt
sich im Kern ein Prozeß der Neuordnung der Welt. Die alten
Machtstrukturen lassen sich nicht auf neuer Stufe reproduzieren.
Globalisierung ist nicht einfach eine weitere Bewegung des
Weltkapitalismus, sondern ein Aushandlungsprozeß, den es so noch nicht
gegeben hat. Mit dem Begriff Globalisierung sind Verhältnisse
bezeichnet, die unsere Welt zum Zerreißen spannen. Und die – damit
komme ich zurück zur Perspektive der Europäischen Ethnologie – von den
Individuen gelebt werden müssen.
4. Herausforderungen an die Europäische Ethnologie
Auf
den letzten Seiten habe ich versucht, drei Themenfelder zu umreißen.
Die Geschichten, so willkürlich ausgewählt sie erscheinen mögen, sind
nicht zufällig. Sie zielen alle im Kern auf das Problem von Individuum
und Kultur in der zweiten Moderne, auf die Antworten, die die
Individuen auf solche Problemlagen geben. Die moderne Nomaden geben
eine andere Antwort auf die Globalisierungswidersprüche als rechte
Jugendliche oder die Chatter im Internet. Der tanzende Bergarbeitersohn
reagiert anders auf die Herausforderungen der Deindustrialisierung als
der ostdeutsche Pendler. Ob sie es wollen oder nicht, sie setzen sich
damit auseinander, daß die Welt zu uns kommt.
Die Perspektive,
die die Europäische Ethnologie an die Fragen unserer Zeit anlegt, ist
die des individuellen Subjekts, nicht des psychologischen, sondern des
sozialen Individuums. Uns interessiert, wie die Widersprüche der
Moderne von den Individuen gelebt und verarbeitet werden, welche
Bewältigungsformen sie entwickeln und in welche Erlebniswelten sie
eingesponnen sind. Die Europäische Ethnologie arbeitet mit einem
Kulturbegriff, der von den Erfahrungen der Individuen ausgeht. Sie ist
eine empirische Erfahrungswissenschaft: Wie organisieren die Individuen
ihr Leben in der Moderne? Das ist nicht nur die Frage danach, wie sie
die vorfindlichen Strukturen betätigen oder widerständig ausnutzen,
sondern wie sie sie im alltäglichen Lebensprozeß herstellen,
produzieren, erfinden.
Dabei hilft ein methodologischer Trick:
die eigene Gesellschaft zu betrachten, wie einen fremden Stamm. Das
Fremde im Eigenen aufsuchen. Aus der kulturellen Mitte heraus auf die
Ränder der Gesellschaft sehen. Sich an den Rand oder sogar in die
Außenperspektive begeben und von dort einen Blick in die Mitte werfen.
Und das alles als ein alles immer wieder in Frage stellendes Prinzip.
Es werden die (Selbst)gewißheiten moderner Gesellschaften auf ihre
Gültigkeit befragt. Dabei ist unser Fach einer dezidiert
ethnographischen Herangehensweise verpflichtet.
Wir sollten
die „kleinen Beobachtungsfelder“ heiligen und dennoch auf das
Spannungsverhältnis von Globalisierung und Individualisierung aus sein.
Die besonderen methodologischen Stärken unseres Faches liegen im
qualitativen hermeneutischen Zugang begründet: der Feldstudie, der
Mikroanalyse, der biographischen Untersuchung, der dichten Beschreibung
– die Einblicke geben in ansonsten verschlossene Innenwelten, in
„gelebte Kultur“. Wir verlassen uns darauf, daß der Mensch einen Körper
hat, in dem er und einen Ort, an dem er lebt. Wir untersuchen sie als
die Schauplätze seiner sozialen und kulturellen Praktiken und richten
von hier aus Fragen an das große Ganze, was die Gesellschaft
zusammenhält.
Es gilt dabei, „das neue Wilde der Wirklichkeit“
begrifflich einzufangen, wie das Ulrich Beck einmal formuliert hat.
[37] Das wird nur funktionieren, wenn die Begrifflichkeiten und
Kategorien weiter entwickelt werden. Für unser Fach sind die Begriffe
Individuum und Kultur zentral. Doch gerade der Kulturbegriff wird
derzeit von verschiedener Seite besetzt. Das neue öffentliche Interesse
am Kulturellen, das sich in der Konjunktur des Kulturbegriffs
ausdrückt, sollten wir nicht als Bedrohung, als Untergrabung der
Kompetenzen des Faches verstehen, sondern als Aufforderung, unser
Kulturverständnis dezidiert zur Geltung zu bringen, unser begriffliches
Instrumentarium offensiv in der interdisziplinären Auseinandersetzung
zu stärken, statt uns auf künstliche disziplinäre Abgrenzungen zu
kaprizieren.
Die Angst, dabei die Eigenständigkeit aufzugeben,
die Fachspezifik zu verlieren, ist nicht unbegründet. Das darf jedoch
nicht dazu führen, daß wir uns aus den großen Debatten unserer Zeit
heraushalten. Mit Stichworten wie Natur und Kultur oder Leitkultur sind
zentrale Fragen unseres Faches angesprochen, zu denen wir uns ins
Verhältnis setzen müssen. Da wird es nicht ausbleiben, daß man sich
einmischt. Europäische Ethnologie, so wie ich sie aus der Berliner
Schule kommend verstehe, ist ein politisches Fach, dem ich mehr Mut zur
energischen Grenzüberschreitung, zum theoretischen und methodischen
Risiko wünsche, damit ihm nicht eines Tages der Vorwurf gemacht wird,
mit dem sich gerade die Philosophie auseinandersetzen muß: den Staub
der Archive aufzuwühlen, statt sich um die drängenden Probleme zu
kümmern.
Eine Antrittsvorlesung bietet die Gelegenheit,
Forschungsperspektiven zu skizzieren, Probleme anzureißen,
Gegenstandsfelder abzustecken und sich so in der universitären
Landschaft zu verorten. Davon erhoffe ich mir Anregungen, Kritik und
Angebote zum Mitdenken oder sogar zur Zusammenarbeit. Derart komplexe
Phänomene, wie die, mit denen wir es in unserer heutigen Kultur zu tun
haben, können nicht mehr von „Einzelkämpfern“ angemessen bearbeitet
werden.
Und damit möchte ich zum Schluß noch einmal mein Thema
aufgreifen: Außerhalb von mittendrin, das heißt: Wir stecken selber
drin in den Prozessen, die wir untersuchen. Wir sind selber Teil der
Gesellschaft, die wir zu deuten versuchen, selbst wenn wir dazu eine
Außenperspektive bemühen.
Anmerkungen
[1] Die Zeit Nr. 16, 11. April 2001.
[2]
Mit dem Terrorangriff des 11. September 2001 ist die Notwendigkeit, den
westlichen Universalismus aus sich selbst heraus zu problematisieren,
überdeutlich geworden. Doch die politische Reaktion ist genau
entgegengesetzt: Sie insistiert auf die Stabilisierung des westlichen
Werteuniversums.
[3] Ulf Hannerz: „Kultur“ in einer vernetzten
Welt. Zur Revision eines ethnologischen Begriffes. In: Wolfgang
Kaschuba (Hg.): Kulturen – Identitäten – Diskurse. Perspektiven
Europäischer Ethnologie. Berlin 1995, S. 64-84, S. 69.
[4]
Wolfgang Bonß/Sven Kesselring: Mobilität und Moderne. In: Ulrich
Beck/Wolfgang Bonß (Hg.): Reflexive Modernisierung, FaM 2001 (im
Erscheinen), zitiert nach Norbert F. Schneider/ Kerstin Hartmann/Ruth
Limmer: Berufsmobilität und Lebensform. Sind berufliche
Mobilitätserfordernisse in Zeiten der Globalisierung noch mit Familie
vereinbar?, unveröff. MS, Mainz und Bamberg, Februar 2001, S. 10.
[5] Schneider /Hartmann/Limmer: Berufsmobilität.
[6] Ebd., S. 3.
[7] Ebd., S. 149.
[8] Ebd., S. 148.
[9]
Gundula Englisch: Jobnomaden. Wie wir arbeiten, leben und lieben
werden, Frankfurt am Main/New York 2001, S. 33. Gundula Englisch
schwingt sich regelrecht zu utopischer Euphorie auf, wenn sie schreibt:
„Die Welt von morgen ist ständig in Bewegung, grenzüberschreitend und
nicht territorial. Sie ist dezentral und vernetzt. Sie bewegt sich weg
von den Machtzentralen und hin zum einzelnen Menschen. Sie verwandelt
seßhafte, abhängig beschäftigte Lohnempfänger in mobile Jobnomaden, die
frei über ihre Arbeitskraft verfügen. Sie fordert den Verzicht auf
überflüssigen Ballast, in materieller und in mentaler Hinsicht. Sie
bricht fest gefügte Regeln und Beziehungen auf. Sie bietet Sicherheit
nicht hinter Mauern und Zäunen, sondern in der Vielfalt geistiger
Fähigkeiten und Talente. Sie fordert auf zum Loslassen und zum
ständigen Aufbruch, denn Routine ist ihr fremd. Und sie konfrontiert
uns jeden Tag aufs Neue mit Unsicherheit und läßt den Weg zum Ziel
werden.“ , S. 12. Für Englisch verbinden sich mit der neuen Form
kapitalistischen Wirtschaftens geradezu utopische Bilder einer
andersartigen Lebensweise: „Nomadische Arbeit dient zwar der
Existenzsicherung, aber nicht der Anhäufung von Reichtum und Besitz.
Die mobile Lebensweise erfordert eine Beschränkung der materiellen
Güter auf das Wesentliche. Dagegen sind immaterielle Werte wie
Erfahrung, Wissen und Beziehungen hoch angesehen innerhalb der
Gesellschaft. Muße – Naturbetrachtung, Kontemplation, Musik,
Erzählungen, Gespräche – spielen im Alltag eine ebenso wichtige Rolle
wie die Arbeit...“ S. 75.
[10] Vgl. Richard Sennett: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin 1998.
[11]
Jan Nederveen Pieterse: Der Melange-Effekt. Globalisierung im Plural,
87-124. In: Ulrich Beck (Hg.): Perspektiven der Weltgesellschaft,
Frankfurt am Main 1998, S. 95.
[12] Schneider /Hartmann/Limmer: Berufsmobilität, S. 18.
[13] Ulrich Beck/Anthony Giddens/Scott Lash: Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt am Main 1996, S. 11.
[14] Marshall McLuhan: The Global Village. Der Weg der Mediengesellschaft in das 21. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1995, S. 97.
[15]
Orvar Lövgren: Leben im Transit? Identitäten und Territorialitäten in
historischer Perspektive. In: Historische Anthropologie 3/1995, S.
349-363, S. 362.
[16] Ebd., S. 357.
[17] Villém Flusser:
Wohnung beziehen in der Heimatlosigkeit. In: Ders. Von der Freiheit des
Migranten. Einsprüche gegen den Nationalismus, Bensheim 1994, S. 27.
[18]
Ulrich Beck: Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus –
Antworten auf Globalisierung, Frankfurt am Main 1997, S. 129.
[19]
Das macht im übrigen offenbar den weltweiten Erfolg von Ladenketten wie
McDonalds aus: Egal, wo immer ich auf dieser Erde bin, wenn ich Hunger
habe, weiß ich, wo ich mit Sicherheit einen bestimmten Geschmack
bekommen kann.
[20] Schneider /Hartmann/Limmer: Berufsmobilität, S. 11.
[21] Ronald Hitzler: Heimwerker des Lebens, Interview von Sabine Rückert. In: Die Zeit Nr. 34, 17.8.2000, S. 12.
[22]
Arjun Appadurai: Globale ethnische Räume. Bemerkungen und Fragen zur
Entwicklung einer transnationalen Anthropologie. In: Ulrich Beck (Hg.):
Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt am Main 1998, S. 11-40, S.
21.
[23] Vgl. Andrew Kirby: Wider die Ortlosigkeit. In: Beck: Weltgesellschaft, S. 168-175, S. 172.
[24] Joshua Meyrowitz: Das generalisierte Anderswo. In: Beck: Weltgesellschaft, S. 176-191, S. 178.
[25] Ebd., S. 186.
[26] Ebd., S. 189.
[27] Anthony Giddens: The Consequences of Modernity, Stanford 1990, S. 9.
[28]
Akhil Gupta/James Fergusen: Beyond “Culture”. Space, Identity, and the
Politics of Difference. In: Cultural Anthropology, 7.1. (1992), S. 6-23.
[29] Appadurai: Globale ethnische Räume, S. 18f.
[30] Großbritannien 2000, Regie: Stephen Daldry.
[31] Lövgren: Transit, S. 351.
[32] Georg Elwert: Die rüden Krieger. Gewalt dient jungen Nazis auch als Initiationsritual. In: Die Zeit Nr. 39, 21.9.2000.
[33] Christoph Menke: Die Dunkelzonen der Demokratie. In: Die Zeit Nr. 15, 5.4.2001, S. 47.
[34] Ebd.
[35] Ebd.
[36] Vgl.: Ulrich K. Preuss: Multikultur ist nur eine Illusion. In: Die Zeit Nr. 23, 31.5.2001, S. 13.
[37] Beck/Giddens/Lash: Reflexive Modernisierung. S. 25.
Antrittsvorlesung der Autorin an der Philipps-Universität Marburg am 4.7.2001. Zeitschrift für Volkskunde 2002/II, S. 229-256.
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