Verbleibstudie der Studierenden der Fachrichtung Kulturwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität zwischen 1963 und 2007
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Im Rahmen eines Projekts zur Geschichte der Kulturwissenschaft
ist eine Studie erarbeitet worden, die dem Lebensweg und dem
beruflichen Werdegang ehemaliger Studierender der Fachrichtung
Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin nachgeht.
Der Studiengang Kulturwissenschaft
Der Studiengang Kulturwissenschaft war eine „DDR-Erfindung“. Er
wurde 1963 – erstmalig im deutschsprachigen Raum – an der
Humboldt-Universität zu Berlin und an der Karl-Marx-Universität Leipzig
eingerichtet. Bis 1990 sind an beiden Hochschulen insgesamt etwa 2500
Diplom-Kulturwissenschaftler ausgebildet worden.
Der Studiengang war inhaltlich breit angelegt. Er umfasste Themen
aus der allgemeinen Kulturgeschichte der Menschheit ebenso wie
spezielle Probleme, die sich aus der kulturellen Entwicklung in der DDR
ergaben. Die Lehrangebote reichten vom antiken Schönheitsideal über die
Leibnizsche Monadologie bis zum Bauhaus, zu den Trinksitten der
Arbeiter und zum Platz der Populären Musik im Alltag von Jugendlichen.
Es ging darum, eine umfassende Bildung (namentlich in Philosophie,
Kulturgeschichte, Ästhetik, Kulturtheorie, Literatur-, Kunst-, Theater-
und Musikwissenschaft) sowie wissenschaftliche Arbeits- und Denkweisen
zu vermitteln.
Berufsbilder mit klaren Tätigkeitsprofilen waren an diesen
Studiengang nicht geknüpft. Der Platz des Kulturwissenschaftlers hing
mit dem Rang der Kultur in der DDR-Gesellschaft zusammen.
„Sozialistische Kultur“ sollte „Kultur für alle“ sein. Sie gehörte zu
den in der Verfassung verankerten Staatszielen – ein Programm, dessen
Inhalt immer wieder neu auszuhandeln war. Dafür wurden Fachleute
gebraucht, die zwischen unterschiedlichen Sphären und Interessen
vermitteln konnten. Kulturwissenschaftler als „Spezialisten des
Allgemeinen“ schienen dafür geeignet. Sie sollten die Kommunikation
organisieren zwischen Politik und Kultur, eingeschlossen Kunst und
Wissenschaft. In jenem Spannungsfeld, wo ständig strittige Ansprüche
und divergierende Fachsprachen aufeinander trafen, hatten sie weder als
„Kulturpapst“ oder Kunstrichter aufzutreten, noch sich direkt in die
Politik einzumischen. Nach Auffassung der Lehrenden war es ihre
Aufgabe, eine kritische Distanz zu allen Seiten zu wahren und dafür zu
sorgen, dass die Exponenten heterogener Positionen im Gespräch blieben
und zu einvernehmlichen Lösungen fanden.
Ziel der Untersuchung
Nach dem Ende der DDR, nach einem rigorosen „Elitenaustausch“ und
nach der faktischen Liquidierung des oben beschriebenen Studiengangs
bestand Anlass für einen kritischen Rückblick. Es ging darum, die
spezifische Leistungsfähigkeit wie die Grenzen von drei Jahrzehnten
kulturwissenschaftlicher Forschung und Lehre an der
Humboldt-Universität zu erkunden.
Dabei sollten die Absolventen des Diplomstudiengangs
Kulturwissenschaft einbezogen werden. Als Zeitzeugen sind sie
unerlässliche „Gewährsleute“ nicht nur für die Wissenschafts- und
Universitätsgeschichte, sondern auch für die Kulturgeschichte dieses
Landes.
Um die Auskünfte der ehemaligen Studierenden einzuholen und als
Quellen zu sichern, ist 2007 eine schriftliche Befragung unter den
Beteiligten durchgeführt worden. Der Fragebogen enthielt
standardisierte und offene Fragen.
Im Einzelnen bestand das Ziel darin herauszufinden, aus welchen
sozialen Gruppen die Studenten kamen, in welchem Alter sie studierten
und welchem Geschlecht sie angehörten, welche Studienform sie wählten
(Direktstudium oder berufsbegleitendes Fernstudium), welche schulischen
und beruflichen Stationen sie vor dem Studium durchlaufen hatten, wie
sie das Studium finanzierten, in welcher familiären Situation sie
studierten, wie sie als Studenten wohnten, welche Abschlüsse sie
erreichten, wie sich der Übergang ins Berufsleben gestaltete, welche
Wege da offen standen und was aus den Karrieren wurde, als die DDR
aufhörte zu existieren. In diesem Zusammenhang ist auch nach
Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit, vorzeitiger Berentung, ABM-Tätigkeit,
Umschulung und Fortbildung gefragt worden. Schließlich wurden
Informationen über das derzeitige Tätigkeitsfeld, den aktuellen Status,
über berufliche Zukunftsaussichten sowie über außerberufliche Projekte
und Ehrenämter erbeten. Mit einem abschließenden, eher qualitativen
Fragenkomplex sollte ergründet werden, wie ehemalige Studierende in der
Rückschau ihr Studium beurteilen.
Ziel der Umfrage war es, Eckdaten einer „kollektiven Biografie“ der
Immatrikulationsjahrgänge 1963 bis 1993 zu gewinnen. Diese Daten geben
Auskunft über einen geschichtlichen Personenkreis, der in der DDR an
der Humboldt-Universität Berlin ein neu eingerichtetes
gesellschaftswissenschaftliches Fach studierte und mit dem erworbenen
kulturellen Kapital in zwei verschiedenen politisch-rechtlichen
Ordnungen beruflich zu bestehen hatte.
Eine derart reflektierte Langzeitdokumentation, die empirisch reich
gestützt ist, schließt eine Lücke und hat vor allem historischen Wert.
Sie soll angesichts des bevorstehenden 200. Universitätsjubiläums dem
Verschwinden eines erfolgreichen Studiengangs und der DDR insgesamt aus
dem öffentlichen Bewusstsein entgegenwirken.
Träger der Studie
Träger der Studie war die Kulturinitiative ’89 – Gesellschaft für demokratische Kultur,
also ein außeruniversitäres Gremium. Dieser Kulturverein unterstützt
kulturpolitische Konzeptionsbildungen und fördert die Kulturforschung.
Die Studie bezieht mit ihren Sachaussagen Stellung in den aktuellen
Kulturdebatten, erfüllt aber vor allem eine Chronistenpflicht. Sie
dokumentiert wichtige Aspekte der Kulturgeschichte der DDR wie des
deutschen Einigungsprozesses, die von anderer Seite nicht untersucht
und in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. Folgen für die
weitere Ausgestaltung kulturwissenschaftlicher Studiengänge werden die
gesammelten Studien- und Berufserfahrungen ehemaliger Studierender
wahrscheinlich nicht haben.
Vorgehen und Sample
Insgesamt wurden 1284 ehemalige Studierende namentlich ermittelt.
Diese Übersicht dürfte unvollständig sein, da sämtliche Namen aus dem
Gedächtnis rekonstruiert bzw. privaten Notizen entnommen wurden. Auf
ein universitätseigenes Studierendenverzeichnis konnte nicht
zurückgegriffen werden.
Nach dieser unvollständigen Namensliste hätte die
Humboldt-Universität mit den Kulturwissenschaftlern etwa 1,5 Prozent
der im Kulturbereich der DDR Beschäftigten ausgebildet. In ihrer
Gesamtheit hätten Studenten der Kulturwissenschaft knapp ein Prozent
der zwischen 1949 und 1990 an der Humboldt-Universität ausgebildeten
Studierenden ausgemacht.
Von 80 % der namentlich Ermittelten konnten über das Telefonbuch,
durch Recherchen im Internet und durch Nachfragen bei ehemaligen
Kommilitonen Adressen festgestellt werden.
Von März bis Juli 2007 wurden 1032 Fragebögen zusammen mit einem
das Projekt erläuternden Begleitbrief per E-Mail bzw. postalisch
versandt. Aus Kostengründen musste der Fragebogen auf drei Seiten mit
insgesamt 22 Positionen beschränkt werden. Höhere Auslagen für Porto
hätte der tragende Verein nicht aufbringen können. (Fragebogen und
Anschreiben befinden sich im Anhang.) Von den verschickten Sendungen
kamen 58 (5,6 %) als unzustellbar zurück. 974 erreichten offenbar die
jeweiligen Adressaten, wobei es sich mitunter auch um „Doppelgänger“,
also nicht um die Gesuchten gehandelt haben dürfte. 371 verwertbare
Fragebögen wurden zurückgeschickt. Die Rücklaufquote betrug demnach
38,1 % aller zugestellten Fragebögen. Angesichts der Tatsache, dass der
Studienabschluss bis zu 40 Jahre zurücklag und es unterdessen einen
politischen Umbruch gegeben hatte, der das DDR-Studium delegitimierte,
ist dies ein bemerkenswertes Ergebnis.
Anteil der einzelnen Immatrikulationsjahrgänge am Rücklauf der Fragebögen
An der Umfrage beteiligten sich ehemalige Studierende aller
insgesamt 34 Immatrikulationsjahrgänge in den beiden Studienformen
Direkt- und Fernstudium. Bezogen auf die namentlich Ermittelten
(einschließlich der bereits Verstorbenen, der Studienabbrecher, der
Fachrichtungswechsler sowie der Personen mit unbekannter Adresse)
nahmen zwischen 11 und 64 Prozent eines Immatrikulationsjahrganges am
Projekt teil. Eine repräsentative Auswahl der Probanden erfolgte nicht.
In die Erhebung einbezogen wurde, wer erreichbar und zur Auskunft
bereit war.
Zahlenmäßiges Verhältnis der Geschlechter
Insgesamt war unter den namentlich Ermittelten die Relation mit 649
(51,5%) Studentinnen zu 611 (48,5%) Studenten relativ ausgewogen –ein
überraschender Befund. Erfahrungsgemäß kommen sonst in
kulturwissenschaftlichen Studiengängen drei bis vier weibliche
Studierende auf einen männlichen.
Allerdings verschoben sich die Proportionen, sobald Direkt- und
Fernstudenten gesondert betrachtet wurden. Im Direktstudium betrug der
Anteil weiblicher Studierender 65 %, im Fernstudium 42 %. Beim Rücklauf
ergab sich eine ähnliche Quote. 51,8 % der zurückgeschickten Fragebögen
kamen von Absolventinnen, 48,2 % von Absolventen. Dabei stellten die
Frauen bei ehemaligen Studierenden des Direktstudiums einen Anteil von
63,2 %, bei denen des Fernstudiums von 38,8 %.
![Grafik 1](_bilder/_dyn/2007/2007-10-18_Grafik%201.jpg)
Grafik 1: Immatrikulierte Studenten des Studienganges bis 1989 nach
Geschlecht und Verteilung der Geschlechter im Sample der Verbleibstudie
Der größere Anteil männlicher Studierender im Fernstudium hing
einmal mit dem höheren Lebensalter und der damit verbundenen stärkeren
familiären Einbindung zusammen, die Männern und Frauen unterschiedliche
Möglichkeiten einräumte. Die Fragebögen belegen, dass Männer auch mit
vier bis sechs Kindern in der Familie ein Fernstudium zu bewältigen
vermochten. Frauen hatten dagegen schon mit ein bis zwei Kindern Mühe,
zusätzlich zur Vollzeit-Berufstätigkeit und zu den Haushalts- und
Familienpflichten ein fünfjähriges Fernstudium durchzustehen. Hinzu
kam, dass Männer in der Aufsteigergesellschaft DDR häufiger auch ohne
ausreichende Qualifikation berufliche Positionen besetzten oder in
Aussicht hatten, die zwingend ein universitäres Diplom verlangten. Hier
waren Druck und Förderung seitens der delegierenden Betriebe wesentlich
stärker, den erforderlichen Hochschulabschluss zu erwerben.
Soziale Herkunft
Die soziale Herkunft wurde für die Erhebung bewusst an den in der
DDR gebräuchlichen (und immer auch strittigen) Kategorien festgemacht.
Die heute üblichen Zuordnungen (unterschieden wird nach hoher,
gehobener, mittlerer und niederer Herkunftsgruppe, wobei Kriterien wie
der höchste Bildungsabschluss sowie Prestige, Entscheidungsautonomie
und Einkommenshöhe des Berufs der Eltern ausschlaggebend sind) ließen
sich auf die damaligen Verhältnisse nicht anwenden. Sie hätten zudem
von den Absolventen die Preisgabe zahlreicher detaillierter Daten
verlangt.
Während im Direktstudium Studierende aus Akademiker- und
Nicht-Akademikerfamilien sich etwa die Waage hielten, kamen im
Fernstudium fast drei Viertel aus Nicht-Akademikerfamilien. Die
staatliche Auflage, nach der alle sozialen Gruppen entsprechend ihrem
Anteil an der Gesamtbevölkerung der DDR in der Studentenschaft
vertreten sein sollten, wurde zumindest im Direktstudium nicht erfüllt.
Nacherhebungen würden vermutlich zu differenzierteren Aussagen
führen. Einerseits handelte es sich bei einem Teil der so genannten
Intelligenz-Eltern um Studierte der ersten Generation, d.h. um
Personen, die selbst nichtakademischer Herkunft waren, einen Beruf
erlernt und erst in der DDR ein Hochschulstudium absolviert hatten. Im
Direktstudium drängte ab 1965 die zweite Generation dieser neuen
Funktionselite an die Universitäten, während im Fernstudium zu dieser
Zeit noch die Aufsteigergeneration selbst vertreten war. Andererseits
erfolgte die Zuordnung zur Gruppe der Arbeiter mitunter nach
politischen, nicht nach sozialstatistischen Kriterien.
Eine Reihe von Absolventen machte zur sozialen Herkunft mehrere
Angaben, um anzudeuten, dass in der Familie verschiedene soziale
Milieus präsent und auch beruflich aktiv waren. Nicht in allen Fällen
ließ sich eindeutig ein „Familienoberhaupt“ oder „Ernährer“ ausmachen.
Auch dies dürfte ein Charakteristikum der Kulturgeschichte der DDR als
einer im sozialen Umbruch befindlichen Gesellschaft sein.
Alter der Studierenden
Der älteste ermittelte Fernstudent gehörte dem Geburtsjahrgang 1917
an, die jüngste an der Umfrage beteiligte Fernstudentin dem Jahrgang
1964 und die jüngste Teilnehmerin aus dem Direktstudium dem Jahrgang
1974. Dazwischen liegen 57 Jahre, also mehrere Generationen – eine für
eine Verbleibstudie ungewöhnlich große Spanne. Wenn man bedenkt, dass
der Älteste noch im Kaiserreich geboren wurde und die Jüngste beim Ende
der DDR 16 Jahre alt war, sind die Studierenden doch mit sehr
unterschiedlichen geschichtlichen Erfahrungen an die Universität
gekommen. Dieser Zeithorizont ist bei allen Befunden mitzudenken.
In der Geschichte des Ausbildungsganges lag das Durchschnittsalter
der Studienanfänger im Direktstudium konstant bei gut 20 Jahren. Im
Fernstudium betrug es 30 Jahre. Es sank von 32,6 Jahren im Jahre 1964
auf 27,6 Jahre im Jahr 1989. Nachdem der Bedarf an nachholender
Qualifikation halbwegs gedeckt war, wurden kaum noch Fernstudenten
immatrikuliert, die älter als 40 Jahre waren. Das Eintrittsalter der
Fernstudenten ging auch deshalb zurück, weil immer mehr abgelehnte
Bewerber des Direktstudiums versuchten, auf diesem Weg den angestrebten
Hochschulabschluss zu erreichen.
Die folgenden Daten dürften mehr oder weniger für alle Studierenden
in der DDR zutreffend gewesen sein. Auffällig ist die frühe soziale und
emotionale Selbständigkeit der Direktstudenten.
Familiäre Situation
Dargestellt wird die familiäre Situation der Studierenden gegen
Ende des Studiums, also im Alter von durchschnittlich 25
(Direktstudium) bzw. 35 (Fernstudium) Jahren.
Für über die Hälfte der Direktstudenten war die Zeit der
akademischen Ausbildung zugleich die Zeit der Familiengründung. 36 %
von ihnen hatten Kinder. Das unterschied diese Studentenschaft
grundsätzlich von allen vorangegangenen Studentengenerationen und auch
von der gegenwärtigen. Das traditionelle Dreiphasenmodell Studium –
Berufseintritt/Karriere – Familiengründung war in der DDR zwischen 1965
und 1990 offenbar außer Kraft gesetzt worden. Relative finanzielle
Sorgenfreiheit, gute Ausstattung mit Kinderbetreuungseinrichtungen und
die Gewissheit, nach dem Studium auch mit Kind oder Kindern einen
angemessenen Arbeitsplatz zu finden, bildeten dafür die Voraussetzung.
Für die Universität und das Institut für Kulturwissenschaft erwuchs
daraus die Verpflichtung, für elternfreundliche Studienbedingungen zu
sorgen. Das schloss viele individuelle Regelungen ein, betraf aber auch
generelle Entscheidungen wie etwa das Zeitregime an der Universität. So
begannen zum Beispiel Lehrveranstaltungen – in Abhängigkeit von den
Öffnungszeiten der Kinderkrippen und –gärten - morgens um 7.30 Uhr,
damit die Abendstunden für die Familien frei blieben. Studierende
Eltern waren offenbar hoch motiviert, in der Ausbildung dennoch gut
voranzukommen. Legt man die eingegangenen Fragebögen zugrunde, so haben
sie im Durchschnitt dieselben Abschlüsse in derselben Zeit erreicht wie
ihre kinderlosen Kommilitonen. Das galt sogar für allein erziehende
Mütter, von denen es im Direktstudium sieben (17 % der Mütter im
Direktstudium), im Fernstudium zwölf (26 % der Mütter im Fernstudium)
gab.
Grafik 2: Partnerschaft/Ehe und Kinder der Studierenden gegen Ende der Studienzeit
(n= 193 Direktstudium; n = 170 Fernstudium)
Studentisches Wohnen
Gezeigt werden die Wohnverhältnisse der Studierenden gegen Ende des
Studiums. Erstaunlich ist, dass trotz Wohnungsmangels und staatlicher
Wohnraumvergabe vier Fünftel der Direktstudenten zu diesem Zeitpunkt in
eigenen Wohnungen lebten. 8 Prozent wohnten während des gesamten
Studiums bei den Eltern, weitere 8 Prozent im Wohnheim und 2 Prozent
zur Untermiete. Wohngemeinschaften (WG) waren in der DDR nicht üblich.
Auf Grund der niedrigen Mietpreise bestand keine Notwendigkeit dafür,
und als alternative Wohnform waren sie für „kollektiverfahrene“
Menschen wenig attraktiv. Erst nach 1990 lebten fünf Studierende (knapp
3 Prozent) in einer WG. Zu Studienbeginn lag der Anteil der im Wohnheim
bzw. zur Untermiete wohnenden Studenten dreimal so hoch wie gegen Ende
der Studienzeit, bei den Eltern wohnten anfangs doppelt so viele
Studierende wie am Schluss.
Grafik 3: Wohnverhältnisse der Studierenden: eigene Wohnung gegen Ende der Studienzeit
Studienfinanzierung
Fernstudenten finanzierten ihren Lebensunterhalt während des
Studiums durch eigene Erwerbstätigkeit. Zum Besuch der
Lehrveranstaltungen (monatlich vier bis fünf Tage), zu Prüfungen und
zur Anfertigung der Diplomarbeit wurden sie unter Fortzahlung ihrer
Bezüge von der Arbeit freigestellt. Spezielle Studiengebühren wurden
nicht erhoben. Betriebe und Institutionen konnten ihre studierenden
Mitarbeiter zusätzlich durch Büchergeld und andere Leistungen
unterstützen.
Direktstudenten waren auf andere Finanzquellen angewiesen. Zwischen
1981 und 1990 erhielten alle Ostberliner Direktstudenten ein
staatliches Grundstipendium in Höhe von 215 Mark, das durch
Leistungsstipendien und Kinderzuschläge aufgestockt werden konnte. Vor
1981 war die Gewährung eines Grundstipendiums abhängig vom sozialen
Status sowie vom Einkommen der Eltern bzw. des Partners und von der
eigenen Tätigkeit vor dem Studium. (Leistungsstipendien wurden
unabhängig davon gezahlt.)
Nach Auskunft der befragten Absolventen haben vor 1981 nur in 18
Fällen ausschließlich die Eltern oder Partner das Studium finanziert.
Ebenso viele ehemalige Studierende haben diese Frage nicht beantwortet.
Vor 1990 erhielten also insgesamt mindestens 81 Prozent der
Direktstudenten ein staatliches Stipendium. 29 % der Direktstudenten
wurden zusätzlich zum Stipendium von ihren Eltern, Großeltern oder
Partnern finanziell unterstützt. 1,7 % erhielten Zuwendungen von
früheren Arbeitsstellen. Weitere Finanzierungsquellen waren Renten
sowie Mittel aus der Sportförderung. Eigene Erwerbstätigkeit spielte
bei Direktstudenten vor 1990 eine untergeordnete Rolle. Sie beschränkte
sich auf gelegentliche Aushilfen, Heimarbeit, Ferienjobs und sogenannte
„Muggen“. Nach 1990 erhielten 23 Direktstudenten Bafög. Von da an
gehörte die eigene Erwerbstätigkeit zur normalen Studienfinanzierung.
Grafik 4: Finanzielle Verhältnisse der Studierenden (Direktstudium)
(n= 193; *bis 1990; ** ab 1990)
Diplom-Abschlüsse
76 % der Teilnehmer an der Umfrage erwarben den Titel
Diplom-Kulturwissenschaftler, weitere 18 % andere Abschlüsse (Magister,
Staatsexamen, Hauptprüfung, Abschluss Teilstudium). Für etwa 15 Prozent
der Direktstudenten bot sich die Möglichkeit, anschließend ein
dreijähriges Forschungsstudium zu absolvieren, das zur Promotion
führte. Der Übergang vom Diplomstudium ins Forschungsstudium war nicht
einheitlich geregelt. Er konnte nach dem Diplom, nach dem Staatsexamen
oder nach der Hauptprüfung erfolgen.
Ein Teilstudium wurde mitunter von jenen Fernstudenten absolviert,
die bereits ein anderes Hochschulstudium abgeschlossen hatten und nur
eine Zusatzqualifikation in einem Spezialgebiet suchten. Andere
erwarben ein zweites Diplom. Die Regelstudienzeit von fünf bzw. vier
Jahren wurde nur in seltenen Ausnahmefällen um ein bis drei Semester
überschritten.
Grafik 5: Abschlüsse der Studierenden
Grafik 6: Aufgliederung der Abschlüsse der Direktstudenten (ohne Promotionen) n=188 *Eine
Reihe von Direktstudenten absolvierte unmittelbar nach dem Staatsexamen
bzw. nach der Hauptprüfung ein dreijähriges Forschungsstudium, das die
Promotion zum Ziel hatte.
Grafik 7: Aufgliederung der Abschlüsse der Fernstudenten (ohne Promotionen); n= 151
Promotionen/Habilitationen
18,3 % der an der Erhebung Beteiligten erreichten die Promotion
(Dr. phil.), 4 % auch die Habilitation (Dr. sc. bzw. Dr. habil.). Von
sieben Absolventen (1,9 %) ist bekannt, dass sie heute als Professoren
im Hochschulbereich tätig sind. Eine weitere Absolventin ist als
Professorin für Sprecherziehung an einer Kunsthochschule beschäftigt,
ein Absolvent ist Ehrenprofessor an einer ausländischen Universität,
einem Absolventen wurde die Ehrendoktorwürde (Dr. hc.) verliehen.
Grafik 8: Anzahl der Promotionen (Dr. phil.) und Habilitationen (Dr. sc./Dr. habil.) nach Studienform
Abbrecherquote
Der Anteil der Studienabbrecher unter den Teilnehmern der Umfrage
betrug 6,3 %. Es handelte sich dabei ausschließlich um ehemalige
Fernstudenten, so dass korrekterweise von einer Abbrecherquote von 13,5
unter Absolventen des Fernstudiums und einer Abbrecherquote von 0 %
unter Absolventen des Direktstudiums die Rede sein muss. Für das
Fernstudium können auch Aussagen zur Abbrecherquote insgesamt gemacht
werden. Von den 742 namentlich ermittelten Fernstudenten, die bis
einschließlich 1989 immatrikuliert worden sind, haben 125 das Studium
vorzeitig ohne Abschluss beendet. Das entspricht einer Quote von 16,8
Prozent.
Grafik 9: Studienabbrüche im Fernstudium Kulturwissenschaft 1963-1992
Auffällig ist, dass in den drei Jahren 1989-1992 fast ebenso viele
Fernstudenten die Ausbildung abbrachen wie in den 25 Jahren zuvor
(1963-1988). Die Quote erhöhte sich von 9,7 % (vor 1989) auf über 50 %
(nach 1989).
Diese Entwicklung spiegelt den politischen Umbruch von 1989/90. Zu
Beginn der staatlichen Einheit Deutschlands waren an der
Humboldt-Universität drei Jahrgänge im Fernstudium und zwei Jahrgänge
im Direktstudium Kulturwissenschaft immatrikuliert. Direktstudenten
genossen Vertrauensschutz, konnten die Ausbildung regulär fortsetzen
und später auch relativ problemlos vom Diplom- zum neuen
Magisterstudiengang wechseln. Für Fernstudenten änderten sich die
Bedingungen in dem Maße, in dem die delegierenden Betriebe und
Institutionen abgewickelt wurden bzw. keine Freistellung von der Arbeit
mehr gewährten. Der Immatrikulationsjahrgang 1985 konnte noch in der
herkömmlichen Weise zum Diplom geführt werden. Studierende der
Immatrikulationsjahrgänge 1987 und 1989 (danach wurden keine
Fernstudenten mehr immatrikuliert) mussten dagegen die Ausbildung
abbrechen, zum Direktstudium übergehen oder die Lehrangebote des
Fernstudiums nutzen, die nun auf die Abendstunden verlegt wurden. 1994
ist auch dieses Abendstudium eingestellt worden.
Grafik 10: Studienabbrüche im Fernstudium Kulturwissenschaft nach Zeitintervallen 1963-1988 und 1989-1992 (n = 125)
Abgesehen von dieser Ausnahmesituation lagen die Ursachen für
Studienabbrüche bei Fernstudenten überwiegend im Arbeitsleben begründet
bzw. darin, dass sich berufliche und Studienanforderungen auf Dauer
nicht vereinbaren ließen. Zu schwerwiegenden beruflichen Nachteilen
führte ein Abbruch der Ausbildung nicht. Wohl konnte der weitere
Aufstieg versagt bleiben, aber ein Verlust des Arbeitsplatzes war nicht
zu befürchten.
Für das Direktstudium liegen keine sicheren Daten zu den
Studienabbrechern vor. Unter den Teilnehmern der Umfrage befinden sich
keine, doch unter den insgesamt 518 ermittelten Direktstudenten sind
sechs vorzeitig Exmatrikulierte namentlich bekannt: vier ehemalige
Studierende reisten vor dem Diplom aus der DDR aus, eine Studierende
musste die Ausbildung wegen schwerer Krankheit ihres Kindes aufgeben
und bei einem sechsten Studenten sind die näheren Umstände nicht
bekannt. Diese Informationen dürften unvollständig sein. Dennoch kann
bis 1994 von einer sehr niedrigen Abbrecherquote bei Direktstudenten
ausgegangen werden.
Berufseinstieg
Absolventen des Fernstudiums standen bereits während der Ausbildung
im Beruf und sollten idealerweise auch in ihrem jeweiligen
Tätigkeitsfeld verbleiben. Zumindest wurde das von den meisten
delegierenden Betrieben so erwartet. Dennoch verließen nach dem Studium
44 % ihren angestammten Arbeitsplatz und suchten andernorts einen
beruflichen Neuanfang.
Bei Direktstudenten gab es bis 1989 einen nahtlosen Übergang vom
Studium ins Berufsleben (es sind nur zwei Fälle bekannt, in denen
besondere Umstände der sofortigen Arbeitsaufnahme entgegenstanden). Für
die sogenannte Berufseinmündung war formell die Absolventenvermittlung
der Universität zuständig. Bei den untersuchten Absolventen der
Kulturwissenschaft spielte diese Institution aber eine untergeordnete
Rolle. Nicht einmal jeder 5. Studierende (18 %) griff auf einen
Vorschlag dieser Vermittlung zurück. In jedem Jahr blieben angebotene
offene Stellen unbesetzt, selbst attraktive und kulturpolitisch
wichtige.
60 % der Absolventen suchten ihre erste Arbeitsstelle selbst bzw.
mit Hilfe von Verwandten, Freunden und ehemaligen Kollegen. 22 %
verblieben zunächst befristet auf drei bis vier Jahre an der
Universität – als Forschungsstudenten oder Assistenten. Dieser Wert
zeigt einerseits den hohen Bedarf an qualifiziertem wissenschaftlichem
Nachwuchs, wie er in jeder neu installierten Disziplin bzw.
Fachrichtung zu beobachten ist. Andererseits deutet er auf eine enge
Bindung dieses Personenkreises an das Gründungsinstitut und
infolgedessen auf eine rege Beteiligung an der Umfrage hin.
Grafik 11: Erste Arbeitsstelle nach dem Studium: wie gefunden?
n = 193 (Direktstudium)
n = 170 (Fernstudium)
Werdegang der Direktstudenten vor dem Studium
Im Fach Kulturwissenschaft wurden an der Humboldt-Universität alle
zwei Jahre (alternierend mit der Karl-Marx-Universität Leipzig) etwa 35
Direktstudenten immatrikuliert. Im jeweils dazwischen liegenden Jahr
wurde die gleiche Anzahl Fernstudenten zugelassen. Auf einen
Studienplatz kamen – je nach Immatrikulationsjahr - drei bis sieben
Bewerber. Es gab keine Aufnahmeprüfungen, aber Lehrende des Instituts
führten mit allen Anwärtern Eignungsgespräche. Dabei stand die
Studienmotivation im Mittelpunkt. Die Ergebnisse dieser Gespräche, die
Abiturzeugnisse und die nachgewiesenen Praxiserfahrungen entschieden
dann über eine Zulassung zum Studium.
41 % der Studienanfänger hatten nach dem Abitur ein ein- bis
dreijähriges Volontariat absolviert bzw. waren einer ungelernten
Beschäftigung im Kulturbereich nachgegangen. Das waren reguläre
Arbeitsverhältnisse, keine unbezahlten Praktika und auch keine
Ausbildungsverhältnisse. 21 % der Studienanfänger hatten eine
Facharbeiterausbildung abgeschlossen und zum Teil auch in diesem Beruf
gearbeitet.
Grafik 12: Erfahrungshintergrund und Merkmale der Direktstudenten vor dem Studium (enthält Mehrfachnennungen)
(n = 193; Abiturienten*: direkt nach dem Abitur zum Studium)
30 % der Immatrikulierten waren Abiturienten, die direkt nach der
Schule ein Studium aufnahmen. Diese Studienanfänger – überwiegend junge
Frauen - hatten praktische Erfahrungen lediglich in ehrenamtlicher oder
(laien-)künstlerischer Tätigkeit gesammelt. 55 % der männlichen
Studierenden hatten ihren Wehr- oder Wehrersatzdienst geleistet.
Alle übrigen waren in unspezifischen Berufsfeldern (bei der Post,
als Hausmeister, in der Verwaltung, in Industriebetrieben) tätig
gewesen. Bei den in den Eignungsgesprächen erfragten praktischen
Erfahrungen ging es weniger um spezielle Fähigkeiten und Kenntnisse in
der Kulturarbeit. Erwünscht waren eher Lebenserfahrung und
Realitätssinn, der Nachweis, überhaupt schon einmal in irgendeinem
Bereich Verantwortung getragen und eigenes Geld verdient zu haben.
Nicht für alle Direktstudenten war Kulturwissenschaft das Fach
ihrer ersten Wahl. Eine ganze Reihe von ihnen waren sogenannte
„Umgelenkte“. Sie hatten ursprünglich Germanistik, Theater-, Kunst-
oder Musikwissenschaft studieren wollen. Wenn sich dieser Studienwunsch
aus Kontingents- oder anderen Gründen nicht realisieren ließ, bot sich
Kulturwissenschaft als Alternative an, weil dann wenigstens im
Zweitfach Raum für die eigenen Ambitionen war.
Kulturwissenschaft wurde – ausgenommen die
Immatrikulationsjahrgänge 1968-1971 - immer in Kombination mit einem
Zweitfach studiert. Es handelte sich vor allem um
kunstwissenschaftliche Zweitfächer, aber auch Bibliothekswissenschaft,
Volkskunde, Geschichtswissenschaft, klassische Archäologie,
Philosophie, Soziologie und verschiedene Philologien wurden gewählt. Im
Zweitfach ist allerdings – bis auf wenige Ausnahmen – kein Diplom
erworben worden.
Stationen des beruflichen Werdegangs ehemaliger Direktstudenten
Dargestellt wird die Verteilung der Absolventen auf
unterschiedliche Bereiche innerhalb und außerhalb der Kulturarbeit.
Erfasst wurden die erste Arbeitsstelle nach dem Studium, das Berufsfeld
im Jahr 1989/90 und das im Jahr 2007. (Nicht für alle an der Umfrage
Beteiligten waren alle diese Fragen relevant und nicht alle haben sie
beantwortet.)
Vor 1990 waren bis auf vergleichsweise wenige Freiberufler alle
Absolventen des Direktstudiums ihrer arbeitsrechtlichen Stellung nach
Angestellte im öffentlichen Kultur-, Bildungs-, Wissenschafts- und
Sozialbereich.
Die Fragebögen weisen aus, dass Kulturwissenschaftler als Mittler
zwischen Politik- und Kulturbereich in der DDR-Gesellschaft keinen
leichten Stand hatten. Schon rein quantitativ – die Leipziger und die
Berliner Absolventen machten zusammen lediglich zwei bis drei Prozent
der im Kulturbereich Beschäftigten aus – konnten sie wohl nicht
übermäßig viel bewirken. Ehemalige Studierende berichteten dann auch
vom schwierigen Umgang mit „bornierten“ Politikern, „dogmatischen“
Funktionären, „bürokratischen“ Sachwaltern und naturgemäß stark
„selbstbezogenen“ Kulturschaffenden bzw. Künstlern.
Kulturwissenschaftler sind mit ihrem ganzheitlichen Blick in diesem
unübersichtlichen Gelände mitunter eher der Prellbock als der
ausgleichende Vermittler gewesen. Dennoch konnten sie auch zum
Innehalten und Nachdenken anregen oder Positionen so zuspitzen, dass
Entscheidungen unumgänglich wurden.
Die Umfrage zeigte, dass Kulturwissenschaftler als Absolventen
einer Universität dabei immer auf der mittleren und unteren
Leitungsebene verblieben. Sie konnten sich zwar zwischen den Sphären
hin und her bewegen, also etwa den Stuhl des Theaterreferenten in der
Bezirksverwaltung mit dem Sessel des Chefdramaturgen am Theater
vertauschen, aber nicht aufsteigen zu den „Schalthebeln der Macht“. Für
wirkliche Führungspositionen kamen in der DDR generell nur sogenannte
Nomenklaturkader in Betracht, die einen speziellen parteiinternen
Bildungsweg hinter sich hatten.
Bei allen inhaltlichen Kontroversen, die Kulturwissenschaftler in
der beruflichen Praxis auszufechten hatten, waren sie doch überwiegend
mit ausbildungsadäquaten Tätigkeiten bei angemessener Bezahlung
beschäftigt. In der Regel standen sie in unbefristeten
Arbeitsverhältnissen und hatten Vollzeitstellen. Der Status des Beamten
existierte in der DDR nicht. Doch faktisch waren Arbeitsverhältnisse
von Angestellten ebenso sicher wie andernorts nur Positionen innerhalb
des Berufsbeamtentums.
Das Ende der DDR bedeutete für die Mehrzahl der Absolventen das
Ende dieser sozialen Sicherheit und dieser kontinuierlichen
Berufsbiographien. Die einst reiche Kulturlandschaft der DDR mit ihrem
dichten Netz an kulturellen Einrichtungen und öffentlichen Förderungen
wurde in raschem Tempo an bundesdeutsche Standards angepasst. Damit
schwanden traditionelle Arbeitsfelder und berufliche Möglichkeiten für
Kulturwissenschaftler. Sie mussten sich neu orientieren und wurden
dabei mit einem Arbeitsmarkt konfrontiert, für dessen Anforderungen sie
nicht ausgebildet waren.
Die Tabelle zeigt an, dass die derzeitigen Berufsfelder ehemaliger
Direktstudenten wesentlich breiter gestreut sind als die ersten
Arbeitsstellen nach dem Studium bzw. die aus dem Jahre 1989/90.
Auffällig ist, dass die betriebliche Kulturarbeit (eingeschlossen die
Kulturarbeit innerhalb der Armee) bei den Einsatzgebieten der
Kulturwissenschaftler überhaupt keine Rolle mehr spielt. Beträchtlich
ist der Stellenrückgang bei staatlichen und kommunalen
Kultureinrichtungen. Die Halbierung der Beschäftigungsverhältnisse im
Wissenschaftsbereich geht auf die Abwicklung der Akademie der
Wissenschaften der DDR sowie auf die weitgehende Ersetzung ostdeutscher
Wissenschaftler durch westdeutsches Personal an den Hochschulen zurück.
Zuwächse gab es bei Bildungseinrichtungen, bei freiberuflichen
Journalisten und Kulturberatern sowie bei Künstlern und bei den direkt
mit ihnen verbundenen Kunstvermittlern.
Die Übersicht weist ferner aus, dass Kulturwissenschaftler sich
auch völlig neue Berufsfelder erschlossen haben. Neben Stellen im
kaufmännischen Bereich und in der Büroorganisation sind das vor allem
Berufe in der Sozialarbeit.
Die erhebliche Ausweitung der Beschäftigungsverhältnisse von
Kulturwissenschaftlern im Sozialbereich dürfte verschiedene Ursachen
haben. Einmal stehen dahinter rein formale Zuordnungen bzw.
Definitionsfragen. In der DDR waren der Kultur- und der Sozialbereich
nicht strikt voneinander getrennt. Bestimmte Arbeitsfelder, die in der
DDR als kulturelle begriffen wurden, gelten heute eindeutig als zur
Jugend- oder Sozialarbeit gehörig. Zum anderen war das Studium der
Kulturwissenschaft generell auch auf die Vermittlung sozialer
Kompetenzen ausgerichtet. Für so ausgerüstete Absolventen lag es nahe,
diese Fähigkeiten nach 1990 auszubauen und einen beruflichen Neuanfang
im Sozialbereich zu suchen.
Berufsrelevante Einschnitte, Erfahrungen und Kompetenzgewinne der befragten Absolventen des Direktstudiums nach 1990
42 % der Absolventen des Direktstudiums wurden nach dem Ende der
DDR arbeitslos (mehrere Monate bis über 15 Jahre). Für die übergroße
Mehrzahl der Absolventen war das eine völlig neue Erfahrung.
28,5 % der befragten Absolventen des Direktstudiums waren ab 1990
in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) einbezogen. Fast alle von ihnen
äußerten sich sehr positiv über anspruchsvolle Aufgaben und ein gutes
Arbeitsklima.
In den 90er Jahren haben 46 % eine Umschulung oder ein zusätzliches
Studium absolviert. Die Umschulungen wurden teils vom Arbeitsamt
vermittelt und gefördert, teils wurden sie selbst gesucht und auch aus
eigener Tasche bzw. aus Privatkrediten bezahlt. Einige Absolventen
berichteten, dass sie die Umschulung „hinter dem Rücken“ des
Arbeitsamtes organisieren mussten, um ihren Anspruch auf Leistungen der
Behörde nicht zu gefährden. Nur ein Teil dieser Umschulungen mündete in
einen neuen Beruf bzw. in eine Anstellung.
Die Begegnungen mit dem Arbeitsamt werden von den betroffenen
Absolventen widersprüchlich geschildert. Teils sei man auf sehr
kompetente Mitarbeiter gestoßen, teils habe man als
Kulturwissenschaftler nur große Ratlosigkeit erzeugt, habe als ein Exot
gegolten, der nicht zu vermitteln sei. Dagegen sei bei
Bewerbungsgesprächen von potentiellen Arbeitsgebern häufig gerade die
unkonventionelle geistige Ausstattung gewürdigt worden.
Weitere 37 % der befragten Absolventen des Direktstudiums haben
Fortbildungen mit einem Zertifikat abgeschlossen. Es handelte sich
überwiegend um Absolventen, die in ihrem bisherigen Arbeitsfeld
verblieben waren und nun im Geltungsbereich bundesdeutscher Regelungen
vorgeschriebene Nachweise über Verwaltungs- und Administrationswissen
beizubringen hatten. Ein anderer Teil der Fortbildungen bezog sich auf
Computer- und Fremdsprachenkenntnisse.
Bei allen Veränderungen sind drei Viertel der Absolventen des
Direktstudiums nach wie vor in klassischen Kulturberufen tätig. Jeder
Vierte hat inzwischen ein anderes Arbeitsfeld. Dies als Ausweis für
hohe Disponibilität und Lernbereitschaft zu interpretieren, verbieten
die Umstände. Es handelte sich in den meisten Fällen nicht um einen
freiwilligen „Wechsel der Arbeit“, sondern um Karriereabbrüche, um
erzwungene Neuorientierungen. Wenn aus dem Designtheoretiker der
Immobilienmakler, aus der Hochschuldozentin die Arzthelferin und aus
dem Kulturattaché der Fahrlehrer wurde, sind das Indizien für die
Radikalität des gesellschaftlichen Umbruchs, der bei DDR-Akademikern
massenhaft zu existenziellen Nöten führte.
35 % der befragten Absolventen realisieren eigene kulturelle
Projekte jenseits der Erwerbstätigkeit, etwa wenn der Autohändler
zugleich Kunsthistoriker ist und selber malt, die Kosmetikerin in ihrem
Schönheitssalon auch eine kleine Galerie betreibt oder der
Verwaltungsangestellte an einer heimatgeschichtlichen Publikation
arbeitet. Werden beim Studium erworbene Kompetenzen nicht mehr im Beruf
abgefragt, so suchen Absolventen mitunter ein entsprechendes
Betätigungsfeld in der Freizeit.
37 % der ehemaligen Direktstudenten üben Ehrenämter aus. Dieser
Anteil liegt leicht über dem Durchschnitt der Bundesbürger (33 %), ist
aber nicht vergleichbar mit dem weit höheren Wert, der bei
Kulturwissenschaftlern in der DDR üblich war.
Grafik 13: Berufsrelevante Einschnitte, Erfahrungen und
Kompetenzgewinne nach 1990 der befragten Absolventen des Direktstudiums
(enthält Mehrfachnennungen), (n = 193)
Tabelle 11 unterscheidet zwischen gegenwärtig erwerbstätigen und
nicht erwerbstätigen Absolventen des Direktstudiums. Der erste
Absolventenjahrgang (1964-1968/69) erreicht gerade das Rentenalter.
Status der Absolventen des Direktstudiums im Jahre 2007
Jeder zweite Absolvent befindet sich derzeit im
Angestelltenverhältnis (im öffentlichen Dienst und in der
Privatwirtschaft). 28 % sind Selbständige, haben sich ihren
Arbeitsplatz also selbst geschaffen. Es handelt sich dabei überwiegend
um „Einzelkämpfer“ in der so genannten Kultur- oder Kreativwirtschaft,
aber auch um Existenzgründer aus anderen Branchen, die keine weiteren
Arbeitskräfte beschäftigen. Gemessen an Qualifikation und beruflich
bisher eingenommenen Positionen ist der Anteil der Beamten sehr niedrig
(4,7 %). Dies dürfte vor allem auf die ostdeutsche Herkunft der
Absolventen und das damit verbundene Fehlen formaler Voraussetzungen
für den Beamtenstatus zurückzuführen sein. Die Arbeitslosenquote von 6
% zeigt, dass fast allen, die nach der Wende ihren Arbeitsplatz
verloren hatten, ein beruflicher Neuanfang geglückt ist.
16,1 % geben an, zwei oder mehr berufliche „Standbeine“ zu haben.
Dies könnte ein Indikator für prekäre Arbeitsverhältnisse oder für
geistige Unterforderung in einem „Brotberuf“ sein.
Grafik 14: Status der erwerbstätigen Absolventen des Direktstudiums im Oktober 2007 (enthält Mehrfachnennungen*), (n = 160)
Grafik 15: Statuspositionen der Absolventen des Direktstudiums im Oktober 2007
(n=193; andere Statuspositionen* sind: Arbeitslose/Ruhestand/Hausfrauen)
Tabelle 12 macht Angaben zum gegenwärtigen Status der Absolventen des Direktstudiums im Angestelltenverhältnis.
Abschlüsse der Fernstudenten vor dem Studium
Über die Hälfte (55 %) aller Fernstudenten der Kulturwissenschaft
hatte vor dem Studium bereits eine Hoch- oder Fachschule absolviert.
Insofern ist die Aussage, dieser Personenkreis habe teilweise schon vor
Studienbeginn kulturpolitisch wichtige Positionen ohne eine
entsprechende Qualifikation besetzt, etwas zu relativieren.
Fernstudenten hatten bei Aufnahme des Studiums in der Regel mehrere
schulische und berufliche Stationen durchlaufen. Besonders die 1920er
bis 1940er Geburtsjahrgänge sind häufig auf einem zweiten Bildungsweg
zur Hochschulreife gelangt. Viele hatten einst einen Beruf erlernt, in
dem sie schon seit längerem nicht mehr tätig waren. Die Älteren unter
den männlichen Studierenden waren Soldat im zweiten Weltkrieg gewesen.
58 von 170 Fernstudenten hatte eine Fachschule absolviert und mit
diesem Abschluss die Hochschulreife erworben. 17 angehende
Fernstudenten hatten die Fachschule für Klubleiter in
Meißen-Siebeneichen besucht. Erstaunlicherweise gab es unter den
Studienanfängern relativ viele Fachschulingenieure (für Landtechnik,
für Wasserwirtschaft, für Gartenbau, für Forstwirtschaft, für
Holztechnologie, für Schiffsmaschinen- und Anlagenbau, für allgemeinen
Maschinenbau usw.). Weitere vor dem Studium Kulturwissenschaft
absolvierte Fachschulen waren die für Museologie, für
Archivwissenschaften, für das Hotel- und Gaststättengewerbe, für
Finanzökonomie, für Ingenieurökonomie, für Buchhändler, für
Bibliothekare, für Werbung und Gestaltung, für Mode sowie diverse
pädagogische Fachschulen.
25 Fernstudenten hatten vor dem Studium der Kulturwissenschaft
bereits ein anderes Hochschulstudium abgeschlossen, 14 davon in den
Fachrichtungen Formgestaltung, Regie, Pädagogik, Musik, Theologie,
Rechtswissenschaften, Germanistik, Journalistik sowie in anderen nicht
näher bezeichneten Fächern. 11 Fernstudenten waren Berufsoffiziere der
NVA, meist sogenannte Kulturoffiziere, die eine Offiziershochschule
bzw. Militärakademie besucht hatten.
Für etliche Fernstudenten bedeutete die Aufnahme des Studiums der
Kulturwissenschaft einen Fachrichtungswechsel. Sie hatten zuvor ein
anderes Hochschulstudium (Germanistik, Anglistik, Chemie,
Lebensmittelchemie, Agrarwissenschaften, Physik, Medizin) begonnen,
aber aus verschiedenen Gründen nicht abgeschlossen.
Acht Fernstudenten waren Lehrer, die mit dem Studium der
Kulturwissenschaft ihren Ausstieg aus dem Schuldienst vorbereiten
wollten. Vier Sänger, zwei Bühnentänzer, drei Schauspieler, ein
Bestattungsredner, ein Orchestermusiker und ein Flugzeugführer planten
nach dem Ende ihrer aktiven Laufbahn im Erstberuf eine neue berufliche
Perspektive als Kulturwissenschaftler. (Ironie der Geschichte: Gerade
etliche Lehrer und der Flugzeugführer waren nach 1989/90 froh, in ihrem
Erstberuf verbleiben zu können und dort einen sicheren Arbeitsplatz zu
haben.)
Berufsverlauf der Absolventen des Fernstudiums
Das Gros der Fernstudenten arbeitete bei Studienbeginn – und meist
auch während des Studiums im staatlichen bzw. kommunalen Kulturbereich
(Fernsehen, Rundfunk, DEFA, Filmvertrieb, Konzert- und
Gastspieldirektion, Theater, Kinos, Bibliotheken, Archive, Verlage,
Redaktionen von Zeitungen und Zeitschriften, Kulturakademien,
Kulturhäuser, Gedenkstätten, Buch- und Kunsthandel, Werbung).
Demgegenüber etwas geringer war der Anteil der Fernstudenten, die in
der Kulturverwaltung tätig waren (Rat des Stadtbezirks, der Stadt, des
Kreises, des Bezirks, Ministerium für Kultur, Ministerium für
Auswärtige Angelegenheiten). 21 Fernstudenten waren in der Kulturarbeit
von Parteien und Massenorganisationen beschäftigt (SED, DBD, NDPD,
LDPD, CDU, FDGB, DSF, FDJ, Nationale Front, Kulturbund,
Künstlerverbände). 13 Fernstudenten waren in der betrieblichen
Kulturarbeit tätig (eingeschlossen die Kulturoffiziere der NVA).
Nach dem Studium arbeiteten Absolventen des Fernstudiums etwa in
denselben beruflichen Feldern, in denen auch Absolventen des
Direktstudiums beschäftigt waren – mit Ausnahme der Wissenschaft. Hier
konnten ehemalige Fernstudenten nur selten Fuß fassen. Dafür waren sie
stärker als die Absolventen des Direktstudiums in Organisationen
präsent.
Zum Zeitpunkt der Erhebung war jeder zweite ehemalige Fernstudent
bereits im Ruhestand. Die noch erwerbstätigen Absolventen waren vor
allem in kommunalen Kultureinrichtungen, in der Kunstszene sowie im
kaufmännischen und sozialen Bereich beschäftigt. Auffällig ist die
große Anzahl der freiberuflichen Journalisten und Kulturberater, wobei
einige von ihnen bereits im Rentenalter, aber noch erwerbstätig waren.
Ansonsten stellt sich das Spektrum der Berufe ähnlich breit dar wie bei
den Absolventen des Direktstudiums.
Berufsrelevante Einschnitte, Erfahrungen und Kompetenzgewinne der Absolventen des Fernstudiums nach 1990
Für jeden fünften Absolventen des Fernstudiums bedeutete das Ende
der DDR zugleich das Ende des Berufslebens. 20,6 % wurden im Alter von
55 bis 60 Jahren in den Vorruhestand versetzt bzw. vorzeitig berentet.
Weitere 29,4 % wurden (meist vorübergehend) arbeitslos. Das bedeutet,
jeder zweite Absolvent des Fernstudiums hat 1990 oder unmittelbar
danach seinen Arbeitsplatz verloren.
Ehemalige Fernstudenten konnten im Falle von Arbeitslosigkeit
stärker als Direktstudenten auf Berufserfahrungen vor dem Studium
zurückgreifen. Dennoch absolvierten 29,4 % eine nochmalige berufliche
Umschulung oder ein zusätzliches Studium, weitere 25 % schlossen
Fortbildungen mit einem Zertifikat ab. 60 % der 2007 noch
erwerbstätigen Absolventen des Fernstudiums sind innerhalb des
traditionellen Kulturbereichs beschäftigt, 40 % außerhalb.
Außerberufliche Kulturprojekte werden von 38 % betrieben, Ehrenämter
werden von 34 % ausgeübt.
Die Tabelle 16 unterscheidet nach gegenwärtig erwerbstätigen bzw.
nicht erwerbstätigen Absolventen des Fernstudiums. Auf Grund des
höheren Lebensalters ist nahezu jeder zweite bereits Rentner.
Status der Absolventen des Fernstudiums im Jahre 2007
Die Selbständigen machten 28,8 % aus, die Angestellten 22,9 %. 18,8
% gaben an, Rentner oder Angestellter und gleichzeitig Selbständiger zu
sein. Die Arbeitslosenrate lag mit 2,4 % niedriger als bei den
Absolventen des Direktstudiums, was auch mit dem hohen Anteil der
Rentner zusammenhängen mag.
Grafik 16: Statuspositionen der Absolventen des Fernstudium im
Oktober 2007 in Bezug auf die befragten Absolventen des Fernstudiums
insgesamt
(n=170; Das Segment „Andere Statuspositionen*“ erfasst primär Ruheständler)
Grafik 17: Status der erwerbstätigen Absolventen des Fernstudiums im Oktober 2007
(enthält Mehrfachzuordnungen*) (n= (Erwerbstätige) = 79 mit insgesamt 105 Statuspositionen)
Die Grafik 17 zeigt die Statuspositionen der im Oktober 2007 noch erwerbstätigen Absolventen des Fernstudiums.
Die Tabelle 17 macht Angaben zum Status der Absolventen des
Fernstudiums, die sich im Oktober 2007 im Angestelltenverhältnis
befanden.
Frauenerwerbstätigkeit
Auffallend ist bei Absolventen des Direkt- und Fernstudiums
gleichermaßen, dass für Frauen die Berufstätigkeit eine absolute
Selbstverständlichkeit war und ist. Obwohl in der Umfrage hierzu keine
Erkundigungen eingeholt wurden, nahm eine Reihe von Absolventinnen in
den Fragebögen dazu Stellung. Gegenwärtige Diskussionen über die
Vereinbarkeit vom Beruf und Familie, über die Ganztagsbetreuung von
Kindern usw. wurden als „Rückfall ins Mittelalter“ angesehen. „Das
hatten wir doch schon Jahrzehnte hinter uns.“ Von insgesamt 192 an der
Umfrage beteiligten Absolventinnen gab nur eine als Status
ausschließlich Hausfrau an. Drei weitere waren nach eigener Darstellung
selbständig, arbeitslos bzw. Invalidenrentnerin und gleichzeitig
Hausfrau.
Interesse an weiterem Kontakt
Knapp 10 % der Umfrageteilnehmer bekundeten kein Interesse an den
Ergebnissen der Untersuchung bzw. an einem Kontakt mit ehemaligen
Kommilitonen oder Lehrenden. Alle übrigen waren dem Projekt gegenüber
sehr aufgeschlossen („Ich bin neugierig, wohin es die Kuwis verschlagen
hat“, „So etwas hätte schon längst einmal gemacht werden müssen“,
„Tolle Initiative, diese Geschichte darf nicht in Vergessenheit
geraten“). Die übergroße Mehrzahl der Beteiligten ist inzwischen in
einem Internetforum mit gegenwärtig insgesamt 372 Teilnehmern
registriert, das den Austausch vermittelt. Zudem gab es für mehr als
250 ehemalige Studierende und Lehrende ein Wiedersehen bei einem
Absolvententreffen im Oktober 2007. Die Fragebogenaktion hatte hierfür
den Weg bereitet.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass den ehemaligen
Studierenden kein Kontakt zu „ihrem“ Institut oder „ihrer“ Universität
angeboten werden konnte. Durch politische Entscheidungen sind hier die
Fäden auf allen Ebenen gekappt worden. So fand dann das
Absolvententreffen auch außerhalb der Universität und ohne offizielle
Vertreter der „Alma mater“ statt.
Zum Urteil über das Studium
Ein Urteil über das Studium, das repräsentativ für die Gesamtheit
der Absolventen wäre, lässt sich den eingereichten Fragebögen nicht
entnehmen. Das hängt mit dem Zustandekommen der Erhebung zusammen.
Aus Kostengründen war es nicht möglich, ein unabhängiges Institut
mit der Umfrage zu beauftragen. So kam es dazu, dass die Initiatoren
der Befragung zugleich zu denen gehörten, die den Studiengang
Kulturwissenschaft zwischen 1963 und 1993 mit aufgebaut und
verantwortet hatten, nach dem politischen Umbruch aber aus dem
Lehrbetrieb entfernt worden waren. Diese Konstellation hatte zur Folge,
dass sich überwiegend jene Absolventen an der Fragebogenaktion
beteiligten, die sich noch heute in irgendeiner Weise mit dem Studium
identifizieren. Bei dieser Ausgangslage verwundert es nicht, dass 87,0
% der Urteile über das Studium – bei mancher Kritik im Detail - positiv
ausfielen. 9,5 % der Einsender haben diese Frage offen gelassen. 1,6 %
äußerten sich negativ. 1,9 % haben widersprüchliche Erinnerungen.
Dieser hohe Grad an Zustimmung hängt mit der Struktur der Teilnehmer an der Befragung zusammen. Es beteiligten sich vor allem
- Rentner bzw. Absolventen, die kurz vor Renteneintritt stehen,
- Absolventen,
die in „fachfernen“ Bereichen arbeiten und sich in den klassischen
Berufsfeldern des Kulturwissenschaftlers keine Karriere mehr
ausrechnen,
- Absolventen, die sich in relativ gesicherten Positionen befinden,
- Absolventen, die Arbeitskontakte zu den Initiatoren der Verbleibstudie unterhalten.
603 (61,9 %) der wahrscheinlich erreichten 974 Absolventen haben
sich nicht an der Umfrage beteiligt. 76 ehemalige Studierende haben
keinen Fragebogen ausgefüllt, aber am Absolvententreffen im Oktober
2007 teilgenommen. Ihr Berufsschicksal ist ebenso bekannt wie das von
weiteren 247 Personen, die nicht an der Studie mitwirkten, sich jedoch
mehr oder weniger umfassend im Internet präsentieren, oft mit Foto und
gegenwärtiger beruflicher Position. Jeder zweite von ihnen skizziert
dort auch seinen Lebenslauf, wobei nicht immer das Studium der
Kulturwissenschaft erwähnt wird. Somit kann der berufliche Werdegang
von insgesamt 694 Absolventen als geklärt gelten, was 71 % der
erreichten 974 ehemaligen Studierenden entspricht.
Weder die Ergebnisse der Internetrecherchen, noch die der
persönlichen Gespräche sind in die vorliegende Studie einbezogen
worden. Sie bestätigen aber im allgemeinen die Befunde der
schriftlichen Umfrage. Offen bleibt lediglich, wie das Studium in der
Rückschau bewertet wird.
Insgesamt acht Absolventen haben ausdrücklich erklärt, dass sie bei
der Erhebung nicht mitwirken werden. In einem Fall wurde der geistige
bzw. politische Standort der Initiatoren als Hinderungsgrund genannt,
die anderen gaben keine Begründung ab.
Die Verbleibstudie kann Aussagen nur über die Teilnehmer der
Umfrage machen. Über die Nicht-Teilnehmer gibt es lediglich
Vermutungen. Abgesehen von jenen, die generell keine persönlichen Daten
preisgeben und daher auch keine Fragebögen ausfüllen und jenen, bei
denen das Projekt in Vergessenheit geriet oder als belanglos eingestuft
wurde, dürften das vor allem folgende Gruppen gewesen sein:
- Absolventen, die ihr Herkommen aus dem Kreis der Ostberliner
Kulturwissenschaftler nicht publik machen möchten, um ihre Karriere
nicht zu gefährden,
- Absolventen, die sich in schwierigen persönlichen Situationen
befinden und weder mit früheren Lebensentwürfen konfrontiert, noch mit
vermeintlich erfolgreicheren Kommilitonen verglichen werden wollen,
- Absolventen, die sich klar von ihrem Studium bzw. der DDR-Kulturwissenschaft distanzieren.
Zurück zu den zur Auskunft bereiten Absolventen und zu ihrem Urteil über das Studium.
Negative Urteile
Sechs ehemalige Studierende (1,6 %) verbinden überwiegend negative
Erinnerungen mit dem Studium. In einem Fragebogen heißt es dazu nur,
dass dies nicht in wenigen Worten zu erklären sei. In einem anderen
Fall scheiterte eine 48jährige Bewerberin dreimal bei der Zulassung zum
Fernstudium, durfte dann als Gasthörerin keine Prüfungen ablegen und
musste die Ausbildung abbrechen.
In weiteren Fragebögen werden dem Studium angelastet: „rigide
weltanschauliche Beeinflussung“, „zu viel Rotlichtbestrahlung“,
„Borniertheit im Denken, ideologiebesessene Einseitigkeit, Intoleranz
gegenüber Ansätzen außerhalb des Marxismus-Leninismus“, „zu viel
DDR-Mief“. Kritisch angemerkt wird ferner, dass ein „Freidenker“ unter
den Dozenten suspendiert worden sei.
Widersprüchliche Erinnerungen
Sieben Teilnehmer (1,9 %) beschreiben widersprüchliche Erinnerungen
an das Studium. Ein Einsender glaubt, „zu wenig gelernt zu haben“. Drei
Absolventen empfanden die Studieninhalte als „zu wenig berufsrelevant“
bzw. als „zu abstrakt“, als nicht hinreichend an den Realitäten des
Lebens in der DDR orientiert. „Was wir lernten, wurde durch das
gesellschaftliche Umfeld außer Kraft gesetzt.“ „An der Uni war die Welt
noch in Ordnung, aber das Leben ist anders.“
Zwei Absolventen hatten nichts gegen das Studium selbst
einzuwenden, teilten aber mit, dass sie während dieser Zeit von
ehemaligen Kommilitonen bespitzelt wurden, wie sie im Nachhinein aus
ihren Stasi-Akten erfahren haben.
Unter den Teilnehmern der Umfrage befanden sich zehn Absolventen,
die seinerzeit aus der DDR ausgereist waren. Drei von ihnen bekundeten
ausdrücklich, dass sie in den alten Bundesländern wenig oder nichts mit
ihrem Studium anfangen konnten.
Positive Urteile
Die vorwiegend positiven Urteile (87 %) beziehen sich (1.) auf die
Studienzeit als Lebensabschnitt, (2.) auf die Inhalte des Studiums,
(3.) auf „unvergessliche“ Hochschullehrer sowie (4.) bei ehemaligen
Fernstudenten auf die generelle Möglichkeit, ein „kostenloses“, d.h.
von Staat und Betrieben finanziertes, berufsbegleitendes
Hochschulstudium zu absolvieren.
Das Studium als Lebensabschnitt
In der Rückschau sehen viele Absolventen das Studium als
„phantastische Zeit“, „unbeschwert, materiell sorgenfrei“, „nie war ich
lebendiger als damals“. Das Studium „war meine Jugend“, „hat mein Leben
geerdet“, „hat die Weichen gestellt“, „hat Maßstäbe gesetzt“, „hat Spaß
gemacht“, „war spannend und unterhaltsam“, „war ein Genuss“, “war
einfach Klasse“.
Das Studieren in kleinen Gruppen „war der absolute Luxus“,
„Fürstenerziehung“. Gewürdigt werden ferner „toller Zusammenhalt“ und
„offene Atmosphäre“ sowie die Tatsache, dass „Seminargruppen vom ersten
bis zum letzten Studientag in gleicher Zusammensetzung beisammen
blieben“. Man kannte sich nicht nur vom gemeinsamen Besuch der
Lehrveranstaltungen. Praktika, Exkursionen, Ernteeinsätze, „irre
Feten“, „glanzvolle Aufführungen an Theatern von Weltgeltung für 55
Pfennig Eintritt“ sowie der studentische Alltag in Bibliothek, Mensa,
Kaffeehaus, Studentenklub, bei Demonstrationen und Versammlungen
sorgten für ständigen Kontakt. Einige Absolventen geben an, sie hätten
beim Studium „Freunde fürs Leben“ oder den Ehepartner gefunden.
Bei manchen besonders im Gedächtnis geblieben sind „querulante
Kommilitonen“, deren Eigensinn und Streitlust ansteckend gewirkt
hätten. Andere erinnern daran, dass gegenseitiger Beistand
selbstverständlich war. Sie berichten von gemeinschaftlichen
Prüfungsvorbereitungen und davon, dass Kommilitonen nach Krankheit oder
Schwangerschaftsurlaub halfen, das Versäumte nachzuholen. Nicht nur in
kritischen Situationen war Verlass aufeinander. Man griff sich auch
sonst unter die Arme. Ganz gleich, ob Literatur zu beschaffen,
Wohnungen zu renovieren, Umzüge zu bewerkstelligen oder Kinder zu hüten
waren, im Bedarfsfall waren immer Helfer aus der Seminar- bzw.
Studiengruppe zur Stelle.
Das Studium als Bildungserlebnis
Das Studium selbst wird überwiegend als „großartiges
Bildungserlebnis“ reflektiert, als „Raum für Visionen und Ideen“, als
„eine Offenbarung“, als „anspruchsvoll“, „grenzüberschreitend“,
„einfach exzellent“, „gehirnerweiternd bis heute“, „marxistisch, aber
weltoffen“, „sehr befreiend und bereichernd“, „stark identitätstiftend,
so dass man sich auch noch nach Jahrzehnten und in einem völlig anderen
Umfeld als Kuwi fühlt“. Einige Absolventen gehen so weit,
Kulturwissenschaft als das „beste gesellschafts- bzw.
geisteswissenschaftliche Studium in der DDR“ zu bezeichnen oder gar
mitzuteilen: „Für mich lag dieses Studium weit außerhalb der
DDR-Grenzen“.
Die Breite der Ausbildung habe viele Wege eröffnet. Allerdings sei
die Vielfalt der Perspektiven und Themenbereiche mitunter zu Lasten
gründlicher Fachkenntnisse gegangen.
Drei Absolventen würden unter den gegenwärtigen Bedingungen eher
Betriebswirtschaftslehre oder Jura (kombiniert mit einer
Kunstwissenschaft) studieren. Sie betrachten die erworbenen Kenntnisse
und Fähigkeiten als großen persönlichen Gewinn, aber als derzeit „nicht
zielführend für den Arbeitsmarkt“. Das Studium der Kulturwissenschaft
könne man „nur noch potentiellen Erben empfehlen oder höheren Töchtern,
die reich heiraten“. Viele andere bereuen ihre Studienwahl nicht,
würden sich immer wieder dafür entscheiden, profitieren noch heute von
ihrer Ausbildung.
Als wesentlichen Ertrag des Studiums sehen die meisten: „ich habe
denken gelernt“ (kritisches Denken, konzeptionelles Denken, Denken in
sozialen und politischen Kontexten, Denken in historischen Dimensionen)
bzw. „ich habe lernen gelernt“. Wiederholt werden andere erworbene
Fähigkeiten hervorgehoben: „Ich habe gelernt, mit Menschen umzugehen“
und „Ich kann mich in jedem sozialen und beruflichen Umfeld angemessen
bewegen.“
Das Studium habe eine „solide Grundlage für die Einarbeitung in
wissenschaftliche Spezialgebiete“ geschaffen, nicht nur Wissen
vermittelt, sondern „vor allem Methoden trainiert“. „In Verbindung mit
der zeitgeschichtlichen Erfahrung zweier Gesellschaftssysteme“ sei dies
heute „ein unschätzbarer Fundus“.
Einige Absolventen weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass
inzwischen in ihrem „kollegialen Umfeld ... Leute sind, die
Kulturwissenschaften in den alten Bundesländern studiert haben – keiner
von ihnen hat Philosophie-, Ästhetikvorlesungen gehört, geschweige denn
sich mit Kulturtheorie beschäftigt“. „Verglichen mit allen Erfahrungen,
die ich mit bundesdeutschen Kulturabsolventen gesammelt habe..., ist
unser Studium mit deutlichem Abstand besser gewesen.“
Defizite der Ausbildung
Aus heutiger Sicht wurden jedoch auch Defizite des DDR-Studiums
ausgemacht. Sie betrafen vor allem die Bereiche Kultur- und
Kunstmanagement, Urheberecht und Betriebswirtschaftslehre. Völlig
gefehlt habe eine Einführung in die „Kunst der Selbstvermarktung... Wir
lernten nicht, uns selbst zu verkaufen“, was teilweise sofort
relativiert wurde: „Wir mussten das auch nicht lernen, es war
seinerzeit nicht notwendig. Ein Glück, dass wir noch erleben konnten,
es geht auch anders.“
Leerstellen wurden zudem in der Philosophie, Soziologie und
Kunstwissenschaft des 20. Jahrhunderts gesehen. Nötig gewesen wären
auch grundlegende religionsgeschichtliche Unterweisungen, um die
Ikonographie in der Kunstgeschichte besser verstehen zu können und um
neben dem Marxismus-Leninismus noch andere Heilslehren kennen zu
lernen. Es hätte zwar „nicht an Glaubenssätzen gemangelt“ - für einen
studierten Theologen drängten sich sogar Analogien zu seinem
Erststudium auf: „Das Studium der Kulturwissenschaft war die Theologie
der Marxisten“. Doch zu einem umfassenden Verständnis für die
religiösen Anschauungen und Praktiken der Menschheit habe das nur wenig
beigetragen.
Vermisst wurden ferner eine solide Fremdsprachenausbildung und
Auslandsemester. Nach Auffassung vieler Direktstudenten hätte es auch
mehr Praktika geben müssen, um die „Theorielastigkeit“ des Studiums
auszugleichen. Projekte wie die Beteiligung an einer
UNESCO-Kulturstudie oder die kultursoziologischen Untersuchungen in
Jugendklubs hätten viele Anregungen gegeben, wären aber zu selten
angeboten worden.
Die Immatrikulationsjahrgänge 1968 bis 1971 bedauerten in ihren
Fragebögen immer noch, dass sie infolge der Hochschulreform von 1968
neben der Kulturwissenschaft kein kunstwissenschaftliches Zweitfach
bzw. überhaupt kein zweites Fach studieren konnten. Seinerzeit sollte
das Studium der Kulturwissenschaft auf vier Jahre verkürzt, dabei die
Ausbildung in einer speziellen Kunstwissenschaft durch eine Einführung
in die Grundlagen aller Künste ersetzt werden. Diese Entscheidung
bewährte sich nicht und wurde nach wenigen Jahren wieder rückgängig
gemacht.
Qualitativ unbefriedigend, überflüssig bzw. „von ausgesuchter Öde“
fanden Absolventen diverse Lehrveranstaltungen im
marxistisch-leninistischen Grundlagenstudium, aber auch zu „Kultur im
Sozialismus“, zu „Kulturpolitik und Kulturarbeit“ sowie zu „Kunst im
Imperialismus“. Manches davon sei „nicht nur systembedingt einseitig“
oder „ideologisch verengt“, sondern „einfach miserabel“ gewesen. In
einem Fall hätten Fernstudenten deshalb sogar die Ablösung einer
Lehrkraft durchgesetzt.
Da sich unter den Teilnehmern der Umfrage Absolventen aus 34
Immatrikulationsjahrgängen befanden, die ein jeweils anderes
kulturwissenschaftliches Studienprogramm absolvierten und mit
unterschiedlichen Erwartungen an die Universität gekommen waren, gingen
die Meinungen in diesem Punkt weit auseinander.
Übereinstimmend wurde dagegen das starre Studienregime als
„verschult“ und hinderlich empfunden. Zu Beginn der 90er Jahre
immatrikulierte Studierende beklagten dann allerdings angesichts
scheinbar unbegrenzter Wahlmöglichkeiten die mangelnde Verbindlichkeit
in Anforderungen und Studienorganisation.
Mit dem Abstand der Jahre resümieren viele: „Die Erinnerung ist nur
positiv. Das, was auf der Negativseite stehen könnte, hat sich ins
Anekdotische verklärt.“
„Unvergeßliche“ Hochschullehrer
Obwohl in der Erhebung nicht danach gefragt worden war, äußerten
sich viele Absolventen zu ihren Hochschullehrern, die sie überwiegend
als „hervorragende Leute“, „universal gebildet“, „intellektuelle
Vorbilder“, „persönlich mutig und risikofreudig“, „tolerant und
verständnisvoll“, „nicht nur fachlich versiert, auch sozial kompetent“
charakterisierten. Es habe darunter zwar auch einige gegeben, „die man
erdulden mußte“. Dafür waren andere „richtig schräge Typen, die selber
von etwas getrieben waren und etwas bewirken wollten“. Viele verhielten
sich kritisch gegenüber der sie umgebenden sozialen Realität, mischten
sich ein und „segelten meinungsfreiheitsmäßig am Limit“. Solche Lehrer,
die sich zugleich als „Sinngeber und Mitgestalter der Gesellschaft“
begriffen hätten, finde man heute gar nicht mehr.
Hervorgehoben wurde immer wieder der enge Kontakt zu den
Hochschullehrern, die keine limitierten Sprechzeiten hatten, sondern
für Studierende jederzeit ansprechbar und zu zusätzlichen
Konsultationen bereit waren. Grundlage dafür war ein sehr komfortables
Zahlenverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden, wie es generell
für das Hochschulwesen in der DDR charakteristisch war. So ist das
wissenschaftliche Personal für den Studiengang Kulturwissenschaft
innerhalb von 26 Jahren von sechs auf 28 fest angestellte Mitarbeiter
(darunter 10 Hochschullehrer) aufgestockt worden, obwohl die Zahl der
Studierenden nahezu unverändert blieb. Zählt man alle Jahrgänge des
Direkt- und Fernstudiums zusammen, so waren nie mehr als 150 bis 180
Studierende gleichzeitig am Institut.
In dieser Hinsicht hatten Kulturwissenschaftler tatsächlich
exzellente Studienbedingungen. In den Fragebögen reichen die
Erinnerungen an einzelne Hochschullehrer zurück bis zu den
Eignungsgesprächen. Aber auch „Sternstunden“ in den Hörsälen und
Seminarräumen, die intensive Betreuung von Jahres- und Diplomarbeiten,
Ratschläge in schwierigen persönlichen Situationen, individuelle
Fördervereinbarungen, die öffentliche Verteidigung jeder einzelnen
Diplomarbeit (die seinerzeit zum Standard gehörte) und die
selbstverständliche Hilfe bei der Berufsfindung und Stellensuche sind
im Gedächtnis geblieben.
Insgesamt wurden in den Fragebögen 31 Hochschullehrer aus den
Bereichen Kulturtheorie, Ästhetik, Kunstwissenschaften, Philosophie und
aus angrenzenden Disziplinen namentlich gewürdigt. Das verweist darauf,
dass hier nicht einige wenige „Lichtgestalten“ am Werke waren, sondern
eine ganze Reihe von Lehrenden mit je eigenem Profil die Hochachtung
der Studierenden erworben hatten.
Das berufsbegleitende Fernstudium
Die Absolventen des Fernstudiums brachten in der Umfrage noch einen
zusätzlichen Gesichtspunkt zur Sprache. Sie waren dankbar für die
Möglichkeit, ein berufsbegleitendes Hochschulstudium zu günstigen
Konditionen absolvieren zu können. Zwar habe es seitens der Betriebe
und Dienststellen mitunter Probleme gegeben und das fünfjährige Studium
sei auch eine starke persönliche Belastung gewesen, doch habe sich die
Anstrengung gelohnt. Allein die Gelegenheit, alle 14 Tage Berufsroutine
und Alltagssorgen hinter sich lassen zu können, in einem völlig anderen
Umfeld mit Menschen aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern und aus allen
Landesteilen Erfahrungen auszutauschen, hätte den eigenen Horizont
erweitert und sei nicht mit Gold aufzuwiegen gewesen. Die Lehrenden
hätten theoretische Kenntnisse vermittelt, seien aber gegenüber den
berufserfahrenen „Praktikern“ nicht als Schulmeister, sondern eher als
Partner und Moderatoren aufgetreten.
Ein Absolvent des Fernstudiums riet davon ab, die Ergebnisse der
Befragung zu publizieren: „Wenn die Öffentlichkeit durch die
Verbleibstudie erfährt, dass sich die Studierenden an der
Humboldt-Universität beträchtliche Reichtümer aneignen konnten und von
diesem kulturellen Kapital auch nach Jahrzehnten noch zehren, erwachen
möglicherweise Missgunst und Neid.“
Die Anlagen zum Text der Verbleibstudie (Fragebogen und Brief an die Absolventen) finden Sie in der PDF-Fassung dieses Beitrags.
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