Text | Kulturation 1/2003 | Kaspar Maase | Eine Republik von Provinzlern? Ästhetisierte Region und nationale Identifikation im vereinigten Deutschland
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Keine Schlacht im Teutoburger Wald
Im Sommer 1999, als
die deutsche Regierung ihren Sitz in die neue alte Hauptstadt Berlin
verlegte, fand fernab in der Provinz ein bemerkenswertes Ereignis
statt. Dem Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald, einem der bedeutendsten
nationalen Monumente, wurde für zehn Wochen ein Sporttrikot
übergestreift. Der germanische Heros trug nun die Farben des
Bundesliga-Fußballvereins "Arminia" im benachbarten Bielefeld. Vor
allem aber warb er mit dem unübersehbaren Logo auf seiner Brust für das
"Herforder Pils" des Sponsors von "Arminia", eine regionale Brauerei
mit überregionalen Ambitionen.
Die Aktion hatte ein beachtliches Medienecho im ganzen Land;[1]
darunter waren nur ganz wenige kritische Stimmen. In der Umgebung gab
es Unbehagen darüber, dass das "urdeutsche Denkmal" nun "Werbung
machen" müsse.[2]
Die politisch Verantwortlichen aber sahen die Chance, die ökonomisch
wie touristisch etwas im Schatten liegende Region Ostwestfalen-Lippe
ins Rampenlicht zu rücken, und fragten ganz pragmatisch: "Was nutzt uns
ein Symbol, das immer weniger Gäste anzieht?"[3] Die Nüchternheit
im Umgang mit dem Nationalmonument scheint mir das eigentlich
Bemerkenswerte. Hier fand ein postmoderner Denkmalsturz statt, und die
deutsche Öffentlichkeit sah absolut keinen Grund zur Aufregung. 1999
gab es keine Schlacht im Teutoburger Wald.
Um das Nicht-Ereignis angemessen zu beurteilen, müssen wir einen Blick
werfen auf die Geschichte des Hermannsdenkmals.[4] Es war das erste der
klassischen Nationalmonumente, die nach der Reichsgründung 1871 in
Deutschland errichtet wurden, auf einem Hügel des Teutoburger Waldes
bei Detmold in der ehemaligen Grafschaft Lippe, heute im Osten des
Bundeslandes Nordrhein-Westfalen gelegen. 1838 gründete sich der
Verein, der in allen deutschen Staaten für das Projekt nach einem
Entwurf Ernst von Bandels sammelte. 1875 wurde dann die 26 m hohe Figur
auf dem 31 m hohen Sockel "an das deutsche Volk" übergeben - in
Anwesenheit des als "Arminius Wilhelmus" glorifizierten deutschen
Kaisers Wilhelm I.[5] Mittlerweile, nach dem Sieg über Frankreich und
der Reichsgründung durch "Blut und Eisen" (Bismarck) manifestierte sich
in der Legende von Hermann, der die Deutschen von Rom befreite,[6] ein
an Schwung gewinnender deutscher Chauvinismus. Mit der Germaniafigur
des Niederwalddenkmals über dem Rhein bei Rüdesheim (1877-83) und dem
auf die Barbarossasage bezogenen Kyffhäuserdenkmal in Thüringen (1896)
bildete das Hermannsdenkmal die Trinität eines expansiven nationalen
Kultus.
Dargestellt ist Arminius,[7] römischer Bürger und Fürst des
(wahrscheinlich) germanischen Stammes der Cherusker. Er erhielt um den
Beginn unserer Zeitrechnung eine militärische Ausbildung bei den Römern
und stand dann als Kommandeur von Hilfstruppen in ihren Diensten. Im
Laufe der Kämpfe an der Nordflanke des Römischen Reiches wechselte er
die Seiten, baute eine eigene Heeresmacht auf und besiegte im Jahr 9
unserer Zeitrechnung den römischen Statthalter Varus vernichtend. Bis
vor kurzem nahm man an, die Schlacht habe im Teutoburger Wald
stattgefunden; so lag es nahe, dem schon im 17. Jahrhundert zu "Hermann
dem Cherusker" re-germanisierten Nationalhelden dort ein Denkmal zu
setzen. Selbstverständlich blickt der Recke mit dem erhobenen Schwert
nach Westen, um den "Erbfeind" einzuschüchtern. Seine militärische
Mannestugend verband das Deutsche Reich mit einer legendären
gemanischen Vorzeit; das "antirömische" Element konnte man - gut
lutherisch - antikatholisch deuten, völkisch gegen die Überfremdung des
deutschen Volkstums lesen oder schlicht antifranzösisch. "Hermann der
Cherusker" vereinte das alles, und so taugte er als populäre
Verkörperung deutscher Größe. Wie sehr, mag man auch daran erkennen,
daß in New Ulm, Minnesota, von Deutschamerikanern ein etwas kleineres
Hermannsdenkmal errichtet wurde (1888-1897), immerhin auch 31 m hoch.
Ich denke, erst vor diesem Hintergrund ist zu würdigen, was im Sommer
1999 (nicht) geschah. Der älteste deutsche Nationalheld hatte ein
Comeback als regionaler Werbeträger für Profifußball und Bier. Man
stelle sich die Freiheitsstatue im Basketballtrikot vor oder den
Vercingetorix von Clermont-Ferrand unter einer Bierwerbung - das gäbe
wohl einigen Aufruhr. Nichts dergleichen in Deutschland. Vielleicht
wäre es anders gekommen, wenn vor einigen Jahren die Initiative Erfolg
gehabt hätte, den Hermann von Christo und Jeanne-Claude verpacken zu
lassen. Aber die hatten ein feines Gefühl für die aktuellen
Bedeutungshierarchien. Sie lehnten den Koloss als "zu klein" ab,[8]
hüllten den Berliner Reichstag in glänzende Folie und landeten damit
den größten Publikumserfolg, den zeitgenössische Kunst in Deutschland
je hatte. Jetzt scheint es, als sei das ehemalige Nationaldenkmal nur
noch von regionaler Bedeutung, nicht mehr Herzensangelegenheit des
deutschen Volkes, sondern Wahrzeichen für Ostwestfalen-Lippe und seine
Produkte.[9]
Dezentrierung und Entnationalisierung scheinen bemerkenswert gerade auf
dem Hintergrund der Besorgnisse, die auch nüchterne Beobachter im
Zusammenhang mit der deutsch-deutschen Vereinigung empfanden. Man
befürchtete eine nationalistische Euphorie, das Wiederhineingleiten in
das Geleise unberechenbarer deutscher Großmachtpolitik, und nicht
selten wurde damals die Schreckensvision eines "Vierten Reiches"
beschworen. Der niederländische Schriftsteller Cees Noteboom sah 1989
einen Strom von "Trabis" aus der DDR zum Hermannsdenkmal pilgern.[10]
Bis heute gilt der Koloss als Wallfahrtsort für Rechtsradikale, die
gern einen Besuch der germanomythisch aufgeladenen Externsteine im
Teutoburger Wald anschließen.[11]
Für die deutsche Öffentlichkeit jedoch scheint Hermann kein nationales
Heiligtum mehr dazustellen; als er in den Dienst der Werbung trat, war
kein Protest zu hören. Das kontrastierte deutlich mit der lauten
Debatte, die zur selben Zeit um die kommerzielle Nutzung eines anderen
deutschen Denkmals entbrannte: der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in
Berlin. Als der Glockenturm für Bauarbeiten eingerüstet wurde, mietete
ein Kosmetikhersteller die Fläche und präsentierte im Zentrum von
Westberlin ein großes Transparent mit einem Bild des Models Claudia
Schiffer. Die kommerzielle Nutzung des religiösen Bauwerks stieß auf
heftige Kritik mit Resonanz im ganzen Land. Was hingegen dem früheren
Nationalheros Hermann geschah, scheint man trotz bundesweiter
Berichterstattung nur als Ereignis von regionaler Bedeutung
wahrgenommen zu haben.
Das Verschwinden von Tradition Hermanns Herabstufung
führt zu der These, die in diesem Aufsatz entwickelt werden soll. Nach
zehn Jahren Einheit, zu Beginn der "Berliner Republik", stellte sich
Deutschland als ein Land dar, das vergleichsweise wenig Wert auf
zentrale Repräsentationen nationaler historischer Traditionen legt.
Hingegen fiel in den vergangenen Jahren eine ausgeprägte regionale, ja
regionalistische Orientierung in der staatlichen Symbolpolitik wie in
den alltäglichen Selbstzuordnungen der Menschen auf. Ich will in drei
Schritten vorgehen. Erstens werde ich die beiden Tendenzen exemplarisch
auf verschiedenen Feldern veranschaulichen. Zweitens will ich fragen,
ob es sich hier um das aus dem 19. Jahrhundert bekannte Muster handelt,
über die Konstruktion von Regionalcharakteren nationale Identifizierung
zu befördern. Im dritten Teil möchte ich zeigen, daß der aktuelle Trend
deutlich andere, in mancher Hinsicht postnationale Akzente trägt.
Zunächst also einige empirische Hinweise. Der Anfang der "Berliner
Republik" 1999 war gekennzeichnet von überdeutlichem Bemühen um ein
niedriges nationales Profil. Den Beginn der Regierungsarbeit in der
neuen Hauptstadt markierten eine gewaltige Begrüßungstorte des Berliner
Bürgermeisters, eine Kranzniederlegung am Grabe Willy Brandts und eine
schon vom lokalen Wahlkampf geprägte Stadtrundfahrt von Kanzler
Schröder - so touristisch, daß sie im Verkehrsstau steckenblieb. Der
Einzug des Parlaments wurde herausgehoben durch die Öffnung seines
neuen Sitzes für die Bevölkerung. Zentrale Attraktion war und ist die
neue Kuppel auf dem alten Reichstagsgebäude, ein Werk des britischen
Architekten Sir Norman Foster. Sie wird vor allem als ästhetisch
faszinierende High-Tech-Architektur wahrgenommen und täglich von
Tausenden genutzt als einzigartige Aussichtsplattform im neuen Zentrum.
Das durchsichtige, weithin sichtbare neue Wahrzeichen stellte den
traditionsträchtigen Bau des alten Reichstages von 1883 glatt in den
Schatten. Die Bilder vom lichtdurchfluteten, spiralisch aufsteigenden
Gang in der gläsernen Halbkugel werben heute für das neue Berlin; sie
überlagern ältere Bilder, die das Gebäude mit traumatischen Ereignissen
der deutschen Geschichte verknüpften: das Foto von der Hissung der
Sowjetflagge auf der Ruine 1945, die Aufnahme vom brennenden Reichstag
mit dem ausgeglühten Gerippe der alten Kuppel 1933. Sie überlagern die
Erinnerung an Reichstagsbrand und nationalsozialistisches
Ermächtigungsgesetz, die sich wiederum vor das eher durch
Machtlosigkeit als durch demokratische Kühnheit gekennzeichnete
Parlament der Kaiserzeit geschoben hatten.
Das entsprach durchaus dem offiziellen Bemühen, den Bundestag
abzukoppeln von den politischen Traditionen des Reichstags; die Debatte
um die korrekte Bezeichnung des Parlamentssitzes im umgestalten
Reichstagsgebäude enthüllte eine geradezu bizarre Berührungsangst. Die
eigentliche Vergangenheitsaustreibung hatte allerdings schon zwei Jahre
vorher stattgefunden, mit der Verpackung des massigen Baus durch
Christo und Jeanne-Claude. Durch heiter gestimmte Massenspaziergänge
und Picknicks auf dem vorgelagerten Grün eigneten sich die Berliner und
viele von auswärts Angereiste den "neuen Reichstag" an.
Am 28. August 1999 wurde Goethes 250. Geburtstag begangen - auch dies
kein nationales Ereignis, sondern Anlaß für regionale events in
Frankfurt am Main und Weimar. Die Feiern waren überhaupt nicht zu
vergleichen mit denen von 1949, als beide deutsche Staaten versuchten,
sich der Legitimation durch den Klassiker zu versichern, und mit der
Resonanz auf Thomas Manns damalige Reden. Am Anfang des Goethejahrs
hielt Bundespräsident Herzog die obligate Ansprache, doch die war bald
wieder vergessen. Im Sommer warb man für die touristischen Highlights
von Weimar und Frankfurt und für mehr oder minder obskure regionale
Spezialitäten, die vom Jubiläum zu profitieren suchten. "Goethes
Liebling" zum Beispiel, Thüringer Mettwurst im Schweinedarm,
verzeichnete ein Umsatzplus von 20%, seit der Name des Dichterfürsten
das Produkt adelt.[12]
Nach dem bissigen Kommentar eines Journalisten maß sich die Geltung
Goethes im Gedenkjahr an der Zahl der belegten Hotelbetten.[13] Doch es
wäre ein Mißverständnis, in der Wendung zum Regionaltourismus vor allem
Verzicht zu sehen, ein Zurückschrecken vor dem hohen Ton nationaler
Erbe-Beschwörung à la "Volk der Dichter und Denker". Was auffällt in
den letzten Jahren, ist vielmehr das anhaltende und aufwendige Bemühen
öffentlicher Institutionen, mithilfe neuer ästhetischer Strategien die
Identifizierung der Bürger mit ihrer Region oder ihrem Bundesland zu
fördern - eine offensive und innovative Symbol-Politik der
Regionalisierung.
"... die verrückteste Ausstellung, die ich je gesehen habe!"
Zunächst sind zwei zentrale Begriffe zu definieren. "Ästhetisch"
verstehe ich im Folgenden im Sinne von aisthesis: sinnliche Erkenntnis.
Mit John Dewey sehe ich ästhetische Erfahrung fundiert in der normalen
Lebenstätigkeit.[14]
Durch die Intensität sinnlicher und emotionaler Eindrücke ragt sie
heraus aus dem Getriebe des Alltags und hebt uns darüber empor. Sie
steigert das unmittelbare Daseinsgefühl, indem sie Züge gewöhnlichen
Erfahrens sozusagen von allem Störenden und Zufälligen reinigt, sie
verdichtet und emotional zu einem Ganzen verbindet. Überlegungen des
Kultursoziologen Gerhard Schulze zur Ästhetisierung der Alltagswelt,
die er im Konzept des "Erlebnisses" fokussiert,[15] scheinen in einem
ähnlichen Verständnis des Ästhetischen gegründet. Regionale
Identifikation verstehe ich hier als subjektive Herstellung einer
positiv besetzten Beziehung zur überlokalen Umwelt.[16] Sie kann mehr
oder weniger stabil sein und reicht von der hedonistischen Empfindung,
daß es sich irgendwo "gut leben lasse" bis zur ethnischen
Selbstdefinition, jemand sei in seinem Wesenskern ein Thüringer und
daher verpflichtet, Thüringer Art und Thüringer Erbe gegen alle
vermuteten Bedrohungen zu bewahren.
Der Versuch, Identifikation mit dem Bundesland zu stärken und an die
jeweils regierende Partei zu binden, gehört schon länger zum
politischen Repertoire Westdeutschlands. Am systematischsten betreibt
das Geschäft die CSU; sie präsentiert sich derart als privilegierte
Vertreterin bayerischer Lebensart und Mentalität, daß die politischen
Konkurrenten daneben farblos und fremd (auf bayerisch: "zuagroast -
zugereist") erscheinen. Neben dem Bodenständigen wird zunehmend mit
einer beinahe stammesspezifischen Modernität geworben - "Laptop und
Lederhose" lautet der jüngste, erfolgreiche Slogan. Vergleichbares
versucht die SPD auf ihren politischen Erbhöfen; "Wir in NRW" hieß das
dann in Nordrheinwestfalen.
Das ist sozusagen Standard, und es ist eine recht konventionelle
Strategie. Trotz Laptopbeschwörung spielen Aura und Glanz einer
vormodernen, möglichst monarchischen Vergangenheit die tragende Rolle.
Aktuelle Projekte diesen Typs sind der Wiederaufbau der barocken
Frauenkirche in Dresden, der Garnisonkirche in Potsdam und, noch
umstritten, des Stadtschlosses in Berlin. Gerade das Ideal einer
äußerlichen Restauration des früheren Zustandes unterscheidet sie von
der Umgestaltung des Reichstagsgebäudes oder der modernen Erweiterung
des Deutschen Historischen Museums im barocken Berliner Zeughaus durch
I.M. Pei.
Eine deutlich andere Strategie zeigt sich in einer ganzen Reihe von
Ausstellungen, mit denen verschiedene Landesregierungen regionale
Identifizierung zu fördern suchten. Sie setzen, das scheint mir die
entscheidende Differenz, auf ästhetische Mobilisierung[17] des Erbes
der Industriemoderne. 1998/99 gab es allein vier große Projekte, die
weder Auratisierung noch Geschichtsdidaktik betrieben, sondern - in
unterschiedlicher Konsequenz - ästhetische Erfahrung inszenierten.
Gemeinsam ist ihnen, daß die "bespielten" Gebäude nicht nur einen
Rahmen oder eine Bühne liefern, sondern selber als Hauptdarsteller
eines allein schon durch seine Dimensionen überwältigenden,
faszinierenden Ensembles auftreten. Es sind, darin gründen der
regionale Bezug und das Identifizierungsangebot, Giganten der
Industrietechnik; in Deutschland nennt man sie gerne, in einer Mischung
aus Bewunderung und Distanz, Kathedralen der Arbeit. Allesamt
stillgelegt, verkörpern die Dinosaurier eines prometheischen Zeitalters
eine Vergangenheit, die gleichermaßen verklärt wie zum Problem geworden
ist. Als inszenatorisch revitalisierte, ästhetisch zu einem zweiten
Leben erweckte Attraktionsmaschinen symbolisieren sie zugleich die
Fähigkeit und das Selbstvertrauen der Region, aus dem
industrialistischen Erbe eine offene Zukunft zu gestalten.
So lautet das Konzept. Und zumindest im Westen spricht die große
Resonanz der Besucher dafür, daß sie die hier eröffneten Spiel- und
Reflexionsfelder auch annahmen. "Sonne, Mond und Sterne" zählte 1999 in
viereinhalb Monaten 213.000 Gäste. Ein Viertel davon hatte einen Haupt-
oder Realschulabschluss;[18] das liegt zwar deutlich unter dem Anteil
dieser Gruppe an der Bevölkerung, aber deutlich über ihrem Anteil am
Publikum anderer kulturhistorischer Ausstellungen. Gut die Hälfte der
Besucher nannte als Hauptmotiv die Besichtigung der Industrieanlage,
und viele wurden, wie im Gästebuch zu lesen war, "überwältigt von der
Schönheit der Produktionswelt, die bisher verschlossen war." Das galt
nicht nur für Auswärtige, denen die Arbeitswelt der Ruhrindustrie
unbekannt war, sondern auch für die Einheimischen. In einer Befragung
äußerten sich fast 90% positiv über die "verrückteste Ausstellung (in
einem verrückten Museum), die ich je gesehen habe! Sehr interessant und
beeindruckend!"[19] Daß das Identifikationsangebot der Ausstellung
angenommen wurde, darauf verweisen Kommentare wie "Eine Kulturstätte
wie diese in unserer Heimat macht uns stolz"; "Schön, schön.
Ruhrgebietler fühlen sich wohl!!"; Wie sollen unsere Kinder sonst die
Geschichte dieser Region wirklich verstehen lernen?"; "Eine tolle und
auch nachdenklich stimmende Ausstellung in fantastischer Kulisse - ein
Stück Heimat, die mein Herz erwärmte"; Ich entdecke die Welt, in der
ich aufgewachsen bin, neu"; Ein Stück Heimat wurde mir näher gebracht.
Danke!!!" Wegen der außerordentlichen Resonanz wurde die Ausstellung im
Jahr 2000 fortgeführt.
Ihr Vorläufer war 1994/95 die begeistert aufgenommene
Ruhrgebietsgeschichtsschau "Feuer und Flamme" im Oberhausener Gasometer
gewesen.[20] 1999 erlebte dann die stillgelegte Kokerei der Zeche
Zollverein in Essen "Sonne, Mond und Sterne. Kultur und Natur der
Energie"[21] - nach dem Willen der Ausstellungsmacher die Verwandlung
eines Industrieareals in einen verwunschenen Phantasieraum, in dem das
Märchen von der Kohle erzählt werden soll. Hier war das durch Größe wie
Formensprache faszinierende Technofossil direkter Akteur. Die Kokerei,
in der bis 1993 täglich aus 10.000 Tonnen Kohle Koks und Gas erzeugt
wurden, verwandelt sich in eine photovoltaische Anlage zur Gewinnung
von Solarenergie, und die Besucher beteiligen sich daran, indem sie
Module der entstehenden Sonnenfabrik ("Watt von der Sonne") erwerben;
eine Liste führt alle Spender namentlich auf. Eine stärkeres Symbol, um
sich mit der Erneuerung der proletarischen Region zu identifizieren,
ist schwerlich denkbar. Dem Land Nordrheinwestfalen war das 10,5 Mio DM
wert.[22]Das ehemalige Großkraftwerk Vockerode an der Elbe war 1998 und
1999 Schauplatz für zwei Ausstellungen zur Geschichte
Sachsen-Anhalts.[23] Das monumentale Kesselhaus beherbergte Exponate,
die überraschend kombiniert und überwiegend assoziativ und metaphorisch
verbunden waren; ein eigens erbauter "Erlebnispfad"[24] führte die
Besucher hindurch. Der gewaltige Industriebau und die materiellen
Zeugen der dort eingesetzten Kräfte wirkten zusammen mit den
historisch-ästhetischen Collagen als postindustrielle
Eindruckserzeugungsmaschine mit regionalistischer Einstimmungsfrequenz.
An beiden Orten verband sich die überwältigende Ästhetik der
Funktionsbauten - überraschend auch für die ehemals Beschäftigten, denn
die Inszenierung macht die stillgelegte Anlage zur einer neuen,
fremdartigen Sinneserfahrung - mit Elementen klassischer
Ausstellungstechnik: Vitrinen, Originalobjekte mit der Aura des
Authentischen, erläuternde Texttafeln. Kunst gehörte an prominenter
Stelle dazu, traditionelle Tafelbilder wie zeitgenössische
Installationen. Die Zutaten illustrierten jedoch nicht ein didaktisches
Konzept; einzelne Themen (durchaus im musikalischen Sinn) wurden
assoziativ, collageartig, in erhellenden und irritierenden
Konstellationen der Exponate vergegenwärtigt. Im Vockeroder Kraftwerk
boten sich, so ein Rezensent, "ästhetische Konfrontationen von hohem
Reizwert: Stahlträger gegen ottonische Kapitellkunst, von der Hitze
angefressene Eisenroste, die den Blick auf hochkalibriges Waffengerät
öffnen, das gut sichtbar unter einem liegt und über das man
zwangsläufig hinweg gehen muß, das wohltemperierte Klavier ertönt in
einem früheren Schaltstand".[25] Der Arrangeur der Medien und
Erzählweisen kündigt die selbstverleugnend dienende Rolle gegenüber den
- so die klassische museologische Sicht - zu präsentierenden und
sachgerecht zu kommentierenden Zeugnissen der Geschichte auf. Die
Inszenierung führt den Besucher entlang verschiedener "Merk- und
Zeigewelten", provoziert sinnliche Erkenntnis, öffnet überraschende
Blickachsen und macht Vorschläge für persönliche Sinngebung.[26]
Ausstellung wird zum eigenständigen Genre angewandter Kunst wie
Gartengestaltung oder Produktdesign.
Am weitesten in dieser Richtung ging die vierte hier zu erwähnende
Variation des neuen, ästhetisierten Regionalismus. Sie fand unter dem
Titel "Prometheus. Menschen. Bilder. Visionen" in der Alten Völklinger
Hütte im Saarland statt; das Ensemble zählt seit 1994 zum
UNESCO-Weltkulturerbe. Hier ist die Inszenierung alles. Die
"Ausstellung" kam ohne Originale aus - sie war selbst ein
Originalkunstwerk, das in überwiegend medialen Installationen
Entwicklung und Probleme neuzeitlicher Körper- und Menschenbilder in
Europa visualisierte. Denk-Räume und verfremdende Kontrastierungen
eröffneten Fragenhorizonte und phantasieanregende Perspektiven.[27]
Auch hier spielten die Stahlwerksarchitektur und ihre nach der
Stillegung ästhetisch freigesetzte Formensprache eine Hauptrolle, auch
hier ging es um das Selbstverständnis und die Zukunftsvisionen einer
vom Ethos der Montanindustrie geprägten, nun verunsicherten Region.
Viele weitere Beispiele ließen sich anführen, die im Medium der
sinnlichen Erkenntnis regionale Erfahrungen bearbeiten und der
reflektierenden wie identifikatorischen Aneignung darbieten. Zu nennen
wären etwa "Ferropolis - Die Stadt aus Eisen", die seit der Expo 2000
im mitteldeutschen Braunkohlerevier die Faszination der Tagebautechnik
und das Erbe der Umwelteingriffe thematisiert. Oder das
(nichtkommerziell!) zum illuminierten Landschafts- und Abenteuerpark
umgenutzte ehemalige Hüttenwerk in Duisburg-Meiderich.[28]
Typisch deutsch? Bei den dargestellten Modellen handelt
es sich um Angebote zur ästhetisch akzentuierten regionalen
Identifizierung. Viele Belege sprechen für breite, positive Resonanz.
Aber was bedeutet das subjektiv? Welche Rolle spielt für die Deutschen
des 21. Jahrhunderts die Identifikation mit der Region, in der sie
leben, und wie verknüpfen sie eine eventuelle Selbstdefinition als
Westfale oder Sächsin mit ihrer nationalen Zugehörigkeit? Um ehrlich zu
sein: Ich kann nur punktuelle Hinweise geben, und ich bezweifle auch,
daß eine eindeutige Antwort, die für längere Zeit Gültigkeit
beansprucht, sinnvoll wäre. Selbstidentifikation ist keine Sache
sozialwissenschaftlich abgefragter Meinungen, sondern praktischer
Handlungen. Die Menschen der Postmoderne verfügen über schillernde
Optionen und mehrdeutige Bindungen. Ihre Selbstzuordnung wechselt mit
dem Handlungskontext, mit der konkreten Situation und den
Interaktionspartnern, sie hängt ab von der Wahrnehmung sozialen
Konformitätsdrucks und medienvermittelter öffentlicher Erwartungen.
Zunächst ist eine historische Anmerkung zu machen. "Heimat" war ein
Schlüsselwort deutscher Mentalitätsgeschichte in den letzten beiden
Jahrhunderten.[29] Entsprechend tief ist auch heute noch im
Alltagsbewußtsein die Erwartung verankert, daß ein normaler Mensch
emotional mit einer lokalen oder regionalen Lebenswelt verbunden sei;
mit dieser Erwartung der Anderen muß sich jede Person
auseinandersetzen. Hermann Bausinger hat jüngst, mit nur ganz leichtem
Augenzwinkern, behauptet, als Ergebnis von Jahrhunderten
territorialstaatlicher Zersplitterung sei das "lebendige Bewußtsein
regionaler Unterschiede ... typisch deutsch".[30]
Vor diesem Hintergrund einige demoskopische Befunde. In den neunziger
Jahren wählte ein knappes Fünftel der Bundesbürger unter verschiedenen,
einander ausschließenden Möglichkeiten, sich selber zu bezeichnen,
einen landsmannschaftlichen Namen wie Thüringer, Westfale oder
Berliner. Einen Sonderfall bildet die Selbstidentifizierung von
Menschen auf dem Territorium der ehemaligen DDR als "Ostdeutsche". So
hielt es dort immerhin jeder zweite (1995); nur jeder Dritte
bezeichnete sich als Deutscher - während auf der anderen Seite nur
jeder Zehnte sich als "Westdeutscher" verstand.[31] Zur Landsmannschaft
bekennen sich keineswegs nur die Älteren. Auch unter Schülern erklärt
ein nennenswerter Anteil, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Region
sei wichtig für ihr Wohlbefinden und ihren Stolz.[32]
Auf die offene Frage, zu welcher Gruppe sie sich zugehörig fühlten,
antworten in einer nicht repräsentativen Studie viele Interviewpartner
als erstes mit regionalen Identifizierungen. Im weiteren stellte sich
heraus, daß dahinter Probleme standen, die die meisten nach 1945
Geborenen mit ihrer "schwierigen Nation" haben. Hier dominieren
ambivalente Gefühle; im Schatten von Auschwitz ist es für viele kaum
möglich, sich ungebrochen als Deutsche zu definieren. Für nicht wenige
liegen nationale Selbstzuordnung und Nationalismus so eng beieinander,
daß es zu einer heiklen Aufgabe wird, die Zugehörigkeit zu den
Deutschen zu formulieren. Regionale Identifizierung ist also nicht nur
stärker alltagsrelevant und damit subjektiv bedeutsamer; es fällt auch
leichter, an Land und Leuten der näheren Umgebung das Positive und
Schöne herauszustellen. Im Bekenntnis zur Region, so der bedenkenswerte
Befund, kann sich ein Zugehörigkeitsbedürfnis artikulieren, dem im
Blick auf die Nation massive politische Bedenken entgegenstehen.[33]
Welche Bedeutung hat nun im Alltag die ästhetische Dimension regionaler
Identifizierung? Ein exemplarischer Hinweis muß hier genügen. Ganz
offensichtlich (und umstritten) ist sie bei einem der effektivsten
Medien alltäglichen Stimmungsmanagements, der populären Musik. Einer
der ganz großen Hits in den deutschen Pop-Charts im Frühjahr 1999 war
Marius Müller-Westernhagens "Wieder hier" mit dem Refrain "Ich bin
wieder hier / In meinem Revier. / Will nie wieder weg / hab' mich nur
versteckt" und der viele anrührenden Botschaft, er sei "froh, zu Hause
zu sein". Damit reüssierte auch in der Popmusik eine Tendenz, die als
sogenannte "volkstümliche Musik", genauer: als volkstümlicher Schlager,
in Deutschland seit den achtziger Jahren großen Erfolg hat: die
Beschwörung einer heimatlich-überschaubaren heilen Welt im regionalen
Winkel, mal sentimental bis zum religiös überzuckerten Kitsch, mal derb
nach den Klischees einer ländlich-urtümlichen Volkhaftigkeit.
Jedenfalls gehören Zeichen, die Tracht und Mundart, Dörflichkeit und
Natur, Gemeinschaft und kollektive Gestimmtheit evozieren, zum
unverzichtbaren Repertoire der entsprechenden Inszenierungen.
Der Ausbruch der volkstümlichen Musik aus ihrer Marktnische[34] wurde
seit dem Anfang der 1980er von zunächst wenigen Unternehmern energisch
betrieben, und gegen Ende des Jahrzehnts war das in Sound und Marketing
auf die Höhe der Zeit gebrachte Produkt etabliert. Auf irgendeinem der
ca. 25 Fernsehkanäle lief jeden Tag zur prime time eine Show des
volkstümlichen Schlagers. Nach der Vereinigung erhielt das Genre neuen
Schub durch den außerordentlichen Erfolg, den es bei vielen
Ex-DDR-Bürgern hatte. Mittlerweile ist der Höhepunkt des Booms
überschritten. Der volkstümliche Schlager ist, bei wachsenden
Überschneidungen mit anderen Genres wie dem deutschen Schlager und dem
Alpen-Rock als spezieller Ethnopop-Variante, als relevantes Genre
etabliert; sein Publikum ist definitiv nicht beschränkt auf Senioren
aus der Unterschicht.
Der Erfolg der volkstümlichen Schlagers und seine Aufgipfelung nach
1989 waren begleitet von konservativen Vereinnahmungsversuchen und
ressentimentgeladenen Beschwörungen, die deutsche Sprache und
Gefühlslage gegen das angelsächsisch dominierte internationale
Popmusikgeschäft zu verteidigen. Diese Kombination wiederum gab Anlaß
zu scharfer Ideologiekritik. "Das Zusammenwachsen der beiden deutschen
Gesellschaften hat als gemeinsame Kultur nur das Volkstümliche
hervorgebracht"; den Kern der "großdeutschen Volkstümlichkeit" bilde
ein "eigenartige[r] Verbund von Alkohol, Sexualität, Faschismus und
Regression", hieß es. Und im Klartext: in jeder Volksmusiksendung des
Fernsehens stecke ein "Nazi-Traum"[35] Volkstümliche Musik galt nicht
wenigen als Soundtrack des Vierten Reichs.
Ernstzunehmende Untersuchungen der kulturellen Praxis, um die es hier
geht, gibt es bis heute nicht. Unübersehbar ist aber die große
Nachfrage nach derartigen Inszenierungen von Regionalität und
Heimatbezug, die Angebote für regionale Identifizierung machen. Man mag
sich in diesem Zusammenhang erinnern an Walter Benjamins Warnung vor
der "Ästhetisierung der Politik, welche der Faschismus betreibt."[36]
Wie überzeugend ist nun die These, dieser Regionalismus bilde einen
gefährlichen emotionalen Treibsatz für machtstaatlichen deutschen
Nationalismus[37]? Immerhin funktionierte es nach der Reichseinigung
1871 so.
Raketen und Feuerwerk Wer sich nur ein wenig
beschäftigt hat mit der Faszination des Nationalismus im 19. und 20.
Jahrhundert, wer die Vielzahl der Quellen bedenkt, die im reißenden
Strom dieses politischen Glaubens zusammenlaufen, der wird
zurückhaltend sein mit Prognosen über seine schwindende Kraft. Ich
stelle hier auch keine Prognose vor, sondern eine Momentaufnahme des
Verhältnisses von nationalstaatlicher Integrationssymbolik und
modernisiertem Regionalismus. Zunächst aber ein kurzer Blick auf das
Verhältnis von Regionalkultur und Reichsnationalismus in Deutschland
zwischen 1871 und 1914. Aus den Untersuchungen von Celia Applegate,[38]
Alon Confino,[39] Detlef Briesen und anderen[40] wissen wir, daß - sehr
vereinfacht - das Bild der Zweistufenrakete hier ganz gut trifft. Die
bürgerlichen Eliten und die staatlichen Autoritäten auf lokaler und
regionaler Ebene verbanden zwei Zielstellungen. Die Inszenierung
regionaler Besonderheit und die Einübung partikularstaatlicher
Identifizierung ("Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein!") durch die
Rituale von Trachtentragen und gemeinsamem Singen waren kein Gegensatz
zur Produktion des Stolzes darauf, Deutscher im mächtigen Deutschen
Reich zu sein. Wohnort, Region, Teilstaat und Nationalstaat waren (und
sind bis heute) verknüpft in einer Ordnung "gestufter
Identitätspotentiale".[41] Es gab Reibungen zwischen den Loyalitäten
und die Kultivierung welfischer oder altbairischer Vorbehalte; aber im
August 1914 fühlten sich auch der "waschechte Pfälzer" und der
"erdverwurzelte Westfale" rückhaltlos als Deutsche aufgerufen.
Applegate arbeitet heraus, wie "Heimat" und "Heimatliebe" als
"natürliche Grundlage" für die Identifikation mit Nation und Reich
instrumentalisiert wurden . Briesen zeigt, daß die Erfindung regionaler
Traditionen auf die Einbindung in den Gesamtstaat hin angelegt war.
Zugespitzt: Der echte Franke, Mecklenburger, Schwabe usw. zeichnete
sich "immer schon" durch ganz besondere Hingabe an Kaiser und Reich
aus. Das "Siegerländer Heimatbuch" von 1914 brachte es auf den Punkt
mit dem Wunsch: "... möge es uns nie an Männern fehlen, die von sich
sagen können: Ich bin ein echter Deutscher und noch dazu ein
Siegerländer, und das gilt soviel wie zwei Deutsche."[42]
Auch heute wird in Deutschland noch traditionelles Heimat- und
Regionalbewußtsein gepflegt, das sich mehr oder minder schnell zur
ersten Stufe einer Nationalismus-Rakete umrüsten ließe. Sicher passen
einige der früheren ideologischen Verbindungsstücke nicht mehr, aber
aktuelle ökonomische Konflikte und der verführerische "kulturelle
Rassismus" versprechen wirksamen Ersatz. Uns geht es jedoch um den
Regionalismus neuen Typs, und der ist, wie im Folgenden zu zeigen sein
wird, ausgeprägt subjektbezogen; regionale Identifizierungen tragen
ästhetischen, erlebniszentrierten Charakter. Man empfindet sich
zugehörig, weil die Region mit angenehmen Erinnerungen und der
Erfahrung guter Gefühle verbunden wird. Um das zweifelhafte Bild ein
letztes Mal zu strapazieren: Hier dienen identifikatorische Treib- und
Sprengstoffe nicht dem Raketenbau, sondern der flüchtigen, dem
Augenblick verhafteten Kunst des Feuerwerks. Die erwähnten
Ausstellungen beispielsweise gehorchen nicht der rationalistischen
Didaktik des Erklärens und Einordnens, sie zielen auf spontane
sinnliche Erkenntnis, die von Verfremdung, Staunen und Assoziation
ausgeht. Im Verhältnis zur Region vermitteln sie weder fragloses Wissen
noch stiften sie herzerwärmende Traditionen. Es werden keine
eindeutigen Herkunftslinien geknüpft, um die heutigen Besucher mit
Vorfahren zu verbinden, die ihnen Erbe und Auftrag hinterlassen haben
oder verbindliche Vorbilder darstellen. Region wird hier positiv
bedeutsam als Anlaß für Erfahrungen, die (mit einer Formulierung
Gerhard Schulzes) dem individuellen "Projekt schönen Lebens"[43]
dienen. Überraschende und befremdende Perspektiven auf Vergangenes
verdichten sich in Arrangements von Objekten, die sich in der
Einbildungskraft festsetzen und dort ein eigenes, irritierendes Leben
beginnen. Totgeglaubte Regionalgeschichte wird transponiert in einen
Möglichkeitsraum, in Energie für Denkspiele und Traumexpeditionen. Für
die Einheimischen ist die Ausstellung eine regionale Attraktion; sie
wird genutzt als Bühne, auf der man sich als Besucher bewegen und
lustvoll ästhetische Erfahrungen machen kann. Region gewinnt den Reiz
historischer Tiefe als "Rekonstruktion eines assoziativ
zusammengehaltenen Kosmos",[44] und sie erweist sich als Ort
intensiven, zur Alterität hin geöffneten Erlebens hier und jetzt.
Virtuelle Regionen und die Heimat des Merchandising
Ausstellungen machen die Region ästhetisch reizvoll und liefern Stoff
für Identifizierung; sie haben die Kraft außergewöhnlicher Ereignisse,
weil sie einmalig sind.
Kontinuierlicher, alltagsnäher ermöglicht eine andere Massenkunst
gesteigertes Erleben des regional Besonderen. Der kommerzielle Fußball
funktioniert seit einiger Zeit ebenfalls als Medium des neuen
Regionalismus, als Anlaß und Vehikel für die Produktion einer
"Wir-Region" oder eines regionalen Wir. In der ehemaligen DDR sind
Vereine wie Hansa Rostock oder Energie Cottbus zu
Kristallisationskernen eines in Frage gestellten Selbstwerts geworden,
weit über die jeweilige Stadt hinaus. Und westdeutsche Beobachter waren
erstaunt, was der Gewinn von europäischen Pokalwettbewerben durch
Schalke 04 und Borussia Dortmund im Frühjahr 1997 ans Tageslicht
brachte. In den Mannschaften spielen Professionals aus mehreren
Kontinenten, unter denen kaum Kinder der Region zu finden sind; Schalke
wurde von einem niederländischen Trainer zum Sieg geführt. Doch die
Begeisterung überwand tiefsitzende Lokalrivalitäten zwischen den
Vereinen und aktivierte regionale Identifkationen. Im Endspiel gegen
Turin feuerten auch Anhänger konkurrierender Clubs die Dortmunder mit
dem Schlachtruf "Ruhrpott, Ruhrpott!" an. Wie haben wir uns solche
Identifizierungsprozesse vorzustellen? Dienen hier knochenharte,
unsentimentale Geschäftsunternehmen mit einer multinationalen work
force als Anziehungspunkte, um die sich eine symbolische Gemeinschaft
regionaler Anhänger und Experten schart, die daraus ihre
Selbstvergewisserung speisen?[45] Unzweifelhaft ist jedenfalls, daß es
zu kurz greift, hier nur rauschhaftes Aufgehen in der Masse zu sehen.
Heutige Fans beteiligen sich in großer Zahl aktiv an den Inszenierungen
ihrer local heroes. Sie legen Wert auf Eigenständigkeit und leisten
durch kreative Praxen einen unübersehbaren Beitrag dazu, daß das
Erlebnis, die einmalige, den Alltag überstrahlende und vertiefende
Erfahrung sich ereignet. Länger schon werden kunstreiche Sprechchöre
und Gesänge gepflegt;[46] viele Fanclubs produzieren eigene Fanzines.
Neben der umlaufenden "La Ola"-Welle wurden ausgefeilte Choreographien
entwickelt, mit denen Tausende Besucher eine eigene visuelle Botschaft
ins Stadion und über die Massenmedien senden. Hier scheint es, als gebe
das kommerzielle Produkt "Fußball" nur noch den Rahmen ab für
Publikumsaktivitäten zum "Zweck des 'Über-sich-selbst-Staunens'"[47]
Zum selbst geschaffenen Erlebnis gehört schließlich auch die -
glücklicherweise überwiegend noch ritualisierte - Machtprobe mit den
gegnerischen Fans.
Ich komme auf den Fußball zurück. Vorher noch eine Anmerkung
dazu, wie der "volkstümliche Schlager" die Region konstruiert. Es ist
eine virtuelle Regionalität, eine Welt frei flottierender Zeichen; sie
beziehen sich auf keinen Referenten jenseits der Inszenierung mehr,
sondern auf die Essenz der wohltuenden, beheimatenden, regressiven
Empfindungen, die man früher einmal mit konkreten, differenten Regionen
zu verbinden pflegte. Schon länger wissen wir, daß die Lobpreisung der
unverwechselbaren, unersetzlichen Heimat sich an jedem Ort derselben
Topoi bedient. In den Liedern brauchten nur die Namen ersetzt zu
werden, dann konnte Franken mit denselben Worten zum schönsten Fleck
der Welt erklärt werden wie Thüringen. Hermann Bausinger sprach schon
1964 vom "multiplen Wiesengrund" und verteidigte die Funktionalität
derartiger "Konfektionsware, die man anderswo ebenso trägt".[48]
Mittlerweile ist die Verselbständigung der Zeichen fortgeschritten, und
ebenso, behaupte ich, die Kunst der virtualitätsbasierten
Stimmungsgenerierung im Publikum. Es ist eine geschlossene Welt der
Signifikanten, die auf nichts verweisen als auf andere Arrangements
derselben Signifikanten; sie dienen den Rezipienten dazu, jene
wohltuende Regressionsempfindung auszulösen, die Begriffe wie "Heimat"
und "Region" versprechen. Dem Aufstieg der Signifikanten
"Alpenglühn" und "Edelweiß", Dirndl und Trachtenjanker entspricht der
Niedergang der wirklichen Alpenregionen als sommerliche Urlaubsziele.
Keine reale Landschaft vermag die Regionalitätserlebnisse auszulösen,
die die flottierenden Signifikanten im Kosmos des volkstümlichen
Schlagers ermöglichen. Und so muß man sich auch fragen, welche
Beziehungen die virtuelle Welt von Birkengrün und Herzlichkeit,
Jodelklang und Nordseestrand noch zum Nationalen in der realen Gestalt
staatlicher Symbolpolitik und kollektiver Ansprüche hat. Mir scheint,
der Drang in die Nische virtueller Heimatlichkeit korreliert eher mit
der Blässe zentralstaatlicher Symbolpolitik als daß er auf ein
spezifisches, brisantes Reservoir für nationalistische Mobilisierung
verwiese.
Die ästhetische Aneignung von Region hat immer weniger gemein mit dem
traditionalen - und weiterhin relevanten! - Muster der Identifizierung
mit Heimat; gesucht und geschätzt wird eine "Kulisse, die zur
Steigerung positiver Erlebnisse beiträgt."[49] Daß dabei die Substanz
regionaler Identifizierung sich verändert, sei an einem letzten
Beispiel angedeutet, das den Kreis schließt zu Hermann dem Arminen. Die
erlebnisorientierte Identifikation mit dem regionalen
Fußballunternehmen scheint an einigen Orten dahin zu führen, daß die
(relativ) geschichtslosen kommerziellen Zeichen des Vereins neben,
vielleicht sogar vor die traditionellen Zeichen treten, die bisher die
Region in ihrer landschaftlichen, historischen, ethnisch-kulturellen
Besonderheit repräsentierten.
Neu ist nicht, daß bekannte Fußballclubs oder Stadien in Reiseführern
als regionale Sehenswürdigkeit angeführt werden; das gibt es schon seit
Jahrzehnten. Neues zeigt sich am Beispiel "Bayern". Das Lemma an sich
ist mittlerweile mehrdeutig geworden in Deutschland. Es hängt vom
Kontext ab, ob es "Bundesland/Region" oder "Münchner Fußballclub"
bedeutet. Ein Kollege hat nun in Souvenirläden beobachtet, daß dort das
Bayerische zunehmend durch Fanartikel des FC Bayern München GmbH
repräsentiert wird.[50] Solche Läden bilden eine einzigartige Quelle;
sie bieten sozusagen die Hitliste der Regionalsymbole. Was hier in den
Regalen steht, auf T-Shirts gedruckt oder als Tonträger zu kaufen ist,
das sind die Zeichen, die für die meisten die Region repräsentieren.
Was die Kunden nicht annehmen, fällt aus dem Angebot.
Souvenirläden orientieren sich zunächst einmal am Heterostereotyp des
Regionalen; ihre Zielgruppe sind Touristen, die die Essenz des
Bayerischen als Andenken erwerben wollen. Doch wissen wir, daß das
Fremdbild auf Dauer das Autostereotyp beeinflußt. Regionen bauen heute
mit allen Künsten der PR ein Image auf, um sich weltweit zu
"verkaufen"; so beeinflussen auch die Fremden das Bild Bayerns.
Jedenfalls nehmen Fanartikel des FC Bayern hier immer größeren Raum
ein. Neben die weißblauen Rauten treten die rotweißen Vereinsfarben,
neben den bayerischen Löwen das Logo des Sponsors Opel, neben das
T-Shirt König Ludwigs das Bild des schönen Mehmet Scholl, neben die
Lederhose das Bayern-Trikot der Saison. Die Merchandising-Experten des
Fußballunternehmens liefern die Symbole der Region.
Man kann zumindest spekulieren, worauf der Erfolg in der Konkurrenz der
Zeichen beruht. Wer mit der Bundesliga aufgewachsen ist, dem bieten die
events der Bayern-Spiele und der Bayern-PR mehr an Erlebnis, mehr Stoff
für das Projekt des schönen Lebens, mehr Identifizierungspunkte als
Neuschwanstein, Schuhplattler und kerniger Dialekt.
Aus diesem Grund bin ich auch zuversichtlich, daß unser vom Vergessen
bedrohter Nationalheld gute Aussichten hat auf eine Karriere als Freak
vom Teutoburger Wald. Hermann als Arminia-Fan, erkennbar am Trikot mit
dem "Herforder"-Logo, das ist der kommende Sympathieträger der Region
Ostwestfalen-Lippe. Der putzige Flügelhelm verleiht dem Koloss das
gewisse Etwas, die schräge Unverwechselbarkeit auf dem heißumkämpften
Markt der Symbole. Und schließlich könnten an der Verwandlung von
Arminius in einen Arminen auch die Vergnügen finden, die sich gerne an
den bizarren Windungen der Selbstreferentialität erfreuen.
Ambivalenzen Regionalität boomt in Deutschland seit den
1980ern: als Element politischer Strategien, ökologischer und
ökonomischer Konzepte wie im Alltag, auf Speisekarten und Tagen der
Mundartliteratur.[51] In neuerer Zeit tritt eine Entwicklung in den
Vordergrund, die ich als ästhetisch akzentuierte Identifizierung mit
dem Regionalen bezeichne. Sie findet sich in der staatlichen
Repräsentation von Regionalgeschichte ebenso wie in der verbreiteten
Suche nach Erlebnis in der Freizeit. Wir fragten: Wie verhält sich der
neue Typ regionaler Identifikationen zur symbolischen Repräsentation
der Nation in der Berliner Republik und zu möglichen Steigerungen eines
deutschen Nationalismus? Ich habe zu zeigen versucht, daß die
ästhetischen Regionalidentifikationen nicht dem Potenzierungsmodell des
Kaiserreichs entsprechen; sie eignen sich nicht besonders als
Brennstoff für Staats- und Volksnationalismus. Region, die reale wie
die virtuelle, ist eine unter vielen "Kulissen des Glücks",[52] die die
Menschen aus ganz selbstbezogenen Motiven suchen; der ausgeprägt
hedonistische Charakter paßt nicht recht zum Anspruch des
Nationalismus, Opfer für die imagined community zu bringen.
Damit ist keinesfalls gesagt, wie das Hermanns-Beispiel nahelegen
könnte, daß es sich hier um ein Nullsummenspiel handelt: Je mehr
Erlebnis und Schönheit aus den ästhetischen und virtuellen
Inszenierungen des Regionalen gezogen wird, desto schwächer die
nationale Identifizierung und das nationalistische Dispositiv. Es
handelt sich eher um eine Dissoziation der Elemente; sie zeigen
wachsende Eigenlogik, ohne daß künftig Verknüpfungen und
Dynamisierungen unter xenophobischen Vorzeichen ausgeschlossen wären.
Und das Mischungsverhältnis zwischen "alten" und "neuen" regionalen
Identifizierungen wäre erst noch zu untersuchen.
Mit Gewißheit kann man jedoch feststellen: Die Konjunktur des
Regionalen bildet nicht die Ursache für das relativ niedrige Profil der
"Berliner Republik" und für die geringe Resonanz auf zentrale
Symbolisierungen des Nationalstaats. Da wären andere Gründe zu
erörtern: die anhaltende Schwierigkeit, nach dem Zivilisationsbruch der
Rassenmorde ein Selbstverständnis als europäische Macht zu finden;
Rücksicht auf vermutete internationale Empfindlichkeiten; die
verständliche Weigerung vieler Ostdeutscher, sich mit dem westdeutsch
riechenden[53] Zentralstaat zu identifizieren (was, nebenbei bemerkt,
auf ein großes Potential für nationalistische Radikalisierung
verweist); die schlechten Integrationsmöglichkeiten für Millionen
sogenannten Ausländer, die heute zur deutschen Nation zählen, was
starke Tendenzen zur Selbstethnisierung und Ghettobildung hervorruft;
schließlich die bemerkenswerte Abwesenheit einer öffentlichen Debatte
über Probleme und Optionen der Deutschen in der Welt des 21.
Jahrhunderts.
Als Bürger habe ich ambivalente Gefühle angesichts der relativen
Schwäche der Angebote, sich mit der Berliner Republik als Nationalstaat
der Deutschen zu identifizieren. Die Verbundenheit mit einem Ort oder
einer Region mag konkreter, emotional differenzierter und sinnlicher
sein als die Verbundenheit mit dem Staat, dessen Bürger man ist - aber
keineswegs ist sie per se harmloser, besser oder humaner. Gute Gefühle
für die Wir-Region als Quelle ästhetischer Erfahrung mögen Vorteile
haben im Vergleich mit aggressivem Nationalismus oder in der
Perspektive einer Sensibilisierung des Erlebens - doch ein Impuls, die
Region für alle ihre Bewohner besser einzurichten, geht davon nicht
unbedingt aus.
Angesichts der Geschichte des 20. Jahrhunderts empfinden das viele
Deutsche anders. In der Sympathie für die kleinen Identifikationen
bemerke ich auch Mißtrauen gegenüber dem Zentralstaat und eine Art
Peter-Pan-Syndrom; man will sich nicht ernsthaft auseinandersetzen
damit, daß Deutschland eine bedeutende Macht in dieser Welt darstellt
und als solche handeln muss - weil das heißt, Entscheidungen zu
treffen, die nur in Ausnahmefällen das Bedürfnis nach moralischer
Eindeutigkeit und Beruhigung befriedigen.
Eine zweitrangige Episode der Debatte um das zentrale
Holocaust-Memorial in der Hauptstadt hat mich nachdenklich gestimmt;
sie zeigte die Kraft des regionalistischen Dispositivs und seine
inhärente Borniertheit. Martin Walser bemerkte in einer Diskussion eher
beiläufig, über das Mahnmal sollten eigentlich die Berliner abstimmen.
"Das wäre doch viel besser, als wenn der Bundestag entschiede. Denn die
Berliner müssen ja mit dem Mahnmahl leben."[54] Das Memorial, das die
Deutschen (und auch das Parlament) in ihrer Hauptstadt an den deutschen
Völkermord erinnert, wird zur Frage einer lebenswerten Umwelt der
Berliner. Es ist ihre Region, also ihre Sache. Ich gestehe: Das macht
mich sprachlos.
Andererseits brauche ich nur einen Satz zu lesen aus der Festrede am
Hermannsdenkmal 1875: "Wir stehen wieder da, geehrt und gefürchtet im
Rate der Völker, ihnen nicht bloß ein Volk der Denker und Dichter,
sondern nun auch wehrbereit und waffengewaltig, ein Volk der
selbstbewußten Tatkraft – und empfinden wird deren Wucht ein Jeder, der
es wagen sollte, uns ferner zu stören in dem Werke des Friedens, das
wir nun vorhaben, in dem Bemühen, auszubauen und lebensvoll zu
gestalten unser neuerstandenes Reich ...".[55] Dieser
Ton ist noch nicht getilgt aus dem Reservoir möglicher deutscher
Identifikationen. Als Deutscher der ersten Nachkriegsgeneration,
geboren ein Jahr nach dem Ende des Nationalsozialismus, könnte ich mir
für die "Berliner Republik" schlimmere Aussichten vorstellen als eine
Republik von Provinzlern.
Anmerkungen und Nachweise
[1] Bis zum 10. August 1999 wurden 115 Presseberichte mit einer
Gesamtauflage von 22 Mio. gezählt , dazu 18 TV-Sendungen mit einer
Einschaltquote von 14,2 Mio. Quelle, auch zum Folgenden: Auswahl von
PR-Veröffentlichungen anläßlich der Einkleidung des Hermannsdenkmals am
16. Juli 1999, vorgelegt von der Public Relations von Hoyningen-Huene,
August 1999 [Hamburg].
[2] Münstersche Zeitung, 17. Juli 1999.
[3] Lippe Aktuell, 21. Juli 1999; vgl. auch die PR-Publikation
"Ostwestfalen-Lippe", Verlagsbeilage zur Frankfurter Allgemeinen
Zeitung, 20. Oktober 1999. Ähnlich äußerte sich einer der beiden
Initiatoren, Andreas Karger, Inhaber einer Werbeagentur, in einem
telefonischen Interview am 20. Sept. 1999. Ihm habe ich für
Informationen und Materialien zu danken.
[4] Vgl. zum Folgenden Günther Engelbert (ed.): Ein Jahrhundert
Hermannsdenkmal 1875-1975. Detmold: Naturwissenschaftlicher und
historischer Verein für das Land Lippe 1975; Charlotte Tacke: Die
1900-Jahrfeier der Schlacht im Teutoburger Wald 1909 In: Manfred
Hettling, Paul Nolte (eds.): Bürgerliche Feste. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht 1993, p. 192-230; Dies.: Denkmal im sozialen Raum.
Nationale Symbole in Deutschland und Frankreich im 19. Jahrhundert.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1995; Dies.: Nationale Symbole in
Deutschland und Frankreich. In: Heinz-Gerhard Haupt, Jürgen Kocka
(eds.): Geschichte und Vergleich. Frankfurt/M.: Campus 1996, p.
131-154; Andreas Dörner: Politischer Mythos und symbolische Politik.
Der Herrmannsmythos: zur Entstehung des Nationalbewusstseins der
Deutschen. Reinbek: Rowohlt 1996.
[5] Tacke, Denkmal, S. 216.
[6] Vgl. Horst Callies: Arminius - Held der Deutschen. In: Engelbert, Jahrhundert, p. 33-42, hier p. 41 f.
[7] Vgl. Volker Losemann: Art. "Arminius". In: Der neue Pauly.
Enzyklopädie der Antike, ed. Hubert Cancik, Helmuth Schneider, vol. 2,
Stuttgart: Metzler 1997, Sp. 14-16.
[8] URL http://www.bi-info.de/frames/angebot/biele/umland/hermann2.htm, 14. 8. 1999
[9] Schon 1975 sah Thomas Nipperdey im Monument nur noch "ein
sichtbares Stück der regionalen Wirklichkeit, ein Stück ... Heimat"
(Thomas Nipperdey: Zum Jubiläum des Hermannsdenkmals. In: Engelbert,
Jahrhundert, p. 11-31, hier p. 31.
[10] Zit. n. Klaus Poehle: Ist europäische Identität möglich? In:
Politik und Gesellschaft 3/1998
[http://www.fes.de/ipg/ipg3_98/artpoehle.html, 13. 8. 1999].
[11] Einen materialreichen Überblick über politische Versammlungen am
Hermannsdenkmal von 1875 bis 1992 sowie über die Instrumentalisierung
der nationalen Ikone gibt Dirk Mellies: Arminius - Der Mega Star.
Mißbrauch und Vermarktung des Hermannsdenkmals von der Einweihung bis
heute. [Detmold: Fotokopiertes Manuskript 1993].
[12] Mit Goethes Liebling zum Gewinn, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Aug. 1999.
[13] Thomas Wirtz: Dem Schönen, Guten, Baren - Ein Gedenkjahr. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Dez. 1999.
[14] Vgl. John Dewey: Art as Experience. New York: G.P. Putnam's Sons 1958.
[15] Vgl. Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft. Frankfurt/M.: Campus 1992.
[16] Vgl. ausführlicher Kaspar Maase: Nahwelten zwischen "Heimat" und
"Kulisse". Anmerkungen zur volkskundlich-kulturwissenschaftlichen
Regionalitätsforschung. In: Zeitschrift für Volkskunde 94 (1998) S.
53-70.
[17] Auch die traditionellen Identifikationsangebote setzen auf die
ästhetische Kraft alter Repräsentationsbauten oder landschaftlicher
Schönheiten. Nun wird der Modus sinnlicher Erkenntnis ausgeweitet auf
Felder, die sich bislang gegen ästhetische Aneignung zu sperren
schienen: die Präsentation regionaler Geschichte und das Erbe der
Schornsteinindustrien.
[18] Thomas Janzen: Ergebnisse einer Besucherbefragung. In: Sonne, Mond
und Sterne. Kultur und Natur der Energie. Ein Rückblick. Bottrop: Pomp
2000, p. 66 f.
[19] Ebd., p. 65. Auszüge aus dem Besucherbuch ebd., p. 56-62, und in:
Pressespiegel 1999. Sonne, Mond und Sterne. Kultur und Natur der
Energie. Eine Ausstellung auf der Kokerei Zollverein Essen. o. O.,
unpaginiert.
[20] Feuer & Flamme - 200 Jahre Ruhrgebiet. Eine Ausstellung im
Gasometer Oberhausen. 22. Juli bis 1. November 1994. Essen: Klartext
1994.
[21] Sonne, Mond und Sterne. Kultur und Natur der Energie. Katalog zur
Ausstellung auf der Kokerei Zollverein in Essen 13. Mai bis 13.
September 1999 im Rahmen des Finales der Internationalen Bauausstellung
Emscher Park. Bottrop: Pomp 1999.
[22] Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 30. Sept. 1999.
[23] mittendrin. Sachsen-Anhalt in der Geschichte. Katalog zur
Ausstellung im stillgelegten Kraftwerk Vockerode, 15. Mai bis 13.
September 1998, hg. v. Franz-Josef Brüggemeier et al. Dessau:
Anhaltische Verlagsgesellschaft 1998; unter strom. Energie, Chemie und
Alltag in Sachsen-Anhalt 1890-1990. Katalog zur Ausstellung im
stillgelegten Kraftwerk Vockerode 3. Juli bis 24. Oktober 1999, hg. v.
Franz-Josef Brüggemeier et al. Wittenberg: Drei Kastanien Verlag 1999.
[24] Vgl. Jürg Steiner: Konversion. In: unter strom, S. 25-29.
[25] Utz Jeggle: Mittendrin. Anmerkungen zu einer historischen Schau in
Sachsen-Anhalt. In: Historische Anthropologie 7 (1999) S. 336-342, hier
S. 337.
[26] Gottfried Korff: Labyrinth der Bilder? Bemerkungen zur Ausstellung
"Prometheus. Menschen, Bilder, Visionen". In: Historische Anthropologie
7 (1999) S. 154-164, hier S. 160.
[27] Richard van Dülmen (ed.): Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500-2000. Wien: Böhlau 1998.
[28] Vgl. Angela Schwarz: Vom Industriebetrieb zum Landschaftspark.
Arbeiter und das Hüttenwerk Duisburg-Meiderich zwischen Alltäglichkeit
und Attraktion. Essen: Klartext 2001.
[29] Vgl. Konrad Köstlin, Hermann Bausinger (eds.): Heimat und
Identität. Probleme regionaler Kultur. Neumünster: Wachholtz 1980;
Hermann Bausinger: Heimat und Identität. In: Elisabeth Moosmann (ed.):
Heimat - Sehnsucht nach Identität. Berlin: Ästhetik und Kommunikation
1980, S. 13-29; Ders.: Heimat in einer offenen Gesellschaft. In:
Heimat. Analysen, Themen, Perspektiven. Bonn: Bundeszentrale für
politische Bildung 1990, S. 76-90.
[30] Hermann Bausinger: Typisch deutsch. Wie deutsch sind die Deutschen? München 2000, p. 33.
[31] Elisabeth Noelle-Neumann, Edith Köcher (Hrsg.): Allensbacher
Jahrbuch der Demoskopie. Bd. 9. München: Saur 1993, S. 396; Bd. 10,
1997, S. 496 f.
[32] Bodo von Borries: Regionalgeschichtliche Motivation und regionale
Identifikation bei Jugendlichen. In: Bernd Mütter/Uwe Uffelmann (eds.):
Regionale Identität im vereinigten Deutschland. Weinheim: Deutscher
Studien Verlag 1996, S. 152-162; Gabriele Magull: Überlegungen zur
regionalen Identität und zur Nutzung der Heimatgeschichte in
Mecklenburg-Vorpommern. In: ebd., S. 116-123.
[33] Irene Götz: "Wo ich mich so richtig als Bayer gefühlt habe". Zum
Verhältnis von nationaler und regionaler Identifizierung in
qualitativen Interviews. In: Daniel Drascek et al. (eds.): Erzählen
über Orte und Zeiten. Münster: Waxmann 1999, S. 35-57.
[34] Vgl. Ralf Grabowski: "Zünftig, bunt und heiter". Beobachtungen
über Fans des volkstümlichen Schlagers. Tübingen: Tübinger Vereinigung
für Volkskunde 1999.
[35] Georg Seeßlen: VOLKs TÜMLICHKEIT. Über Volksmusik, Biertrinken,
Bauerntheater und andere Erscheinungen gnadenloser Gemütlichkeit im
neuen Deutschland. Greiz 1993, S. 7, 43.
[36] Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt/M: Suhrkamp 1963, p. 51.
[37] Unter den Bedingungen vollzogener staatlicher Einheit verstehe ich
unter Nationalismus das von Hobsbawm formulierte Prinzip, "that the
political duty ... to the polity which encompasses and represents the
... nation, overrides all other public obligations, and in extreme
cases (such as wars) all other obligations of whatever kind." (Eric J.
Hobsbawm: Nations and nationalism since 1780. Cambridge: Cambridge UP
1900, p. 9)
[38] Celia Applegate: A nation of provincials: The German Idea of
Heimat. Berkeley: Univ. of Calif. Press 1990.
[39] Alon Confino: The Nation as a Local Metaphor: Württemberg,
Imperial Germany and National Memory, 1871-1918. Chapel Hill: Univ. of
North Carolina Press 1997.
[40] Detlef Briesen, Rüdiger Gans, Armin Flender: Regionalbewußtsein in
Montanregionen im 19. und 20. Jahrhundert. Bochum: Brockmeyer 1994.
[41] Vgl. Bausinger, Typisch, p. 151.
[42] Georg Mollat (Hg.): Siegerländer Heimatbuch. Siegen 1914, S. IV,
zit. n. Detlef Briesen, Rüdiger Gans: Regionale Identifikation als
"Invention of Tradition". In: Berichte zur deutschen Landeskunde, Bd.
66 (1992) H. 1, S. 61-73, Zit. S. 69.
[43] Schulze: Erlebnisgesellschaft, p. 35.
[44] Jeggle: Mittendrin, p. 340.
[45] Zum Konzept der symbolischen Regionalgemeinschaft vgl. Peter
Weichhart: Raumbezogene Identität. Stuttgart: Franz Steiner 1990.
[46] Reinhard Kopiez, Guido Brink: Fußball-Fangesänge: eine FANomenologie. Würzburg: Königshausen & Neumann 1998.
[47] Michael Prosser: Stadt und Stadion. Aspekte der Entwicklung des
Zuschauerfestes "Fußballveranstaltung" in Deutschland. In: Olaf
Bockhorn et al. (eds.): Urbane Welten. Wien: Verein für Volkskunde
1999, S. 435-449, Zit. S. 448, Anm. 25. Dort weiteres Material zu den
Choreographien sowie Internet-Adressen der Fanclubs, die ständig über
die neuesten Inszenierungen informieren. 1999 gab es allein 1.761
Fanclubs des FC Bayern München in ganz Deutschland und dem Ausland
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Nov. 1999).
[48] Hermann Bausinger: Multipler Wiesengrund. In: Ders.: Der blinde
Hund. Tübingen: Schwäbisches Tagblatt [1991], S. 69-71, Zit. S. 70 f.
[49] Georg Kneer, Dieter Rink: Milieu und Natur. In: Michael Hofmann et
al. (eds.): Ökostile. Zur kulturellen Vielfalt umweltbezogenen
Handelns. Marburg: AVK 1999, S. 121-144, Zit. S. 138.
[50] Ein Aufsatz von Michael Prosser dazu ist in Vorbereitung.
[51] Vgl. Maase, Nahwelten.
[52] Gerhard Schulze: Kulissen des Glücks. Streifzüge durch die Eventkultur. Frankfurt/M.: Campus 1999.
[53] Gottfried Korff: Volkskundliche Notizen zur politischen
Olfaktorik. In: Konrad Köstlin (ed.): Ethnographisches Wissen. Wien:
Institut für Volkskunde 1999, p. 83-98.
[54] Martin Walser: Das Gerücht. Eine Nachricht und ihre Erfinder, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Juni 1999.
[55] Geh. Regierungsrat Preuß am 16. August 1875; zit. n. Peter
Veddeler: Nationale Feiern am Hermannsdenkmal in früherer Zeit. In:
Engelbert, Jahrhundert, S. 167-182, Zit. S. 172.
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