Erinnerungskulturen
Immer mal wieder erreichen mich Anfragen zu wissenschaftlichen
Gegenständen meines früheren Lebens als Kulturwissenschaftler. Meist
wird nach Kulturhäusern gefragt. Oft waren diese Leute zuvor bei
Dietrich Mühlberg oder sie landeten nach dem Interview mit mir dort.
Stets drehen sich die Gespräche mit den Interessenten dann auch
irgendwie um die Frage, ob es sichtbare Auswirkungen der
Arbeiterkultur-Forschergruppe um Dietrich Mühlberg an der
Humboldt-Universität auf Historiker oder Wissenschaftler anderer
Profession oder gar auf aktuelle politische Entscheidungen gibt.
Neulich war ein Filmteam da, ganz glücklich, endlich jemand
gefunden zu haben, der die Auffassung nicht stützte, das Kultursystem
der DDR sei ein Abklatsch sowjetrussischer Zustände gewesen, wie sie
von einer öffentlich-rechtlichen Medienanstalt „Mitteldeutschlands“
sogar schriftlich bescheinigt bekommen hatten. Diese Episoden zeigen
zumindest, dass von einem großen aktuellen Einfluss nicht die Rede sein
kann – aber von einem stetigen Interesse einiger wissensdurstiger
Menschen.
Dann gibt es Erlebnisse, die erinnern an die alten Kämpfe außerhalb
von Wissenschaft. Da ist man auf einem Empfang, da stehen linke
Parteigrößen herum, man redet, worüber man da so redet, und man kommt
auf die Biografien und man will erklären, wo man herkommt und sagt:
Kulturwissenschaft, Ostberlin, Mühlberg-Truppe (ein Begriff, auf den
wohl Wolfgang Jacobeit das Copyright hat) ... und sofort stellt sich
ein Verortungseffekt ein.
Oder: Man trifft einen Menschen aus dem früheren
Wissenschaftsapparat Westberlins. Oft ist hier die Spur noch sichtbar,
dass es sich bei den Kulturwissenschaftlern um diejenige Truppe in
Ostberlin handelt, die 1990 von der Abwicklungsliste sprang mit Hilfe
eines seltsamen linken Gemischs aus dem eigenen Terrain. „Aber erwischt
haben wir sie dann doch.“ „Oh, Sie gehörten dazu ...?“ In der Erklärung
tradiert sich dann ein Eindruck West, der nicht nur maßlos übertreibt,
weil er tatsächlich der Meinung ist, bei der Kulturwissenschaft sei es
wie mit den Kulturhäusern, nämlich eine nur in der DDR vorkommende
Sache. Doch dieses Falschwissen belegt nur den Inselstatus, der hinter
der Mauer und fern der grünen Grenze oftmals ähnliche Folgen hatte wie
der Abschluss Dresdens vom Westfernsehen: Man glaubt, was man glaubt,
gehört zu haben. Es ist also ein illustres Bild, das sich in
Erinnerungen zeigt.
Gehen wir der Frage nach dem Einfluss etwas ernsthafter nach, dann
ist doch zunächst festzuhalten, abgesehen von dem nicht unwesentlichen
Einwurf, dass großer Einfluss in der Wissenschaft vielleicht gar nicht
das Ziel war, jede mögliche Antwort abhängig von der Vorfrage, woran
sich „Einfluss“ in der Wissenschaft misst? Wenn das Kriterium die
fortdauernde Institutionalisierung eines Gebietes ist, dann brachte es
das Team in der DDR auf zwei Hochschullehrerstellen „alten Rechts“
(Prof. Mühlberg: Kulturgeschichte, Dozent Groschopp: Theorie und
Geschichte der Kulturpolitik; oh Gott, na alles klar, Kulturpolitik)
und zuletzt fünf feste Mitarbeiter des Teams, mit unterschiedlicher
Zuordnung in der Lehre und der universitären Hierarchie: Wolfgang
Bagger, Isolde Dietrich, Günter Kracht, Anneliese Neef und Herbert
Pietsch.[1]
Von diesen sieben Personen ist nur A. Neef als „Mittelbäuerin“ nach
der „Wende“ auf eine feste Stelle gekommen – und politisch parallel ins
Berliner Parlament. Der Rest wurde regulär berentet (Dr. Wolfgang
Bagger; er kam als Wissenschaftsorganisator in den 1980ern hinzu), zum
Bibliothekshilfsdienst eingeteilt (Dietrich, Pietsch), auf eine
Habilstelle (zunächst) „auf Zeit gesetzt“ (Kracht), entlassen, wieder
eingestellt, dann endgültig entlassen (Groschopp[2]) – wie dann auch
Mühlberg Ende des Jahres 1996.
Was sich in der DDR „Kulturwissenschaft“ nannte, in die
„Niederungen massenhafter sozialer Tatbestände“ hinabstieg und
versuchte, die engen Grenzen eines verordneten „Ableitungsmarxismus“ zu
durchbrechen[3], war mehr Personal als sich kulturhistorisch betätigte
und Arbeiter in der Zeit zwischen 1860 und 1914 untersuchte[4], auch
wenn von diesem kleinen Teil im folgenden die Rede sein soll. Jede
Spezialität von ostdeutschen Kulturwissenschaftlern versuchte, in den
Siebzigern und Achtzigern mehr oder minder erfolgreich einen eigenen
Kreis aufzubauen, was besonders Irene Dölling gelang (Kulturtheorie,
Frauenforschung, DDR-Feminismus), die als einzige
Kulturwissenschaftlerin des ehemaligen HUB-Betriebs Hochschullehrerin
„neuen Rechts“ wurde (Universität Potsdam).
Dietrich Mühlberg hat es aus seiner subjektiven Sicht unternommen,
die Geschichte der DDR-Kulturwissenschaft in einem bislang
unveröffentlichten (?) Interview nachzuzeichnen. [5] – Wenn im
Folgenden von „uns“ erzählt wird, der 1973 gegründeten
„Forschungsgruppe Kulturgeschichte“, so geschieht dies logischerweise
mit einem sehr individuellen, also subjektiven Blick auf über zwanzig
Jahre arbeitsteiliges Tun in einem „Kollektiv“.
Entdeckung „proletarischer Lebensweise“
Zurück zur Eingangsfrage: Was sind „positive Auswirkungen“? Der
Einfluss auf Historiker, besonders auf jene der Arbeiterbewegung in der
DDR, wie in der BRD, war wohl marginal, auf wenige beschränkt. Als in
den frühen Achtzigern für eine der Linzer Tagungen, als es um
Arbeiterkultur ging, Teilnehmer aus der DDR erbeten wurden, fielen in
keiner höheren Instanz der hiesigen zuständigen Institute unsere Namen
ein. Es fuhren zwei nette Damen vom Institut für Marxismus-Leninismus
beim ZK der SED. Dabei handelte es sich um keinen politische Affront
uns gegenüber, sondern schlicht um Unkenntnis – was ja auch von Vorteil
war, denn glücklicherweise besaß die Kulturwissenschaft als neue
Disziplin keine obere Aufsichtsbehörde, wie die Fachhistoriker oder die
Pädagogen.
Wir wurden erst nach unserer Tagung zur proletarischen Lebensweise
im November 1980 und durch die „Mitteilungen aus der
kulturwissenschaftlichen Forschung“ [6] zunehmend beachtet. Dabei war
für andere attraktiv, dass wir deutlich zwischen allen Lehrstühlen
saßen. Das galt besonders für Historiker, weil wir ihnen als
„Kulturtheoretiker“ komische Fragen stellten und auf seltsames Material
hinwiesen. Wer heute die Debatten über „Kulturalismus“ oder die
Kontroversen zwischen Sozial- und Politikgeschichte verfolgt[7], kann
einigermaßen erahnen, wie unsere im wesentlichen aus Marx und dem
(etwas moderneren als sonst üblichen) Marxismus abgeleiteten, noch
ziemlich abstrakten Aussagen zur „Lebensweise“ damals hüben wie drüben
ankamen. Doch war das anderswo ja irgendwie gleichzeitig gleich, nur
nicht „abgeleitet“ von Marx, sondern von andren Über-Sachen, von Max
Weber oder (weniger) Georg Simmel.
Diese Einschätzung wird verständlicher, wenn die bis in die
siebziger Jahre in der DDR vorherrschende Geschichtswissenschaft
betrachtet wird. Sie hat, mit beachtenswerten Ausnahmen in der
Wirtschaftsgeschichte, zur sozialgeschichtlichen Forschung bis Ende der
siebziger Jahre fast nichts beigetragen, gegen Ansätze dazu sogar
intrigiert, die Alltagsgeschichte ignoriert und die Oral History bis
zum Ende der DDR verworfen.
Weiter muss erwähnt werden, dass zwar Jürgen Kuczynski als einer
der ersten Forscher die Bedeutung der Studien des englischen
Historikers E. P. Thompson erkannte und auch in der DDR darauf
aufmerksam machte. [8] Thompsons Arbeiten selbst blieben aber
weitgehend unbekannt. Lediglich einige Spezialisten nahmen einige Jahre
später Michael Vesters Schrift über die englische Arbeiterbewegung als
Lernprozess zur Kenntnis. [9] Kulturwissenschaftlern gefiel der Begriff
„Lernprozess“. Und als dann Vester seine Provokation zur kulturellen
Wertproblematik in den Raum stellte, war ihm unsere Sympathie gewiss.
[10] Kuczynski selbst tauchte zwar in den „Alltag“ des historischen
Proletariats ein, rief bei jedem neu entdeckten Suppentopf laut
„Heureka, was für ein Fund“, sah darin aber immer noch sehr oft
Illustrationen seiner Thesen vom ewigen Elend des Proletariats.
Die Begriffe, mit denen diese Kulturwissenschaftler Ost nun in der
Arbeiterklassenforschung selbstverständlich umgingen, litten an ihrer
Westherkunft. Es war immer zu unterscheiden, wem man welchen Text
vortrug. Und wenn sich ein Wort in Parteipapiere mischte, das dort
sonst nicht vorkam, bekam der Nutzer ein Problem. „Befindlichkeit“ war
so ein Wort. Es beschrieb nicht „Lage“ und nicht „gesellschaftliche
Verhältnisse“ und trug den Eindruck mit sich, den jemand von seinem
Sein haben konnte und versuchte, dieses zu objektivieren.
Das konnte politisch nicht gut gehen. Aber der Gebrauch war
nützlich für Kulturwissenschaftler. Das verschaffte ihnen ein klein
wenig Narrenfreiheit –auch weil es bei dieser Truppe immer
feucht-fröhlich zuging und von außen nicht genau zu bestimmen war:
Machen die jetzt einen Spaß (erfinden die gar ihre Arbeiterführer
selbst, die sonst keiner kennt) oder meinen die es ernst (wenn sie
belegen, dass Arbeiter ganz was anderes sangen, wenn sie sangen, als
Arbeiterlieder, und wenn sie gar meinen, populäre Gassenhauer seien die
wahren Arbeiterlieder)?
Hinter den mitunter leichtfertigen Begriffsdiebstählen verbarg sich
der Zugang zu anderen Disziplinen, die in ihrer Fachschaftsbefangenheit
sich nie selbst auf andere Fächer eingelassen hätten, wenn nicht diese
Kulturwissenschaftler, immer zu einem neuen Relativismus aufgelegt,
Vermittlungen unternommen hätten. Es muss aber dabei bleiben: Besonders
gegenüber den Historikern waren die Kuwis stets die Nehmenden. Wir
stürzten uns auf alles, was zu unseren Themen zu finden war – quer
durch die Gebiete und Zeiten, in denen über Arbeiter berichtet wurde.
Was sie trieben, die Arbeiter, erschien ihren Beobachtern als deren
Kultur, auf die sich die Klassenkultur und die Arbeiterkulturbewegung
als Teil der Arbeiterbewegungskultur baute.
Wenn der Ethnologe Wolfgang Kaschuba in seinem Text „Öffentliche
Kultur“ im „Handbuch der Kulturwissenschaften“ heute wie
selbstverständlich feststellt, mit der Frage nach den sozialen Trägern
jeder Kultur, ohne die es sie eben nicht gibt, und der Bemerkung, es
seien nicht „Sprache und Text allein, es ist vielmehr eine
kommunikative kulturelle Praxis, die auch die Körper, Dinge, Gesten,
Symbole oder Lebensstile einschließt und die auch stets konkrete
Kontexte benennt: Orte und Zeiten“ [11] – so entspricht dies etwa dem,
dem das Team auf der Spur war.
Und wenn Jörn Rüsen den dritten Band dieses Handbuches enden lässt
mit der Anmerkung, dass Theorien (auch solche der Kultur) an
historische Praxen und Kämpfe gebunden sind: „Zentrale und konstitutive
Begriffe wie derjenige der Kultur müssen an den Dingen selbst, an den
Phänomenen der menschlichen Welt abgearbeitet werden.“ [12] Nun ja, es
darf wohl mal historisch gefragt werden, wer diese Idee zuerst hatte
und versuchte, sie anzuwenden.
Unsere Anhänglichkeit an die Historiker, die stets Bewunderung
denen gegenüber einschloss, die positivistischer dachten als wir, wie
wir damals meinten, fiel uns nach der „Wende“ auf die Füße: kein
„richtiger“ Historiker unter uns, aber auch kein
„Kulturwissenschaftler“ germanistischen Zuschnitts wie im Westen
Deutschlands, kein ordentlicher Guru, kein esoterischer Beter, kein
getarnter Freud, Fromm oder Theologe. Das hat uns als Institut und als
lehrende Personen abgewickelt. Die uns verstanden, galten auch nichts
in der Zunft der Berufenen oder wollten selbst berufen werden (was
ihnen nicht zu verdenken ist).
Kommunikatorenfunktion und Hang zur kulturellen Praxis
„Kommunikatoren“ und „Anwälte des Ganzen“ – das könnte uns
charakterisieren: eingeschlossen die Folge davon, nämlich Dilettanten
im Konkreten zu bleiben. Im Osten erregten wir einiges Aufsehen durch
unsere (letztlich raren) Publikationen und mit einigen Konferenzen, bei
denen es erst allmählich gelang, neben Soziologen und
DDR-Kulturwissenschaftlern, auch bei Historikern Interesse zu wecken:
zuerst bei Volkskundlern (Dank Wolfgang Jacobeit und Ute Mohrmann) und
Kulturhistorikern (Evemarie Badstübner, Jürgen John, Joachim Petzold,
Hainer Plaul u.a.), Regionalhistorikern (wieder Jacobeit, aber auch
Laurenz Demps und Hans-Jürgen Rach), Historikern der örtlichen
Arbeiterbewegung und der Betriebsgeschichten (die beide am Alltag näher
dran waren als die Verteidiger der großen Linien) [13],
Literaturhistorikern (besonders Rainer Rosenberg, aber auch Ingrid
Pepperle und Ursula Münchow) und Arbeiterliedforschern (Inge Lammel).
Akzeptanz erreichte das Berliner Arbeiter-Museum (1987). – Wenn jedoch
von Wirksamkeit die Rede ist, dann gelang sie durch jährlich 30-40
Absolventen des Fern- und Direktstudiums, die als Multiplikatoren mit
Thesen von uns in uns sonst verschlossene Öffentlichkeiten gingen.
Von den Fachhistorikern standen wir Hartmut Zwahr nahe, ohne zu
gemeinsamen Projekten zu finden. Er kam unseren Überlegungen damals am
nächsten. Er beschrieb die Organisation Leipziger Arbeiter in
ökonomischen, sozialen und politischen Stadien und verschränkten
Zyklen. Dabei kamen erstmals Momente proletarischer Lebensweise als die
Klasse konstituierende Faktoren ins Blickfeld, darunter so
„unpolitische“ und „unökonomische“ wie die Gemeinschafts- und
Nachbarschaftsbeziehungen sowie das Heiratsverhalten in den
Arbeiterfamilien. Damit erhielten die Untersuchungen zur Geschichte der
Arbeiterbewegung und der übergreifenden Vorgänge der historischen
Klassenbildung eine kulturelle Dimension.[14]
Zur Historikerzunft der DDR gab es zwar diesen oder jenen
persönlichen und wissenschaftlichen Kontakt, doch in größerem Maße von
ihnen rezipiert wurden wir erst, als es mit der DDR zu Ende ging: teils
aus kulturgeschichtlich-konzeptionellem Interesse, teils mit dem
Wunsch, wir gäben ihnen Antworten auf Fragen, die sie nun auch zu
bewegen begannen – genaugenommen äußerten wir uns ja zu der Klasse, die
angeblich den Staat anführte und wir kannten, aus historischem,
kulturellem und aktuellem Blick, mehr von ihr als andere.
Vor der „Wende“ erschienen einige wenige Aufsätze von uns im
„Jahrbuch für Volkskunde und Kulturgeschichte“, meist nutzten wir die
Literaturzeitschrift „Weimarer Beiträge“ (die ja nahezu kein Historiker
beruflich zu lesen pflegte). Es war wiederum ein Volkskundler, Hermann
Strobach, der uns nach der „Wende“ in der renommierten „Zeitschrift für
Geschichtswissenschaft“ vorstellte. [15] Obwohl wir inzwischen vielfach
zur Arbeitergeschichte publiziert hatten, erschien im entsprechenden
Fachorgan „Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung“ nur ein (!)
kurzer Aufsatz und auch erst, als es mit der DDR vorbei war und die
Thesen über die DDR als verstaatlichte Arbeiterbewegungskultur an der
Evangelischen Akademie Loccum und in unseren MKF schon länger vorher
diskutiert worden waren. [16]
Was uns bereits vor der „Wende“ zwischen die Stühle und in den Ruf
unakademischen Gebarens brachte, war unser Hang zur Kulturarbeit, die
Suche nach Praktischem im Kulturverlauf. Dieter Kramer war es,
wahrscheinlich wegen seiner politischen Offenheit, seiner Studien zum
Marxismus[17] und auf Grund seiner Kontakte zu eben dieser Kulturarbeit
in Westdeutschland, der uns in den Diskussionsstand über Arbeiterkultur
einführte[18] und über den, auf komplizierten Wegen, ein
Literaturaustausch und ein Diskurs mit Kaspar Maase zustande kam, der
bei uns promoviert hatte und damals am Institut für marxistische
Studien und Forschungen (IMSF) arbeitete. [19]
Zu der oben angesprochenen Konferenz konnte neben Dieter Kramer
auch Bernd Jürgen Warneken kommen[20], der wie wir über Kulturarbeit
publizierte. [21] Es bezeichnet die damalige Diskussion über
Arbeiterkultur, dass wir Kulturwissenschaftler mit windigen Thesen zur
„Lebensweise der Arbeiter“ daherkamen und Literatur, Musik usw. darauf
bezogen, nicht auf die wertorientierte Kunstgeschichte und nicht auf
die „klasseneigene Ästhetik“. Wir befanden uns ja in einer Sektion
„Ästhetik und Kunstwissenschaften“ und profilierten uns hier als
„Sozialkundige“, was angesichts der wissenschaftlichen Gegenstände um
uns herum keine Kunst war.
Diese institutionelle Verortung und wissenschaftliche Kommunikation
lieferte uns Motivation und befriedigte die Eitelkeit – brachte sogar
den Geruch des Oppositionellen innerhalb der
Gesellschaftswissenschaften mit sich, was andere beurteilen mögen. Der
Kulturwissenschaftler Helmut Hanke, als Parteitheoretiker wegen
Gorbatschow „abgeschossen“ wie Lothar Bisky, sagte 1990 wohl
berechtigt: „Selbst die kritischen Geister in meiner Zunft dienten dem
alten System als Rechtfertigung.“ [22] Mühlberg und Co. zeigte man 1986
und noch einmal 1989 nur die Instrumente.
Als ich neulich den obersten Aufsichtsbeamten in Sachen
Wissenschaft im damaligen ZK-Betrieb aus einem gesellschaftlichen
Anlass traf und ihn, es gab Alkohol und wir standen dumm herum, an
unsere (für mich einmalige) Begegnung und den Anlass erinnerte, fiel
ihm die Sache wieder ein, weil ihn Kulturwissenschaftler bis dahin nie
interessierten. „Und, was habe ich von euch verlangt?“ „Das wussten wir
nicht genau. Wir meinten, allgemeine Parteitreue sei angesagt.“ „Und,
was habt Ihr abgeliefert?“ „Schriftlich und mündlich die sieben
Gesetzmäßigkeiten des sozialistischen Aufbaus.“ „Ich erinnere mich, ich
erschrak: das klang wie die sieben Totsünden.“
Es ist im Nachhinein aufschlussreich, dass die größere Rezeption im
Westen stattfand, bei Freizeitforschern, berufsmäßigen DDR-Forschern,
die sogar von „kulturwissenschaftlichen Revisionen“ sprachen[23],
Theoretikern der Soziokultur, wenigen Soziologen (mit Hilfe der
UNECO-Kulturstudien[24], dann durch Biographie-Forschung[25]) und mit
der Zeit (und Dank der Volkswagen-Stiftung) auch bei einigen
Historikern der Kultur-, Sozial-, Arbeitergeschichte und Volkskunde:
Hermann Bausinger, Wolfgang Engelhardt, Jost Hermand, Gerson Iggers,
Wolfgang Kaschuba, Jürgen Kocka, Dieter Langewiesche, Alf Lüdtke,
Wolfgang Ruppert, Adelheid von Saldern, Arnold Sywottek, Klaus Tenfelde
... [26] – allerdings (mit wenigen Ausnahmen) nur bis zur „Wende“. [27]
Einige von uns dienten dann noch eine Zeit lang als viel beschäftigte
Erklärer für verschiedene „Entwicklungshelfer“, dann hatten uns die
neuen Strukturen am „Schlafittchen“.
DDR-Kulturwissenschaft
Der 70. Geburtstag von Dietrich Mühlberg ermuntert zum Rückblick.
Die Frage nach den Wirkungen soll deshalb noch einmal von anderer Seite
angegangen werden, mit dem Blick auf die DDR-Kulturwissenschaft selbst.
Das Wort „Kulturwissenschaft“ ist über hundert Jahre alt. In der DDR
wurde „Kulturwissenschaft“ zur Bezeichnung der Ausbildungsrichtung (da
in Verbindung mit Ästhetik) üblich, die ihr Entstehen 1957 der
Ausrufung der Kulturrevolution durch die kommunistischen Parteien des
damaligen Ostblocks zu einer „Gesetzmäßigkeit“ beim Aufbau des
Sozialismus und einer Kulturkonferenz verdankt[28], auf der die
Gründung eines Hochschulstudiums für Kulturarbeiter gefordert wurde.
Ein solches Studium begann im Herbstsemester 1963 an der
Humboldt-Universität zu Berlin an der Philosophischen Fakultät
innerhalb des Lehrstuhls für Ästhetik.
Ich selbst habe erst viel später begriffen[29], wie sehr
diejenigen, die Kulturwissenschaft in der DDR begründeten (weniger die
Wissenschaftler, mehr die politischen Funktionäre um Walter Ulbricht
und Alfred Kurella, Gedanken von Franz Müller-Lyer (1857-1916; Monist,
Arzt, Psychiater und Privatgelehrter in München) und seinen Schülern
aus ihrer Freidenkerzeit im Kopf hatten.
Gerade Müller-Lyer trug eine „Kulturwissenschaft“ vor, von der er
meinte, mit ihrer Hilfe könne man lernen, sich glücklich einzuordnen
und die Kultur der Welt in ihrem Gang zu bestimmen.
„Kulturbeherrschung“ war der Kern des Konzepts. In der Tendenz lief
dieses Programm auf die gezielte Verhinderung von Minderwertigem in
Natur und Kultur hinaus, und zwar durch gemeinsamen Betrieb der
„Menschengemeinschaft“ im Zeitalter der Massen (Glück als
Pflichtprogramm der Gemeinschaft und des Einzelnen). [30] Sich darauf
von Beginn an gar nicht einzulassen war wohl die erste gute Tat der
realen Kulturwissenschaft der DDR.
Als „Kulturtheorie“ war die Kulturwissenschaft zunächst lediglich
eine Deduktion aus allgemeineren Theorien und wissenschaftspolitisch
nur eine „Spezialtheorie“ des „historischen Materialismus“. Die
Beschäftigung mit dem Individuum, wohl eine ihrer wichtigen Leistungen,
stieß Kulturwissenschaftler immer wieder auf Befunde in den
Sozialwissenschaften.
Dabei begann eine eifrige Jagd nach anderen wissenschaftlichen
Ergebnissen in anderen, nichtmarxistischen Wissenschaften, wenn auch
noch in der damals üblichen „Auseinandersetzung“, die nach der „Wende“,
so zwischen mir und Hartmann Wunderer, der Erklärung bedurften. Bis
dahin hatte die ständige Konfrontation mit den Ergebnissen von
Sozialhistorikern und Soziologen uns in Widerstreit gebracht mit
abstrakten Erörterungen über die soziale Wirklichkeit in der DDR,
besonders mit Erziehungskonzepten, die stark von der Wirklichkeit
abhoben, allerdings, nicht nur in der Kulturpolitik, von großem
Einfluss blieben – als Konzepte, inzwischen fern der realen Praxis.
Zu diesem Zeitpunkt, Ende der Siebziger, lag eine Zeit langen
Abwägens hinter uns, was ein marxistisches Kulturverständnis sein
könnte, das „Kultur“ nicht aus Marx‘ Äußerungen darüber, sondern aus
dem Kontext seiner Schriften ableitete. Was Marx, Engels und Lenin über
Kultur dachten, war im sogenannten „Koch-Buch“ in der DDR überall
greifbar und stand im Bücherschrank jeden Kulturfunktionärs. [31] Aus
einigen Dissertationen[32] und langen Debatten produzierte dass Team
(im Wesentlichen Dietrich Mühlberg und Isolde Dietrich) ein Manuskript
und druckte es im Selbstverlag[33].
Dieses Opus markierte für die Forschungsgruppe den Endpunkt des
„Ableitungsmarxismus“ und gab, wenn auch noch sehr abstrakte, so doch
einige Profile vor, Kultur aus dem Sozialen zu folgern – wenn man so
will: Max Weber in vielem folgend, jedoch stets Karl Marx zitierend,
der uns als Theoretiker der Individualisierung und als Erklärer von
Rationalität und Moderne wichtig blieb.
Dabei ist bis in die zweite Hälfte der Achtziger hinein die
Forschung für eine reformierte Lehre wichtig gewesen. Dies gehorchte
der Literaturlage in der DDR, aber auch einer kritischen
Selbsteinschätzung. In der Folgezeit erschien eine Reihe von
Abhandlungen als Lehrhefte für die Aus- und Weiterbildung in
Kulturberufen. Dabei gelang es besonders Isolde Dietrich, vier Bände
über vor allem deutsch-deutsche Kulturgeschichts- und
Arbeiterkulturforschung zu publizieren, also „West-Literatur“ allgemein
zugänglich zu machen. [34]
Angesichts der Publikationsbedingungen in der DDR ist es nicht
verwunderlich, dass die in diesem Meinungsstreit vertretenen
kulturtheoretischen Positionen auch zuerst in einem Lehrbrief für
Studenten und Kulturarbeiter, wenn auch noch sehr dozierend, publiziert
wurden[35], bevor Dietrich Mühlberg das theoretische Konzept einer
breiteren Öffentlichkeit vorstellte.[36] Zu diesem Zeitpunkt hatte die
Hinwendung zur Kulturgeschichte, besonders zur Proletariatsforschung,
schon eingesetzt. [37] „Arbeiterleben um 1900“ erschien 1983.
An einen weiteren Aspekt ist zu erinnern. Marx‘ Satz, das Sein
bestimme das Bewusstsein, fand bei Kulturwissenschaftlern nicht die
sonst allgemein gültige Antwort, das Sein in der DDR sei bereits
sozialistisch und es müsse also an den Leuten liegen, dass sie noch
keine „neuen“ Menschen sind. Daraus folgte die Hinwendung zu den
„Lebensbedingungen“ als objektiven Voraussetzungen für individuelle
Entfaltung. Dies erlaubte es zugleich, einseitigen Interpretationen der
Kultur im Kapitalismus zu widersprechen, die diesem eine bewusst
„manipulierte“ Kultur unterstellten.
Das Pendant dazu bildeten damalige Äußerungen in der
kulturtheoretischen Literatur, die zu historischen Fragen entweder gar
nicht, nur ideengeschichtlich oder so forschten, dass die Ergebnisse
mehr als Belege für die „Kunst der Klasse“, fast gar nicht als
Erklärung der „Kunst der Arbeiter“ dienten. [38] In großen Abhandlungen
wurde Kultur ohne konkrete Subjekte gedacht. Die Kultur selbst war das
Subjekt. [39] Und es erregte in den öffentlichen Diskussionen über
Kultur bezeichnenderweise keinerlei Anstoß, dieses Konzept als
materialistisch und marxistisch auszugeben. So kam zwar die
Arbeiterklasse vor, nach richtigen Arbeitern suchte man in den Texten
meist vergebens. Arbeiter standen symbolisch im Mittelpunkt der
Kulturpolitik, doch kamen sie höchstens als Objekte der Erziehung vor.
In der jungen Kulturwissenschaft wurde in den siebziger Jahren ja
deshalb eine rege Begriffsdebatte geführt, weil sich der Sozialismus in
der DDR „nur“ kulturell, nicht ethnisch oder national begründen ließ.
Die Diskussion um eine weite Kulturauffassung wurde zu einer Debatte
über gesellschaftspolitische Probleme. Wenn sich dabei an der
Oberfläche ein sogenannter „weiter Kulturbegriff“ durchsetzte, so lag
dies in der DDR am zeitweiligen Einfluss der Berliner
Kulturwissenschaft zum Beginn der Ära Honecker. In einer relativ kurzen
Periode (1968-1973) der zugegebenen konzeptionellen Führungslosigkeit,
brachten die „Berliner“, zu denen, neben Dietrich Mühlberg, besonders
Helmut Hanke und Jürgen Marten zählten[40], einige ihrer Thesen sogar
in strategische Papiere ein. [41]
Hanke trat danach mit empirischen Studien über die Freizeit in der
DDR an die Öffentlichkeit und benannte Widersprüche der
Kulturkonzeption zum realen Arbeiterleben. [42] Lothar Bisky, damals
Jugendforscher in Leipzig, widmete sich zunehmend der Medienkultur.
Dietrich Mühlberg korrespondierte mit deren Thesen zur Freizeit und
verblüffte mit Befunden über die Geschichte der Freizeiteinrichtungen
(Kneipe, Kino usw.) außerhalb der Arbeiterbewegung. Er mahnte
„Verluste“ gegenüber Errungenschaften der Moderne an.[43]
Die politische Dimension der Freizeitforschung offenbarte sich 1986
(MKF 22), als nach einer Intervention an allen möglichen und auch
unmöglichen Stellen des öffentlich vorgelegten Textes das Adjektiv
„sozialistisch“ eingefügt werden sollte. Der ungewollte Effekt war nun
der, dass der Kontrast zum „Kapitalismus“ zwar verbal stärker betont
wurde, um die Konferenz stattfinden zu lassen, die praktischen Befunde
jedoch das Gegenteil, vor allem Defizite des realen Sozialismus
hervorhoben. Diese traten deshalb so stark hervor, weil die Kritik an
uns von einem Konzept kam, das in der kulturellen Praxis schon gar
nicht mehr funktionierte und seit Ulbrichts Ende aufgegeben worden war.
Man war gegen „Massenkultur“ („kapitalistische Freizeitkultur“ usw.),
hatte aber die „kulturelle Massenarbeit“ (Kurella) als Gegenkonzept
bereits aufgegeben – wie gesagt, in der Praxis.
Es gibt keine homogenen Kulturen
Die Folge ist bekannt, besonders Arbeiter sahen lieber fern als ins
Kulturhaus zu gehen. Solche flotten Mitteilungen wie „Lenin wollte die
Oper abschaffen“, „Muss Beethoven leben?“ [44], die „Arbeiterbewegung
fand in der Kneipe statt und war Männersache“ oder „um 1900 tranken
deutsche Arbeiter weniger Schnaps als in der DDR“ waren es wohl in
einer Zeit der verlorenen Orientierung, die zuerst den Blick einer an
Historie interessierten Öffentlichkeit auf die Arbeiterkulturforschung
lenkten.
Spannend an der Arbeiterkultur-Debatte war nicht zuletzt, dass
darin deutsch-deutsche Perspektiven verhandelt wurden. Man sprach über
Arbeiter, meinte aber die Systemunterschiede, ihre sozialen Ursachen
und politischen Folgen. Dies belegt die von Dieter Kramer vorgelegte
Gesamtschau der deutschsprachigen Diskussionen über die historische
Arbeiterkultur, die inzwischen zu einem Handbuch für die Forschungen
bis Mitte der achtziger Jahre geworden ist. [45]
Auch aus seiner Studie geht hervor, dass bis Ende der siebziger
Jahre in der DDR nur wenige Publikationen erschienen, die sich mit der
Kulturgeschichte des Proletariats, besonders mit der Geschichte der
Kulturarbeit in der deutschen Arbeiterbewegung beschäftigten. Schon
eine unvollkommene Aufzählung zeigt den Trend. Das Schwergewicht lag,
von einem breiter angelegten Versuch des Historikers Peter Schuppan
abgesehen[46], in den fünfziger und sechziger Jahren auf der Behandlung
von Kunst- und Bildungsfragen. [47]
Die Bücher und Artikel zur Arbeiterbildung, Arbeiterliteratur,
Arbeitermusik und Arbeiterbildkunst verfolgten das Ziel, die
Traditionen der deutschen Arbeiterkulturbewegung für die Entwicklung
und Begründung der Kulturpolitik der DDR einzusetzen. Doch selbst diese
bescheidenen Untersuchungen, angeregt besonders an der Leipziger
Universität, wurden nicht zielstrebig weitergeführt, wie die geringe
Zahl kulturhistorischer Dissertationen zeigt. [48]
Solche Umstände beförderten einen Wandel in Richtung „komplexe
kulturhistorisch-volkskundliche Erforschung der Lebensweise und Kultur
des Proletariats“ [49] zuerst bei denjenigen Historikern, die über ihre
Museumspraxis und praktischen Beziehungen zu den „Heimatforschern“ in
diese Richtung gedrängt wurden. Das neue Thema setzte Anfang der
siebziger Jahre ein, stand aber zunächst noch in der Tradition
bisheriger geistesgeschichtlicher Untersuchungen. [50] Es weitete sich
zunächst volkskundlich[51], dann kulturgeschichtlich. In diese Zeit
fiel der Abschluss der Forschungen Jürgen Kuczynskis zur Lage der
Arbeiter unter dem Kapitalismus in Deutschland. [52]
Doch wurde hier noch in sehr hergebrachter marxistischer Weise die
Entwicklung der „Klasse an sich“ zur „Klasse für sich“ beschrieben. Das
klang nach einmaligem, unumkehrbarem Vorgang, nicht nach auch
retardierenden und historisch wiederholbaren Prozessen. Überdies war,
bis sich J. K., wie immer selbstkritisch, der Alltagsgeschichte
zuwandte, ein sehr enger Kulturbegriff benutzt worden. Zwar verwarf er
einige unserer Thesen, stellte sie aber immerhin umfangreich vor.
Bezogen auf den Gegenstand „Proletariat“ wurde nun klarer: Dessen
Kultur konnte nicht nur das sein, was original proletarisch war, weil
man das (bis heute) nicht filtern kann. Kultur der Arbeiterklasse
erschien uns zum einen als Einheit klassenspezifischer und
gesamtgesellschaftlicher Merkmale. Die „Reinheitsfrage“, die in den
Zwanzigern die Linken und dann die Achtundsechziger bewegte, löste sich
für uns in das sicher nicht einfachere Problem auf, was bringen die
Arbeiter von den Handwerkern oder Bauern mit, was lernen Arbeiter von
wem, was wird daraus und warum soll es dann proletarisch sein (nicht
„bürgerlich“ oder „feudal“).
So zu fragen kam der „philosophischen Herkunft“ der
Kulturwissenschaftler entgegen. Jürgen Kuczynski merkte denn auch zu
diesem Punkte an, ob es dann nicht gar drei oder vier Kulturen gäbe.
[53] Genau das war eine Essenz unserer Überlegungen: In modernen
Gesellschaften gibt es keine „Einheitskultur“, es sei denn, sie ist
durch sehr allgemeine Merkmale definiert. Mit der Frage nach den
Subjekten von Kulturen, die wiederum in ökonomischen, sozialen,
politischen usw. Strukturen existieren, war allerdings das Wertproblem
berührt, dem wir stärkere Beachtung schenkten als die Historiker.
Bei uns hatte das Bemühen um eine Struktur und Wertung verbindende
„synthetisierende Betrachtungsweise“ [54] mit dem Versuch begonnen, mit
Literaturhistorikern ein Buch zu schreiben. Die Frage der
Literaturnutzung durch Arbeiter gehörte zu den kulturpolitisch
umstrittensten Problemen in der Geschichte der deutschen
Arbeiterbewegung wie in der DDR-Gegenwart. Der „lesende und schreibende
Arbeiter“ zählte zu den Idealbildern sozialistischer Kultur. [55] Eine
größere Wirkung blieb aus. Eine weitere Stufe stellte das Unterfangen
dar, deutsche Arbeiterkultur auf „ausländische“ ähnliche Merkmale zu
beziehen. [56]
Das Buch war bunt und teuer – letztlich nur für eine Fachwelt, die
es sich leisten konnte. Deshalb begannen wir (zusammen mit Wolfgang
Jacobeit) mit der Produktion eines umfangreichen, aber erschwinglichen
Bildbandes, der, wie „Arbeiterleben um 1900“, in populärer Sprache ein
breiteres Publikum erreichen sollte: Bilder aus dem Arbeiterleben in
Deutschland zwischen 1840 und 1914.
Damit wollten wir unsere Forschungen über Fabrikarbeit, Wohn- und
Siedlungsweise, Zeitverhalten, Familie, Freizeit, Organisation,
Sexualität, Alkoholgebrauch, Kulturpolitik, Wertvorstellungen und
Militär, die sich inzwischen als Arbeitsfelder herauskristallisiert
hatten[57], zu einem vorläufigen Abschluss bringen. Jedoch hat das Ende
der DDR die Drucklegung verhindert, wie auch die Neuausgabe von Otto
Rühles proletarischer Kulturgeschichte aus den späten Zwanzigern. [58]
„Ausflüge“ in die Weimarer Republik hatten gerade eingesetzt. Erst
danach meinten wir, uns dem Nationalsozialismus als Kulturerscheinung
widmen zu können. Ideen zu einer DDR-Kulturgeschichte kamen gar erst
nach der „Wende“ auf.
Essenz der Rückschau
Vom Heute rückschauend kann man vielleicht zum einen von einer
unvollendeten Kulturforschung zur Arbeitergeschichte sprechen, die sich
jetzt allerdings erledigt hat, weil die Kultur, auf die sie sich
antwortend bezog, am Verschwinden ist. So bleibt nur die historische
Frage nach den unpublizierten Texten selbst als einer möglichen Quelle
für das, was eventuell noch zu sagen gewesen wäre. Das ist für
Kulturwissenschaftler, die sozialhistorisch arbeiten und bisher wenig
Hingabe an eine geistesgeschichtlich orientierte
„Auslegungswissenschaft“ zeigten, nicht sehr interessant. Zum anderen
meldet sich das Subjekt Proletariat vermutlich irgendwann zurück, wenn
auch nicht in den bisherigen „klassischen“ Formen, die ja auch erst
stets im Nachhinein „entdeckt“, von den Zeitgenossen ganz anders
gesehen wurden.
Die Arroganz der Reichen und Regierenden, wenn sie so egoistisch
weiter machen, wird – in welcher kulturellen Verpackung auch immer –
soziale Gegenbewegungen auslösen, die intellektuelle Wegbegleiter
wieder nach der Geschichte des „Arbeitsmannes“ und der „Arbeiterfrau“,
ihrer Lebensweise, Ideen und Organisationen fragen lassen – wie immer
vermutlich, wenn es sich nach dem Schlamassel neu ordnet und der Alltag
und die Unzulänglichkeit der Subjekte verantwortlich gemacht wird für
das, was an kulturellen Zielen „eigentlich“ mal wieder verfehlt hat.
Das mag sarkastisch klingen, verbindet aber Kulturwissenschaftler und
Historiker darin, zur rechten Zeit das rechte Thema zu finden – wenn
man „Wirkungen“ hinterlassen will.
Meine Erinnerung soll etwas metaphorisch schließen und einen
Aufsatz zitieren, in dem viel Gutes über die Mühlbergsche
Kulturwissenschaft gesagt wird. Er ist von Adelheid von Saldern, die
den Aufstieg und den Untergang der kulturwissenschaftlichen
Proletariatsforschung an der Berliner Humboldt-Universität zwischen
1973 und 1993 unter die Überschrift bringt „Eine soziale Klasse isst,
trinkt und schläft nicht“. [59] Diese Überschrift stammt von dem
Philosophen und Ästhetiker Lothar Kühne. Den hatte das Schicksal in der
DDR zum Professor für Marxismus-Leninismus gemacht. Dieses Unglück
trieb ihn wohl 1984 in den Freitod.
Lothar Kühne hatte in seinen Vorlesungen, die für ihm zugeteilte
Studenten pflichtig waren, wiederholt Sprüche gebraucht wie „Im
Sozialismus wollen alle zur Arbeiterklasse gehören, aber niemand deren
Arbeit machen“ oder „Die Arbeiterklasse unterhält keine sexuellen
Beziehungen“. Damit wollte Kühne denkmüde Studenten aufwecken, brachte
aber zugleich eine wichtige theoretische Frage im Marxismus auf einen
etwas flapsig formulierten Kern: „Was ist Arbeiterklasse und in welchem
Verhältnis stehen Arbeiter zu ihr?“
So kann unsere Leistung in ein Paradox gebracht werden: Wir lösten
„Gesellschaftswissenschaft“ auf in „Kulturwissenschaft“ und suchten
nach dem Subjekt für eine Kultur, von der die Kunde ging, sie heiße
„sozialistisch“ und das Subjekt wäre die Arbeiterklasse. Wir fanden,
dass diese Klasse tatsächlich eine Kultur hat, was nicht
selbstverständlich war (auch nicht in Konzepten sozialistischer
Kultur). Diese war aber nicht identisch mit derjenigen, die im realen
Sozialismus für sozialistische Kultur und Kultur der Arbeiterklasse
offiziell angenommen wurde. Als wir das belegen konnten, historisch wie
aktuell, als man begann zaghaft zuzuhören, war alles futsch: die Klasse
ging weg, erst in den Westen, dann als Klasse; der reale Sozialismus
verschwand und mit ihm die Kultur dieser deutschen Gesellschaft, aber
auch die linken Kulturansprüche im Westen – und wir schließlich auch.
Das ist doch aber nun wirklich ein Gegenstand für historisches
Arbeiten an konkreten Subjekten: eine Truppe tritt ab, die diesen
Vorgang fröhlich trinkend und fleißig forschend weiter begleitet, so
gut es eben geht, an anderen Stellen, mit anderen Gegenständen, aber
unverbesserlich nach der sozialen Verortung des Kulturellen fragend.
„Die Kultur der Niederlage“ (so ein schönes Buch von Wolfgang
Schivelbusch, den wir wegen seiner Genuss-Geschichten fleißig nutzten)
ist spannender als die der Aufstiege und Helden: das fanden wir schon
immer.
Anmerkungen
1 ] Zeitweise gehörten dazu, außer Forschungsstudenten,
Aspiranten und Gästen: Ludwig Martienssen (1987 Akademie der Künste;
Horst W. Rohls, 1988 verstorben, Tobias Böhm, 1987 Leitung „Museum
Berliner Arbeiterleben um 1900“, inzwischen geschlossen).
2 ] Vgl. Horst Groschopp: Eigene Geschichte in anderer
Gesellschaft. Notiz über Evaluation als Abwicklung. In: Geschichte und
Gesellschaft, Göttingen 20(1994)2, S.246-250.
3 ] Dietrich Mühlberg: Zum Stand kulturgeschichtlicher
Proletariatsforschung in der DDR. In: Arbeiterkulturen zwischen Alltag
und Politik. Beiträge zum europäischen Vergleich in der
Zwischenkriegszeit. Hg. von Friedhelm Boll. Wien, München, Zürich 1986,
S.74.
4 ] Vgl. Horst Groschopp: Zwischen Klub- und
Kulturwissenschaft. Aus- und Fortbildung für Kulturberufe in der DDR.
In: Aus- und Fortbildung für kulturelle Praxisfelder. Dokumentation der
Forschungsprojekte ... Hg. von Christiane Liebald und Bernd Wagner.
Hagen 1993, S.159-177 (Kulturpolitische Gesellschaft e.V.,
Dokumentation 46).
5 ] Vgl. Dietrich Mühlberg: Zur Geschichte ostdeutscher Kulturwissenschaft (unveröffentlichtes Interview 1995).
6 ] Vgl. Mitteilungen aus der kulturwissenschaftlichen
Forschung. Hg. vom Lehrstuhl Kulturtheorie (später: Institut für
Kulturwissenschaft) ... der Humboldt-Universität zu Berlin. Berlin
1(1978)-37(1996). – Herausgeberschaft z.Z., weil die Universität 1994
die Zahlungen eingestellt hat, KulturInitiative ’89 e.V. und (das
private) Kulturwissenschaftliches Institut, Berlin. – Die Auflagen
bewegten sich zwischen 300 und 700 Exemplaren. Die MKF wurden bis 1990
meist kostenlos oder zum Zwecke des Schriftentauschs vertrieben. – Die
Konferenz ist dokumentiert in MKF 9.
7 ] Vgl. Sozialgeschichte, Alltagsgeschichte, Mikro-Historie. Eine Diskussion. Hg. von Winfried Schulze. Göttingen 1994.
8 ] Vgl. Jürgen Kuczynski: Einige Überlegungen zur Struktur
der Arbeiterklasse in der Zeit der Industriellen Revolution anläßlich
des Erscheinens von E. P. Thompson, The making of the English working
class, London 1963. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Teil 4,
Berlin 1965, S.281-286.
9 ] Vgl. Michael Vester: Die Entstehung des Proletariats als
Lernprozeß. Die Entstehung antikapitalistischer Theorie und Praxis in
England 1792-1848. Vorwort Alfred Krovoza, Thomas Leithäuser. Frankfurt
a.M. 1970.
10 ] Vgl. Michael Vester: Was dem Bürger sein Goethe, ist dem
Arbeiter seine Solidarität. Zur Diskussion der „Arbeiterkultur“. In:
Ästhetik und Kommunikation, Kronberg/Ts. 7 (1976) 24, S.62-72. 11 ] Wolfgang Kaschuba: Öffentliche Kultur. In: Handbuch der
Kulturwissenschaften. Bd. 1: Grundlagen und Schlüsselbegriffe, hg. von
Friedrich Jaeger und Burkhard Liebsch. Stuttgart: 2004, S.128.
12 ] Jörn Rüsen. In: Handbuch der Kulturwissenschaften. Bd.
3: Themen und Tendenzen, hg. von Friedrich Jaeger u. Jörn Rüsen.
Stuttgart 2004, S.534.
13 ] In einigen regionalhistorischen Blättern erschienen zur
gleichen Zeit hier und da kleinere Studien über den Arbeiteralltag, wie
überhaupt gesagt werden muss, dass die Kommissionen zur Erforschung der
örtlichen Arbeiterbewegung, meist aus Parteimitgliedern der SED
zusammengesetzt, uns gegenüber in der Regel sehr aufgeschlossen waren.
Viele von ihnen bewegte der Widerspruch zwischen einem Idealbild der
Arbeiterklasse in der ihnen gebotenen Theorie und den vor ihren Augen
sichtbaren Arbeitern. Sie suchten nach Antworten. Als ich am Lebensbild
des weltreisenden Arbeiters Fritz Kummer arbeitete, war ich erstaunt,
wie rege sich Leute vor Ort (in der Gegend von Suhl) um mich kümmerten,
obwohl dort niemand so recht den „rechten“ Gewerkschafter und Redakteur
der „Metallarbeiter-Zeitung“ ehren wollte. Vgl. Horst Groschopp: Der
„proletarische Weltbürger“ Fritz Kummer. Zur deutschen
Arbeiterreiseliteratur bis 1933. In: Weimarer Beiträge, Berlin
31(1985)12, S.2025-2043 (als Nachwort im Reprint von Fritz Kummer:
Eines Arbeiters Weltreise. Berlin, Weimar 1986.
14 ] Vgl. Hartmut Zwahr: Zur Herausbildung der deutschen
Arbeiterklasse. Ein stadial-regionaler Vergleich. In: Wissenschaftliche
Beiträge für den Geschichtslehrer, Heft 13. Berlin 1977. – Ders.: Zur
Konstituierung des Proletariats als Klasse. Strukturuntersuchungen über
das Leipziger Proletariat während der industriellen Revolution. Berlin
1978. – Die Konstituierung der deutschen Arbeiterklasse von den
dreißiger bis zu den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts.
Studienbibliothek der DDR-Geschichtswissenschaft. Hg. von Hartmut
Zwahr, Band 1. Berlin 1981.
15 ] Vgl. Hermann Strobach: Forschungen in den achtziger
Jahren zur Geschichte von Kultur und Lebensweise des deutschen Volkes.
In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin 39(1991)5,
S.467-479.
16 ] Vgl. Horst Groschopp: Deutsche Einigung – Ende einer
verstaatlichten Arbeiterbewegungskultur. Historische Orientierung und
Geschichtskultur im Einigungsprozeß. In: Beiträge zur Geschichte der
Arbeiterbewegung. Berlin 33(1991)5, S.16-23.
17 ] Dieter Kramer: Reform und Revolution bei Marx und
Engels. Köln 1971. – Dietrich Mühlberg stellte seinen Kulturbegriff vor
in: Beiträge zur materialistischen Kulturtheorie. Hg. von Wulf D. Hund
und Dieter Kramer. Köln 1978.
18 ] Vgl. Dieter Kramer: Sozialkulturelle Lage und Ideologie
der Arbeiterschaft im 19. Jahrhundert. In: Kultureller Wandel im 19.
Jahrhundert. Verhandlungen des 18. Deutschen Volkskunde – Kongresses in
Trier vom 13.-18. September 1971. Hg. von Günter Wiegelmann, Göttingen
1973, S.115-134. – Ders.: „Kreativität“ in der „Volkskultur“, Abschnitt
4, „Volksleben“ und „Herrschaft“. In: Zeitschrift für Volkskunde,
Stuttgart 68(1972), S. 28-32.
19 ] Vgl. Volkspartei und Klassenkultur. Grundlagen,
Konzeptionen und Perspektiven der SPD-Kulturpolitik seit Mitte der
fünfziger Jahre. Berlin 1974. – Ein spätes Produkt dieser
Zusammenarbeit vgl. die noch immer aktuellen Beiträge in: Georg
Bollenbeck, Peter Friedemann, Marianne Friese, Stefan Goch, Dieter
Kramer, Alf Lüdtke, Kaspar Maase, Dietrich Mühlberg: Arbeiterkultur –
vom Ende zum Erbe? Frankfurt a,M. 1989 (IMSF Forschung und Diskussion,
3).
20 ] Als „ausländischer“ Volkskundler nahm Helmut Paul Fielhauer aus Wien teil, der gerade Wolfgang Jacobeit besuchte.
21 ] Vgl. Bernd Jürgen Warneken: Literarische Produktion.
Grundzüge einer materialistischen Theorie der Kunstliteratur. Frankfurt
a.M. 1979.
22 ] Neues Deutschland v. 23.5.90.
23 ] Volker Gransow: Zwischen Bier und Bildung.
Kulturwissenschaftliche Revisionen in der DDR. In: Deutschland-Archiv,
Köln 22(1989)6, S.667-671.
24 ] Vgl. Dietrich Mühlberg et. al.: UNESCO-Kulturstudie Nr.
1: „Kulturelle Bedürfnisse und Ansprüche“. Berlin, Brüssel, Sofia 1977,
1978.
25 ] Vgl. Dietrich Mühlberg, Peter Alheit et. al.:
Arbeiterleben in den 1950er Jahren. Konzeption einer
mentalitätsgeschichtlichen Vergleichsstudie. Bremen 1990.
26 ] Zu erwähnen sind Diskussionen und zum Teil Projekte um
die „Wendezeit“ herum mit, Hermann Glaser, Gert-Joachim Glaeßner, Lutz
Niethammer und Ralf Rytlewski.
27 ] Wobei einige Arbeitskontakte und Diskurse erst hier
begannen (beginnen konnten), so mit Hermann Glaser, Volker Plagemann,
Ralf Rytlewski, Olaf Schwencke und einige andere.
28 ] Vgl. Alfred Kurella: Erfahrungen und Probleme der
sozialistischen Kulturarbeit. In: Kulturkonferenz 1960, Berlin 1960,
S.13-79.
29 ] Vgl. Horst Groschopp: Dissidenten. Kultur und Freidenkerei in Deutschland. Berlin 1997.
30 ] Vgl. Franz C. Müller-Lyer: Der Sinn des Lebens und die
Wissenschaft. Grundlinien einer Volksphilosophie. München 1910 (= Die
Entwicklungsstufen der Menschheit, Bd.1, 2. Aufl. 1923); Wege zur
Kulturbeherrschung. Schriften aus dem Euphoristen-Orden. München
1913ff.
31 ] Vgl. Karl Marx, Friedrich Engels, Wladimir Iljitsch
Lenin: Über Kultur, Ästhetik, Literatur. Ausgewählte Texte. Hg. von
Hans Koch. Leipzig 1969.
32 ] Isolde Dietrich: Die internationale Arbeiterklasse als
Hauptkraft des kulturellen Fortschritts in der gegenwärtigen Epoche.
Dissertation A, Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 1974. – Renate
Karolewski: Zu einigen Voraussetzungen kulturpolitischer Konzeptionen
kommunistischer Parteien in entwickelten kapitalistischen Ländern.
Dissertation A, Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 1976. – Horst
Groschopp: Die Kampf- und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse im
Kapitalismus und die Herausbildung von Elementen einer demokratischen
und sozialistischen Kultur. Berlin 1978 (=Einführung in die
marxistisch-leninistische Kulturtheorie für die Aus- und Weiterbildung,
Abschnitt III, Thema 5).
33 ] Der Beitrag von Marx und Engels zur wissenschaftlichen
Kulturauffassung der Arbeiterklasse. Autorenkollektiv. Leitung:
Dietrich Mühlberg. Ausgearbeitet 1970-1975. Kulturtheoretischer
Studientext. Manuskriptdruck. Berlin 1975.
34 ] Vgl. Kulturhistorische Studientexte. Hg. vom Institut
für Weiterbildung bei Ministerium für Kultur. Berlin 1979-1990.
Erschienen sind die Hefte I/2: Utopischer Kommunismus und
Kulturauffassung der Arbeiterklasse (Petra Clemens), Aktuelle Probleme
der marxistischen Kulturgeschichtsschreibung, Teil I-IV (Isolde
Dietrich), Lebensbedingungen und Kultur der deutschen Arbeiterklasse im
19. Jahrhundert (Horst Groschopp), Lebensweise in der proletarischen
Familie (Anneliese Neef), Proletariat und großstädtische Lebensweise
(Horst W. Rohls), Proletarische Klassenorganisation und Lebensweise
(Horst Groschopp). – Vgl. auch Sozialistische Kulturpolitik – Theorie
und Praxis. Hg. vom Institut für Weiterbildung beim Ministerium für
Kultur. Berlin 1981-1990. In Teil III, Traditionen und historische
Leistungen sozialistischer Kulturarbeit: Kulturarbeit (Horst
Groschopp), Arbeiterbildung (Hans-Joachim Schäfers, Friedrich Donath),
Dokumente 1945-978 (Helmut Hanke), Volkshäuser (Heinz Marohn).
35 ] Isolde Dietrich, Dietrich Mühlberg: Historischer
Materialismus und Kulturbegriff. Berlin 1977 (= Einführung in die
marxistisch-leninistische Kulturtheorie. Lehrbriefmaterial für die Aus-
und Weiterbildung, Abschnitt 1, Thema 1).
36 ] Vgl. Dietrich Mühlberg: Woher wir wissen, was Kultur
ist. Gedanken zur geschichtlichen Ausbildung der aktuellen
Kulturauffassung. Berlin 1983.
37 ] Vgl. Dietrich Mühlberg: Kulturtheoretische Anmerkungen
zum Bedürfnis nach Kulturgeschichtsschreibung. Berlin 23 (1977)
Weimarer Beiträge, Berlin 23(1977)3, S.78-94. – Ders.: Zu aktuellen
Fragen der Kulturgeschichte der deutschen Arbeiterklasse. In: MKF 4,
S.75-86. – Ders.: Geht unser Kulturbegriff aus der Kulturgeschichte der
Arbeiterklasse hervor? In: MKF 4, S.134-140. – Ders. (mit Isolde
Dietrich): Zu aktuellen Fragen der Kulturgeschichte der deutschen
Arbeiterklasse. In: Weimarer Beiträge 25(1979)8, S.47ff. – Ders. (mit
Isolde Dietrich): Zur Kulturgeschichte der Arbeiterklasse. In: Jahrbuch
für Volkskunde und Kulturgeschichte, Berlin 22(1979), S.49 ff. –
Proletarische Lebensweise als kulturelle Tradition des Sozialismus? In:
Weimarer Beiträge 26(1980)11, S.54ff. – Horst Groschopp: Zur Kritik der
Subkultur-Theorien in der BRD. Weimarer Beiträge, Berlin 23(1977)12,
S.20-52. – Ders.: Kultur der Arbeiterklasse als „Subkultur“? Kritische
Anmerkungen zur Diskussion über die Arbeiterkultur. In: Jahrbuch für
Volkskunde/ Kulturgeschichte. Jahrgang 1980. Berlin 1980, S. 195-213;
überarb. und erw. Fassung aus MKF 3, S.48-69. – Ders.: Arbeiterbewegung
als „Kulturbewegung“ vor 1914. In: Weimarer Beiträge, Berlin 26 (1980)
11, S.82-107.
38 ] Vgl. Kultur – Kunst – Lebensweise. Autorenkollektiv,
Leitung: Erhard John. Kapitel 3, Uta Kösser, Monika Lippold:
Lebensweise – Kulturverhalten – Kunstgebrauch. Erfahrungen der
revolutionären deutschen Arbeiterbewegung. Berlin 1980, S.113-164.
39 ] Vgl. Zur Theorie der sozialistischen Kultur. Autoren:
Hans Koch (Leiter), Helmut Hanke, Christa Ziermann, Wilfried Barthel.
Berlin 1982.
40 ] Helmut Hanke, zuletzt an der Hochschule für Film und
Fernsehen, ist krankheitshalber im Rentenstand. Jürgen Marten,
Kultursoziologe, am Ende Professor an der Kunsthochschule Weißensee in
Berlin, arbeitet inzwischen erfolgreich als Rechtsanwalt.
41 ] Vgl. Kurt Hager: Zu Fragen der Kulturpolitik der SED. 6. Tagung des Zentralkomitees. 6./7.7.1972. Berlin 1972, S.10-25.
42 ] Vgl. besonders Helmut Hanke: Freizeit in der DDR. Berlin 1979.
43 ] Vgl. Dietrich Mühlberg: Proletarisches Freizeitverhalten
und seine öffentlichen Einrichtungen im Deutschland der
Jahrhundertwende. In: MKF 9, Berlin 1981, S.123-152.
44 ] So der Theaterwissenschaftler Siegfried Hähnel in der Erinnerung, vgl. MKF 37, S.600.
45 ] Vgl. Dieter Kramer: Theorien zur historischen Arbeiterkultur. Marburg 1987.
46 ] Vgl. Peter Schuppan: Die kulturelle Entwicklung
Deutschlands 1897/98-1917. Neuntes Kapitel in: Deutschland von 1897/98
bis 1917 (Deutschland in der Periode des Imperialismus bis zur Großen
Sozialistischen Oktoberrevolution). Berlin 1972, S.395-451.
47 ] Vgl. Friedrich Donath: Zur Geschichte des Leipziger
Arbeiterbildungsvereins. In: Heimatkundliche Blätter, Leipzig 3 (1957)
5, S.427-435. – Marianne Lange: Die fortschrittliche bürgerliche
Jugendschriftenkritik am Jugendbuch des 19. Jahrhunderts und ihre
Auswirkungen auf die Bildungsarbeit der Arbeiterklasse. Phil.-Diss.,
Leipzig 1962. – Hans-Joachim Schäfers: Zur sozialistischen
Arbeiterbildung in Deutschland vor dem 1. Weltkrieg. Phil.-Diss.,
Leipzig 1965. – Peter Läuter: Die Anfänge der sozialistischen
Verlagstätigkeit in Deutschland. In: Beiträge zur Geschichte des
Buchwesens. Hg. von Karl-Heinz Kalhöfer und Helmut Rotzsch, Band 2.
Leipzig 1966, S.169-243. – Wolfgang STEINITZ: Deutsche Volkslieder
demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. 2 Bände, Berlin
1954, 1962. – Ursula Münchow: Stimme des Vortrupps. Berlin 1961. –
Diess. (mit Friedrich Knilli): Frühes deutsches Arbeitertheater
1847-1918. Berlin 1970. – Ulrich Kuhirt: Die Entwicklung der
fortschrittlichen deutschen Kunst in der Periode 1924-33 und die Hilfe
der Kunstkritik der KPD. Phil.-Diss., Berlin 1962. – Werner Kaden: Die
Entwicklung der Arbeitersängerbewegung im Gau Chemnitz des deutschen
Arbeitersängerbundes von den Anfängen bis 1933. Zwickau 1966. – Inge
Lammel: Das Arbeiterlied. Leipzig 1970. – Diess.: Die Herausbildung der
proletarisch-revolutionären Musik in Deutschland. In: Wissenschaftliche
Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 1962, Heft 11,
S.193-200.
48 ] Vgl. MKF 23.
49 ] Vgl. Kultur und Lebensweise des Proletariats. Hg. von
Wolfgang Jacobeit und Ute Mohrmann. Berlin 1973, S.14. – Zur Geschichte
der Kultur und Lebensweise der werktätigen Klassen und Schichten des
Deutschen Volkes vom 11. Jahrhundert bis 1945. Ein Abriß. Hg. von
Bernhard Weißel, Hermann Strobach und Wolfgang Jacobeit. In:
Wissenschaftliche Mitteilungen der Deutschen Historikergesellschaft,
I-III. Berlin 1972.
50 ] Vgl. Helmut Barth: Zum Kulturprogramm des deutschen
Proletariats im 19. Jahrhundert. Eine Sammlung kulturpolitischer und
ästhetischer Dokumente. Dresden 1978. – Manfred Altner: Die deutsche
Kinder- und Jugendliteratur zwischen Gründerzeit und
Novemberrevolution. Berlin 1981. – Ursula Münchow: Arbeiterbewegung und
Literatur 1860-1914. Berlin, Weimar 1981. – Diess.: Des Morgens erste
Röte. Frühe sozialistische Literatur 1860-1918. Leipzig 1982. – Hermann
Strobach: Geschichte der deutschen Volksdichtung. Berlin 1981.
51 ] Vgl. Hans-Jürgen Rach: Gedanken zur Ausgestaltung eines
Programms volkskundlicher Erforschung des Proletariats, dargestellt an
Ergebnissen und Erfahrungen einer Untersuchung in der Magdeburger
Börde. In: Abhandlungen und Berichte des Staatlichen Museums für
Völkerkunde Dresden, Band 35. Berlin 1976, S.43-54.
52 ] Vgl. Jürgen Kuczynski: Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus. Berlin 1962ff.
53 ] Vgl. Jürgen Kuczynski: Geschichte des Alltags des
deutschen Volkes. Studien 3, 1810-1870. Berlin 1981, S.176-178. – Die
Verwirrung bei den Lesern über die bis dahin scheinbar eindeutige
sogenannte „Zwei-Kulturen-Theorie“ Lenins war überwältigend, wie
Anfragen an uns belegen.
54 ] Wladislaw Kelle, Matwej Kowalson: Der historische
Materialismus. Abriß der marxistischen Gesellschaftstheorie. Moskau
1975, S.160.
55 ] Vgl. Literatur und proletarische Kultur. Beiträge zur
Kulturgeschichte der deutschen Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert. Von
einem Autorenkollektiv unter Leitung von Dietrich Mühlberg und Rainer
Rosenberg. Berlin 1983.
56 ] Vgl. Proletariat. Kultur und Lebensweise im 19. Jahrhundert. Hg. von Dietrich Mühlberg. Leipzig 1986, 1988 (engl.).
57 ] Isolde Dietrich: Massenproduktion und Massenkultur.
Bürgerliche Arbeitswissenschaft als Kulturwissenschaft. In: Weimarer
Beiträge, Berlin 33(1987)12, S.1971-1988. – Horst Groschopp:
Unterhaltung und Propaganda in der deutschen Arbeiterbewegung bis 1933.
In: Weimarer Beiträge, Berlin 33(1987)7, S.1106-1128. – Ders.: Zwischen
Bierabend und Bildungsverein. Zur Kulturarbeit in der deutschen
Arbeiterbewegung vor 1914. Berlin 1985, 1987. – Manfred Hübner:
Zwischen Alkohol und Abstinenz. Trinksitten und Alkoholfrage im
deutschen Proletariat bis 1914. Berlin 1988. – Anneliese Neef: Mühsal
ein Leben lang. Zur Situation der Arbeiterfrauen um 1900. Berlin 1988.
– Parzelle, Laube, Kolonie. Kleingärten zwischen 1880 und 1930. Texte
und Bilder zur Ausstellung im Museum „Berliner Arbeiterleben um 1900“.
Berlin 1989. – Dietrich Mühlberg: Anfänge der Arbeiterfreizeit. Eine
Ausstellung ... Konzeption und Realisierung der Ausstellung und des
Begleitbuches. Berlin (West) 1989 (mit der Forschungsgruppe
Kulturgeschichte). – Dietrich Mühlberg et. al.:
Arbeiterkulturgeschichte als Forschungs- und Sammlungsauftrag stadt-
und regionalgeschichtlicher Museen. Berlin (West), Berlin (DDR) 1990. –
Verschiedene Beiträge in: Arbeiterkultur seit 1945: Ende oder
Veränderung? Hg. von Wolfgang Kaschuba, Gottfried Korff und Bernd
Jürgen Warneken. 5. Tagung der Kommission „Arbeiterkultur“ in der
Deutschen Gesellschaft für Volkskunde vom 30. April bis 4. Mai 1989 in
Tübingen. Tübingen 1991.
58 ] Als zwei Bände sollten 1990 von Kiepenheuer Leipzig im
Schuber in die Buchläden kommen: Otto Rühle: „Illustrierte Kultur- und
Sittengeschichte des Proletariats“. Mit Beiheft „Weltwende zu einer
neuen Kultur?“ zum photomechanischen Nachdruck des 1. Bandes von 1930
von Horst Groschopp, unter Mitarbeit von Erwin Dorn (Bibliographie). –
Statt dessen erschienen: Horst Groschopp: Utopie vom „neuen Menschen“.
Eine biographisch-bibliographische Studie über Otto Rühle als
Kulturwissenschaftler. In: Weimarer Beiträge, Berlin 33(1987)12, S.
1953-1970. – Ders.: Otto Rühle. Zum Arbeiterbild in der ultralinken
deutschen Arbeiterbewegung der zwanziger Jahre. In: Arbeiter im 20.
Jahrhundert. Hg. von Klaus Tenfelde, Stuttgart 1991, S.301-322. – Ders.
(mit Erwin Dorn): Otto Rühle: Leben und Werk. In: Arbeiter und
Massenkultur. Wandlungen im Freizeitverhalten der Zwanziger Jahre.
Berlin 1992, S. 282-320 (=MKF, 30).
59 ] Vgl. Adelheid von Saldern: Eine soziale Klasse isst,
trinkt und schläft nicht. In: Die DDR-Geschichtswissenschaft als
Forschungsproblem, Hg. von Georg G. Iggers, Konrad H. Jarausch,
Matthias Middell u. Martin Sabrow, München 1998, S.241-258 (Historische
Zeitschrift, Sonderheft 27).
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