KULTURATIONOnline Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik
Nr. 24 • 2021 • Jg. 44 [19] • ISSN 1610-8329
Herausgeberin: Kulturinitiative 89
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ThemaKulturation 2/2003
Deutsche Kulturgeschichte nach 1945 / Zeitgeschichte
Carsten Schröder
„Horch, was kommt von draußen rein“: Die X. Weltfestspiele 1973 – eine Wende im Verhältnis von Bundesrepublik und DDR?“
„Horch, was kommt von draußen rein“: Die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Ost-Berlin – ein Ausdruck der Wende im Verhältnis von Bundesrepublik und DDR?“


Zur Begrüßung der bundesdeutschen Delegation bei der Eröffnungsveranstaltung der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in der Hauptstadt der DDR (28.7. – 5.8.1973) ertönte das schwäbische Volkslied „Horch, was kommt von draußen rein“. Die erste Zeile des Liedes ermunterte den Ersten Sekretär des Zentralrats der FDJ, Günther Jahn, in einer Auswertung des Festivals, zu der Äußerung, „der von draußen rein komme, (könne) doch nur vom Ausland kommen“. /1/

Jahn frohlockte über den Fauxpas, der den westdeutschen Besuchern vermeintlich mit der Auswahl der Begrüßungsmelodie unterlaufen war und deren Inhalt die Interpretation der Anerkennung der DDR als souveränen Nationalstaat erlaubte. Dabei verschwieg er jedoch wohlbedacht die zweite Zeile, aus der hervorging, dass jene schwäbische Volksweise nicht unüberlegt ausgesucht worden war. Sie lautet: „Wird wohl mein fein’s Liebchen sein.“

Die Auslegung der gesamten Handlung des Liedes einer unerwiderten und vergeblichen Liebesgeschichte, bei der die DDR, im übertragenen Sinne, den Part des um Anerkennung werbenden Liebhabers und die Bundesrepublik die Rolle des heftig umworbenen „Feinliebchens“ eingenommen hätte, wäre wohl der tatsächlichen Situation zwischen beiden Staaten zu nahe gekommen. So handelte es sich doch auch bei ihnen um eine exklusive Sonderbeziehung, bei der die DDR heftig um die Anerkennung der Bundesrepublik warb, nicht jedoch, und da endet die Verwendbarkeit des Volkliedes als Parabel für das deutsch-deutsche Verhältnis, um sich mit ihr zu vereinen, sondern um als eigenständiger Staat anerkannt zu werden. Die Bundesrepublik wiederum, verweilt man noch ein letztes Mal bei dem Gleichnis, war, im Gegensatz zu „Feinliebchen“, sehr wohl dazu willens, sich noch zu Lebzeiten mit der DDR zu vereinigen, jedoch mit abnehmender Tendenz.

Ein Ausdruck dieser Entwicklung sind die bundesrepublikanischen Wahrnehmungen von der DDR während der X. Weltfestspiele, die im Mittelpunkt meiner Magisterarbeit „„Horch, was kommt von draußen rein“: Die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Ost-Berlin – ein Ausdruck der Wende im Verhältnis von Bundesrepublik und DDR?“ stehen. Ich untersuche die West-Wahrnehmungen der sozial- und christdemokratischen Festivaldelegation sowie der Presseorgane „Zeit“, „Spiegel“, „Frankfurter Rundschau“, „Süddeutsche Zeitung“, „Westdeutsche Allgemeine“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und „Welt“ unter der Berücksichtigung der Thesen des Politologen Jens Hackers und des Historikers Hubertus Knabe.

Hacker kam 1992 zu dem Ergebnis, dass sich die bundesdeutschen Medien zu „einem guten Teil“ im Verlauf der sechziger Jahre mit dem Status quo in Europa und damit auch in Deutschland abgefunden hatten. Er unterstellte den überregionalen Zeitungen mit Ausnahme der „FAZ“, der Springer-Presse, des „Rheinischen Merkurs/Christ und Welt“ und Rudolf Augsteins, einen entscheidenden Anteil daran gehabt zu haben, dass „der Gedanke der Offenhaltung der deutschen Frage“ ins Hintertreffen geriet. Dies führte er u.a. auf die Bereitschaft zur Übernahme der DDR-These von der Entwicklung zweier unterschiedlicher Nationen in Deutschland zurück. (Hacker 1992, S. 279, 314, 280)

Knabe stellte im Jahr 2001 fest, dass der Meinungsumschwung gegenüber der DDR in den sechziger Jahren nicht in erster Linie auf den Einfluss der Staatssicherheit zurückzuführen war, sondern viele westdeutsche Journalisten „von sich aus dazu bereit waren, die SED-Herrschaft zu akzeptieren und die kritische Auseinandersetzung mit dem politischen System in Ostdeutschland zurückzustellen.“ (Knabe 2001, S. 414)

Anlehnend an die beiden Wissenschaftler ist die erkenntnisleitende Frage, ob sich in den westdeutschen Medien und bei den westdeutschen Delegationsteilnehmern die von Hacker und Knabe festgestellte Tendenz, dem SED-Staat einen „Schein von Legitimität“ (Knabe 2001, S. 414) zu verleihen, und die Bereitschaft zu einer „Bi-Nationalisierung“ aufzeigen lässt. Im Gegensatz zu Hacker und Knabe geht es mir jedoch nicht darum, eine „Abrechnung“ mit sogenannten „Schönfärbern und Helfershelfern der SED-Diktatur“ vorzunehmen.

Im Vordergrund der Bearbeitung der West-Wahrnehmungen des X. Festivals in Politik und Publizistik steht das Interesse nach den Motiven für eine gewandelte bundesdeutsche Sicht der DDR und der Frage der Nation Anfang der siebziger Jahre, die im Kontext der Verabschiedung des Grundlagenvertrages am 21. Juni 1973 und der damit verbundenen Aufgabe des Alleinvertretungsanspruches der Bundesrepublik steht. Damit soll diese Arbeit ein Beitrag sein zur Beurteilung des öffentlichen Meinungswandels im Bezug auf die DDR auf der Grundlage von Eckhard Jesse, Jens Hacker und Hubertus Knabe.

Jesse geht davon aus, dass die wohlwollende Einschätzung der DDR vor 1989 einerseits aus der Berichterstattung von Journalisten resultierte, die von einer „(Teil-) Identifizierung“ des Bürgers mit dem System ausgingen, „westliche besserwisserische Arroganz“ vermeiden und nicht zu einer Erschwerung des Lebens der DDR-Bürger beitragen wollten. Andererseits vermutet er, dass die zunehmend kritische Sicht auf die Bundesrepublik im Zusammenhang mit dem „antikapitalistischen Impuls“ der Studentenbewegung Ende der sechziger Jahre der DDR zugute kam und zu „blinden Flecken“ in der Sichtweise der Journalisten führte. (Jesse 1996, S. 6)

Nach Hacker haben die Hoffnungen in der linksliberalen und sozialdemokratischen Publizistik, „mit einer auf Kooperation gerichteten Deutschland-Politik Bonns eine Liberalisierung der DDR erreichen zu können“, zu „deutschen Irrtümern“ geführt. Er konstatiert bei denjenigen, die das Status-quo-Denken und damit die Aufrechterhaltung der Teilung aus historischen und sicherheitspolitischen Gründen vertreten haben sollen, zwei Linien: Die einen übernahmen die DDR-These von der Entwicklung zweier unterschiedlichen Nationen in Deutschland, die anderen gingen von einem „Wettstreit der Systeme“ aus, in dem die DDR mit einem umgestalteten Sozialismus die Möglichkeit hatte, ihre Eigenständigkeit zu bewahren. (Hacker 1992, S. 288; 280)

Eine vergleichende Analyse der Positionen linksliberaler, liberalkonservativer und konservativer Presseorgane zur DDR und der Frage der Nation Mitte der sechziger Jahre und Anfang der siebziger Jahre, die für meine Fragestellung von hohem Wert gewesen wäre, existiert leider noch nicht. Ebenso wenig gibt es eine Monographie, die sich mit den Standpunkten der Jungen Union und der Jungsozialisten zu dieser Problematik auseinandersetzt. Die X. Weltfestspiele sind bisher noch nicht aus dem bundesrepublikanischen Blickwinkel untersucht worden. (Breßlein 1973a, Lippmann 1973, Goltz 1978, Mählert/Stephan 1996, Wolle 1998, Rossow 2000)

Der Wahrnehmungsbegriff orientiert sich an der Definition der „Wahrnehmungsmuster“ von Thomas Rüdiger. Rüdiger differenziert zwischen Wahrnehmungsänderungen im Längsschnitt, im Wandel der Zeitperioden einerseits und Wahrnehmungsunterscheidungen im Querschnitt in der verschiedenen Wahrnehmung einer politisch-sozialen Konstellation andererseits. (Rüdiger 1997, S. 772) An dieses Verständnis anknüpfend untersuche ich, inwieweit sich die West-Wahrnehmungen während der X. Weltfestspiele voneinander unterschieden und ob es darüber hinaus im Zeitraum von Mitte der sechziger Jahre bis Anfang der siebziger Jahre bei einigen Presseorganen und Parteien zu Wahrnehmungsänderungen gekommen ist.

Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von dem Zeitpunkt der Entscheidung des Internationalen Vorbereitungskomitees in Sofia für die DDR als Veranstaltungsort der Weltfestspiele am 20. Januar 1972 bis zum Abschluss der westdeutschen Berichterstattung und ostdeutschen Auswertung Ende November 1973.

Die Quellensituation war im Bereich der Medien hervorragend, da das Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung eine Zusammenstellung der Berichterstattung vom Sommer 1973 zur Verfügung stellte. Für die Untersuchung der Wahrnehmungen der Jungen Union und Jungsozialisten wurden in erster Linie Festivalberichte, Reden, Briefe und Pamphlete aus dem Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgewertet. Dabei erwiesen sich die Archivalien der Christdemokraten als wesentlich ergiebiger als diejenigen der Sozialdemokraten.

Die ostdeutschen Quellen des Politbüros, des Zentralkomitees, des Zentralrats der FDJ und der Staatssicherheit stammen aus dem Bestand der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv und der Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Sie sind derart umfassend, dass sich ein ähnliches Festival ohne Probleme anhand dieser Unterlagen erneut veranstalten ließe. Zur Relativierung der offiziellen Festivalbeurteilung der SED werden des Weiteren die Resultate der Studie Jugend und Internationalismus des soziologischen Zentralinstituts für Jugendforschung (ZIJ) ausgewertet.

Einleitend werden die Positionen der Parteien und Medien zur DDR und der deutschen Frage Mitte der sechziger und Anfang der siebziger Jahre erläutert, um vor diesen Hintergrund die Berichterstattung der Presseorgane und das politische Verhalten beurteilen zu können. Darauf folgt eine kurze Einführung in die Geschichte der Weltfestspiele verbunden mit einer Darstellung der einjährigen nachrichtendienstlichen und ideologischen Vorbereitungszeit in der DDR mit der Zielsetzung, einen Einblick in die Inszenierung der Demonstration von Weltoffenheit und Liberalität zu geben, die Gegenstand der West-Wahrnehmungen war. Daran schließt sich der Hauptteil der Arbeit an, der sich den Wahrnehmungsänderungen der Jungsozialisten, der JU und der ausgewählten überregionalen Presseorgane widmet. Abschließend werden im letzten Kapitel die bundesdeutschen Wahrnehmungsergebnisse den Schlussfolgerungen des Politbüros, des Zentralkomitees der SED, des Zentralinstituts für Jugendforschung und der Staatssicherheit gegenübergestellt.


1. „Sozialistische Nation“ in der DDR – Abkehr vom Provisoriumsvorbehalt in der Bundesrepublik?

Die bundesdeutschen Teilnehmer fuhren zu einer Zeit in die DDR, die in der historischen Forschung zu den „guten“ (Niethammer 1994, S.110) oder sogar den „erfolgreichsten Jahren“ (Staritz 1996) der DDR gezählt wird. Nach dem Abschluss des Grundlagenvertrages mit der Bundesrepublik am 21. Juni 1973 erfreute sich die „kommode Diktatur“ (Grass 1995) der internationalen Anerkennung von 88 Staaten. Im Sommer 1973 stand der Eintritt in den Völkerbund (18. September 1973) kurz bevor.

Auch innenpolitisch waren die frühen siebziger Jahre eine Zeit des Umbruchs. Knapp zwei Jahre vor Beginn der Weltfestspiele war Walter Ulbricht während des VIII. Parteitages der SED als erster Vorsitzender des Zentralkomitees von Erich Honecker abgelöst worden, der einen gegenwartsorientierten Politikwechsel einleitete. Der ehemalige Erste Sekretär der FDJ erklärte die Periode des „Aufbaus des Sozialismus“ offiziell für beendet und läutete die sogenannte Phase der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ ein. Honecker richtete die gesamte Planung auf eine Gesellschaftspolitik aus, die die materiellen Interessen der Arbeiter in den Vordergrund stellte, die bestehenden Ungleichheiten überwinden und die Situation der sozial schlechter Gestellten verbessern sollte (Staritz 1996, S. 281.) Die Wende zum „Konsumsozialismus“ (Staritz 1996, S. 281), zu einer „Art sozialistischer Wohlstandsgesellschaft“ (Wolle 1998, S. 41), bedeutete für die Mehrheit der DDR-Bürger einen erheblichen Zuwachs an Lebensstandard – auch wenn dieser, wie sich später zeigte, auf tönernen Füßen stand. In der Frage der deutschen Nation bewahrte Honecker Kontinuität zu seinem Vorgänger. Er übertrug, wie Ulbricht, die neue Sprachregelung Breschnews von der Herausbildung einer „sozialistischen Nation“ auf die DDR. Demnach entwickelte sich in der DDR eine „sozialistische Nation“, die der „bürgerlichen“ in der Bundesrepublik gegenüberstand. Die Bundesrepublik galt in dieser Lesart als „imperialistisches Ausland“. (Winkler 2002, S. 294)

Die scheinbare Aussichtslosigkeit einer Wiedervereinigung nach dem Mauerbau am 13. August 1961 führte in der Bundesrepublik bereits Mitte der sechziger Jahre dazu, dass der Diskurs über die deutsche Frage von einer „allmählichen Abkehr vom Ziel eines deutschen Nationalstaates“ geprägt war. (Winkler 2002, S. 243) Eine Debatte in der katholischen Zeitschrift „Hochland“ über den Provisoriumscharakter der Bundesrepublik sowie Reiseberichte der „Zeit“ aus der DDR, die von einem „noch zaghaften Staatsbewusstsein“ (Dönhoff/Sommer 1965, S. 113) in der DDR kündeten, zeigten, dass sowohl in konservativen und linksliberalen als auch in liberalkonservativen Kreisen der Wille zu einer Wiedervereinigung verebbte und die Frage, ob sich die Bürger beider deutschen Staaten noch als eine Nation verstanden oder verstehen sollten, nur noch eine untergeordnete Rolle spielte. (Winkler 2002, S. 247) So traten Franz Josef Strauß, Vorsitzender der CSU, der linksliberale Publizist Peter Bender und der Vorsitzende der FDP, Walter Scheel, für eine Europäisierung der deutschen Frage unter Aufgabe der nationalstaatlichen Betrachtung Deutschlands ein. (Strauß 1966, Bender 1968, Scheel 1968, S. 368) Burghard Freudenfeld, Initiator der Hochland-Debatte, forderte die Preisgabe des Provisoriumsvorbehaltes, um die Entwicklung eines bundesrepublikanischen Staatsbewusstseins zu fördern (Freudenfeld 1967, S. 421-433), und zwei ihn unterstützende ebenfalls liberalkonservative Politikwissenschaftler plädierten für die Entwicklung eines bundesdeutschen Nationalbewusstseins (Buchheim 1967, S. 31) und die Bildung eines „westdeutschen Patriotismus“ (Besson 1970, S. 459).

Die führenden Politiker der beiden großen Volksparteien widersetzten sich der Anziehungskraft des partikularistischen liberalen Zeitgeistes. Eugen Gerstenmaier, Bundestagspräsident und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU, bedauerte es 1968, dass der parlamentarische Rat 1948/49 nur ein „Provisorium“ gründete und sich nicht dazu entschloss, „den größten, freiheitlich verfassten Teil Deutschlands als deutschen Kernstaat mit dem Deutschen Reich zu identifizieren und die sowjetisch besetzten deutschen Länder und Provinzen als das zu bezeichnen, was sie in der Tat und Wahrheit auch sind, nämlich deutsche Gebiete, deren Bewohner durch fremde Besatzungsgewalt an der Ausübung ihrer Reichsbürgerrechte gehindert werden.“ Gerstenmaier betrachtete es als Aufgabe der „nationalen Erziehung“, den Jüngeren im Bewusstsein zu halten, „daß ganz Deutschland und nicht die Bundesrepublik oder der Herrschaftsbereich Ulbrichts unser Vaterland ist.“ (Gerstenmaier 1967/68, S. 149-150)

Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, Helmut Schmidt, räumte zwar die „Unmöglichkeit“ einer nationalstaatlichen Einheit in naher Zukunft ein, wies aber darauf hin, dass ihre Realisierung von „äußeren Umständen und vom Willen der Deutschen in beiden Teilen Deutschlands“ abhing. Schmidt wandte sich gegen eine Reduzierung des bundesdeutschen Nationalbewusstseins auf den Geltungsbereich des von Freudenfeld formulierten Staatsbewusstseins. Er sah darin die Gefahr, dass die Bundesdeutschen sich aus ihrer historischen Verantwortung für das Schicksal der Ostdeutschen stehlen würden, indem sie sich in die „Idylle einer bundesdeutschen Nation“ flüchteten (Schmidt 1968, S. 559, 562).

Dass die beiden großen bundesrepublikanischen Volksparteien auch Anfang der siebziger Jahre trotzdem nicht mehrheitlich bereit waren, von der Vorstellung einer deutschen Nation abzurücken und das Staatsziel einer Wiedervereinigung in Frage zu stellen, manifestierte sich in dem „Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik.“

Der Grundvertrag war nach den Leitlinien gestaltet worden, die Willy Brandt am 28. Oktober 1969 in seiner Regierungserklärung als Kanzler der sozialliberalen Koalition folgendermaßen - stark verkürzt - formuliert hatte: Um ein weiteres Auseinanderleben der deutschen Nation nach zwanzig Jahren der Gründung der DDR und BRD zu verhindern, gelte es, „über ein geregeltes Nebeneinander zu einem Miteinander zu kommen.“ Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR stellte der Bundeskanzler dabei außer Frage, indem er den „besonderen“ Charakter des Verhältnisses beider Teile Deutschlands betonte. (Texte zur Deutschlandpolitik, Bd. IV, S. 12, 48, 12)

Obwohl die Bundesrepublik mit diesem Vertragswerk den seit ihrer Gründung vertretenen Anspruch, als alleinige Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches auch die einzige Vertreterin deutscher Interessen zu sein, aufgab (Hallstein-Doktrin) und die Grenzen zur DDR akzeptierte, bedeutete der Grundvertrag weder die Anerkennung der DDR als souveräner Nationalstaat, noch die Aufgabe des Wiedervereinigungsgebotes des Grundgesetzes. Dies stellte das Bundesverfassungsgericht klar, welches von der CSU, in der Absicht das Vertragswerk zu verhindern, um die Überprüfung des Grundvertrages auf seine Konformität mit dem Grundgesetz gebeten worden war. Karlsruhe gab am 31. Juli 1973 die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz bekannt, hob den Fortbestand des Deutschen Reiches hervor und wies darauf hin, dass die Bundesrepublik als Staat mit ihm identisch war, im Bezug auf die räumliche Ausdehnung jedoch nur teilidentisch. Daraus wurde abgeleitet, dass die Verfassungsorgane die Wiederherstellung der politischen Einheit nicht als politisches Ziel aufgeben durften und verpflichtet waren, ihre Politik auf die Erreichung dieses Ziels auszurichten und alles zu unterlassen, was die Wiedervereinigung verhindern könnte. Die DDR galt dementsprechend als Teil Deutschlands und konnte nur als Inland und nicht als Ausland angesehen werden, die Grenzen zwischen beiden Staaten wurden als jenen „ähnlich“ definiert, die zwischen den Bundesländern West-Deutschlands existierten. Der Vertrag regelte vor allem „inter-se-Beziehungen“. (Winkler 2002, S. 313-314)

Die überwiegende Mehrheit der CDU/CSU lehnte die „Neue Ostpolitik“ der SPD ab, dennoch wurde nach Tiggemann eine Öffnung der Bundesrepublik zum Ostblock unterstützt. (Tiggemann 1998, S. 165, Hacke 1994, S. 42) Timothy Garton Ash geht im Gegensatz zu Tiggemann sogar davon aus, dass die „theoretische Akzeptanz“ der Christdemokraten für die Ostpolitik der SPD bereits 1972 vorhanden war. Er begründet diese Aussage mit der gemeinsamen Entschließung aller im Bundestag vertretenen Parteien im Mai 1972 zur Ratifizierung der Moskauer und Warschauer Verträge, die sowohl die formalrechtliche Position der Bundesrepublik hinsichtlich der deutschen Frage als auch die grundsätzlichen Prioritäten der Westintegration Adenauers bestätigt habe. (Ash 1993, S. 53-54) Für Heinrich August Winkler war die Rede des christdemokratischen Bundeskanzlers, Kurt-Georg Kiesinger anlässlich eines Staatsaktes zum Tag der deutschen Einheit am 14. Juni 1967 ein Anzeichen dafür, dass die „Befürworter von Realismus in der Ostpolitik“ an Einfluss gewannen. (Winkler 2002, S. 259) Kiesinger befürwortete „Gespräche und Vereinbarungen, welche die durch die erzwungene Spaltung geschaffene Not lindern und die menschlichen, wirtschaftlichen und geistigen Beziehungen zwischen den Deutschen bessern solle, welche verhindern sollen, daß das deutsche Volk sich von Jahr zu Jahr auseinanderlebt.“ (Texte zur Deutschlandpolitik, Bd. 1, S. 82)

Jungsozialisten als Vorreiter der Entspannungspolitik

Die „Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten“ nahm für sich in Anspruch, Vorreiter der Verständigungs- und Ostpolitik innerhalb der Bundesrepublik zu sein. Sie plädierte bereits zwei Jahre vor dem umstrittenen neuen Linkskurs im Jahr 1969 auf dem Bundeskongress in Mainz (1967) für die Akzeptanz der Oder-Neiße-Grenze, die Preisgabe des Alleinvertretungsanspruches der Bundesrepublik und die Anerkennung der DDR als „gleichberechtigten Verhandlungspartner“. Das Bekenntnis zur Wiedervereinigung blieb von den Konzessionen an die deutsche Zweistaatlichkeit unberührt:

„Es bleibt unser Ziel, die beiden Staaten wiederzuvereinen.“ /2/

Nach der „Linkswendung“ im Jahr 1969 wurde die Entspannungspolitik zu einem wichtigen Bestandteil der neuen sozialistischen Zielsetzung. (Wilke 1983, S. 91) Der marxistisch ausgerichtete Vorsitzende, Karsten Voigt betrachtete die Entspannung als eine wesentliche Grundvorrausetzung für die Errichtung des Sozialismus in der Bundesrepublik und in Westeuropa. In diesem Zusammenhang forderte Voigt die „völkerrechtliche Anerkennung“ der DDR mit der Begründung, ohne dieses Zugeständnis sei eine Entspannung nicht zu bekommen. (Die Welt, 29.12.1969)

Junge Union nimmt Abschied von liebgewordenen Klischees

Die Junge Union näherte sich bereits 1970 dem Entspannungskurs der sozialliberalen Koalition an. Gerhard Reddemann, Mitglied im Deutschlandrat der Jungen Union und Chefredakteur der christdemokratischen „Entscheidung“, forderte im selben Jahr dazu auf, von „liebgewordenen Klischees“ wie dem Glauben an eine „formale Renaissance des Deutschen Reiches“ Abschied zu nehmen. Reddemann ging davon aus, dass sich nach einem Generationswechsel in beiden deutschen Staaten eine neue Bewusstseinslage zur Frage der Einheit gebildet hatte. In der Bundesrepublik demontierte seiner Meinung nach die Aussichtslosigkeit einer baldigen Wiedervereinigung, die Zweifel an den Fehlern des kapitalistischen Wirtschaftssystems, das Gefühl der eigenen Sicherheit durch das Gleichgewicht der beiden großen Militärkomplexe und die zunehmende Entfremdung zu den Ostdeutschen die Ablehnung des SED-Staates und den Willen zu einer Wiederherstellung der deutschen Einheit.

In Ostdeutschland registrierte Reddemann das Entstehen eines „DDR-Bewußtseins“, hervorgehend aus den wirtschaftlichen Erfolgen der DDR, einem „Gemeinsamkeitsgefühl“ in Abgrenzung zu den „satten Bundesbürgern“ und den „‚Bonzen’“ im Parteiapparat sowie einer Anpassung an die „sozialistischen Realitäten“. Dennoch wollte er aus dieser Entwicklung nicht folgern, dass sich die Bevölkerung in beiden Teilen Deutschlands mit der Teilung abgefunden hatte. Die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands sah der Journalist nach wie vor als Aufgabe seiner Partei an, ordnete jenes Ziel jedoch dem der Freiheit der DDR-Bürger unter. (Reddemann 1970, S. 329, 331-333)

Westmedien und die Deutschlandpolitik Willy Brandts

Die Berichterstattung westdeutscher Zeitungen und Zeitschriften von der DDR Anfang der siebziger Jahre orientierte sich wesentlich an der Deutschlandpolitik Willy Brandts. /3/ Die linksliberalen Printmedien, wie „Stern“, „Zeit“, „Westdeutsche Allgemeine“, „Frankfurter Rundschau“, „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“, unterstützten die sozialliberale Ostpolitik des „Wandels durch Annäherung“. (Winkler 2002, S. 219) Sie teilten die Auffassung, dass die Anerkennung der DDR Bedingung einer Entspannung zwischen Ost- und Westdeutschland war. Es wurde davon ausgegangen, dass sich die DDR, nach einer Anerkennung durch die Bundesrepublik stabilisieren würde und die politische Führung erst dann zu einer Liberalisierung von „oben“ bereit wäre, wenn ihre Existenz nicht mehr in Frage stünde. Die wohlwollende Einstellung zur Ostpolitik führte zu einer Berichterstattung über die DDR, in der immer seltener der Unrechtscharakter des totalitären Systems und die Unzufriedenheit der Bürger mit ihrem nicht demokratisch legitimierten politischen System thematisiert wurden. Im Vordergrund stand eine milde Betrachtung der DDR-Führung, in der Absicht, sie damit zu Reformen bewegen zu können, und eine positive Einschätzung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der realsozialistischen Volkswirtschaft.

Die These des „intellektuellen Architekten der Ostpolitik“ (Ash 1993, S. 266) Peter Bender, dass die Mauer nicht anders durchlässig gemacht werden könne, als durch eine „relative Angleichung des Lebensniveaus auf beiden Seiten“, war bei linksliberalen Journalisten weit verbreitet. (Bender 1968, S. 219) Die mangelnde Bewegungsfreiheit für die Pressearbeit in der DDR, die sich auch nach der Gestattung von Korrespondenten im Rahmen des Grundlagenvertrages nicht wesentlich verbesserte, schränkte die Aussagekraft journalistischer Analysen stark ein. Dennoch wurde die Beeinträchtigung der Berichterstattung immer seltener angemessen in Rechnung gestellt.

Die, der Deutschlandpolitik Willy Brandts kritisch gegenüberstehenden Zeitungen, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, der „Rheinischer Merkur“, „Deutsche Zeitung Christ und Welt“ sowie die Erzeugnisse der Springer-Presse nahmen eine distanziertere Position zur DDR ein und widersetzten sich einer Anerkennung. Sie wiesen auf die Menschenrechtsverletzungen in und an den Grenzen des sozialistischen Staates hin und verloren nach den Einschätzungen des Politologen Jens Hacker das Ziel der staatlichen Einheit nicht aus dem Auge. (Hacker 1992, S. 317)


2. Die X. Weltfestspiele in der DDR

Die Vorentscheidung zur Vergabe der X. Weltfestspiele nach Ost-Berlin fiel bereits im September 1971 anlässlich einer Exekutivtagung des WBDJ in Valparaiso (Chile). Am 19. und 20. Januar 1972 wurde die Wahl offiziell. Der Koordinierungssekretär der IX. Weltfestspiele, Jean Diard, schlug in Sofia auf einer konstituierenden Tagung des Internationalen Vorbereitungskomitees (IVK) der Weltfestspiele die DDR als nächsten Veranstaltungsort vor. Die Vertreter aus 47 Ländern nahmen die Idee einhellig an. (Breßlein 1973a, S. 24)

Für das X. Festival wurde die Losung „Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft“ ausgegeben. Ziele der kommunistischen Veranstaltung waren u.a. die Demonstration der internationalen Solidarität mit dem „heldenhaften Kampf der Völker Vietnams, Laos und Kambodscha“, die Forderung nach einem Rückzug der Amerikaner aus Indochina und die Einstellung ihrer Unterstützung für die politischen Regimes in Saigon, Vientane und Phnom Pen. Des Weiteren sollten die Weltjugendfestspiele die Solidarität mit sozialistischen Befreiungsbewegungen in arabischen Ländern, in Afrika, Lateinamerika und Asien, sowie mit den „bedeutenden Kampfaktionen der Jugend und Studenten in den kapitalistischen Ländern gegen die Ausbeutung durch Monopole, Unterdrückung, für die Durchsetzung ihrer Rechte und Bestrebungen, für tiefgreifende ökonomische und soziale Veränderungen und für Demokratie“ zum Ausdruck bringen. /4/

Nicht weniger wichtig als diese Zielsetzungen war die einmalige Gelegenheit für die SED-Führung, die DDR auf internationaler und nationaler Ebene als weltoffenes und selbstbewusstes Land zu präsentieren, deren Bürger scheinbar fest hinter „ihrem“ politischen System standen.

Die „Parteikommission zur Vorbereitung und Durchführung der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973“, das Sekretariat des Zentralrats der FDJ und das Organisationskomitee übernahmen die Organisation des Festivals. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) begann mit der Vorbereitung von Maßnahmen zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit.

Für die Auseinandersetzung mit westdeutschen Besuchern wurde das Wissen über das kommunistische Manifest von Karl Marx aufgefrischt, Zahlen und Fakten der DDR gelernt, die Statuten der Jungen Union, der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und der Jungsozialisten durchgenommen sowie die gesamten Passagen des Grundlagenvertrages behandelt. (Die Welt, 06.08.1973) In allen Grundorganisationen und Gruppen der FDJ fanden „Zirkel junger Sozialisten“ zur Einstimmung der potentiellen Teilnehmer auf die antiimperialistische Zielrichtung des Festivals statt. Junge Arbeiter konnten sich zusammen mit Studenten an der Ost-Berliner Universität zu den FDJ-Studientagen im März 1972 oder in tausenden Agitatorenkollektiven in den Bezirken der DDR unter der Leitung eines FDJ-Agitators „fortbilden“. (Breßlein 1973a, S. 23)

Nachrichtendienstliche Vorkehrungen beugen inneren Konflikten vor

Die Festivalveranstalter sorgten nicht nur für eine theoretische Vorbereitung der jungen DDR-Bürger auf den Kontakt mit der westdeutschen Delegation, sie bereiteten auch praktische Maßnahmen vor, um „kritische Situationen“, welche medienwirksam für die westlichen Journalisten sein konnten, gar nicht erst entstehen zu lassen. (Wolle 1998, S. 164-166) Das MfS verhinderte bis zum 28. Juni 1973 die Reise von 2 720 sogenannter „negativer Personen“ nach Ost-Berlin. Gegen 2 073 Personen wurde Haftbefehl erlassen, insgesamt 800 Menschen mussten die „Hauptstadt der DDR“ verlassen oder hatten eine Aufenthaltsbeschränkung erhalten. /5/

Die Behörde Erich Mielkes nahm während der als Aktion „Banner“ bezeichneten, nachrichtendienstlichen Festivalarbeit entscheidenden Einfluss auf die Kandidatenauswahl. Personen, die nach Ansicht der Staatsschützer nicht Gewähr dafür boten, die Republik „würdig“ zu vertreten, wurden abgelehnt. Zu den Gründen für eine Absage gehörten kriminelle Delikte, „mangelnde politische Zuverlässigkeit“, „dekadentes Auftreten“ und „unmoralisches oder rowdyhaftes Verhalten“. /6/

Zur „Sicherstellung“ der Überlegenheit der ostdeutschen Jugendlichen bei kontroversen Diskussionen wurden als FDJler verkleidete Mitarbeiter des MfS eingeschleust, die bei kritischen Situationen „konsequent“ die Politik der Partei und der Regierung der DDR zu vertreten hatten. /7/ Sie sollten gefährliche Flugblätter einsammeln, dokumentieren und regelmäßig detaillierte Berichte über ihre Arbeit abliefern.

Aus der Einschätzung der Veranstalter, dass die vermeintlich von dem SPD-Parteivorstand gelenkten „sozialdemokratischen Kräfte“ die westdeutsche Festivaldelegation in den Griff bekommen wollten und sie im Sinne ihrer sozialdemokratischen Politik zum Nachteil der „marxistisch-leninistischen Kräfte“ in der Bundesrepublik zu instrumentalisieren beabsichtigten, wurde eine andere praktische Maßnahme gezogen. /8/ Ungefähr 400 politisch erfahrene Funktionäre der SDAJ, des MSB Spartakus und der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) bekamen eine gesonderte Einladung zur Teilnahme an den Festspielen in einer sogenannten „Touristendelegation“, die nicht zur westdeutschen Delegation gehörte. Sie waren als „politische Reserve“ gedacht und sollten in „notwendigen Situationen“ als „natürliches Gegengewicht“ zu Jugendgruppen aus West-Berlin und der Bundesrepublik zum Einsatz gebracht werden. /9/


3. Die sozialdemokratische Delegation: „Wir werden doch hier nicht den großen Otto losmachen, schließlich wollen wir die nächsten fünf Jahre konkrete Politik betreiben.“ (Wolfgang Roth)

Insgesamt 55 Mitglieder der sozialdemokratischen Nachwuchsorganisation, u.a. Karsten Voigt (Koordinator der sozialdemokratisch orientierten Verbände), Klaus-Uwe Benneter, Wolfgang Biermann, Klaus-Detlef Funke, (Sprecher), Johano Strasser und Günter Schulz, besuchten unter der Leitung ihres Vorsitzenden Wolfgang Roth die DDR. Zu der Juso-Delegation gehörten auch die SPD-Bundestagsabgeordneten Herta Däubler-Gmelin, Rolf Heyen, Harald Schäfer, Dieter Schinzel und Rudolf Hauck. (Der Spiegel, 23.07.1973)

Die Jungsozialisten erklärten, sie wollten nur dann nach Ost-Berlin kommen, wenn die Verbände des Bundesjugendrings mitsamt der Jungen Union teilnehmen und ungehindert politisch arbeiten dürften und die Einladung Rudi Dutschkes durch Wolfgang Biermann akzeptiert würde. Karsten Voigt verlangte, dass die West-Berliner an der westdeutschen Delegation teilnehmen konnten. Eines systematische Vorbereitung der Jusos fand im Gegensatz zur ostdeutschen FDJ im Vorfeld nicht statt, die daraus resultierende Heterogenität des Erscheinungsbildes der Jugendorganisation war durchaus beabsichtigt, wollte man doch die DDR-Bürger mit der Pluralität der Argumente als Kennzeichen einer demokratischen Gesellschaft konfrontieren. (Interview mit Karsten Voigt, 25.09.2002)

Die Spannweite der sozialdemokratischen Positionen reichte von dem aufkläreririschen Anspruch, den anderen Teilnehmern ein „objektives Bild von der bundesrepublikanischen Wirklichkeit“ zu vermitteln (Rudolf Hauck) (Breßlein 1973a, S. 30), über den „Austausch von Gedanken“ (Dieter Schinzel), der Vertretung des „demokratischen Sozialismus“ und der Fortführung der Entspannungspolitik (Klaus Detlef Funke und Wolfgang Roth) (Der Spiegel, 23.07.1973) bis zur Anerkennung der DDR als ausländischem souveränen Nationalstaat von Karl-Heinz Hansen.

Dieter Schinzel, SPD-Bundestagsabgeordneter, äußerte gegenüber der „Welt“, dass ein Austausch von Standpunkten beabsichtigt war, nicht jedoch Provokation oder eine „absolute Verbrüderung“. (Die Welt, 06.08.1973) Der Sprecher der Juso-Delegation, Klaus-Detlef Funke, betrachtete das X. Festival als „Chance“ zur Verfechtung des „demokratischen Sozialismus“ und hoffte mit seiner Partei „selbst gestaltend eingreifen zu können.“ (Der Spiegel, 23.06.1973)

Wolfgang Roth, Vorsitzender der Jusos, bekundete die Absicht, die „konsequent-sozialistische“ Position seiner Organisation und die damit verknüpften „gesellschafts- und außenpolitischen Vorstellungen“ zur Diskussion stellen zu wollen. Inhalt der politischen Arbeit sollte das „Konzept der Doppelstrategie“. /10/ Zu einer Einlösung dieses Versprechens kam es jedoch nicht. Die Juso-Delegation verfuhr nach einer anderen Strategie, die Roth gegenüber dem „Spiegel“ (06.08.1973) in folgende Worte fasste:

„Wir werden doch hier nicht den großen Otto losmachen, schließlich wollen wir die nächsten fünf Jahre konkrete Politik betreiben.“

Die jungen Politiker diskutierten mit FDJlern über den demokratischen Sozialismus, nahmen an Seminaren gegen den Imperialismus in Afrika und Südamerika teil, trafen sich mit Abgeordneten der Volkskammer und hielten eine Rede auf dem Bebelplatz. Kritik und Streit gegenüber der „kommoden Diktatur“ (Wolle 1998, S. 227) der DDR kam dabei jedoch nur sehr unterschwellig zur Sprache und wurde derart formuliert, dass es den Gastgeber nicht brüskierte. Der „Spiegel“ fasste die „realpolitische“ Linie der Jusos am sechsten August treffend zusammen:

„Gegen ihren heimischen Ruf legten nämlich die Jungsozialisten in der Hauptstadt der DDR Wert auf taktische Selbstbeherrschung – bis hin zur rednerischen Biederkeit. Statt des berühmt gärenden Wahrheitseifers beherrschte sie der eingeschworene Vorsatz, das Regime Honecker bei seinen augenfälligen Lockerungsbemühungen nicht zu verschrecken.“

Der erste öffentliche Rede eines Vorstandsmitgliedes der SPD in der DDR nach dem Mauerbau

Besonders deutlich wurde die zurückhaltende Milde gegenüber der SED-Diktatur in einer Rede des Juso-Vorsitzenden am ersten August auf dem Bebelplatz vor 10.000 ausgesuchten Zuhörern. Der Parteivorstand der SPD sah in der erstmaligen Gelegenheit des öffentlichen Auftritts eines Vorstandsmitgliedes in der DDR nach dem Mauerbau, die Möglichkeit zur Darstellung des „freiheitlich demokratischen Sozialismus“ vor einem „internationalen Forum“ in „klarer Abgrenzung gegenüber der kommunistischen Ideologie.“ (Kölner Stadtanzeiger, 25.07.1973)

Wolfgang Roth beschränkte sich aber in der Ansprache auf eine Darstellung der Anteile der Jungsozialisten an der Entspannungspolitik und auf eine Verurteilung der Aufrüstungspolitik der NATO. Die einzigartige Chance zu einer Kritik an der DDR, die auch aus der Position des demokratischen Sozialismus der weit links von der Mutterpartei stehenden Jusos möglich gewesen wäre, wurde verspielt. Dabei waren die Ausgangsvoraussetzungen gut. Das Redemanuskript musste keine Zensur unterlaufen. Es wäre ein Leichtes gewesen, wie der Juso-Präside Loke Mernzika dem „Spiegel“ später eingestand, rhetorisch einen „vollen Rundumschlag“ einzubringen. (Der Spiegel, 06.08.1973)

Die Ansprache „Warum die Jugend Entspannungspolitik braucht“ fand anlässlich des Meetings „Für Frieden, internationale Sicherheit und Zusammenarbeit“ am ersten August auf dem Bebelplatz statt. (abgedruckt in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.08.1973) Etwa 10.000 organisierte Zuhörer, unter ihnen der Ministerpräsident der DDR, Willi Stoph, das Politbüromitglied Günter Mittag und der Staatssekretär, Michael Kohl, Ostberliner Delegationsleiter bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung, stellten das Auditorium. (Die Welt, 02.08.1073)

Roth vertrat den Standpunkt, dass schon zum Zeitpunkt der Vergabe der X. Weltfestspiele nach Ost-Berlin im September 1971 drei „Kampfesforderungen“ gewiss gewesen waren, die „Anerkennung der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Grenzregelung in Europa, die Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten und die gleichberechtigte Teilnahme beider Staaten an internationalen Organisationen und internationalen Ereignissen“. Diese Ziele seien nun erreicht worden, dank der Leistungen von Leonid Breschnew, Edward Gierek, Erich Honecker, Willy Brandt und einer breiten Mehrheit aus der Bevölkerung und Jugend in allen vier Staaten, welche die Entspannungspolitik unterstützten. Erfolgreich gekämpft wurde nach Roth in erster Linie von den „fortschrittlichen Kräften“ gegen die sogenannten „konservativen und reaktionären Kräfte“, in der Bundesrepublik vor allem von den Jusos gegen die „Propaganda von Springer und Strauß“.

Die „Gegner einer künftigen Friedensordnung“ lokalisierte Roth bei den „europäischen Staaten der NATO“. Dort halte die Logik des „kapitalistischen Wirtschaftssystems“ einen „industriell-militärischen Komplex im internationalen Maßstab“ am Leben. Aus dieser Sichtweise erklärte sich auch die Forderung, dass die Abrüstung in den NATO-Staaten ebenso verwirklicht werden sollte wie in den Gebieten des Warschauer Paktes. Als einen langfristigen Ausweg aus dem Mechanismus schlug der Vorsitzende den Kampf in antikapitalistischen Aktionen für ein sozialistisches Wirtschaftssystem vor, wie ihn seine Organisation schon betriebe. Für die nähere Zukunft sah Roth vor allem zwei Aufgaben zu bewältigen: Erstens sollten erhöhte Anstrengungen auf dem Gebiet der Abrüstung in allen europäischen Staaten angestrebt werden, die einen Abbau der Wehrpflicht bedeuten könnten, und zweitens sollte eine „schrittweise Beseitigung der Behinderung von Reisen und des Austausches“ zur Erweiterung der Zusammenarbeit führen.

Die SED- und FDJ-Führung konnte nach der Ansprache aufatmen; abgesehen von der Forderung nach uneingeschränkten Austausch von Meinungen und Ideen war weder indirekte noch direkte Kritik am System der DDR zur Sprache gekommen. Die „geradezu aufregende Milde“ des SPD-Vorstandsmitgliedes (Der Spiegel, 06.08.1973) machte sogar eine vollständige Veröffentlichung des Manuskriptes im „Neuen Deutschland“ am zweiten August möglich.

Der Vorsitzende war seiner „realpolitischen“ Strategie treu geblieben. Er hatte nicht den „großen Otto“ losgemacht. Roth rückte die SPD mit dieser Rede in die Nähe der Position Peter Benders, der sich seit 1968 für eine vorbehaltlose Anerkennung der DDR einsetzte. (Bender 1968) Dadurch, dass er lediglich das Interesse seiner Partei an einer Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten hervorhob, dabei aber nicht auf den besonderen Charakter dieser Beziehungen einging, der nach Willy Brandt darin bestand, dass beide Staaten füreinander nicht Ausland sein konnten (Texte zur Deutschlandpolitik, Bd. IV, S. 12), erweckte das Vorstandsmitglied der SPD den Eindruck, die Jungsozialisten würden den Anspruch auf nationale Souveränität der DDR akzeptieren und hätten sich von ihrer, auf dem Bundeskongress in Mainz (1967) beschlossenen, Zielsetzung zur Wiedervereinigung beider deutscher Staaten verabschiedet. (Die Andere Zeitung, 04.01.1968) Dieses Ergebnis wiegt umso schwerer vor dem Hintergrund der Aussage des ehemaligen Vorsitzenden Karsten Voigts, dass die Frage der Einheit bei „der damaligen Generation der Jusos sehr viel relevanter (war), als (sie) in der nachfolgenden Generation“ gewesen ist. (Interview mit Voigt, 25.09.2002)

Ein zweiter Schwachpunkt der Ansprache bestand in der ausbleibenden Darstellung des „demokratischen Sozialismus“. Roth versuchte dies dadurch zu entschuldigen, dass er nicht als Vorsitzender einer Organisation, sondern als Mitglied der Delegation gesprochen hatte. Es sei deshalb darum gegangen, die „Initiativen der Jugend für eine engere Zusammenarbeit in Europa in den Vordergrund zu stellen.“ (Süddeutsche Zeitung, 04.08.1973) Diese Ausflucht wirkte jedoch wenig überzeugend, da der Vorsitzende als „einfaches“ Mitglied der bundesdeutschen Delegation die frühen Leistungen seiner Organisation für die Entspannungsbemühungen besonders hervorgehoben hatte.

Indem Roth für ein sozialistisches System eintrat, dabei aber eine Erläuterung der Vorstellungen der Jungsozialisten über dessen demokratischen Charakter unterließ, nahm er in Kauf, dass bei den Adressaten der Rede der Eindruck entstehen konnte, die Nachwuchsorganisation der regierenden Partei in der Bundesrepublik verfolge eine politische Zielrichtung, die sich nur unwesentlich von derjenigen der führenden Partei der DDR unterschied. Roth verstieß durch diese „Unterlassung“ gegen den „Abgrenzungsbeschluss“ des Parteirats der SPD vom 26. Februar 1971, der eine „Verwischung“ der grundsätzlichen Gegensätze, die „sozialdemokratische und kommunistischen Zielvorstellungen voneinander trennten“ nicht zuließ. Er nahm im Gegensatz zum SPD-Politiker Richard Löwenthal, dem Verfasser des Papiers „Zum Verhältnis von Sozialdemokratie und Kommunismus“, nicht die Herausforderung der Kommunisten an, die mit der „friedlichen Koexistenz“ keine „ideologische Koexistenz“ verbanden. Die Rede ließ das Bekenntnis zur rechtsstaatlichen Demokratie sowie zur politischen und geistigen Freiheit vermissen, welches in dem „Abgrenzungsbeschluss“ für die Sozialdemokratie für „unabdingbar“ erklärt worden war. /11/

Roth verpasste die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass sich trotz der Entspannungspolitik seiner Partei nichts an ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem politischen System der DDR verändert hatte. Hätte Roth wahrhaftig die „Idee des demokratischen Sozialismus unter eindeutiger Abgrenzung gegenüber jedem als ‚Antiimperialismus’ getarnten Pseudo-Sozialismus“ vertreten, wie es Walter Osten wider besseren Wissens im „Vorwärts“ behauptete, dann wäre damit durchaus eine angemessene Kritik an der DDR zu verbinden gewesen. (Vorwärts, 02.08.1973) Denn auch die „Reformsozialisten“, zu denen Roth gehörte und die eine Mehrheit innerhalb der Jungsozialisten ausmachten, konnten sich den „demokratischen Sozialismus“ nicht ohne Demokratie, die Erlaubnis einer Opposition, Rechtstaatlichkeit und Presse- und Meinungsfreiheit vorstellen. (Strasser 1974, S. 8)

„Ich habe nur 5 Finger an einer Hand...“ Das Parlamentariertreffen mit Honecker in Niederschönhausen

Neben der Roth-Rede bot ein Parlamentariertreffen im Schloss Niederschönhausen die zweite exklusive Gelegenheit für die sozialdemokratische Delegation, die deutschlandpolitische Position ihrer Partei darzulegen. Am fünften August 1973 trafen sich die SPD-Abgeordneten Karl-Heinz Hansen, Erich Meinike, Harald B. Schäfer, Dieter Schinzel, Karl-Heinz Walkhoff sowie der stellvertretende Landesvorsitzende der Hamburger FDP, Gerhard Weber, und der stellvertretende Vorsitzende der DKP, Herbert Mies, zu einem Arbeitsessen mit Vertretern der FDJ-Fraktion der Volkskammer unter der Leitung von Egon Krenz und Erich Honecker. (Der Spiegel, 06.08.1973)

Honecker wies auf das gemeinsame Interesse beider Staaten hin, nämlich der Sicherung des Friedens. Er forderte zur Erfüllung des Grundlagenvertrages ‚nach Buchstaben und Geist’ auf beiden Seiten auf und hob hervor, dass mit der DDR als „Realität“ zu rechnen sei. Zu den Vorstellungen der westdeutschen Parlamentarier über die „richtige“ Verwirklichung des Sozialismus nahm der Erste Sekretär der SED eine distanzierte Position ein. Seiner Meinung nach war die Errichtung des Sozialismus die Angelegenheit des Volkes eines jeden Staates. Mit den Worten: „Da mischen wir uns nicht ein. “ gab die „Süddeutsche Zeitung“ am sechsten August die Meinung Honeckers wieder. Diese Devise hätte auch auf die Rede Wolfgang Roths zutreffen können. Denn jener versagte sich, ebenso wie Honecker, einer Kritik am System des „anderen Staates“.

Anders war es bei dem Gespräch im kleinen Rahmen mit den SPD-Parlamentariern. Sie äußerten im Gegensatz zu Roth Kritik an der Regierung der DDR und legten ihr Sozialismusverständnis dar. Aus einem Bericht über das Treffen an das Politbüro geht hervor, dass die SPD-Abgeordneten mehrmals auf ihre Position des „demokratischen Sozialismus“ ohne die Diktatur des Proletariats aufmerksam gemacht hatten. Sie betonten, zwar auf der Grundlage des Marxismus zu stehen, nicht aber mit den „Schlussfolgerungen“ des Leninismus übereinzustimmen. Allein der FDP-Abgeordnete Gerhard Weber machte gegenüber dem politischen System Ostdeutschlands Zugeständnisse. Er räumte ein, „daß der unter den Bedingungen der Entwicklung nach 1945 von der DDR beschrittene Weg eine Möglichkeit“ wäre. /12/

Die Kritik am Realsozialismus beschränkte sich auf Berufsverbote von sozialistischen Intellektuellen in der CSSR und der UdSSR im Allgemeinen und im Besonderen auf das Auftrittsverbot des Liedermachers Wolf Biermann in der DDR. Im gleichen Zusammenhang brachten die Abgeordneten aber auch ihre Ablehnung gegenüber dem „antikommunistischen Beschluss“ der Ministerpräsidenten sowie dem Berufsverbot von Kommunisten in der Bundesrepublik zum Ausdruck und relativierten insofern ihre Kritik an den sozialistischen Staaten.

Abgesehen von dem Quäntchen Kritik überwogen jedoch Sympathie und Anerkennung für die Leistungen des Gastgebers – die bis zur Annäherung an Honeckers Deutschlandkurs auf Kosten der eigenen Parteiposition gingen. Harald B. Schäfer sprach sich in aller Namen beeindruckt gegenüber dem Stolz aus, den Erich Honecker bezüglich der jungen DDR-Generation zeigte. Schäfer betonte des Weiteren, dass sich unter dem Ersten Sekretär der SED „viel zum Guten gewandt“ hätte und man für die Zukunft optimistisch wäre. Gerhard Weber war imponierten die „Demonstrationen der Jugend“ sowohl in ihrer „politischen Aussage“ als auch in der „organisatorischen Meisterschaft“. Karl-Heinz Walkhoff erklärte sich zur Zusammenarbeit mit kommunistischen Genossen bereit, zeigte sich aber gegenüber Bündnissen mit der DKP und SDAJ sehr zurückhaltend:

„Ich habe nur 5 Finger an einer Hand, 2 davon kann ich anderen reichen, 3 brauche ich, um glaubwürdig in meiner Partei zu sein.“

Karl-Heinz Hansen distanzierte sich in bemerkenswerter Weise von der Ost-Politik seiner Partei. Er warb um Verständnis in der DDR dafür, dass „sie“ in der Bundesrepublik „manches“ nicht so deutlich zur Sprache bringen könnten, um die Position der „Regierung Brandt“ nicht zu gefährden und weiter auszubauen. Hansen konstatierte, für ihn wäre die DDR „Ausland“, er vertrete nicht den „Standpunkt von Sonderbeziehungen“ zwischen beiden deutschen Staaten. /13/ Da „sie“ sich aber immer von der Position der Partei und Regierung leiten ließen, könnte man von ihnen diese Offenheit in der Bundesrepublik nicht erwarten.


4. Wahrnehmungen der christdemokratischen Delegation: Freiheit vor Einheit?

Die Junge Union nahm 1973 nach neun vorangegangenen Festspielen das erste Mal an der kommunistischen Jugendveranstaltung teil. Die Entscheidung zur Reise nach Ost-Berlin fiel ihr nicht leicht und wurde erst in letzter Minute endgültig getroffen. Dies hatte zur Folge, dass nur 17 Teilnehmer in die DDR reisen konnten, da das Besucherkontingent der bundesdeutschen Delegation schon erschöpft war.

Zu den siebzehn maßgeblichen Teilnehmern der JU gehörten Elmar Brok (Pressesprecher der JU), Eberhard Diepgen, Klaus Landowsky (Vorsitzender der JU-Berlin), Heinz-Viktor Simon (Beauftragter für Jugendfragen der JU) und Hermann Kroll-Schlüter (stellvertretender Bundesvorsitzender des BDKJ, MdB, Mitglied im Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit). Außerhalb dieser Delegation waren noch Heinrich Lummer (Vorsitzender der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus) und der Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzenden der CDU in Hamburg, Dietrich Rollmann, nach Ost-Berlin gekommen. (Der Spiegel, 06.08.1973)

Im Gegensatz zu den Abgeordneten der SPD und den Jusos vertraten die Christdemokraten keinen Annäherungskurs gegenüber der SED-Führung, um dort einen „Wandel“ – hin zu einer Liberalisierung der DDR von „oben“ - anzustoßen. Sie setzten auf einen Wandel von „unten“ und suchten deswegen das Gespräch auf der „Straße“ oder in der Provinz. Dort traten sie für die Vorzüge eines freiheitlichen Systems ein und nahmen dafür eine Provokation der SED-Führung und eine Gefährdung des Entspannungskurses der SPD in Kauf.

Die jungen Konservativen waren daran interessiert, in der DDR dem offiziellen Bild von ihrer Jugendorganisation als einen Hort für „Revanchisten, Kriegstreibern und bösen Kapitalisten“ entgegenzuwirken. /14/ Sie wollten die Darstellung der Bundesrepublik nicht den linksorientierten Verbänden, die die westdeutsche Delegation dominierten, überlassen. Dieses Vorhaben setzte einen behutsamen Umgang mit den ostdeutschen Gesprächspartnern voraus, der sich in der Anerkennung ihrer Aufbauleistungen und der Aussparung des Themas der Zugehörigkeit der Deutschen aus Ost und West zu einer Nation niederschlug.

Das provokante Auftreten gegenüber der DDR-Administration in der Öffentlichkeit stand im starken Gegensatz zur milden Behandlung der Bürger des sozialistischen Landes. Als die jungen Konservativen, unter ihnen sechs West-Berliner, mit der bundesdeutschen Delegation während der Eröffnungsveranstaltung am 28. Juli in das Stadion der Weltjugend einmarschierten, drehten sie der SED-Führung beim Passieren demonstrativ den Rücken zu, so dass diese das Logo „JU“ auf den gelben T-Shirts zu Gesicht bekamen. Damit wollte die Partei zum Ausdruck bringen, dass West-Berlin kein eigenes politisches Gebilde war, sondern Bestandteil der Bundesrepublik. (Interview mit Landowsky, 16.08.2002) Des Weiteren sollte deutlich werden, dass sie nicht nach Berlin gekommen waren, um „einem antidemokratischen Gastgeber Reverenz zu erweisen“, sondern wegen der Gespräche mit den DDR-Bürgern. (Brok 1973, S. 20) Einen Tag später konnten die FDJler in einem 15.000-fach verteilten Flugblatt auf dem Alexanderplatz von der konkreten Kritik der Jungen Union an der Legitimität des politischen Systems Ostdeutschlands und deren vager Vorstellung von Entspannung lesen.

Die Pamphlete enthielten einen Aufruf zur Reform der Gesellschaft zum Nutzen des Menschen und nicht eines Systems oder Apparates. „Menschlicher Fortschritt“, so hieß es, sei nur in Freiheit erreichbar. /15/ Die JU forderte, in Anspielung auf die DDR, die „Verwirklichung der Menschenrechte in einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaftsordnung“ durch „freie Wahlen, unzensierte Presse [und] freie Meinungsäußerung“. Sie sprach sich „gegen die Bevormundung der Völker durch politische Doktrin, gegen den totalen Herrschaftsanspruch einer Ideologie, (...) gegen die Bevorzugung einzelner Klassen, sei es in Ausbildung und Beruf, gegen Beschränkung der Arbeitsmöglichkeiten von Wissenschaftlern und Intellektuellen, gegen Bürokratie, Dirigismus und totalen Staat“ aus. Die Vorstellungen der Partei zur Entspannungspolitik blieben gegenüber der Kritik an totalitären Herrschaftssystemen auffallend unpräzise. Der geistige Urheber des Textes, Klaus Landowsky, sah es als Aufgabe der Entspannungspolitik seiner Organisation an, die Zusammenarbeit „mit Staaten anderer Gesellschafts- und Wertordnungen“ zu verstärken, in „Bereichen, in denen es gemeinsame Interessen gibt.“

Auffällig war auch ein anderes Defizit des Flugblattes. Die Option einer Wiedervereinigung in einer, wie weit auch immer, entfernten Zukunft und die Frage der Zugehörigkeit der Deutschen zu einer Nation wurden nicht angesprochen. Dies war umso erstaunlicher, hatte doch die bayerische Schwesterpartei der Union im Mai desselben Jahres durch die Überprüfung des Grundlagenvertrages auf seine Vereinbarkeit vor dem Bundesverfassungsgericht zwar nicht dessen Inkraftsetzung verhindern können, aber die Festschreibung der Wiederherstellung der politischen Einheit als politisches Ziel der Verfassungsorgane erreicht. (Winkler 2002, S. 313-314)

Dadurch, dass weder in dem wichtigsten Flugblatt der Jungen Union noch in ihren in Zeitungsberichten ausgewerteten politischen Aussagen bei Diskussionen eine klare Haltung zur Frage der Wiedervereinigung zu vernehmen war, wurde deutlich, dass die Partei der Position Gerhard Reddemanns, Mitglied im Deutschlandrat der Jungen Union und Chefredakteur der christdemokratischen „Entscheidung“, folgte. Reddemann hatte 1970 die Freiheit der DDR-Bürger vor die Einheit Deutschlands gestellt. Er definierte die Realisierung des „Selbstbestimmungsrechtes des deutschen Volkes“ als primäres Ziel seiner Organisation und hoffte, das daraus die Entstehung der staatlichen Einheit erfolgen würde. (Reddemann 1970, S. 334)

Tausend kleine Gespräche jenseits des Alexanderplatzes

In der zweiten Hälfte des Festivals veränderte die Partei ihre Taktik hin zu den sogenannten „Tausend kleinen Gesprächen“ jenseits der großen Veranstaltungsorte. /16/ Die spektakulären Aktionen hatten sich als ungeeignetes Mittel zur Aufnahme von persönlichen Kontakten erwiesen. Kader der FDJ und Mitglieder des SDAJ und des MSB-Spartakus behinderten massiv die angestrebten Diskussionen. In der privateren Atmosphäre ergaben sich häufig Diskussionen mit systemkritischen Intellektuellen, Christen und Künstlern. /17/

Die Wahrnehmungen Klaus Landowskys, Herman Kroll-Schlüters und Elmar Broks ergaben, mit Ausnahme Dietrich Rollmanns, ein weitaus differenzierteres Bild der politischen Einstellungen der ostdeutschen Teilnehmer als die Medienberichterstattung bundesrepublikanischer Journalisten.

Klaus Landowsky: Erfolgsbewusstsein, kein Staatsbewusstsein

Landowsky verfügte durch Verwandte in der DDR über einen guten Kenntnisstand der politischen Befindlichkeiten der Ostdeutschen. Dies hielt ihn davon ab, wie etwa Dietrich Rollmann und der mit ihm sympathisierende „FAZ“-Journalist Georg Reißmüller (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.08.1973), die gesamte DDR im Stil des Kalten Krieges der fünfziger Jahre undifferenziert in Bausch und Bogen zu verdammen, ohne Rücksicht auf die in den letzten Jahrzehnten erbrachten Aufbauleistungen der Ostdeutschen zu nehmen.

„Am liebsten wäre es dem Reißmüller und diesen Leuten gewesen, wir hätten nach dem zweiten Tag gesagt, der Kommunismus ist ein hartes System und wir reisen ab. Das stimmt aber nicht und das wäre auch nicht gut gewesen, weil da viele Leute waren, die ja sehr differenziert gedacht haben, und wir wollten denen ja gar nicht ihren Aufbaustolz nehmen...“

Dennoch konnte der West-Berliner keine Systemkonformität erkennen. Die, vor allem in der linksliberalen und sozialdemokratischen Presse hervorgehobene, steigende Identifikation der DDR-Bürger mit „ihrem“ Staat reduzierte Landowsky auf ein „Erfolgsbewusstsein“ über die persönlichen Leistungen.

„...es ist ein Erfolgsbewusstsein, kein Staatsbewusstsein gewesen. (...) Keiner hat für Hammer und Sichel eingestanden...“

Anzeichen einer Entfremdung der neuen, überwiegend nach dem Mauerbau in der DDR sozialisierten Ost-Generation, deren Vertreter wenig daran interessiert waren, auf dem Festival „Gemeinsamkeiten“ mit ihm herzustellen, konnten Landowsky nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ähnlichkeiten zu den Bundesdeutschen größer waren als die Unterschiede. (Interview mit Landowsky, 16.08.1973)

Er hielt die von FDJ-Funktionären vertretenen Meinungen nicht für repräsentativ und schätzte die Zahl der „kritischen“ DDR-Jugendlichen auf 70 bis 80 Prozent. (B.Z., 07.08.1973) Dennoch stand bei den Gesprächen mit Kritikern und Anhängern das Thema einer Wiedervereinigung nicht zur Debatte – obwohl auf lokaler Ebene die Tatsache, Bürger einer Stadt zu sein, durchaus diskutiert wurde. (Landowsky, 16.08.2003)

Elmar Brok: Die große Masse der Jugendlichen hat sich angepasst

Im Mittelpunkt der Diskussionen mit DDR-Bürgern standen der Meinung des Pressesprechers der Jungen Union, Elmar Brok, nach die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik, die Menschenrechte und offene Fragen über die Mauer und den Schießbefehl. (Deutsches Monatsblatt 8, 1973) Das, von Landowsky konstatierte „Erfolgsbewusstsein“ wurde auch von Brok registriert. Er wies darauf hin, dass „durchgehend ein gewisser Stolz über die vollbrachten Leistungen“ festgestellt werden konnte, obwohl Uneinigkeit darüber bestand, ob diese „trotz oder wegen des Systems“ erbracht worden waren. Brok ging, anhand seiner Gespräche in Ost-Berlin davon aus, dass sich die Jugend der DDR vereinfachend in drei Gruppen einteilen ließ:

Die Mehrheit der Jugend hatte sich aus Gründen des beruflichen Fortkommens oberflächlich angepasst. Bei ihnen bestand der Wunsch nach Freizügigkeit und Menschenrechten, die Diktatur einer Partei wurde abgelehnt. Dennoch lehnten sie aber auch „nicht alles“ ab und förderten eine Affinität zur Konvergenztheorie zu Tage. Die zweite Gruppe setzte sich aus Oppositionellen zusammen, die überwiegend aus kirchlichen Jugendkreisen kamen. Zu ihnen gehörten auch Künstler und Intellektuelle, die, im Gegensatz zu entsprechenden Kreisen in der Bundesrepublik, den Konservativen besonders aufgeschlossen gegenübertraten. Brok ging sogar soweit zu behaupten, die Junge Union wäre für die Letzteren zu einem „Symbol der Freiheit“ geworden. Gegenüber den ersten beiden Gruppen wurde die dritte Variante der „Überzeugten und Aktivisten“ als „sehr klein“ eingeschätzt. (Die Entscheidung 9, 1973, S. 19-20)

Dietrich Rollmann: Millionen in der DDR wollen die Wiedervereinigung lieber heute als morgen

Dietrich Rollmann nahm eine Sonderrolle unter den anwesenden CDU-Mitgliedern in Ost-Berlin ein. Wie kein anderer versuchte er die Einheit von Volk und Nation zu betonen und postulierte öffentlich das Ziel einer Wiedervereinigung beider deutscher Staaten. /18/ Die spektakuläre Art seines Auftretens und die teilweise sehr plakativ vorgetragenen Argumente führten jedoch dazu, dass sich an seiner Präsenz weniger eine inhaltliche Diskussion als eine Debatte über die „große Schau“ des „Einzelkämpfers Rollmanns“ entzündete. (Kölner Stadt-Anzeiger, 01.08.1973)

Besonders beispielhaft für das Wirken Rollmanns war eine Aktion am 29. Juli auf dem Alexanderplatz, die u. a. zum Ausschluss des CDU-Politikers aus der Delegation der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (AEJ) am 31. Juli führte. (Frankfurter Rundschau, 03.08.9173) Der Bundestagsabgeordnete stellte sich dort als Hamburger vor, der das Gespräch mit seinen „Landsleuten“ suchte. Er kritisierte das Verbot westdeutscher Medien innerhalb Ostdeutschlands und behauptete, dass Millionen in der DDR die Wiedervereinigung lieber heute als morgen wollten. (Neue Rhein Zeitung, 01.08.1973) Die umherstehenden FDJler reagierten mit Gelächter, lehnten die Bezeichnung Landsleute ab, erklärten ihn bei der Frage der Wiedervereinigung zu einem „Lügner“ (Kölner Stadt-Anzeiger, 01.08.1973) und buhten ihn aus als, er im Anschluss noch die FDJ mit der Hitlerjugend verglich, indem er sie als „konfliktfreie Staatsjugend, wie man sie aus einer vergangenen deutschen Epoche kennt“ bezeichnete. (Kölnische Rundschau, 02.08.1973)

Drei Tage nach dem Ausschluss veröffentlichte die „Frankfurter Rundschau“ Auszüge aus einer Presseerklärung Rollmanns. Er erklärte, zwar während seiner vielfältigen Gespräche überzeugte Kommunisten angetroffen zu haben, die „entschiedenen Gegner des Systems der DDR“ wären aber in der Mehrzahl gewesen. (Frankfurter Rundschau, 03.08.1973)

Ende August bekam der Hamburger noch einmal in einem Interview mit dem katholisch-konservativen „Rheinischen Merkur“ die Gelegenheit, seine Vorstellungen zum Thema der deutschen Nation zu äußern (24.08.1973). Rollmann antwortete auf die Frage, ob er neue Einsichten in Ost-Berlin gewonnen habe folgendermaßen: Die „Landsleute in der ‚DDR’“ dürften nicht abgeschrieben werden. Es wäre notwenig, mit ihnen „in jeder Beziehung“ verbunden zu sein, wollte man auch in der Zeit des geteilten Landes eine Nation bleiben.

Hermann Kroll-Schlüter: FDJler haben Wiedervereinigung unter sozialistischen Vorzeichen nicht aufgegeben

Der Bundestagsabgeordnete Kroll-Schlüter ging mit der Ansicht Landowskys konform, dass in der Bundesrepublik der Aufbaustolz der DDR-Bürger gewürdigt werden müsse und die Zeit einer einfachen Schwarz-Weiß-Sicht auf die DDR, die auf Kosten der Ostdeutschen ginge, beendet werden solle.

Im Gegensatz zu Brok, der behauptete, die Mehrheit der ostdeutschen Festivalteilnehmer hätte sich lediglich aus Gründen des beruflichen Fortkommens angepasst und Landowsky, der die Anzahl der „kritischen“ Jugendlichen auf 70-80 Prozent schätzte, ging Kroll-Schlüter davon aus, das der „Einzelne“ versuchte, sich über seine Leistungen zum Wiederaufbau in der DDR einzurichten, „getragen von der Hoffnung, daß es ihm in der Zukunft besser geht“, und die Mehrheit bereit wäre, sich mit ihrem Staat zu arrangieren. Er rief dazu auf, diese Erkenntnis zu akzeptieren. (Festival-Nachlese, Oktober 1973, S. 36-37) Dem entsprach auch die Kategorisierung der teilnehmenden DDR-Jugendlichen. Der Christdemokrat teilte seine Gesprächspartner in drei Gruppen ein und ließ dabei auch ihre Einstellung zu einer Wiedervereinigung nicht außer Acht.

Die erste setzte sich aus führenden Mitgliedern der FDJ zusammen, die sich auf Grund wirtschaftlicher, kultureller, sportlicher oder ideologischer Leistungen für eine Teilnahme zu den X. Weltfestspielen qualifiziert hatten. Diese Jugendlichen waren zwar nicht fanatisch, vertraten ihre politischen Ansichten und Absichten aber kompromisslos, was an der aggressiven Ablehnung der Bundesrepublik und der Option einer möglichen Wiedervereinigung deutlich wurde.

Die zweite Gruppe bestand aus FDJlern, die eine „sozialistische Grundposition“ besaßen und einer Wiedervereinigung nicht abgeneigt gegenüberstanden – jedoch nur unter sozialistischen Vorzeichen. Hier war man zur Kritik am eigenen System bereit und fand auch Verständnis für Argumente des Gegenübers.

Die Angehörigen der dritten Kategorie hatten eine kritische bis ablehnende Haltung gegenüber ihrem Staat. Nichtorganisierte Jugendliche, aber auch FDJler waren zwar stolz auf persönliche Leistungen und bereit, sich mit der DDR zu arrangieren. Im Falle einer Wiedervereinigung jedoch, hätten sie gegenüber der zweiten Gruppe kein sozialistisches Deutschland, sondern eine Mischung aus beiden Systemen gewollt. Einer einseitigen Begünstigung des westdeutschen Systems widersprach ihrer Meinung nach die Überstrapazierung der Freiheit im Westen mit all ihren negativen Nebenwirkungen. /19/


5. Die DDR und deren Bürger aus der Sicht der bundesdeutschen Printmedien

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Die Deutschen aus der DDR sind erwachsen geworden


Nur wenige westdeutsche Korrespondenten zog das X. Festival derart in seinen Bann, wie Rüdiger Moniac und Herbert Neumann, die für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichteten. Beide verloren im Verlauf der neun Tage die kritische Distanz zur DDR, die eigentlich Kennzeichen der liberalkonservativen Zeitung war, so dass sich die Herausgeber am Ende des Festivals dazu veranlasst sahen, das ungewohnt positive DDR-Bild der Journalisten durch einen bissigen Kommentar zu relativieren. Im Mittelpunkt der Berichterstattung Moniacs und Neumanns stand eine wohlwollende Betrachtung der DDR-Bürger und der SED-Führung. Sie gingen, wie ihre linksliberalen Kollegen, davon aus, die Weltfestspiele hätten die zunehmende Identifikation der Ostdeutschen mit der DDR demonstriert und somit zur Steigerung des Selbstwertgefühls und der internationalen Anerkennung der Staatsführung erheblich beigetragen. Lediglich am Rande wurde die eingeschränkte Freizügigkeit der DDR-Bürger kritisiert.

Im Gegensatz zu anderen westdeutschen Journalisten, wie z.B. Friedrich Herzog von der „Frankfurter Neuen Presse“, der keine Brüderlichkeit zwischen Ost- und Westdeutschen mehr zu erkennen vermochte (FNP, 04.08.1973), ging bei Moniac mit der zunehmenden Identifikation der Ostdeutschen mit der DDR keine Entfremdung zu den Westdeutschen einher. Aus einer fast väterlichen und durchaus sympathisierenden Perspektive registrierte er, dass die „Deutschen aus der DDR“ erwachsen geworden waren.

„Jedenfalls, die Deutschen aus der DDR, die lange genug gleichsam als Halbwüchsige in kurzen Hosen herumlaufen mussten und die Vaterfigur im Westen haßten, sind jetzt erwachsen geworden, und sie zeigen es mit entschiedenem Selbstbewußtsein. Es wirkt manchmal noch etwas prononciert und gar nicht selbstverständlich, wie sie es insgeheim wohl wünschen. Dazu braucht es noch einige Jahre des Einübens.“ (FAZ, 04.08.1973)

Herbert Neumann würdigte die Zurückhaltung der Staatsführung gegenüber offener Kritik an der Bundesrepublik. Er erinnerte daran, dass bei der Aufzählung „imperialistischer Länder“ die Bundesrepublik gefehlt hatte und Arafats Ausfälle gegen Bonn nicht veröffentlicht wurden, wohingegen eine öffentliche Rede Wolfgang Roths möglich war und diese auch noch ungekürzt mitsamt ihrer kritischen Passagen im „Neuen Deutschland“ erscheinen konnte. Von der „preußischen“ Organisation der „X. Weltfestspiele“ zeigte sich Neumann sehr beeindruckt und wertete sie als einen Ausdruck eines „neuen Selbstbewußtsein“ des „neuen Staates“. Im Vergleich zu seinen bisherigen Erfahrungen mit der DDR kam der Korrespondent zu dem Ergebnis, dass auch bei den jungen DDR-Bürgern die Übereinstimmung mit dem sozialistischen System so stark wie noch nie zuvor gewesen war. (FAZ, 03.08.1973)

Rüdiger Moniac ging bei der Bewertung der jungen Ostdeutschen noch einen Schritt weiter. Er hatte den Eindruck, dass der Stolz auf den Status quo überwog und keiner unter den Lebensumständen in der DDR litt.

„...niemand scheint sich beschwert zu fühlen von den Umständen, in denen er zu leben hat. Im Gegenteil: Man ist stolz, es so und nicht anders vorzufinden.“ (FAZ, 04.08.1973)

Das „neue Selbstwertgefühl“ war für ihn Resultat eines durch die Weltfestspiele ausgelösten kollektiven emotionalen Vorganges, an dessen Ende die vollständige Identifikation von Mensch und Staat stand.

“Im Ergebnis fließt das Emotionale dieser Tage schließlich zusammen zur vollkommenen Identität zwischen Mensch und seinem Staat.“ (FAZ, 04.08.1973)

In seiner Schlussbetrachtung wurde das Bild Moniacs von der überzeugten DDR-Bevölkerung etwas facettenreicher. Er stellte fest, dass nur der geringste Teil unter „ihren“ Bürgern zu „linientreuen Kommunisten“ zählte, dennoch sich aber ein nicht zu „kleiner Teil“ der älteren Generation und eine Mehrheit der überwiegend in der DDR sozialisierten Jugend mit ihrem Staat trotz Kritik im wesentlichen „eins“ fühlten. Dem „zweiten deutschen Staat“ gestand er zu, die Suche nach einem „Image“ mit der Veranstaltung der „X. Weltfestspiele“ erfolgreich abgeschlossen zu haben. (FAZ, 06.08.1973)

Das letzte Wort der „FAZ“ zu den Weltfestspielen übernahm der Mitherausgeber Johann Georg Reißmüller, der nicht auf dem Fest anwesend gewesen war. Er gestand den Veranstaltern zu, das erfolgreichste „Propagandaunternehmen“ seit der Gründung der DDR durchgeführt zu haben und führte es allein auf die „geschickte Regie der Organisatoren drüben“ zurück, dass sich in Westeuropa der Eindruck festgesetzt hätte, das Festival wäre ein „Plebiszit“ für die feste Position der SED in der Bevölkerung gewesen. Reißmüller meinte, die Diktatur hätte „Handschuhe“ angelegt, was die Ostdeutschen aber nicht beirrte, davon auszugehen, dass ihr Land ein „Zwangsstaat“ sei. Sie arrangierten sich zwar mit ihm, vergäßen darüber aber nicht sein wahres Gesicht. (FAZ, 07.08.1973)

Die Welt: FDJ-Kader haben sich als bessere und selbstbewusstere Kombattanten erwiesen

Jens Hacker schreibt, das „Flaggschiff des Springer-Verlages“ habe sich nach der Proklamation der „neuen Deutschland-Politik“ durch die sozialliberale Koalition im Jahr 1969 nicht dazu veranlasst gesehen, im Sinne des Zeitgeistes das Ziel der Herstellung der staatlichen Einheit aus dem Auge zu verlieren. (Hacker 1992, S. 317) Die Artikel der „Welt“ über das X. Festival lassen, zumindest für den Juli und August 1973, einen gegenteiligen Eindruck entstehen. Zwar gab es keine Annäherung an den linksliberalen Entspannungskurs, wie bei Moniac und Neumann in der „FAZ“ - so wurde der Unrechtscharakter des politischen Systems der DDR wie in keiner der anderen ausgewerteten Zeitung kritisiert. Die Konzentration der Berichterstattung auf die politisch überzeugten FDJler ließ jedoch die Stimme der DDR-kritischen ostdeutschen Teilnehmer ins Hintertreffen geraten.

Der Hauptberichterstatter der „Welt“, Friedhelm Kemna, sah die Weltfestspiele vornehmlich unter dem Aspekt eines deutsch-deutschen politischen Kräftemessens, bei dem es um die Verteidigung zweier gegensätzlicher Gesellschaftsordnungen, nicht aber um die deutsche Frage ging. Dieses war seiner Meinung nach mit einem klaren Sieg der FDJ über die, von Sympathisanten, Linksliberalen und demokratischen Sozialisten dominierte bundesdeutsche Delegation ausgegangen.

Kemna ging von der Grundvoraussetzung aus, dass die Jugend der DDR im Gegensatz zu der Jugend der Bundesrepublik, „wahrhaft repräsentativ“ auf dem Festival vertreten war. (Welt, 06.08.1973) Vor diesem Hintergrund bleibt wenig verständlich, warum die „Welt“ nicht die einzigartige Gelegenheit zu einer exakteren Darstellung des gesamten Spektrums der ostdeutschen Jugend wahrnahm. In den insgesamt 17 Artikeln der Zeitung zu den Weltfestspielen gab es nur einen kurzen Hinweis darauf, dass das kritische Potential unter den FDJlern nicht unerheblich war. Dort wurde der ostdeutschen Jugend zugute gehalten, dass sie mehr „kritisches Bewusstsein, mehr Selbstsicherheit und mehr Misstrauen gegenüber Programmen und Ideologien aller Couleur“ zeigte, als es manche in der bundesdeutschen Delegation angenommen hatten. (Welt, 06.08.1973)

Es hätte den „Welt-Berichterstattern“ Diethart Goos, Werner Diederichs und Friedhelm Kemna eigentlich ein Leichtes gewesen sein müssen, über die zahlreichen Ostdeutschen zu schreiben, denen etwa der konservative Bundestagsabgeordnete Hermann Kroll-Schlüter einen Willen zur Wiedervereinigung zuerkannte. /20/ Das Schweigen der „Welt“ zur deutschen Frage nährt die Vermutung, dass sich auch in dieser Zeitung, die den Leitsatz der Einheit Deutschlands in ihrem Programm trug, Tendenzen zu einer Abfindung mit dem Status quo der deutschen Teilung mehrten.

Der Spiegel: Berichterstattung über Oppositionelle

Der „Spiegel“ enthielt sich weitgehend der optimistischen Neuenschätzung der SED-Führung der anderen linksliberalen Zeitungen. Zwar wurde die „Offenheit und Opulenz“ sowie die „krampflösende Wirkung“ der „erstmals freigegebenen öffentlichen Diskussion mit der Außenwelt“ auf das Ende der Ära Ulbricht zurückgeführt, doch die Frage, ob die Weltfestspiele ein Ausdruck der beginnenden inneren Liberalisierung der DDR waren, fand keine nähere Betrachtung. Vielmehr zeigte die ausführliche Berichterstattung über den „wahren Sänger der DDR“, Wolf Biermann, dessen Festivallied nicht akzeptiert wurde, die Grenzen der „Festivalfreiheit“ auf. (Spiegel, 06.08.1973)

Im Vordergrund der Artikel Peter Brügges stand eine leicht ironische Darstellung des Auftretens der bundesdeutschen Delegation in Ost-Berlin, bei der besonders die selbstauferlegte Zurückhaltung der Jungsozialisten kritisiert wurde. Er bezeichnete sie als „kein erhebendes Programm“ für die erstmalige Gelegenheit zur Aussprache der „deutschen Wahrheit“ während der Weltfestspiele. Der Jungen Union warf Brügge vor, „Isolation“ zu ihrem Programm erhoben zu haben. Insgesamt macht der Journalist im Zeitraum des Festivals keine verallgemeinernden Aussagen zur Einstellung der ostdeutschen Teilnehmer zur Bundesrepublik und der DDR. Immerhin wurde an einer Stelle ihr „unverhohlener Hunger nach deutschen Kontakten“ hervorgehoben (Spiegel, 06.08.1973).

Die Zurückhaltung galt wohl dem Bemühen, nicht dem „Spiegel-Report über die Jugend in der DDR“ vorzugreifen, der Mitte August erschien. Hieraus ging das Bild einer opportunistischen Jugend hervor, die sich zwar mit den Mächtigen zu arrangierten wusste und die Angebote in Ausbildung und Beruf wahrte, im Privatleben jedoch Distanz zur SED hielt, sich nicht politisch engagierte und ihre Freizeit ‚privat in der Clique’ verbrachte, wo beim Konsumieren westdeutscher Radiosender offen Kritik an der DDR geübt wurde. (Spiegel, 13.08.1973) Von der „wachsenden Identifizierung der DDR-Deutschen zu ihrem Staat“ und dem „gewissen Stolz“ auf die DDR, wie es „Zeit“ (Zeit, 10.08.1973) und „Westdeutsche Allgemeine“ (WA, 06.08.1973) anhand der Weltjugendfestspiele feststellten, wurde im „Spiegel“ nicht berichtet, ebenso wenig wurde der Wiedervereinigungswillen der Ostdeutschen thematisiert.

Frankfurter Rundschau: Auftakt zur Konkretisierung der Politik der friedlichen Koexistenz ist gelungen

Die „Frankfurter Rundschau“ hielt sich mit Aussagen zur politischen Bewusstseinslage der teilnehmenden DDR-Bürger auffällig zurück. Eine Charakterisierung der DDR-Jugend als staatstreu ging aus den Zeilen Hans Lerchbachers nicht hervor. Im Mittelpunkt der Berichterstattung stand die Frage nach der Bedeutung der „X. Weltfestspiele“ für den deutsch-deutschen Entspannungsprozess. In diesem Kontext galt es schon als Fortschritt, wenn einander einst feindlich gegenüberstehende Jugendverbände aus Ost und West kleine Freundschaftsgesten austauschten.

„...wenn das Außergewöhnliche zur Selbstverständlichkeit wird. Junge Pioniere überreichten artig Blümchen, junge Unionisten dankten ebenso artig.“ (FR, 30.07.1973)

Das Resümee der linksliberalen Zeitung musste den Veranstalter erfreuen. Der DDR wurde zu einer „stolzen, aber gleichzeitig gezügelten Selbstdarstellung“ gratuliert, sie hätte ihren „zweiten Platz im sozialistischen Lager hinter der Sowjetunion (..) unterstrichen“. Das „X. Festival“ wertete Lerchbacher als gelungenen Versuch, das friedliche Nebeneinander von Bundesrepublik und DDR zu realisieren. Die Zukunft der Entfaltungsmöglichkeiten für die Bürger der DDR blieb für den Journalisten jedoch im Ungewissen. Der Leitartikel endet mit der Frage, ob der Meinungsaustausch auch dann noch möglich wäre, wenn sich nach dem UN-Beitritt der Informationsfluss verstärken würde. (FR, 06.08.1973)

Westdeutsche Allgemeine: Das selbstverständliche Gefühl der Zugehörigkeit zur DDR

Die „Westdeutsche Allgemeine“ ging einen Schritt weiter als die „Frankfurter Rundschau“. Für Frank Gebhardt waren das „selbstverständliche Gefühl“, zur DDR zu gehören, und der „gewisse Stolz“ auf die Leistungen des sozialistischen Landes größer, als man es im Westen erwartet hatte. Sein Resümee mündete in den Aufruf, unabhängig davon, wie man zu dieser Entwicklung stehe, das Selbstverständnis in Zukunft stärker anzuerkennen und zu respektieren. Dies sei von Vorteil für den „Fortgang der Normalisierung“ des Verhältnisses zwischen Bundesrepublik und DDR. (WA, 06.08.1973)

Süddeutsche Zeitung: Das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen ist für die meisten engagierten FDJler kein bedeutsames Thema mehr

Die „Süddeutsche Zeitung“ enthielt die ausführlichste und differenzierteste Berichterstattung über die bundesdeutsche Delegation. Wie in der „Westdeutschen Allgemeinen“ und der „Zeit“ wurde auch hier davon ausgegangen, dass ein hoher Teil der Jugend fest hinter „ihrem“ Staat stehe und das Interesse am Selbstbestimmungsrecht der Deutschen und an der freien Marktwirtschaft nur noch zweitrangig bestünde.

„Das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen und die freie Marktwirtschaft sind, so erscheint es jedenfalls, für die meisten engagierten FDJler keine bedeutsamen Themen mehr.“ (SZ, 01.08.1973)

Pragal vermutete, dass sogar die SED-Führung von dem „hohen Grad der Selbstsicherheit“ des „großen Teils der Jugend dieses Landes“ überrascht war. Der Redakteur bezeichnete die Weltfestspiele als gelungenen Test, der für die Staatsführung ergeben hätte, dass eine „gewisse Dosis Weltoffenheit“ der inneren Stabilität nicht schade. Daraus folgerte er, es wäre der SED nun möglich „Schranken abzubauen“ und „Restriktionen“ zu mildern“. Eine Rückkehr zum strikten Abgrenzungskurs der DDR hielt Pragal nur noch für „schwer vorstellbar“. (SZ, 05.08.1973)

Die Zeit: Die DDR-Jugend schüttelt über den bundesrepublikanischen Begriff einer deutschen Nation verständnislos den Kopf

In der „Zeit“ wurde, wie in keiner anderen ausgewerteten Zeitung, die steigende Identifikation der DDR-Bürger mit ihrem Staat als ein Faktum angesehen, dass schon seit längerer Zeit bekannt war und deswegen nicht große Verwunderung hervorrufen konnte. Die X. Weltfestspiele dienten der Bestätigung eines Bildes von der DDR, dass schon seit Mitte der sechziger Jahre in der Redaktion der linksliberalen Hamburger Zeitung vorherrschte und Ergebnis einer DDR-Reise der leitenden Redakteure gewesen war. Im Jahr 1964 besuchten Marion Gräfin Dönhoff, Theo Sommer und Rudolf-Walter Leonhardt mehrere Städte in den Bezirken Ostdeutschlands. Die Begegnung mit Politfunktionären, Betriebsdirektoren, Künstlern, Arbeitern und Bauern führte bei den Journalisten zu dem Resultat, die DDR hätte sich aus bundesrepublikanischer Perspektive zu einem „fernen Land“ entwickelt.

Marion Gräfin Dönhoff bezeichnete es als das „Erschreckendste“ der Reise, dass ihnen „auf Schritt und Tritt“ eine „von Grund auf verschiedene Weltauffassung“ begegnete. Die Gemeinsamkeiten der Deutschen in Ost und West, von denen sie ausgegangen war, schienen kaum noch zu bestehen. Der aus Leipzig stammende „Wahlhamburger“ Rudolf-Walter Leonhardt steigerte sich sogar zu der Aussage, das Verständnis zwischen den Deutschen nach fast zwanzigjähriger Trennung wäre geringer als jenes zwischen England und Amerika, die sich trotz über zweihundertjähriger politischer Teilung noch mühelos auf englisch unterhalten könnten. Leonhardt gestand zwar ein, dass es schwer zu beantworten wäre, wie sich die Gruppen der „Mitläufer, Gegenläufer, Resignierten und Opportunisten“ innerhalb der Bevölkerung der DDR zahlenmäßig zueinander verhalten würden. Er vermutete aber, dass es mehr Befürworter des Systems und weniger Gegner gab, als man in Bonn bereit war zuzugeben. Die Mittelgruppe, diagnostizierte der Redakteur, und hielt sich dabei für übereinstimmend mit den drei anderen Journalisten, wäre die derjenigen gewesen, die „weder aktiv für noch aktiv gegen die DDR und ihre Regierung“ waren.

Theo Sommer ging einen Schritt weiter. In dem „Freilichtmuseum deutscher Vergangenheit“ war seiner Meinung nach ein „noch zaghaftes Staatsbewusstsein“ am Entstehen. An ihm wurde die „Andersartigkeit“ der DDR in Kontrast zur Bundesrepublik sichtbar. Dieser Verschiedenheit wären sich die DDR-Bürger auch in zunehmendem Maße bewusst. Sommer führte das wachsende „Staatsbewusstsein“ auf einen „Schöpferstolz“ zurück, den die Ostdeutschen im Laufe der Zeit ob ihrer eigenen Leistungen, die trotz aller Widrigkeiten erbracht wurden, verspürten. Der Prozess führte über eine „gewisse Identifizierung“ zu einem „Sich-Abfinden“ mit der „gesonderten Existenz“. Als Ergebnis des „Sich-Abfindens“ wollte Sommer jedoch nicht verstanden wissen, dass die Bürger sich zu Kommunisten entwickelten. Diese Option hielt er auch in Zukunft für unwahrscheinlich. Anhand seiner vielen Begegnungen kam der Journalist zu dem Schluss, dass lediglich fünf oder zehn Prozent der Menschen für das Regime waren und ebenso viele dagegen. Die übrigen 80 bis 90 Prozent würden sich gezwungenermaßen in den Verhältnissen „einrichten“ (Dönhoff/Sommer 1965, S. 89 ff.).

Die Einschätzung in der „Zeit“ 1973 unterschied sich wesentlich von der nur knapp zehn Jahre früheren aus dem Jahre 1964. Jetzt ging es darum, eine neue Generation zu bewerten, die zum größten Teil in dem sozialistischen Staat sozialisiert worden war. Insofern ist es nicht ganz zutreffend, dass der Ost-Berliner Korrespondent Haug von Kuenheim, darauf verwies, die Erkenntnis „einer wachsenden Identifizierung der DDR-Deutschen zu ihrem Staat und seinen Errungenschaften“ hätte keine Neuigkeit dargestellt, da „westliche Kenner“, womit wahrscheinlich die „Zeit-Reisenden“ aus dem Jahre 1964 gemeint waren, dieses schon „vor Jahren“ feststellten. (Zeit, 10.08.1973) Im Jahr 1964 hatten Dönhoff, Sommer und Leonhardt lediglich eine Entfremdung der DDR-Bürger gegenüber ihren westdeutschen Nachbarn konstatiert, waren jedoch nicht zu dem Ergebnis gekommen, die Mehrheit der Ostdeutschen stehe hinter „ihrem“ politischen System. Neun Jahre später behauptete von Kuenheim anhand des Erlebnisses der „X. Weltjugendfestspiele“, die neue Generation befürworte das Leben in der DDR, obwohl ihm bewusst war, dass die SED-Führung nicht unwesentlich an der Inszenierung dieses Bildes mitgearbeitet hatte.

„... die über ein Jahr dauernde Vorbereitung der FDJler, die Auswahl der Kader und die Existenz der Mauer schlossen jeden Eklat von vornherein aus. So konnte sie (die SED-Führung) der Welt getrost zeigen, dass in ihrem Land eine Generation von Deutschen herangewachsen ist, die das Leben im sozialistischen Staat, genannt DDR, bejaht. Diese Erkenntnis ist nicht neu.“ (Zeit, 10.08.1973)

Die Problematik der mangelnden Repräsentativität der auf dem Festival anwesenden DDR-Jugend wurde trotz des Wissens, dass diese besonders ausgewählt waren, bei der Einschätzung derselben nicht in Rechnung gestellt. Der Korrespondent zeichnete das Bild von einer neuen selbstbewussten Generation, die in der Diskussion mit westdeutschen Delegierten fest einen sozialistischen Standpunkt vertrat.

Kuenheim gewann anhand dieser Begegnungen den Eindruck, dass die Frage einer deutschen Nation für die neue Generation nur noch von untergeordneter Bedeutung war und sich dadurch eine geringere Attraktivität der konservativen im Gegensatz zur sozialdemokratischen Delegation ergab.

„Sie [die DDR-Jugend] hörte den Argumenten des CDU-Abgeordneten eher gelangweilt zu und schüttelte über den bundesrepublikanischen Begriff einer deutschen Nation verständnislos den Kopf: Budapest liegt ihr näher als Hamburg.“ (Zeit, 10.08.1973)

Die Zukunftsaussichten des deutsch-deutschen Verhältnisses wertete der Korrespondent positiv. Er zog aus seiner Erkenntnis, dass die DDR-Jugend die „Probe“ der freien Diskussion gegenüber Andersdenkenden bestanden hatte und die SED-Führung sich fähig zeigte, als „weltoffener Staat“ eine eigene Rolle einnehmen zu können, zwei Schlussfolgerungen für die weitere Entwicklung. Einerseits könnte die Staatsführung „die Schraube schwerlich zurückdrehen“, sie müsste sich auf die Kritik ihrer Bürger einstellen und eine „Vielzahl von Meinungen“ zulassen. Andererseits werde ihr langfristig keine andere Möglichkeit bleiben, als ihren Bürgern auch „jenseits“ der Mauer die Chance zu einer Erprobung ihres Selbstbewusstseins zu geben. (Zeit, 10.08.1973)


6. Die ostdeutsche Rezeption der X. Weltfestspiele: Ergebnisse des Politbüros, der Staatssicherheit und des Zentralinstituts für Jugendforschung relativieren die West–Wahrnehmungen

Die ostdeutsche Auswertung der X. Weltfestspiele stand in den wesentlichen Punkten der Frage der Nation, der Neigung zu einer Wiedervereinigung, des damit verbundenen Eigenstaatsbewusstsein der DDR-Bürger und der Bereitschaft zur Abgrenzung von der Bundesrepublik und der Sozialdemokratie in einem starken Gegensatz zu den überwiegend positiven Ergebnissen der westdeutschen Medien und der konservativen und sozialdemokratischen Delegation.

Schon in der Vorbereitungsphase deutete sich an, dass die Entspannungspolitik der SPD unter den potentiellen Teilnehmern des X. Festivals eine größere Wirkung entfaltet hatte, als es der SED lieb sein konnte. Die Inhalte der Regierungserklärung Willy Brandts (18.01.1973) und des Grundlagenvertrages nährten die Hoffnung auf eine Erleichterung des Reiseverkehrs zwischen beiden deutschen Staaten und eine baldige deutsche Wiedervereinigung und ließen das Feindbild von der sogenannten „imperialistischen BRD“ dahinschmelzen. Die Führung der SED und FDJ hatte erhebliche Schwierigkeiten, ihre Lesart der „friedlichen Koexistenz“, aus der keine „ideologische Koexistenz“ resultieren durfte, durchzusetzen.

Aus einer Rede auf dem Lehrgang des Zentralrats für die Bezirksdelegationsleitungen und 500er-Blockleiter Ende Mai 1973, nur zwei Monate vor Beginn des Festivals, kam eine pessimistische Bilanz der ideologischen „Sattelfestigkeit“ der Teilnehmer zum Ausdruck.

„Viele Jugendliche verstehen den Zusammenhang zwischen der Politik der friedlichen Koexistenz und der Verschärfung des Klassenkampfes zwischen Sozialismus und Imperialismus nur ungenügend. Die sozialdemokratischen Parolen vom ‚Recht auf Selbstbestimmung aller Deutschen’, von der ‚Einheit der deutschen Nation’, vom ‚Austausch freier Ideen’ und ähnlichem werden nicht immer als konterrevolutionäres Programm des imperialistischen Gegners erkannt.“ /21/

Einen Monat später bekam der erste Sekretär des Zentralrats der FDJ, Günter Jahn, alarmierende Briefe von den Bezirkssekretären der zentralistischen Jugendorganisation aus Erfurt, Gera, Frankfurt/Oder und Wismut. Sie berichteten von Unstimmigkeiten und Kontroversen über die Positionen der FDJ zur „friedlichen Koexistenz“, dem Besuch Breschnews in der Bundesrepublik und den USA, den Verhandlungen Honeckers mit Wehner (30. Mai 1973), der Wehrpflicht, der Wiedervereinigung und dem Verhältnis zur Sozialdemokratie. Die Diskussionen betrafen die Innenpolitik der DDR, das deutsch-deutsche Verhältnis und die bundesdeutsch-sowjetischen Beziehungen.

Bei allen Streitgesprächen spielte die ostdeutsche Interpretation der „friedlichen Koexistenz“ die Schlüsselrolle. Nach der offiziellen Lesart war diese von der DDR der Bundesrepublik „aufgezwungen“ worden und musste von ihr akzeptiert werden, da Westdeutschland auf Grund einer weltweiten Verschiebung des Mächteverhältnisses zum Vorteil des Sozialismus in die Defensive geraten war. /22/ Die proklamierte „Überlegenheit“ des Sozialismus rief Fragen und Schlussfolgerungen hervor, die den Bezirksleitern der FDJ missfielen.

In Erfurt entstand eine Diskussion über die Notwendigkeit der Verteidigungsbereitschaft, die in „dem bisherigen Maße“ nunmehr für unnötig gehalten wurde. /23/ Die Führungskader der Festivaldelegation des selben Bezirkes äußerten Unverständnis über den Besuch Breschnews in der Bundesrepublik (18.5.1973), es fiel ihnen schwer zu verstehen, warum mit kapitalistischen Ländern verhandelt wurde, obwohl der Sozialismus doch angeblich in der Offensive gewesen war.

Die schärfste Kritik rief der Anteil der eigenen Regierung an der Entspannungspolitik hervor. In Erfurt und Gera fanden die Verhandlungen und Begegnungen Honeckers mit Wehner (30.5. -31.5. 1973) und Brandts mit Breschnew ein zweigeteiltes Echo. Die Einen zeigten wenig Verständnis dafür, dass trotz einer inneren Abgrenzung zur Bundesrepublik Verhandlungen mit derselben geführt wurden und sahen in den Gesprächen ein Verstoß gegen die offizielle Linie der Partei, die Sonderbeziehungen zwischen beiden Staaten verneinte. (SAPMO-BArch, DY24/9143)

In Gera wurde der Besuch Breschnews als Ergebnis des „großen Beitrages“ gewertet, den Willy Brandt für den Entspannungsprozess geleistet hätte. Ein Teil der FDJler in Erfurt ging sogar davon aus, dass es zu einer „schrittweisen Wiedervereinigung“ kommen würde. Eine große Rolle bei der positiven Einschätzung der Entspannungspolitik spielte die Bewertung der sowjetischen Position. Diese wurde im Gegensatz zur eigenen Politik, die als inkonsequent angesehen wurde, als elastischer und konstruktiver eingeschätzt.

„Genosse Breschnew hätte von der Verbesserung der Beziehungen mit der BRD gesprochen, wir würden jedoch die Abgrenzung in den Vordergrund stellen.“ /24/

In Gera erhoffte man sich als Ergebnis dieser Politik das Zustandekommen des Reiseverkehrs in das „kapitalistische Ausland“. Der Bericht des Bezirkssekretärs von Frankfurt/Oder ergab, dass innerhalb der Auswahl der dortigen Festivaldelegation die Frage der DDR-Nationalität im Sinne der SED-Linie nicht geklärt war. Es existierte die Auffassung, dass die Nationsfrage solange ungelöst war, wie es zwei deutsche Staaten gab. /25/ Die Bezirksleitung Wismut hatte mit der Wirksamkeit der sozialdemokratischen Ostpolitik zu kämpfen. Die Losungen der SPD wie beispielsweise über den „freien Austausch von Ideen“ fielen auf fruchtbaren Boden, so dass der Bezirkssekretär Fritz Fischer eingestehen musste, dass von „vielen Jugendlichen“ eine Annäherung beider Gesellschaftssysteme für möglich gehalten wurde. Er führte diese Einsicht darauf zurück, dass die sozialdemokratische Politik nicht mehr als imperialistische Politik durchschaut würde. /26/

Obwohl sich die ideologische Vorbereitung auf diese kritischen Punkte konzentrierte, der „Nymbus“ Brandts gezielt zerstört werden sollte und die ostdeutsche Interpretation des Grundlagenvertrages als endgültige Bestätigung der deutschen Zweistaatlichkeit immer wieder unterstrichen wurde, konnte sich die Abgrenzungspolitik der DDR gegenüber der Bundesrepublik bei den Teilnehmern nicht behaupten. /27/

Aus einer Studie des Zentralinstituts für Jugendforschung (ZIJ) geht hervor, dass deutlich weniger als die Hälfte (42 %) der befragten Teilnehmer die Notwendigkeit einer weiteren vollständigen Abgrenzung von der „imperialistischen BRD“ „vollkommen“ befürworteten. /28/ Bei einem Fünftel (21 %) der 8100 interviewten Jugendlichen, von denen etwas mehr als ein Drittel (2800) an den Weltfestspielen teilgenommen hatten, stieß die Abgrenzung auf Ablehnung. Die überwiegende Mehrheit (77 %) aller Befragten befürwortete eine Vereinigung zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Etwa zwei Drittel gingen allerdings davon aus, der daraus entstehende Staat hätte ein sozialistisches System, ein Drittel hielt es für möglich, dass er die Merkmale beider Systeme tragen würde.

Die von den westdeutschen Medien vielfach hervorgehobene Diskussionssicherheit der FDJler stellte sich in deren Eigensicht weniger überzeugend dar. Von den 2800 befragten Festivalteilnehmern gaben nur etwas weniger als 100 an, sich mit Vertretern sozialdemokratischer, „offen reaktionärer“ und maoistischer Auffassungen „auf jeden Fall“ erfolgreich auseinandersetzen zu können. (WFS III., S. 129) Nur 59 % Teilnehmer fühlten sich in der Lage, die Frage, warum es keine „einheitliche Nation“ gibt, „sehr sicher“ in Argumentationen begründen zu können. Ein Fünftel (ca. 20%) aller Befragten konnte sich nicht erfolgreich in dieser Thematik auseinandersetzen. Warum der „Sozialdemokratismus“ eine „antikommunistische Ideologie“ sein sollte, konnten von denjenigen, die meinten, sich auf „jeden Fall“ erfolgreich mit Vertretern sozialdemokratischer Auffassungen auseinandersetzen zu können, lediglich 36 % erklären. (WFS III., S. 126)

Die „Weiteren Schlussfolgerungen aus der Durchführung der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten“ des Politbüros übernahmen fast wortwörtlich das negative Resümee des Leipziger Jugendinstituts zur Entwicklung des Feindbildes bei den ostdeutschen Jugendlichen:

„Die Parolen des Gegners von der angeblich weiterbestehenden ‚Einheit der Nation’ und den ‚besonderen Beziehungen’ zwischen der DDR und der BRD bleiben bei einem Teil der Jugendlichen nicht wirkungslos. Vielen Jugendlichen fällt es noch schwer, das reaktionäre Wesen des Imperialismus zu erkennen, wenn es durch eine raffinierte Propaganda verschleiert wird.“ /29/

Von dieser Problematik abgesehen, fiel der Grundtenor des, unter der Leitung des Politbüromitgliedes und Sekretärs des ZK der SED Paul Verner verfassten Papiers überwiegend positiv aus. Der Bericht ergab, dass sich sowohl die „Einstellung der Jugend zur DDR“ als auch der „Stolz auf die sozialistischen Errungenschaften“ stabiler entwickelt hatten. Beides wurde aber nicht auf die unmittelbare Wirkung der Weltfestspiele, sondern auf die Friedenspolitik von SED und Regierung, die Erfolge der Außenpolitik, die wirtschaftliche Entwicklung, die soziale Sicherheit und die guten Bildungsmöglichkeiten zurückgeführt. Demgegenüber räumten die Politbüromitglieder Siegfried Lorenz und Albert Norden den Weltfestspielen eine ungleich höhere Bedeutung für die politische Bewusstseinsbildung der Jugendlichen ein. Lorenz, Leiter der Abteilung Jugend des ZK der SED und Mitglied des Parteistabes „X. Festival“, wertete das Ereignis als „großen politischen Erfolg“ der DDR. Er ging davon aus, dass sich das weltweite Ansehen des „Arbeiter- und Bauern-Staates“ mitsamt seiner „sozialistischen Metropole“ erhöht hatte und meinte, die „internationale Autorität“ der DDR, die sich während der Veranstaltung gezeigt habe, hätte dazu verholfen „alles revanchistische Gerede von der ‚Einheit’ der Nation (...) beiseite zu schieben.“ An die Adresse der Bundesrepublik gewandt, forderte Lorenz:

„Angesichts des Selbstbewusstseins, der echten Begeisterung der Jugendlichen der DDR und der Freizügigkeit und Toleranz, die in Berlin zutage traten, müsse man im Westen von alten Klischee-Vorstellungen über die innere Stabilität des Regimes in der DDR und über die politische Haltung ihrer Jugend Abschied nehmen.“ /30/

Norden wertete das Festival als „überzeugenden Ausdruck des gewachsenen Bewusstseins der Jugend der DDR“. Mit Freuden stellte er fest, die FDJ habe „mit der erfolgreichen Vorbereitung und Durchführung der Weltfestspiele eine große Bewährungsprobe bestanden und sich als starke, optimistische, vorwärtsdrängende und fest mit dem Sozialismus verbundene Kraft erwiesen.“ /31/

Die Quintessenz des Staatssicherheitsdienstes entsprach im Wesentlichen derjenigen des Politbüros, mit einem kleinen Unterschied. Der 2. Sekretär der SED Kreisleitung des MfS, Horst Felber, räumte ein, dass man innerhalb des Nachrichtendienstes nicht mit einem derart durchschlagenden Erfolg der FDJ gerechnet hatte.

„Wer konnte vorher annehmen, dass unsere FDJ eine solche politische Schlagkraft entwickeln und diese ideologische Schlacht so erfolgreich bestehen würde, wie es sich in diesen Tagen dann wirklich zeigte. Natürlich waren wir keine Pessimisten. Wir haben alles für diesen Erfolg getan und fest an ihn geglaubt. Aber das Ausmaß und der tatsächliche Erfolg waren so nicht vorauszusehen.“

Im Rückblick machte Felber die innere Stabilität der DDR für das „Scheitern gegnerischer politischer Kräfte“ verantwortlich und gestand den teilnehmenden ostdeutschen Jugendlichen zu, sich „glänzend“ bewährt zu haben. Aus den offenen Bekenntnissen der FDJler zur Führung von Partei und Regierung in Konfrontationen mit politisch Andersdenkenden leitete der Staatssicherheitsbedienstete eine gestiegene „patriotische und internationalistische Haltung“ ab. /32/

Das Gesamtergebnis der Aktion „Banner“ zu den sogenannten „feindlich-negativen Handlungen/Vorkommnissen“ in der DDR während der Weltjugendfestspiele war erstaunlich. Im Vergleich zu anderen in ihrem Aufwand ebenbürtigen, operativen Aktionen, wie jene zum 20. Jahrestag der DDR (Aktion „Jubiläum“) und dem VIII. Parteitag der SED (Aktion „Meilenstein“) war die Anzahl der registrierten politischen Zwischenfälle sehr gering. Aus der „Gesamteinschätzung“ der Aktion „Banner“ geht hervor, dass während der Vorbereitung und Durchführung des Festivals keine „Vorkommnisse“ registriert wurden, die die Sicherheit und Ordnung ernsthaft gefährdeten. Die politisch-operative Lage war in Ost-Berlin und allen Bezirken der DDR normal und stabil gewesen. Festgestellte „feindliche Handlungen“ waren Einzelerscheinungen ohne besondere „Gesellschaftsgefährlichkeit“ und traten nicht konzentriert auf. Von den 73 registrierten „Vorkommnissen“ fielen 38 auf Ost-Berlin und 35 auf die Bezirke der DDR. Die fünf Fälle „staatsfeindlicher Hetze“ wurden, unter Berücksichtigung der für die Zeit des Festivals festgelegten Toleranzgrenze, als niedrig eingeschätzt. /33/


7. Fazit

Die Auswertung der Artikel, Reden, Ost-West-Begegnungen und Festivalberichte der bundesdeutschen Politiker und Journalisten hat bei den linksliberalen und sozialdemokratischen Presseorganen und den Jugendorganisationen von CDU und SPD einen begrenzten Wandel des bundesrepublikanischen Verhältnisses zur DDR und zur Frage der Nation ergeben. Anhand der West-Wahrnehmungen der DDR während der X. Weltfestspiele konnte gezeigt werden, dass nach dem Abschluss des Grundlagenvertrages die Bereitschaft zu einer Akzeptanz der SED-Herrschaft anstieg. Sie war verbunden mit einer abnehmenden Tendenz zur kritischen Auseinandersetzung mit dem politischen System in Ostdeutschland.

Die West-Wahrnehmungen waren weiterhin ein Ausdruck dafür, dass sich die Neigung zur einer Abkehr vom Staatsziel einer Wiedervereinigung Anfang der siebziger Jahre verstärkte und auch auf Parteien und Presseorgane ausweitete, die Mitte der sechziger Jahre noch an der Vorstellung von „einer“ deutschen Nation festhielten. Obwohl kein Politiker und Journalist im Zusammenhang mit der DDR von der Herausbildung einer Nation oder eines Nationalbewusstseins sprach, waren die benutzten Begriffe zur Charakterisierung des Verhältnisses der DDR-Bürger zu ihrem Staat ein Anzeichen dafür, dass die Einschätzung einer beginnenden „Bi-Nationalisierung“ im geteilten Deutschland weit verbreitet war.

Die Bereitschaft zu einer zunehmenden Akzeptanz des „SED-Staates“ und das Erkennen einer „DDR-Identität“ zeigte sich wesentlich stärker bei der bundesrepublikanischen Publizistik als in der sozial- und christdemokratischen Delegation der Jugendvertreter. Werden die Maßnahmen der Staatssicherheit und der FDJ zur ideologischen Vorbereitung des Festivals und die Ergebnisse des ZIJ, die einen starken Einheitswillen der ostdeutschen Teilnehmer verzeichneten und von einer abnehmenden Bereitschaft der Akzeptanz des SED-Feindbildes von der „imperialistischen BRD“ sprachen, bei einer Bewertung der West-Wahrnehmungen in Rechnung gestellt, so ist davon auszugehen, dass die West-Wahrnehmungen wesentlich stärker von Wunschdenken und Vorurteilen gegenüber der DDR geleitet waren als von einem Einblick in die tatsächliche innenpolitische Situation Ostdeutschlands.

Die entspannungspolitische Vorstellung, dass eine Liberalisierung der DDR eine Anerkennung des ostdeutschen Staates voraussetzt, führte nicht nur bei den linksliberalen und sozialdemokratischen Medien zu einem schönfärberischen Bild von der DDR, in dem kritische Bürger nur am Rande vorkamen, die Frage des Bestehens einer deutschen Nation weitgehend ausgeklammert war und dem politischen System ein „Schein von Legitimität“ durch die Betonung der engen Bindung zwischen Staat und Bürger verliehen wurde. (Knabe 2001, S. 414)

Es hat sich gezeigt, dass auch die „FAZ“, die nach Hacker seit 1969 nicht das Ziel der Herstellung der staatlichen Einheit aus dem Auge verloren haben soll (Hacker 1992, S. 317), zusammen mit der „Zeit“, der „Westdeutschen Allgemeinen“ und der „Süddeutschen Zeitung“ zu der Gruppe der bundesrepublikanischen Zeitungen gehörte, die am wohlwollendsten aus Berlin über die „kommode Diktatur“ (Grass 1995) berichteten, die „Festivalfreiheit“ als Auftakt einer beginnenden Liberalisierung der DDR ansahen und im Gegensatz zu „Spiegel“, „Frankfurter Rundschau“ und „Welt“ dazu bereit waren, Anzeichen der Herausbildung einer sozialistischen Nation zu verzeichnen.

Anhand der Auswertung der wenigen Quellen der sozialdemokratischen Delegation wurde ersichtlich, dass, wie bei der Mehrheit der ausgewerteten linksliberalen Presseorgane, die Bereitschaft der sozialdemokratischen Teilnehmer zu einer Akzeptanz des politischen Regimes der DDR größer war, als das Festhaltens an der Vorstellung der Existenz einer Nation im geteilten Deutschland. Bei einer Gesamteinschätzung dieser Delegation dürfen jedoch nicht nur das „Vergaloppieren“ Roths auf dem Bebelplatz und das Verhalten Hansens im Gespräch mit Honecker berücksichtigt werden. Aus der Medienberichterstattung und den persönlichen Gesprächen mit Voigt und Roth ging hervor, dass die Jungsozialisten während der X. Weltfestspiele in Seminaren und in Diskussion außerhalb der offiziellen Veranstaltung die freiheitlichen Grundsätze der Bundesrepublik ausdrücklich verteidigten. Sie unterstützten die Teilnahme von Oppositionellen und ermöglichten Christdemokraten den Besuch der X. Weltjugendfestspiele, der wiederum Vorraussetzung der Darstellung der konservativen Kritik an der DDR in der DDR war.

Das Auftreten der konservativen Festivalteilnehmer ließ keine Anzeichen einer zunehmenden Akzeptanz des politischen Systems der DDR erkennen, auch konnte nicht die Bereitschaft zu einer Abkehr von der Vorstellung einer deutschen Nation festgestellt werden. Es ist dennoch notwendig hervorzuheben, dass die deutsche Frage in Flugblättern und Diskussionen der Mitglieder der Nachwuchsorganisation der Union einen geringeren Stellenwert einnahm als die Kritik an der Freizügigkeit der DDR und aus den persönlichen Berichten der Jungpolitiker die Bereitschaft eines Registrierens von DDR-Bewusstsein zu erkennen war, die jedoch nicht so weit ging, den Ostdeutschen ein eigenes Nationalbewusstsein zu unterstellen. Diese Tatsache legt den Schluss nahe, dass die Junge Union im Gegensatz zum rechten Flügel ihrer Partei, in Ost-Berlin repräsentiert durch Rollmann, dazu willens war, der Realisierung des Selbstbestimmungsrechtes der Ostdeutschen die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands unterzuordnen.

Die West-Wahrnehmungen von der DDR während der X. Weltfestspiele waren ein Ausdruck dafür, dass im Kontext der Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition, des Grundlagenvertrages und der internationalen Anerkennung der DDR die Bereitschaft in der Bundesrepublik zur Akzeptanz der DDR und damit der deutschen Teilung gewachsen war. So unterschiedlich auch die Motive für eine gewandelte Sicht der DDR und der deutschen Frage bei den westdeutschen Korrespondenten und Politikern waren, sie liefen doch auf ein Ergebnis hinaus: Die deutsche Frage geriet bei den untersuchten westdeutschen Parteien und Presseorganen ins Hintertreffen. Die Bundesrepublik blieb das „Feinliebchen“ der DDR-Bürger, die nach wie vor an der Vorstellung einer Wiedervereinigung festhielten. Die DDR war für die bundesdeutschen Presseorgane und Parteien ein Partner geworden, dessen Eigenständigkeit man trotz Kritik akzeptierte, auf dessen Liberalisierung und Demokratisierung man hoffte und zu dem man gut-nachbarschaftliche Beziehungen pflegen wollte. Ein besonderes Verhältnis, das zu einer Vereinigung führen konnte, so ist zumindest das Ergebnis der Auswertung der West-Wahrnehmungen während des X. Festivals, wurde Anfang der siebziger Jahre nur noch von wenigen angestrebt.


8. Anmerkungen und Literatur

Anmerkungen


/1/ SAPMO-BArch, DY 24/8163, Stenographisches Protokoll der 9. Tagung des Zentralrates der FDJ vom 16.10. 1973, Referat des 1. Sekretär der FDJ Günther Jahn, Die Aufgaben der Freien Deutschen Jugend nach den X. Weltfestspielen und in Auswertung der 10. Tagung des ZK der SED, Bl. 35.
/2/ „Entschließungen zur Deutschland- und Ostpolitik. Bundeskongreß der Jungsozialisten in der SPD, Mainz 1967“, in: Die Andere Zeitung, 04.01.1968.
/3/ Berichterstattung aus der DDR in den siebziger/achtziger Jahren: Frieden, innerdeutsche Beziehungen, Freiheit und Menschenrechte, in: Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“, Frankfurt/Main 1995, S. 658.
/4/ Aufruf des IVK nach der Tagung in Sofia (19.-20.1.1972), in: Zentralrat der FDJ (Hg.), Geschichte der Weltfestspiele der Jugend und Studenten (Kurzdokumentation der Abteilung Agitation), Berlin 1973, S. 18.
/5/ BStU, MfS HA IX, Nr. 5355, Auszüge aus Berichten der HA K, Verhinderung von Reisen negativer Personen in die Hauptstadt (Punkt 5), Bl. 1-2.
/6/ BStU, MfS 4853 ZAIG, Einführende Bemerkungen zur Informierung über den „Gesamtplan der Maßnahmen zur Gewährleistungen der Sicherheit während der X. Weltfestspiele“, erarbeitet von den Ministerien des Inneren, der Nationalen Verteidigung und der Staatssicherheit, am 25. Juni von Honecker bestätigt, Bl. 3. Unter den „negativen Personen“ verstand man besonders ehemalige jugendliche Strafgefangene, die sich in Berlin treffen wollten, Ibid., Bl. 7.
/7/ BStU, MfS-HA PS 1007, Schulungsmaterial zur Vorbereitung der Angehörigen der Hauptabteilung PS auf die Aktion ‚Banner’, Mai 1973, Bl. 44.
/8/ SAPMO-BArch, DY 30/vorl. SED/14323/1, Zu einigen Fragen der X. Weltfestspiele in der BRD und in Westberlin – Schlußfolgerungen und Konsequenzen für ihre weitere Vorbereitung und Durchführung, 21.05.1972, Bl. 2.
/9/ BStU, MfS-HA PS 1007, Schulungsmaterial zur Vorbereitung der Angehörigen der Hauptabteilung PS auf die Aktion ‚Banner’, Mai 1973, Bl. 18.) (SAPMO-BArch, DY 30/vorl. SED/14323/1, Zu einigen Fragen der X. Weltfestspiele in der BRD und in Westberlin – Schlussfolgerungen und Konsequenzen für ihre weitere Vorbereitung und Durchführung, 21.05,1972, Bl. 8.
/10/ Unter der „Doppelstrategie“ verstanden die Jusos die Durchsetzung des „demokratischen Sozialismus“ in der Verbindung von außenparlamentarischer Mobilisierung mit institutionellen Reformen. Fenner 1977, S. 75.
/11/ „Zum Verhältnis von Sozialdemokratie und Kommunismus“ (Entschließung des Parteirats vom 26. Februar 1971), in: Vorstand der SPD (Hg.) Jahrbuch der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 1970-72, Bonn 1973, S. 558-559.
/12/ SAPMO-BArch, DY30/ J IV 2/2 J – 4862, Information über ein Gespräch von Vertretern der FDJ-Fraktion der Volkskammer der DDR mit zu den X. Weltfestspielen anwesenden Abgeordneten des Bundestages der BRD, ohne Datum, Bl. 2.
/13/ Hansen wird vermutlich die linken SPD-Abgeordneten gemeint haben.
/14/ ADCP, Landesverband Berlin, III-12-1707, Brief von Heinz-Viktor Simon an die Mitglieder der JU Steglitz und die Mitglieder des Kreisvorstandes der CDU sowie an die Delegierten und Ersatzdelegierten der Ortsverbände zum Kreisparteitag, 22,08,1973, Bl. 3.
/15/ ADCP, Landesverband Berlin, III-12-A1707, Deshalb nehmen wir an den 10. Weltfestspielen teil.
/16/ BStU, MFS-AS, Nr. 432/73, Bd.2, Sicherheitskonzeption. Arbeitsgruppe Ausländische Festivalteilnehmer, Bereich II, Referat 2, Berlin 4.7.1973, Bl. 6.
/17/ Die Aufzeichnungen der Staatssicherheit zeugen von einer besonderen Attraktivität der Konservativen auf die sogenannten „negativen Personen“. „Im Verlauf der X. Weltfestspiel wurde eine steigende Tendenz der Anzahl bekanntgewordener Kotaktaufnahmen negativer Jugendlicher der DDR zu Angehörigen der BRD-Delegation bzw. zu Bürgern der BRD und Personen mit ständigem Wohnsitz in Berlin (West) die sich in der Hauptstadt der DDR aufhielten, sichtbar. Obwohl sich das negative bis feindliche Auftreten solcher Jugendlicher im Rahmen von Diskussionsgruppen, insbesondere wenn in diese Mitglieder der ‚Jungen Union’ einbezogen waren, bis zum Abschluß der X. Weltfestspiele zugenommen hatte, haben sich diese Aktivitäten nicht zu einem Schwerpunkt entwickelt. Die Mehrzahl der DDR-Jugendlichen konnte identifiziert werden, Maßnahmen zur weiteren Aufklärung und Bearbeitung werden durch die zuständigen operativen Diensteinheiten eingeleitet.“ BStU, MfS-ZAIG 13644, Gesamteinschätzung der feindlich-negativen Handlungen bzw. Vorkommnisse in der Hauptstadt und in den Bezirken der DDR in Vorbereitung und Durchführung der X. Weltfestspiele, ohne Datum, Bl. 21.
/18/ Die Auswertung der westdeutschen Zeitungen und Akten der Konrad-Adenauer-Stiftung ergaben, dass kein anderes Mitglied der CDU öffentlich derart stark das Ziel einer Wiedervereinigung vertrat.
/19/ ADCP, Junge Union, IV-007-153/1, A310, Kroll Schlüter, 10. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Ostberlin vom 28. Juli – 5. August 1973, 01.11.1973, Bl. 17-18.
/20/ ADCP, Junge Union, IV-007-153/1, A310, Kroll-Schlüter, Hermann, 10. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Ostberlin vom 28. Juli – 5. August 1973, 07.11.1973, Bl. 17 ff.
/21/ SAPMO-BArch, DY 24/E 14620, Die Aufgaben der Freien Deutschen Jugend bei der unmittelbaren Vorbereitung der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin, Der Hauptstadt der DDR, Rede auf dem Lehrgang des Zentralrates der FDJ am 22. Mai 1973 an der Jugendhochschule Wilhelm Pieck, Verfasser unbekannt, Bl. 12-16.
/22/ SAPMO-BArch DY 24/8585, Argumentationshinweise für die Mitgliederversammlung der FDJ im März 1973 zum Thema: „Die Überlegenheit unser sozialistischen Ideologie in der Klassenauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus“, ohne Datum, Bl. 4.
/23/ SAPMO-BArch, DY24/9143, Brief des Bezirkssekretärs Klaus D. Waschau der Bezirksleitung der FDJ an Günther Jahn vom 7. Juni 1973, Bl. 4.
/24/ SAPMO-BArch, DY 24/9143, Zu einigen Fragen der Führungstätigkeit im Monat Mai, besonders in der Auswertung des Lehrganges an der Jugendhochschule (von Kurt Zahn, Gera, 6.6.1973, Bl. 10.
/25/ SAPMO-BArch, DY 24/9143, Persönliche Information an den 1. Sekretär des Zentralrates der FDJ (ohne Autor), Frankfurt/Oder, Mai 1973, Bl. 4.
/26/ SAPMO-BArch, DY 24/9143, Bericht der Gebietsleitung Wismut von Fritz Fischer vom 7.6.1973, Bl. 6.
/27/ „Wir müssen unsere Jugendliche auf die X. Weltfestspiele so vorbereiten, daß die Jugend der DDR gegen Brandts Nymbus auftritt. (...) Dabei gilt es auch den Nymbus Brandt zu zerstören. Solche Fragen wie: Ist denn Franco nicht schlimmer als Brandt? oder Wenn wir unseren Jugendlichen den Vorschlag unterbreiten würden Nixon den Friedensnobelpreis zu verleihen, so würde das nur Lachen auslösen. Aber mit Brandt ist dem Imperialismus gelungen, ihn mit einem Heiligenschein zu umgeben, der zwar nicht ewig währen wird, den wir aber in der ideologischen Arbeit beachten müssen.“ BStU, MfS SED – KL 1106, Aufzeichnung von einer Beratung des Leiters der Abteilung Jugend beim ZK der SED, Genossen Siegfried Lorenz, mit den Leitern der Kommissionen für Jugend und Sport bei den Bezirksleitungen der SED, 1.1.1973, Bl. 142 ff.
/28/ Zentralinstitut für Jugendforschung (Hg.), Jugend und Internationalismus. Untersuchungen zum Entwicklungsstand des sozialistischen Internationalismus der DDR-Jugend. Festivalstudie III, Leipzig, November 1973. (Konzeption: Dr. Peter Förster), Tabelle 11, S. 38 u. 39.
/29/ SAPMO-BArch, DY30/vorl. SED/14349, Weitere Schlußfolgerungen aus der Durchführung der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten, Beschluß des Politbüros vom 9. Oktober 1973, Bl. 4-5, WFS III., S. 145.
/30/ SAPMO-BArch, DY 30/vor. SED/18052, Siegfried Lorenz, Hauptergebnisse der X. Weltfestspiele. In: Abschließende Informationen über die Arbeit des Ministerrates und seiner Organe zur Unterstützung der Durchführung der X. Weltfestspiele, 06.08.1973, Bl. 3-4; 23-24.
/31/ SAPMO-BArch, DY30/IV 2/1/478, Bericht des Politbüros, formuliert von Albert Norden zur 10. Tagung des Zentralkomitees am 02.10.1973, Bl. 40-41.
/32/ BStU, MFS-SED – KL 3788, Referat des Genossen Felber zur Anleitung des 1. Sekretärs der Parteiorganisation/Grundorganisation der SED am 20.08.1973, Bl. 16-17; 3-4.
/33/ BStU, MfS-ZOS 1173, „Gesamteinschätzung der feindlich-negativen Handlungen bzw. Vorkommnisse in der Hauptstadt und den Bezirken der DDR in Vorbereitung und Durchführung der X. Weltfestspiele“.


Literatur

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