Thema | Kulturation 1/2003 | Kulturelle Differenzierungen der deutschen Gesellschaft | Gabriele Pütz | Die Lausitz als Logo? Landschaften zwischen Ausbeutung, Aneignung, Ablenkung und Aufklärung
| Gabriele Pütz hielt ihren Vortrag auf der Grundlage eines Aufsatzes, der in der Zeitschrift Berliner Debatte INITIAL
(Ausgabe 4/ 2002, Überall Landschaft) erschienen ist. Die große
Resonanz, die ihr Beitrag auf der Tagung fand, veranlaßt die Redaktion,
hier nicht den Vortragstext (er kann bei der Redaktion angefordert
werden), sondern den Aufsatz in voller Länge wiederzugeben.
„see“ – weiße Schrift in blauem Quadrat – wählte die Internationale
Bauausstellung Fürst-Pückler-Land als Logo ihres Zehn-Jahres-Programmes
für die Lausitz. „Sieh hin“ oder einfach „Seenlandschaft“ – mit beiden
gewollten Assoziationen ringt ein entlegener Landstrich nach der
industriellen Ausbeutung um neue Aufmerksamkeit. Die Suche nach
zukünftigen Raumnutzungen und Gestaltungsmustern für altindustriell
geprägte Landschaften ist eröffnet.
Die Transformationsgesellschaft im Übergang von der Industrie- zur
Wissensgesellschaft bemüht sich um einen räumlich-ästhetischen
Ausdruck, ihr Aussehen, ihre Lesbarkeit. Noch ist eine neue Struktur
aus Arbeiten und Wohnen, Freizeit, Beschäftigung und Mobilität nicht
eindeutig zu erkennen. Doch die Experimente haben begonnen.
Konversion heißt das Zauberwort der Landschaftsverwandlung. Dabei wird
zwischen Militär- und Industriekonversion unterschieden. Beide
Nutzungen haben sich in Mitteleuropa weitgehend aus der Fläche
zurückgezogen, übrig bleiben ausgeräumte, als unansehnlich empfundene
Landschaftsräume, die nun mittels staatlicher Programme und Großevents
wie EXPO, Internationale Bauausstellungen, Bundes- oder
Landesgartenschauen auf ihre neue Bedeutung in der Freizeit-, Wissens-
und Dienstleistungsgesellschaft vorbereitet werden. Ergänzt werden
müssen diese Programme in den nächsten Jahren um die Konversion großer
Flächen der agrarisch-industriellen Landwirtschaft auf
Grenzertragsböden.
Der Begriff Konversion (lat. conversio) bedeutet „Umkehrung,
Umwandlung, Übertritt“ und deutet auf grundlegende Veränderungen, auf
einen grundlegenden Einstellungs- oder Meinungswechsel hin. Er ist
ideologisch eng an den Gedanken einer Zivilgesellschaft gebunden und
erweist sich als zentrale planerisch-politische Herausforderung und
Chance der Gegenwart.
Eine Änderung gesellschaftlicher Bedingungen und Ziele in einem neuen
Landschaftsbild zum Ausdruck zu bringen, war schon die Aufgabe des
barocken französischen Parks wie des englischen Landschaftsgarten im
18. Und 19. Jahrhundert. Als Konversionsprodukte der Vergangenheit
prägten beide unseren heutigen Landschafts-Kulturbegriff.
Das Ziel gegenwärtiger Landschaftskonversionen dagegen ist erst einmal
der Wandel schlechthin. Das erscheint dann als Selbstzweck, wenn die
Inhalte und Ziele der grundlegenden Veränderungen nicht deutlich
werden. Wandel wohin?
Scheinbar geht heute die landschaftliche Konversion der gesellschaftlichen Zielformulierung voraus.
Selbst das ist jedoch kein wirklich neues Prinzip. Auch der als
Weltkulturerbe anerkannte Dessau-Wörlitzer Landschaftspark, das
„Gartenreich“ des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau aus dem Übergang vom
18. ins 19. Jahrhundert, ging als Muster einer Reformlandschaft den
gesellschaftlichen Reformen selbst voraus, bereitete quasi mittels
ästhetischer Bildung auf die im aufgeklärten Absolutismus als notwendig
erkannten Reformen (z. B. der Agrarwirtschaft, aber auch der Bildung)
vor. In der gegenwärtigen Diskussion jedoch wird die
Reformnotwendigkeit oft aus dem Landschaftsbild selbst begründet, das
nach dem Ende der industriellen Ausbeutung einer Region nicht mehr
gefallen will, den Bürgern (und touristischen Gästen) nicht mehr
zuzumuten ist. Das beschworene Bild des Wandels wird nicht zur
Begleiterscheinung, sondern zum Anlass reformerischen Denkens. Ist das
große Wort von der Konversion da noch angemessen?
Das Problem einer latenten Ziellosigkeit des Wandels (nur anders
aussehen soll die Industriefolgelandschaft), eines Mangels an
reformerischen Konzepten der Ökonomie, der Gesellschaft, der Bildung
etc. wirkt zurück auf eine gewisse Armut der Bilder, die als
anzustrebende Ergebnisse der landschaftlichen Konversion skizziert
werden. Und so fällt der Mangel an Reformideen als vermeintliche
Fantasielosigkeit den Planern von Städten und Landschaften wieder auf
die Füße.
Heutige Konversionslandschaften weisen sich aus durch den Versuch einer
ästhetischen Vermittlung zwischen tradierten Bildern der
Kulturlandschaft (aus der Zeit der Agrargesellschaft im Übergang zur
frühen Industrialisierung), der aufgegebenen, teils mit romantischen
Anklängen verklärten Industrienutzung und einer offenen Zukunft.
Ein solcher Transformationsprozess bedarf einer eingehenden Analyse
dessen, was Landschaft ist und wie sie entsteht. Ohne diese umfassende
Arbeit an einem neuen Landschaftsverständnis wird sich kaum ein ähnlich
wirkungsmächtiges Landschaftsbild herstellen lassen, wie es die
Agrarlandschaften (Landschaft = Produktionsmittel) und die
Industrielandschaften (Landschaft = Ressource) bestimmte. Erst auf
Basis eines solchen erweiterten, nicht allein visuell orientierten
Verständnisses von Landschaft sind Aussagen darüber möglich, wie denn
die so intensiv beschworenen „neuen Landschaften“ aussehen könnten. Ein
aktuelles Beispiel ist die im Sommer 2001 von der IBA
Fürst-Pückler-Land durchgeführte „Werkstatt für neue Landschaften“
(Vgl. see. Das Magazin der Internationalen Bauausstellung
Fürst-Pückler-Land 3/2001, S. 5ff. sowie CD Dokumentation der
Ergebnisse)
Landschaft als Produkt
In der Auseinandersetzung mit dem Thema Landschaft lassen sich zwei Ebenen unterscheiden:
- Landschaft als Produkt, als Resultat eines Aneignungsprozesses und
- Landschaft als Betrachtungsgegenstand, als ästhetisches Bild.
Die Ausprägung der konkreten Natur ist zumindest in den
Industrienationen Resultat menschlicher Aneignungsprozesse. Unsere
Vorstellung von Natur ist – vermittelt als Landschaftsbild – das
Resultat einer Bewirtschaftung über Jahrhunderte, das Resultat von
Arbeit sowohl in den Agrargesellschaften als auch – und dies in
besonderem Maße – in der Industriegesellschaft.
Mittels technischer Innovationen und Maschineneinsatz auf der Basis von
aus fossilen Brennstoffen gewonnener elektrischer Energie führte der
Industrialisierungsprozess zu einer Veränderung der Landschaft in
vorher nicht gekanntem Ausmaß. Große Agglomerationsräume wie z. B. das
Ruhrgebiet mit Zechen, Halden, Kokereien, Industriebetrieben, flächigen
Wohnsiedlungen, Straßen, Autobahnen, Gleisanlagen, aber auch
verschmutzter Luft und verschmutzten Bächen oder Kanälen prägten das
landschaftliche Erscheinungsbild ganzer Regionen. Ebenso in der
Lausitz, wo die zuvor agrarisch strukturierte Landschaft im 20.
Jahrhundert durch großflächigen Braunkohletagebau in ihrem
Erscheinungsbild völlig verändert wurde. Die oft mit Landschaft
assoziierte Vorstellung von Natürlichkeit blieb angesichts dieser Räume
nicht haltbar. Vielmehr ist die konkrete Ausprägung der Landschaft
Resultat verschiedener, auch historisch unterschiedlicher
Aneignungsprozesse durch den Menschen. Landschaft ist vor allem das
stoffliche Produkt menschlicher Arbeit. Das wird nirgends so deutlich
wie in den Industriefolgelandschaften. Zu gleich aber ist Landschaft
weiterhin ein Bild, ein Produkt ästhetischer Aneignung. Korrelieren
reales und erwartetes Landschaftsbild, wird jenes in der Regel als
schön empfunden. Divergieren beide, muss um das Schönheitsempfinden
mittels ästhetischer Bildung und künstlerischer Vermittlung gerungen
werden.
Landschaft als Betrachtungsgegenstand
Betrachten wir Landschaft, verlassen wir die konkrete Ebene
funktionaler Aneignung. Mittels des ästhetischen Urteilsvermögens,
indem wir also ein Geschmacksurteil fällen, sind wir in der Lage, von
konkreten Arbeitsprozessen, von funktionalen Zusammenhängen mit und in
der Natur zu abstrahieren.
Mittels des distanzierten (zweckfreien, d. h. nicht unmittelbar auf
Funktion und Verwertung ausgerichteten) ästhetischen Blicks erfahren
wir unsere Idee von Natur in Form von Landschaft als das Andere, das
nicht klar Fassbare, das nicht Menschliche, dem Menschen
Gegenüberstehende.
Landschaft als Angeschaute, als ästhetisch vermitteltes Bild bietet per
Geschmacksurteil Raum für neue Emotionen und Assoziationen. Das Bild
schafft Freiraum für neue Interpretationen, neue Sichtweisen, neue
Zusammenhänge von Sich, der Natur und der Welt. Im „freien Spiele der
Einbildungskraft und des Verstandes“ (Kant 1974, S. 132), im
ästhetischen Urteil werden kreative Prozesse angeregt und freigesetzt.
Ein „Begreifen” am konkreten Objekt der Anschauung, dem Ort, wird
möglich.
Landschaft als Idee
Die Aneignung (Landschaft als Produkt) und die ästhetische Wahrnehmung
von Landschaft stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander.
Das, was als schöne Landschaft empfunden wird, ist keine Konstante,
sondern hat sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert. Die
schöne Landschaft ist also keine absolute, vom Menschen unabhängige
Kategorie, sondern das Produkt menschlicher Anschauung. Was jeweils als
schöne Landschaft gesehen wird, steht im unmittelbaren Bezug zu den
jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen und damit auch zu den
gesellschaftlich determinierten Aneignungs- (=Ausbeutungs-)bedingungen
von Natur.
Wenn wir Landschaft betrachten, fällen wir ein ästhetisches Urteil, und
zwar darüber, ob wir die Landschaft als „schön“ oder als „erhaben“
empfinden. Ästhetik ist in der heutigen, der aufgeklärten Gesellschaft
ein Verstehensmedium der Wirklichkeit, ein Interpretationsprinzip. So
bezeichnet beispielsweise Lyotard den Maler und den Philosophen als
„Brüder im Experimentieren“ (Lyotard 1985, S. 102). Deleuze nimmt auf
Foucault Bezug und skizziert eine „Ästhetik der Existenz“, „wo das
Ästhetische ... als Grundform des Daseins verstanden wird“ (Deleuze
1987, S. 112, vgl. auch Welsch 1990, S. 43). Nietzsche forderte bereits
1886, „die Wissenschaft unter der Optik des Künstlers zu sehen“
(Nietzsche 1980, S. 14).
Ästhetisch betrachtete Landschaft entspricht einer Idee. Und zwar der
Idee von konkreter Natur als dem Menschen gegenüberstehendes und ihn
umgebendes räumliches Bild und zugleich der Idee der Natur als
lebendiges „Werden und Vergehen“. „Landschaft ist Natur, die im Anblick
für einen fühlenden und empfindenden Betrachter ästhetisch gegenwärtig
ist.“ (Ritter 1963, S. 150)
Diese Idee der Natur wird uns als „Landschaft“ ästhetisch vermittelt,
und zwar über ein Gefühl der Lust am Schönen, Lust am Erhabenen. Dies
ist der Grund, warum wir stehenbleiben und den Blick in die Landschaft
genießen. Das hört sich zunächst selbstverständlich an, war es jedoch
nicht immer, wie der Rückblick in die Geschichte der Entstehung des
Landschaftsbegriffs und seiner Ästhetisierung zeigt:
a. Das mittelhochdeutsche ‚lantscaft‘ steht im Mittelalter noch für die
Einheit von Mensch (Bauer), Natur (das von den Bauern bearbeitete Land)
und Herrscher (Burgherr), also für die Burg, die Bevölkerung und ihr
Umfeld – eine geographisch-soziologische Kategorie. (Über allem steht
im Christentum der Gott, der diese Einheit erschaffen hat.)
b. Landschaft als ästhetische Kategorie entsteht erst im 17.
Jahrhundert mit der Landschaftsmalerei. Die ästhetische Betrachtung ist
zunächst ausschließlich auf das Gemälde bezogen. Diese Betrachtung
schulte den neuen Blick auf die reale Landschaft.
c. Die ästhetische Betrachtung von realer Landschaft ist erstmals in
der Geschichte durch Petrarcas Beschreibung seiner Besteigung des Mont
Ventoux 1335 belegt. Petrarca steigt auf den Berg nur mit dem Ziel, die
Landschaft als schöne ohne einen weiteren Zweck anzuschauen. Und er
beschreibt seine Überwältigung angesichts der Erhabenheit des Anblicks.
Petrarca beschreibt sein ästhetisches Urteil als Idee der Landschaft.
(Vgl. Ritter 1963, S. 141 ff.)
Historisch gesehen setzt die Möglichkeit, Landschaft ästhetisch zu
betrachten, die Aufhebung der (mittelalterlichen) Einheit von Mensch
und Natur (Schöpfung) voraus. Mit der Aufklärung (als einem
Säkularisationsprozess) tritt der Mensch aus der ihn einschließenden
Natur heraus, nimmt sich selbstbewusst als freies Subjekt wahr, und
damit die ihn umgebende Landschaft als Objekt seiner Wahrnehmung,
seines Urteilens und schließlich seiner Gestaltung. „So kommt Freiheit
als Freiheit für den Menschen mit der Stadt und mit der Wissenschaft
und Arbeit der modernen Gesellschaft zur Existenz, weil er sich mit ihr
endgültig aus der Macht der Natur befreit und sie als Objekt seiner
Herrschaft und Nutzung unterwirft. Daher kann es ... keine Rückkehr in
die ursprüngliche Einheit mit der Natur geben. Die Emanzipation aus ihr
ist die Bedingung, an die Freiheit notwendig gebunden bleibt.“ (Ebd.,
S. 161)
Gerade die heutigen Braunkohlefolgelandschaften jedoch, die nach der
Ausbeutung und vor der „Rekultivierung“ oft wüst und leer erscheinen,
lösen bei vielen Besuchern den Reiz aus, einen neuen Ansatz jenseits
der objekthaft auszubeutenden Natur zu suchen. In die Rekultivierung
dieser Industriefolgelandschaften wird die Sehnsucht nach einer Einheit
von Mensch und Natur in kleinteiliger, differenzierter Kulturlandschaft
mit Wald, Wasser, Wiese projiziert. Diese Sehnsucht allein bringt noch
keine zukunftsorientierten Ziele gesellschaftlicher Reformen hervor.
Erst die „Auflösung der Einheit von Mensch und Natur“ schafft die
Voraussetzung, „dass der aufgeklärte Mensch, das Subjekt Mensch, diese
Trennung als Verlust einer Einheit empfinden kann. Das Sehnen nach der
Einheit Mensch – Natur setzt also die Trennung voraus. In diesem Sinne
reagiert schon die Romantik auf die Aufklärung.“ (Pütz 2001, S. 48)
Auch die Überlegungen für eine nicht allein retrospektiv zu
entwickelnde Lausitz-Landschaft der Zukunft müssen auf dieser Grundlage
aufbauen.
Landschaft als Sinnstiftung
Wir können nicht zurück zur Natur außerhalb unserer Kultur. Deshalb ist
es um so wichtiger zu begreifen, dass auch unsere Ideen von Natur und
Landschaft kulturelle Ideen sind, entstanden im Kontext unseres
vernunftbestimmten Weltverständnisses. „Natur als Landschaft ist Frucht
und Erzeugnis des theoretischen Geistes“ (Ritter 1963, S. 146).
Heute begegnet uns Natur als abstrakte Natur in Form der Naturgesetze,
sowie als konkrete Natur in gesellschaftlich angeeigneter bzw.
ausgebeuteter Form (ökonomisch-funktionale Perspektive). Hinzu kommt
die Natur als ästhetisches Bild. Diese dritte Form der Definition von
Natur als Bild einer Landschaft ist im Gegensatz zu den beiden anderen
Definitionen offen, da sie auf das vage, nicht eindeutige, d. h. nicht
objektive ästhetische Geschmacksurteil, das auf Schönheit und
Erhabenheit bezogen ist, rekurriert.
Zugleich vermittelt die Natur als das Gegenüber von Mensch und
Gesellschaft, als ästhetisch angeschaute Landschaft auch ethische und
moralische Werte, deren Bedeutung seit der Romantik mit einer Bedrohung
der Landschaft wie dieser Werte assoziiert wird.
Aufgrund der relativen Offenheit im ästhetischen Urteil, verbunden mit
der „Nichtdefinition“ von Natur als dem Anderen, bietet sich die
ästhetisch angeschaute Natur in Form von Landschaft als
„Projektionsfläche“ von Sinn an. Landschaft wird als Vision, als
Spiegel von Ganzheit, als Ausdruck des Kosmos zur Vision von der
harmonischen Einheit von Mensch und Natur. Dieses Bild ist
gesellschaftlich determiniert. Wir erzeugen den Sinn, den wir im Bild
der Landschaft wahrnehmen, mittels unserer Einbildungskraft selbst.
(Vgl. Pütz 2001, S. 49ff.)
Das Bild der Landschaft, das jeweils für diesen Sinn steht, hat sich im
Laufe der gesellschaftlichen Veränderungen ebenfalls gewandelt. Im
Absolutismus war der König der gottgleiche Herrscher und Sinnstifter.
Ein Zeichen seiner allmächtigen Herrschaft war die Beherrschung der
Natur, wie sie in der Gartenkunst des Barock zum Ausdruck gebracht
wird. Die geometrischen und ornamentalen Formen sind achsial auf ein
Schloss ausgerichtet und verweisen somit auf die göttliche Macht des
absolutistischen Herrschers im Zentrum der Landschaft. Das Bild der
schönen (gezähmten) Natur ist der Barockgarten, der auf die sinngebende
Instanz, den Absolutisten, verweist.
Mit der Aufklärung wird die Natur selbst zum Ausdruck des Ganzen, des
Göttlichen. Die optimal eingerichtete Natur wird zur sinngebenden
Instanz. Der Mensch versteht sich selbst als oberstes „Naturwesen“ und
damit als perfektester Ausdruck der Schöpfung. Um dies unter Beweis zu
stellen, baut der Mensch die Natur in optimierter Form nach, um dadurch
die Einheit von Mensch und Natur im Bild darzustellen. Dies kommt in
der Gestaltsprache des Landschaftsparks zum Ausdruck. Der
Landschaftspark erzeugt ein Bild scheinbarer Harmonie von Mensch und
Natur. Der Mensch, der den Landschaftspark gestaltet, schafft, so die
legitimierende Argumentation, mittels dieses harmonischen Bildes den
Beweis, dass der Mensch oberstes Naturwesen ist und die Natur
sinngebende Instanz.
Diese völlig unterschiedlichen Bilder von schöner gestalteter Natur –
Barockgarten und Landschaftspark – verweisen also jeweils auf eine
sinngebende Instanz. Ihre gesellschaftliche Funktion als Verweis auf
Sinn bleibt gleich, doch die Art des Verweises und damit die Art des
Bildes der jeweils als schön verstandenen Parkanlage bzw. Landschaft
ändert sich entsprechend der jeweiligen gesellschaftlichen
Verhältnisse. Es wird deutlich, dass die Sinnfrage, die Suche nach der
verlorenen Einheit von Mensch und Natur, nicht losgelöst vom Menschen
existiert, sondern gesellschaftlich vermittelt ist. „Eine moderne
Ästhetik der Natur kann und darf nicht verleugnen, dass ‚Natur‘ im
geschichtlichen Wandel ihrer Erscheinungen ein Produkt menschlicher
Anschauung und Erkenntnis ist und dass erst eine ästhetische
Wahrnehmung der Dinge die Entdeckung einer Natur in Form von ästhetisch
angeschauter Landschaft, die das vergangene Sinnganze repräsentiert,
ermöglichte.“ (Pütz 1995, S. 98, vgl. dazu auch Jauss 1989, S. 20ff.).
Reflektiert man nun die gesellschaftliche Konstitution der Sinnebene im
Landschaftsbild nicht, entsteht die Annahme, dass man nicht nur das
Bild einer Landschaft erzeugt, sondern eine konkrete Einheit von Mensch
und Natur herstellen zu können glaubt.
Die Fehlannahme lautet: durch das Bauen einer romantisch orientierten
Landschaft mit Wäldern, Seen und Wiesen wären auch die ökonomischen
Probleme, die sich aus dem Wandel der konkreten Aneignung von
Landschaft durch Arbeit ergeben, gelöst.
Landschaft als Illusion
Wir können zwar ein Bild einer schönen Landschaft im konkreten Raum
umsetzen. Zunächst ändert dies jedoch nichts an der ökonomischen
Situation. Wenn das gebaute Bild nicht der aktuellen ökonomischen
Aneignungsform entspricht, sondern Ausdruck einer historischen
Aneignungsform (z. B. der kleinbäuerlichen Agrargesellschaft) ist,
lenkt das Bild vielmehr von der realen ökonomischen Situation und den
damit verbundenen Problemen ab. Denn der Blick auf die
gesellschaftliche Realität der landschaftlichen Aneignung wird so
gerade verstellt. Es besteht die Gefahr, dass das Bild mit der Realität
verwechselt wird. Doch gerade darauf basiert die diffuse Hoffnung, dass
das Bild, wenn es denn gebaut ist, die Probleme schon lösen wird.
Selbstverständlich ist es legitim, solche Landschaften im Sinne einer
self-fulfilling prophecy zu bauen. Man sollte jedoch nicht allein
aufgrund der Umsetzung des Bildes auf die Lösung der strukturellen
Probleme hoffen.
Zusammenfassend kann man sagen: Ökonomische Probleme,
Landschaftsaneignungskrisen lassen sich nicht nur über schöne Bilder
lösen. Allerdings können schöne Bilder Auslöser für Visionen sein, die
dann selbst zu ökonomischen Anreizen führen. Dies gelingt aber nur
dann, wenn die neuen Landschaften den Bedingungen des Marktes
entsprechen. Diese Ebene der Betrachtung kann allein durch schöne
Bilder nicht ersetzt werden.
In der mitteleuropäischen Transformationsgesellschaft ist die Phase der
industriell-ökonomisch dominierten Aneignung von Natur gerade
abgeschlossen. Es beginnt, und zwar inklusive aller romantischen
Gefühle, die in der Geschichte typisch sind gerade für solche
Transformations- bzw. Konversionsphasen, in denen ein hohes Maß an
gesellschaftlicher und individueller Verunsicherung besteht und man
nach vertrauten, harmonischen Bildern sucht, nun die nächste Phase –
eine neue Landschaftsökonomie mit neuen Bildern.
Loslösung vom konkreten Raum
Im Laufe des historischen Modernisierungs- und
Rationalisierungsprozesses wurde die Aneigung von Natur immer weiter
optimiert. Dies hatte zur Folge, dass bereits durch Aneignungsprozesse
geprägte Landschaften durch eine neue, rationellere Form der
Naturaneignung abgelöst wurden. In einer Art Schichtung wurde eine
Landschaftsaneignung mit ihren spezifischen räumlichen Ausprägungen
durch die nächste überlagert. So wurde zum Beispiel die vorindustrielle
Landwirtschaft mit ihren kleinteiligen Feldern, Wiesen, Weiden, Hecken,
Feldwegen, Dörfern und Wäldern großflächig von der industrialisierten
Landwirtschaft mit ihren weiten Schlägen, Äckern, Monokulturen und
landwirtschaftlichen Industriebetrieben verdrängt. Die Landschaft der
industriellen Landwirtschaft wiederum wurde – beispielsweise in der
Lausitz – vielfach abgelöst durch die Ausbeutung der Landschaft in Form
des industriellen Braunkohletagebaus. War die Lausitz um 1850 noch dünn
besiedelt und die Landschaft der feuchten Urstromtäler und wasserarmen
Landrücken vorwiegend landwirtschaftlich genutzt, so machte der
Braunkohletagebau seit Ende des 19. und vor allem im 20. Jahrhundert
die Lausitz zu einem führenden Kohle- und Industrierevier. In der
Lausitz wurde in den achtziger Jahren 2/3 der gesamten
Braunkohleförderung der DDR abgebaut (vgl. Fritz 2000, S. 16).
Typisch für diese Aneignungsprozesse ist die enge Bindung an die
‚Natur‘ und damit an bestimmte Landschaftsräume, da die ‚Natur‘ bisher
immer das Objekt darstellte, das es zu bearbeiten bzw. auszubeuten galt
(als Objekt und als Ressource).
In unserer heutigen Dienstleistungsgesellschaft hat sich demgegenüber
die Wertschöpfung sehr stark vom konkreten Ort, von der Aneignung des
Bodens gelöst. Der fortschreitende Modernisierungs- und
Rationalisierungsprozess ist in eine neue Stufe getreten. Arbeit
erfolgt immer mehr als geistige Dienstleistung. Der unmittelbare Bezug
zu Raum und Zeit löst sich tendenziell auf. Dabei ist der
Modernisierungsprozess als Ausdifferenzierungsprozess zu verstehen:
Neben den weiterhin bestehenden gewerblichen, auch körperlichen
Arbeitsprozessen mit unmittelbarem Bezug zu Raum und Naturressourcen
steigt der gesamtgesellschaftliche Anteil an räumlich ungebundenen
Arbeitsprozessen des Wissenstransfers kontinuierlich an und wird zur
gesellschaftsprägenden Arbeitsform.
Welche Folgen hat diese Entwicklungstendenz für unser Landschaftsverständnis, für das Produkt Landschaft?
Ansätze einer neuen Landschaftsökonomie
Die Loslösung der Wertschöpfung mittels Arbeit vom konkreten Raum führt
dazu, dass sich über die bisherigen „Aneignungsschichten“ – nicht wie
bisher üblich – eine neue Aneignungsschicht ausbreitet. Die
industrielle Ausbeutung der Naturressourcen zieht sich (zumindest in
Mitteleuropa) aus der Fläche zurück. Vielmehr fallen weite Teile
unserer Landschaft aus der Nutzung. Sie werden als Objekte von Arbeit,
Aneignung und Ausbeutung nicht mehr gebraucht. So sind beispielsweise
in der Lausitz seit 1990 „12 Tagebaue, 22 Brikettfabriken, 16
Kraftwerke, 2 Kokereien und ein Gaswerk geschlossen worden“ (Fritz
2000, S.17).
Zwar weist Hanno Rauterberg zurecht darauf hin, das „in Deutschland ...
täglich 130 Hektar Boden versiegelt“ werden (Rauterberg 2002). Es gibt
also weiterhin eine Inanspruchnahme von Raum. Dieser wird jedoch fast
ausschließlich für den Bau von Straßen und Häusern verwendet. „Die
Speckgürtel um die Städte wachsen, alte Wohnquartiere veröden. ... Das
Nichts breitet sich immer weiter aus.” (Ebd.) Es findet ein
Ausdifferenzierungsprozess im Raum statt. Einerseits steigt der
Landschaftsverbrauch, die Aneignung von „Natur“ im peripheren Umfeld
von Ballungsräumen vor allem in Folge eines stetig steigenden
Wohnflächenbedarfs (Wohnen im Eigenheim auf der grünen Wiese).
Andererseits fallen weite Landschaften, vor allem solche der
industriellen Produktion, brach. Nicht mehr „genutzt“ werden vor allem
solche Räume, die einem hohen Veränderungsgrad durch industrielle
Ausbeutung ausgesetzt waren, deren Rohstoffe abgetragen oder deren
Mehrwerte abgeschrieben wurden, und die nun in Form „verbrannter” Erde
zurückbleiben, um binnen kürzester Zeit aus dem ökonomischen
Verwertungsdruck herauszufallen.
Die Wunden-Metapher
Betrachtet man diese Flächen aus dem ästhetischen Blickwinkel, so
stellt man fest, dass diese Landschaften in ihrem Erscheinungsbild
stark durch die Spuren der industriellen Ausbeutung geprägt sind.
Riesige Tagebaurestlöcher, Abraumhalden, Industriebrachen und
zerfallene Fabrik- und Gewerbebauten, auch aufgelassene Militärflächen
entsprechen nicht den in der alltäglichen Erwartungswelt verankerten,
tradierten Bildern einer schönen Landschaft. Im Gegenteil, oft wird das
Bild der ausgebeuteten Landschaft zum Synonym für den gesamten
Ausbeutungs- und Veränderungsprozess. Das Tagebaurestloch steht dann
beispielsweise in den Köpfen als Bild für ökologischen Raubbau, Verlust
an Bedeutung, Untergang einer Wirtschaftskultur, Angst, Verlust an
Arbeitsplätzen. Das Bild des Tagebaurestloches wird zum
Kristallisationspunkt des negativen Images einer Region. So schreibt
beispielsweise Gottfried Richter, Amtsdirektor des Amtes Kleine Elster
in der Niederlausitz: „Die Braunkohle – ihre Förderung um jeden Preis –
hat diese Landschaft verändert und geprägt, geblieben sind viele
Wunden. ... 1992 wurde der Tagebau geschlossen, verstummte das
Kreischen der Kohlebagger, endete der Raubbau an der Natur, aber es
verloren auch tausende Bergleute und Energiearbeiter ihre Arbeit“.
(Richter 2000, S. 21) Reagiert wird in der Lausitz auf diese
Situationswahrnehmung auf dreierlei Weise.
Rekultivierung – die Lausitz als klassische Wald- und Seenlandschaft
Die klassische Form des Umgangs mit solchen Landschaftsräumen besteht
darin, die Spuren der industriellen Ausbeutung zu verwischen, zu
‚heilen‘. Diese Strategie der Rekultivierung hat meist zum Ziel, einen
(früheren) Kultivierungszustand einer Landschaft wiederherzustellen,
oder zumindest eine Landschaft zu bauen, die dem Ideal einer schönen
Landschaft entspricht. Argumentiert wird u. a. auf der Grundlage eines
Ausgleichsgeschäftes mit der „Natur“. Eine veränderte (=zerstörte)
Naturlandschaft soll wiederhergestellt werden, indem ein natürlich
anmutendes Kultur-Landschaftsbild (wieder) entsteht. Dieser
nachsorgende Ansatz ist in den Bergbaufolgelandschaften als
Pflichtaufgabe der Betreibergesellschaften bzw. ihrer staatlichen
Nachfolgegesellschaften verankert und gehört zum guten Stil einer
Ingenieurskultur. Spurenloses Wirken.
„Die Sanierung der ... Tagebaue orientiert sich ... an den Auflagen der
Abschlussbetriebspläne. Im Vordergrund steht dabei die Gefahrenabwehr
und die Wiedernutzbarmachung der beanspruchten Flächen. Die Böschungen
sind inzwischen zu 2/3 stabilisiert, 50 % aller Flächen sind inzwischen
rekultiviert. ... Die Hälfte der heutigen Betriebsflächen wird in Seen
verwandelt, es werden 13.600 ha Sukzessionsflächen und 8.000 ha Forst
entstehen.“ (Fritz 2000, S. 17f.)
Das Problem besteht nun aber darin, dass es zurzeit keine ökonomisch
tragfähige Kultivierungsform gibt, die eine aus der Nutzung gefallene
Kultivierung ablöst. Es existiert bisher kein Verwertungsinteresse für
die ausgebeutete Landschaft des Braunkohletagebaus.
Um dem negativen Image der Landschaft zu begegnen, wird eine neues Bild
der Landschaft gebaut, Landschaft so inszeniert, als unterliege sie
einer ökonomisch tragfähigen Kultivierung. Dabei wird auf die
traditionellen, im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft eingeprägten
Bilder einer schönen Landschaft zurückgegriffen. Wie beschrieben werden
solche Bilder von Wäldern, Wiesen und See mit einer (scheinbaren)
Harmonie von Mensch und Natur assoziiert. Das gebaute Bild der
lieblichen Wald- und Seenlandschaft entspricht dann den positiven
Assoziationen im Kopf, was zu einem positiven Image der Landschaft
einer Region führen soll. Schöne Seen und Waldlandschaft sollen
Touristen anlocken und neue Arbeitsplätze schaffen, letztlich neue
Bewohner in die Region locken. Entscheidend für das Verhältnis von
Landschaft als Produkt und Landschaft als Betrachtungsgegenstand ist,
dass es sich um die Inszenierung eines gesellschaftlich positiv
besetzten Landschaftsbildes handelt, dem zunächst die Orientierung an
ökonomischer Aneignung weitgehend fehlt. Die neue Landschaft ist das
Ergebnis der Inszenierung eines Bildes, nicht das Produkt eines
ökonomisch bedingten Aneignungsprozesses.
Fraglich ist jedoch, ob die Inszenierung traditioneller, vertrauter
Bilder einer Landschaft ausreicht, um Besucher und neue Anwohner in
einer solchen Größenordnung anzulocken, dass das gebaute Bild eine
ökonomische Tragfähigkeit erlangt. Nur dann wäre das Bild einer
scheinbaren Mensch-Natur-Harmonie der romantischen Landschaft als
positiver Imageträger dauerhaft aufrecht zu erhalten.
Ästhetisierung des Vorhandenen – Die Lausitz als (Gesamt)kunstwerk
Eine zweite Variante, mit der Situationswahrnehmung des negativen
Images umzugehen, besteht darin, einen neuen Blick auf das Vorhandene
zu erzeugen. Das Bild der ausgebeuteten Braunkohlefolgelandschaft der
Abraumhalden und Tagebaulöcher wird nicht als schön empfunden. Wie
beschrieben werden zahlreiche negative Gefühle mit der
Tagebaufolgelandschaft assoziiert, weshalb die Landschaft einem
negativen Image gleichgesetzt wird. Ein distanzierter, aus diesem
Zusammenhang herausgelöster Blick auf die Landschaft wird zunächst
nicht eingenommen. Ziel der Ästhetisierung ist es deshalb, mittels
künstlerischer Inszenierungen des Vorhandenen den ästhetischen Blick
für die Tagebaufolgelandschaft zu schärfen und so im Kopf mit einem
Konversionsprozess zu beginnen.
Ein Beispiel dafür sind die vom „Spaziergangsforscher“ Bertram
Weisshaar angebotenen Spaziergänge durch Tagebau-Restlöcher. „Ein
Spaziergangsforscher führt entlang einer ausgewählten Route zu den
versteckten Schönheiten der Grube. Bergleute des Geländes würden diese
zumeist nicht finden, da sie in ihrer technischen Betrachtung des
Geländes gefangen sind. Die Techniker sehen Abraummassen,
Sümpfungswasser und gefährliche Erosion. Als Teilnehmer unserer
Exkursion werden sie jedoch auf dem Spaziergang verblüffende
Kegelfelder, einen malerischen See und faszinierende Erdbilder
zeichnende Erosionen entdecken. Spazierengehen ist also insbesondere
eine Angelegenheit, wie wir unseren Blick auf unsere Umgebung richten.“
(Weisshaar 2000, S. 103f.)
Der ungewohnte ästhetische Blick auf die Tagebaulandschaft kann mittels
künstlerischer Inszenierung geschult werden. Denn die Besonderheiten
von Kunstwerken und künstlerischen Inszenierungen besteht darin, eine
(zeitweilige) Distanz zum Alltag, zur ökonomischen und funktionalen
Eingebundenheit des Einzelnen zu erzeugen. Die ästhetische Distanz des
Künstlers wie des Rezipienten schafft Freiraum für Kreativität und
Fantasie. Die künstlerische Inszenierung des Vorhanden als etwas
besonderes, einzigartiges schult den ästhetischen Blick. Kunst regt an,
die Landschaft aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, das
Vorhandene schön zu finden.
Zur Umsetzung dieses Ansatzes sind keine großräumigen und aufwändigen
Umwandlungen (Rekultivierungen) der Landschaft nötig. Das Gelände
bleibt weitestgehend wie es ist. Die vorgefundene Landschaft wird
lediglich durch einzelne Kunstwerke, künstlerische Interventionen wie
z. B. Lichtinszenierungen, Objekten der bildenden Kunst oder
„Spaziergangskünstler“ ästhetisch überhöht.
Auf das Verhältnis von Landschaft als Produkt und Landschaft als
Betrachtungsgegenstand bezogen, konzentriert sich dieser Ansatz ganz
auf die Landschaft als Betrachtungsgegenstand. Von daher stellt dieser
Ansatz ein wichtiger Baustein hin zu den „Neuen Landschaften“ dar. Er
bezieht sich jedoch erst einmal auf eine „Zwischenlandschaft“. Diese
Zwischenlandschaft gilt als authentischer Ausdruck einer Landschaft und
einer „Gesellschaft, deren Verschwinden wir nun miterleben“ (Christ
2000, S. 73) Sie macht aufmerksam, sensibilisiert für das, was verloren
geht.
Ohne die tradierten Bilder der romantischen Landschaft zu kopieren,
rekurriert dieser Ansatz ebenfalls auf ein romantisches
Ästhetikverständnis. Er nimmt in den Stimmungen und Sehnsüchten, die
erzeugt werden, Bezug auf die vergangene schöne und erhabene Landschaft
einerseits und auf den Verlust eines bestimmten, gerade verschwindenden
gesellschaftlichen Verhältnisses von Mensch und Natur andererseits. Der
Blick ist primär auf das Vorhandene gerichtet. Visionen für „Neue
Landschaften“ auf der Basis ökonomischer Tragfähigkeit bleiben so aus.
Die ökonomische Aneignungsebene wird bei diesem Ansatz zumeist
ausgeblendet.
Festivalisierung – Die Lausitz als Produkt
Den beschriebenen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie beide von der
Inszenierung eines Bildes ausgehen. Auch der dritte Ansatz setzt auf
Inszenierung, geht jedoch viel offensiver mit der Inszenierung um,
indem diese nicht nur von der Seite des Bildes betrachtet und
angegangen wird. Eine große Rolle spielen bei diesem Ansatz ökonomische
Aneignungsmöglichkeiten: die Landschaft als Kulisse. Inszeniert wird
eine Fantasiewelt, eine Wunschwelt, eine Idylle oder eine
abenteuerliche Wildnis. Ein Beispiel ist das „Eden Project“ des
Architekten Nicolas Grimshaw in St. Austell im Südosten Englands. Hier
schält sich aus einem Tagebaugrund eine Halle, die an Fullerene
erinnert. Unter einer schützenden Haut wachsen in dem „Garten Eden“
Pflanzen der subtropischen und mediterranen Welt. Jährlich werden mehr
als 750.000 Besucher Edens erwartet, damit sich das Projekt rechnet.
Auch für die Lausitz gibt es Überlegungen, Projekte nach diesem Vorbild
zu realisieren: „Beispielsweise würde sich ein noch zum Kohleabbau
genutzter Tagebau, wie Welzow-Süd, gut für das Thema ‚Wüste – Oase‘
eignen, wobei das Oasenerlebnis durch eine phantastische
Grimshaw-Architektur verstärkt werden könnte.“ (see 3/2001, S. 8)
Bezug genommen wird auch hier auf bekannte ästhetische Bilder, auf
Idyllen, schöne, (scheinbar) konfliktfreie Räume wie das
‚Schlaraffenland‘ oder exotische Landschaften zum Anfassen (Tierparks,
Botanische Gärten, Biosphären, Erlebniswelten a la Disney).
Diese Welten bzw. Freizeitparks repräsentieren eine schöne heile Welt,
animieren zum Konsum von Atmosphären, von Stimmungen und Bildern, in
die man sich hineinbegeben, sich vertiefen kann, mit dem Ziel
abzuschalten, sich dem Alltag zu entziehen, zu konsumieren und sich in
einen Rauschzustand zu versetzen.
Dieser Ansatz rekurriert auf ein Ästhetikverständnis, wie es schon
Nietzsche heraufbeschwor. Die Welt als Jammertal, das Leben als
sinnloses Unterfangen. Die einzige Möglichkeit, damit fertig zu werden,
also dem Leben einen Sinn zu geben, den man mittels Vernunft und
Rationalität nicht mehr zu finden glaubt , ist es, sich zu entziehen,
das Dasein im ästhetischen Rausch zu ertragen oder zu genießen, den
Lebenssinn, die Selbstverwirklichung in der ästhetischen
Selbstinszenierung zu suchen. „Echt ist demnach nur das Unechte,
authentisch nur das Inszenierte.“ (Früchtel, Zimmermann 2001, S. 24)
Wie beschrieben wird bei diesem Ansatz großer Wert auf die Vermarktung
der Stimmungen und Atmosphären gelegt. Der Ansatz der Festivalisierung
nutzt den Raum als Produkt, eignet sich den Raum an, indem er ihn so
gestaltet, dass bestimmte, beim Nutzer und Betrachter abrufbare
Stimmungen erzeugt werden, die dann vermarktet werden können. Solche
Ort finden heute als Surrogate, als Sinnersatz großen Anklang.
Dementsprechend gut sind sie vermarktbar. Sie werden allerdings nur
dort realisiert, wo die Vermarktungsmöglichkeiten auch gegeben sind.
Ein wichtiger Faktor ist in diesem Zusammenhang das Einzugsgebiet für
Besucher und die infrastrukturelle Ausstattung (z. B.
Autobahnanschluss). Plaziert werden Großprojekte ausschließlich nach
ökonomischen Gesichtspunkten. Rechnet sich ein solches Projekt nicht in
der Lausitz, geht man halt irgendwo anders hin.
Brandscape - Aneignung heute
Zur Einschätzung dessen, was die beschriebenen Planungs- und
Gestaltungsansätze leisten können, welche gesellschaftliche Aufgabe dem
Schaffen „neuer Landschaften“ in der heutigen
Transformationsgesellschaft zukommt, ist zunächst ein Blick auf heutige
Aneignungs- bzw. Ausbeutungsformen wichtig. Ausgehend von dieser
Analyse kann der Versuch unternommen werden, die aktuelle
gesellschaftliche Aufgabe der ästhetisch inszenierten „neuen
Landschaft“ zu beschreiben, um daraus Hinweise für die Suche nach neuen
Bildern vor allem für die altindustriell geprägten Orte und Regionen
wie z. B. die Niederlausitz oder das Industriedreieck Bitterfeld,
Dessau, Wittenberg („Industrielles Gartenreich“) abzuleiten.
Im Rahmen des gesellschaftlichen Ausdifferenzierungs- und
Globalisierungsprozesses findet wie bereits erwähnt in Mitteleuropa
eine starke Ablösung der Arbeitsprozesse vom konkreten Ort und von der
Ausbeutung des Bodens bzw. der Rohstoffe statt.
Die Ausdifferenzierung von Landschaftsräumen mittels Globalisierung
erfolgt in der heutigen Transformationsgesellschaft jedoch noch auf
anderer Ebene: der Ausbreitung des Einflusses multinationaler Konzerne
(= Marken) auf alle Lebensbereiche. Zurückzuführen ist diese
Entwicklung auf die in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts
entwickelte Idee, „dass Unternehmen in erster Linie Marken herstellen
sollten, keine Produkte“ (Klein 2002, S. 25). Bis dahin „galt es bei
den Unternehmen zwar als wichtig, einen Markennamen zu stärken, doch
das wichtigste Anliegen jedes seriösen Herstellers war die
Güterproduktion. Dieses Anliegen war das Evangelium des
Industriezeitalters.“ (Ebd.)
Kennzeichnend für die heutige Transformationsgesellschaft ist nun nicht
mehr die Produktion von Dingen, sondern von Marken. „Die Unternehmen
neuen Stils stellen nicht mehr in erster Linie Dinge her, sondern
Markenimages. Ihre eigentliche Arbeit bestand nicht mehr in der
Herstellung, sondern in der Vermarktung.“ (Ebd., S. 26)
Hierin liegt die Nähe zur Konversion der Kulturlandschaften nach der
industriellen Ausbeutung begründet. Wenn es nicht mehr um die
Produktion von Gütern geht, worin besteht dann heute der Aneignungs-
und Ausbeutungsprozess von Landschaften? Was wird angeeignet?
Für die Herstellung einer Marke benötigt man andere Werkzeuge als die
Maschinen des Industriezeitalters. Die Herstellung einer Konzernmarke,
eines Markenimages erfolgt als Aneignung auf drei Ebenen: es bedarf
einer endlosen Reihe der Markenerweiterung, einer permanenten
Erneuerung der Bildersprache für das Marketing und vor allem neuer
Räume – „New Spaces, um das Selbstverständnis der Marke zu verbreiten“
(ebd. S. 27). Der beschriebene radikale Wandel in der
Unternehmensphilosophie hat „eine kulturelle ‚Fressgier’ ausgelöst, mit
der sie, um ihre Marken aufzublähen, jede Nische noch unvermarkteter
kultureller Landschaft verschlingen“ (ebd., S. 31). Die Folgen einer
sich konsequent ausbreitenden aggressiven Markenidentität ist die teils
offene, teils verdeckte Besetzung des öffentlichen und des
individuellen Raumes. Die Aneignung erfolgt also heute primär durch die
Einverleibung von Ideen, von Kultur, von Zeitgeist, von Bildern, von
Landschaft, von öffentlichem, individuellem und vor allem von noch
nicht vermarkteten Räumen. Konkurriert wird um den ‚konzeptionellen
Mehrwert‘ der Produkte, der de facto nur aus Marketing besteht. (Vgl.
ebd., S. 34)
Ziel einer Marke ist es, eine emotionale Verbundenheit mit ihren
„Kunden“ zu knüpfen. „Wer bei Starbucks ansteht“, schreibt Starbucks
CEO Howard Shultz, „will nicht nur einen Kaffee. ‚Es kommt ihm auf die
romantische Kaffeeerfahrung an, auf das Gefühl von Wärme und
Gemeinschaft, das man in den Starbucks-Geschäften bekommt’.“ (Shultz
1997, zit. n. Klein 2002, S. 5)
Heute werden selbst aus Industriestädten Markenlandschaften (der
Autostadt Wolfsburg steht tatsächlich eine WOB AG vor),
Unternehmensidentitäten nehmen die Formen von Parklandschaften an.
„Brandscapes“ tauchten im Jahr 2000 in der Begriffs- und Gedankenwelt
der Ökonomen, Werber, Planer und Philosophen auf. Der Begriff wird von
Peter Lau im Wirtschaftsmagazin Brand eins erklärt: „Die Idee des
Brandscape ist in dem esoterisch angehauchten Zweig des Marketings, der
sich mit Branding beschäftigt, also dem Stilisieren einer Marke zu
einem Charakter, ein relativ neues Konzept. Räume sollen die Marke,
ihre Werte und Eigenschaften verkörpern, das Erleben des Raums wird zum
Markenerlebnis.“ (Lau 2000, S. 114)
Bemerkenswert ist die Karriere des Brandscape-Gedankens. Neben der
VW-Autostadt in Wolfsburg, die allgemein als Musterbeispiel einer
Brandscape anerkannt wird, gibt es inzwischen nicht nur den als
Brandscape geplanten Adidas-Park („action scape Adidas World of
Sports“) am Stammsitz Herzogenaurach, sondern die „Brandscape“ hat die
vorwiegend konservativ geführte Debatte um den Wiederaufbau des
Berliner Stadtschlosses ebenso erreicht wie die Medienkritik an Peter
Sloterdijk, dessen „Philosophisches Quartett“ in der Gläsernen
VW-„Manufaktur“ in Dresden für das Fernsehen aufgezeichnet wird. All
dies sind Brandscape-Bestandteile, und sie geben in ihrer bemerkenswert
zunehmenden Bezugsvielfalt zu der These Anlass, dass wir vom
Landschaftsbegriff noch einiges erwarten dürfen, wenn denn „Landschaft“
erfolgreich gekoppelt mit Marken- oder anderen Identitäten zur Ordnung
der neuen Welt beiträgt.
Der Ansatz, eine Landschaft herzurichten als Repräsentation einer
Botschaft, eines Einflusses, einer Macht, ist selbstverständlich nicht
neu. „Seit es Macht gibt, gibt es Inszenierungen der Macht,
insbesondere räumliche, von Ehrfurcht gebietenden Monumentalbauten bis
zu einschüchternden Thronsälen“, schreibt Peter Lau. Dies wurde im
Kapitel „Landschaft als Idee“ dieses Textes geschildert. „Neu ist
jedoch der Gedanke der Partizipation. Anstatt die Inszenierung als
Trennmittel zwischen Inszeniertem und Betrachter zu benutzen, soll der
Besucher eingebunden, zum Teil der Markenwelt werden.“ (Ebd., S. 114)
Inszenierung der Landschaft als Gefahr und Chance
Unter dem Mantel der Marke, symbolisiert durch das „Logo“, werden
Ideen, Bilder und Stimmungen produziert. Ziel ist es, durch die
Inszenierung von Landschaften Atmosphären zu erzeugen, die zu einer
hohen Identifikation des Einzelnen mit dem Ort und gegebenenfalls mit
einer „Marke“ führen. Die mit dem Erlebnis der Selbstinszenierung
verbundene positive Stimmung soll zu einem bestimmten Konsumverhalten
anzuregen.
Im Gegensatz zu klassischen Parkanlagen stehen Freizeit- und
Markenparks (Brandscapes) unter einem enormen Rentabilitätsdruck. Die
Fantasiewelt muss sich rechnen, entweder über hohe Einnahmen durch eine
Vielzahl an zahlenden Besuchern (Disneyworld), durch Merchandising oder
durch eine hohe Identifikation mit der Marke, was in der Folge auch ein
der Marke entsprechendes Konsumverhalten nach sich zieht (Autostadt
Wolfsburg).
In beiden Fällen ist der Erfolg von der gelungenen Identifikation des
Einzelnen mit der inszenierten Atmosphäre abhängig. Es geht darum, sich
als Teil der Erlebnisgesellschaft zu fühlen. Dies geschieht über eine
hohe Identifikation mit einer „Landschaft“, eines Images im Dienst
einer Marke.
Es handelt sich dabei um Adaptionsprozesse, die in jeder einzelnen
Person vorgehen, die aber letztlich bei allen gleich ablaufen. Sie
müssen dies auch, denn nur dann erfolgt bei allen Besuchern die
gewünschte positive Stimmung und die angestrebte Identifikation mit dem
Objekt bzw. der Marke. Mittels ästhetischer Inszenierung wird ein
Wir-Gefühl erzeugt, ähnlich eines Rausches oder wie auf einem Fest, was
wiederum zu einer hohen Identifikation führt, da dank der ästhetischen
Inszenierung das positive Gefühl mit einer Marke gleichgesetzt bzw. mit
ihr assoziativ verbunden wird. Ästhetische Gestaltung von Landschaft
bedeutet hier primär die Inszenierung vorab festgelegter und
kalkulierter Stimmungen, die mittels eines räumlichen Erlebens dieser
Landschaft abgerufen werden können.
Damit geht jedoch der mit dem ästhetischen Urteil verbundene Freiraum
für individuelle geistig kreative Leistungen, die nicht vorinszeniert
sind, verloren. Die besondere Qualität des ästhetischen Urteils, das
freie Spiel der Einbildungskraft wird durch eine Scheinfreiheit, eine
inszenierte Freiheit ersetzt, indem der Einzelne für ihn inszenierte
Stimmungen scheinbar zufällig reproduziert, ohne zu reflektieren, dass
dies, was er erfährt, nicht primär seinem eigenen freien Spiel der
Einbildungskraft entspringt, sondern er lediglich nachempfindet, was
andere für ihn vorempfunden haben. Dies geschieht nicht mit dem Ziel,
das Subjekt zum freien Spiel der eigenen Einbildungskraft anzuregen und
selbst auf neue Dinge und Zusammenhänge aufmerksam zu werden, sondern
den Konsumenten durch Rausch, Spiel und Spaß abzulenken, indem er sich
als Teil der Marke aufgehoben fühlt.
Die ästhetische Inszenierung von Raum, von Landschaft birgt vor dem
Hintergrund der aktuellen Markenbildung eine Gefahr und eine Chance
zugleich. „Die Karriere des Inszenierungsbegriffs ist insgesamt
charakteristisch für eine vieldeutige Konstellation des ästhetischen
Diskurses, die sich gleichermaßen von den Postulaten traditioneller
Ästhetik wie von denen einer Ästhetik der Moderne des adornoschen Typus
entfernt hat. Die Situation ist normativ widersprüchlich. Einerseits
wird die Einmaligkeit und Intensität inszenierter Ereignisse
hervorgehoben, andererseits aber auch der Verdacht geäußert, dass im
Stadium der ‚Postmoderne‘ alle ästhetischen Prozesse letztlich nur
Inszenierungen einer als selbstbezügliches System der Kommunikation
sich reproduzierenden ‚Kunst der Gesellschaft‘ (vgl. Luhmann 1995)
sind.“ (Früchtel, Zimmermann 2002, S. 32). Inszenierung, Ästhetik und
Kunst scheinen sich „jener faktisch übermächtig gewordenen Peripherie
anzunähern, die die kulturindustriell gesteuerte Ästhetisierung aller
Lebensbereiche innerhalb unserer ‚Erlebnisgesellschaft‘ betrifft“
(ebd., S. 32).
Vor allem in der temporären oder dauerhaften Inszenierung des
öffentlichen Raumes / Freiraumes stoßen ästhetische Funktion und
Inszenierung der Macht aufeinander. Diese Inszenierung läßt sich „von
der Kunstpolitik der Kirchen und Höfe über die Inszenierungen des
totalitären Staates im 20. Jahrhundert bis zur Ausstattung von
Einkaufszonen in den städtischen Zentren der Gegenwart verfolgen“
(ebd., S. 41, vgl. auch Durth 1977).
Die Lausitz als Logo?
Aufgrund der neuen, alles vereinnahmenden Dimension des Machtfaktors
Marke drohen die Gesten künstlerischer Inszenierung „in der Übermacht
der Konsumzeichenwelt unterzugehen“ (Früchtel, Zimmermann 2002, S. 42).
Im Rahmen des gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesses löst sich
nicht nur die Marke vom Produkt, sondern auch die Kunst vom Kunstwerk.
Dies gilt auch für die räumliche und die Wahrnehmungs-Identität einer
Landschaft. So kann letztlich nicht nur alles zur Marke werden, sondern
auch alles zur Kunst. Die Grenzen zwischen künstlerischer Inszenierung
und Inszenierung der Marke als Atmosphäre verschwimmen, werden immer
unklarer. „Alles kann zum ästhetischen Ereignis werden, wenn es in
einem bestimmten Kontext dazu erklärt wird, und alles läßt sich auf
solche Weise dem Ereignisfluss des eigenen Lebens anverwandeln.“ (Ebd.)
Künstler wie die CEO’s der Marken verfolgen dabei die gleiche
Strategie, indem sie im fiktiven Raum leibhaftig neue Rollen entwerfen,
mit dem Ziel, den Einzelnen als ästhetisches Konstrukt vorzuführen.
Der Unterschied besteht lediglich darin, dass der Künstler auf die
Pluralität des Subjekts aufmerksam macht, während das Bestreben der
Konzerne darin besteht, den Einzelnen unter der Marke zu subsumieren.
Dabei hat der Künstler, auch der Landschafts-Künstler und
Landschaftsgestalter im Kampf um die „Ressource Aufmerksamkeit“ (vgl.
Kunstforum International 1999/2000, Bd. 148) gegenüber den perfekten
Markeninszenierungen der Global Player kaum eine Chance. „Die
Fortsetzung des vor fast einem Jahrhundert begonnenen Spiels der
Selbstinszenierung ist heute für Künstlerinnen und Künstler, die sich
noch dem Kriterium der Authentizität und der Gegen-Inszenierung im
Dienste eines ästhetisch avancierten Ausdrucks verpflichtet fühlen,
prekärer denn je, legt dieses Spiel doch immer entscheidender den
Übertritt in jene beherrschende Sphäre des starring, self-fashioning
und life-styling nahe, die die öffentliche Wahrnehmung immer stärker
prägt und die Grenze von Kunst und Leben nach der alltäglichen Seite
hin aufzulösen beginnt.“ (Früchtel, Zimmermann 2002, S. 43)
Gerade in Zeiten eines ubiquitären Gebrauchs der Begriffe Ästhetik,
Kunst und Inszenierung ist das Bemühen um Differenzierung vordringliche
Aufgabe nicht nur bei der Schaffung neuer Bilder für neue Landschaften.
Es gilt der Wirkung der Markenwelten auf die ‚echten‘, nicht von VW
geprägten Städte, die nicht von Disney und Adidas vereinnahmten
Landschaften und öffentlichen Räume, der Wirkung auf die Kunst im
Gegensatz zu synergetischen Kulturprodukten wie auf die freie und
spontane Meinungsäußerung entgegenzuwirken.
Die emotionale Kraft der Markenwelten, der Brandings wie „Autostadt
Wolfsburg“ oder „Disneyworld“ liegt in ihrer Fähigkeit, eine (meist
nostalgische) Sehnsucht einzufangen und dann intensiv aufzublähen. Es
wäre jedoch falsch, sie als krassen Kommerz für die gedankenlosen
Massen abzutun. „Es sind – im positiven oder negativen Sinn –
privatisierte öffentliche Utopien.“ (Klein 2002, S. 170) Doch „trotz
ihrer polyethischen Bildersprache will die marktkonzentrierte
Globalisierung keine Vielfalt, sondern das genaue Gegenteil. Ihre
Feinde sind landestypische Gewohnheiten, lokale Marken und
unverwechselbare regionale Vorlieben“ (ebd., S. 145).
Zwei Strategien für die Lausitz
Fassen wir zusammen: Die besondere Qualität der ästhetisch gestalteten
Landschaft bzw. der ästhetischen Betrachtung dieser liegt darin, dass
sie aufgrund ihres Bild- bzw. Zeichencharakters in der Lage ist, auf
etwas zu verweisen. Wobei das ‚etwas‘ gerade offen, unbestimmt bleibt.
Im gelungenen künstlerischen Ausdruck verweist das geschaffene Bild auf
neue, so noch nicht betrachtete Zusammenhänge, auf etwas, was
gesellschaftlich virulent ist, ohne es begrifflich fassen zu können.
Landschaft entsteht im Kopf.
Für die Lausitz ist dieses Entstehen einer neuen regionalen,
landschaftlichen und wirtschaftlichen Identität vorerst ‚im Kopf‘ die
einzige Möglichkeit, neue Produktionsbedingungen zu schaffen. Erst
durch die Inszenierung von Zukunft voraussehenden ‚Scheinwelten‘ kommen
Touristen in die Region, entstehen Arbeitsplätze. (Darauf basierte auch
die Wirkung der Cargolifter-Idee als provinzielle
Zukunftsinszenierung.) Die Produktion solcher ‚Atmosphären‘ ist eine
wichtige Zukunftsaufgabe. Für die Lausitz könnte dieser Ansatz jedoch
eine untergeordnete Rolle spielen, da die unbedingt notwendigen
ökonomischen Rahmenbedingungen wie großes Einzugsgebiet, gute
Erreichbarkeit, Standort bedeutender Marken bisher nicht erfüllt sind.
Deshalb werden sich kurzfristig wahrscheinlich kaum Investoren finden,
die in diesen Standort (ohne Subventionen) investieren.
Um diese Nachteil aufzufangen, ist es jedoch um so wichtiger, neue
Landschaften, Atmosphären zu erzeugen, die Alleinstellungsmerkmale
aufweisen, die andernorts nicht möglich sind, und einen ganz besonderen
Reiz versprechen (und natürlich auch einlösen).
Denn die Logik der virtuellen Marken-Welten folgt nicht nur einem,
sondern immer zwei Prinzipien. Die aktive Entwicklung einer Marke
„Lausitz“ wird durch die Möglichkeit der Entdeckung einer Marke, eines
Trends ergänzt. Wer sich das Experimentieren erlaubt, und dafür
Zukunftsforschung und Landschaftsproduktion verbinden kann, hat die
besten Chancen, kraft kultureller Ausstrahlung erst zum ästhetischen
Erlebnis und dann zur Marke selbst zu werden. Gefragt sind Experimente
des Lesbarkeit neuer Kulturlandschaften. Selbst wenn nicht alle
gelingen werden.
Literatur
Christ, Wolfgang 2000: Zwischenlandschaft – Raum, Blicke,
Zeichen. In: IBA Fürst-Pückler-Land (Hg.) 2001: Dokumentation zur
Konferenz ‚Bergbaulandschaft und Bergbaugerät nach dem Bergbau’,
Großräschen.
Deleuze, Gilles 1987: Foucault, Frankfurt.
Durth, Werner 1977: Die Inszenierung der Alltagswelt. Zur Kritik der Stadtgestaltung, Braunschweig.
Fritz, Wolfgang 2000: Transformationen im Lausitzer
Braunkohlerevier. In: IBA Fürst-Pückler-Land (Hg.) 2001: Dokumentation
zur Konferenz ‚Bergbaulandschaft und Bergbaugerät nach dem Bergbau’,
Großräschen.
Früchtel, Josef; Zimmermann, Jörg 2001: Ästhetik der Inszenierung, Frankfurt/M.
Jauss, H.R. 1989: Studien zum Epochenwandel der ästhetischen Moderne, Frankfurt/M.
Kant, Immanuel 1974: Kritik der Urteilskraft. Frankfurt/M.
Klein, Naomi 2002: No Logo!, München.
Kunstforum International 1999/2000: Ressource Aufmerksamkeit. Ästhetik in der Informationsgesellschaft, Köln.
Lau, Peter 2000: Brandscapes – die Stadt als Markenlandschaft. In: Brand eins 10/2000, S. 114f..
Luhmann, Niklas 1995: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt/M.
Lyotard, Jean-Francois 1985: Immaterialität und Postmoderne, Berlin.
Nietzsche, Friedrich 1980: Sämtliche Werke, Bd. 1, München.
Pachnicke, Peter; Mensch, Bernhard (Hg.) 1999: Kunst setzt Zeichen. Landmarken-Kunst, Ausstellungskatalog, Oberhausen.
Pütz, Gabriele 1995: Schönheit – Sinn ohne Verstand. Zur
Bedeutung des Ästhetischen in der Landschaftsarchitektur: Eine Kritik
aktueller Diskussionen über Freiraumgestaltung, Berlin.
Pütz, Gabriele 2001: Die Lausitz als Idee einer Landschaft. In Friesen, H.; Führ, E. (Hg.) 2001: Neue Kulturlandschaften, Cottbus.
Pütz, Gabriele; Kornhardt, Diethild; Schröder, Thies (Hg.) 2002: Mögliche Räume. Bericht zur Fachtagung ‚Stadt schafft Landschaft’, Hamburg. Im Erscheinen.
Rauterberg, Hanno 2002: Leben im unheimlichen Heim. In: Die Zeit 19/2002
Richter, Gottfried 2000: Besucherbergwerk F60 in Lichterfeld.
In: IBA Fürst-Pückler-Land (Hg.) 2001: Dokumentation zur Konferenz
‚Bergbaulandschaft und Bergbaugerät nach dem Bergbau’, Großräschen.
Ritter, Joachim 1963: Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft. In: Ritter, Joachim 1974: Subjektivität, Frankfurt/M.
Schröder, Thies 1997: Natur als Idee, Frankfurt/M.
Schröder, Thies 1999: Inszenierte Naturen, Berlin Basel New York.
See. Das Magazin der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land, 3/2001.
Shultz, Howard 1997: Put Your Heart into It, New York.
Weisshaar, Bertram 2000: Reise ins Loch. In: IBA
Fürst-Pückler-Land (Hg.) 2001: Dokumentation zur Konferenz
‚Bergbaulandschaft und Bergbaugerät nach dem Bergbau’, Großräschen.
Welsch, Wolfgang 1990: Ästhetisches Denken, Stuttgart.
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