Thema | Kulturation 2/2004 | Die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn: Kultur | Michael Stoll | Berlins nächstgelegene Kommunalpartner im Osten – die westpolnischen Großstädte Beitrag
auf der Tagung "Die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn -
wirtschaftliche und kulturelle Aspekte der neuen europäischen
Situation" im Februar 2004 | Beitrag
auf der Tagung "Die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn -
wirtschaftliche und kulturelle Aspekte der neuen europäischen
Situation" im Februar 2004
Nach den Kriegstraumata war auch die Nachkriegsordnung im räumlichen
Vorfeld der neuen Westgrenze für Polen ungeeignet, gutnachbarliche
Beziehungen zur ehemaligen Hauptstadt des früheren Aggressors entstehen
zu lassen. Anders als z.B. im einfacheren Vergleichsfall Wien war die
Berliner Lage bis 1990 kompliziert: Als „Außenposten der Freiheit im
roten Meer" apostrophiert, war die schutz- und subventionsbedürftige
Insel Berlin (West) westorientiert - von Polen abgewandt -, hatte
Wirtschaftszentralität und Eliten verloren und war mit der
Bundesrepublik verbunden, die sich ob starker Vertriebenenverbände mit
der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze schwer tat. Die Politiker
Ostberlins - Hauptstadt des „Ostblock-Musterschülers" DDR - verstanden
sich als Wächter des "Schutzwalls" gegen den Klassenfeind auch für die
VR Polen (und oft als deren Oberlehrer). Zudem hielten in beiden
Teilstädten die Siegermächte des II. Weltkriegs (gegeneinander) die
Fäden in der Hand.
Wegen dieser Vorbelastungen und der nach der Wendeeuphorie in
Berlin als auch Polen folgenden Strukturkrisen konnten nicht sofort
enorme Zuwachsraten etwa beim Handel erwartet werden. Dennoch bestehen
mit der EU-Osterweiterung gute Voraussetzungen für eine nachhaltige
Intensivierung der gegenseitigen Kontakte zwischen Berlin und speziell
den westpolnischen Großstädten, wie dieser Beitrag ausführt.
Einleitung: Rahmenbedingungen Berlins im deutsch-polnischen Grenzraum
Als deutsch-polnischer Grenzraum wird hier der Flächenumgriff
eingesetzt, wie er in der Projektstudie "Aktualisierung der
Raumordnerischen Leitbilder für den Raum entlang der deutsch-polnischen
Grenze" per 15.05.2002 verwendet wurde (s. dortige Kartenanlagen nach
S. 42) und in unregelmäßiger Form ca. 100 - 200 km tief auf deutsches
und auf polnisches Staatsgebiet beiderseits der Grenze an Oder und
Neiße reicht
Siehe Karte 1 und Tabelle 1
Insbesondere auf polnischem Gebiet geographisch naheliegende
Arrondierungen wurden hier aber nicht vorgenommen, um den Quervergleich
zur vorgenannten Arbeit zu ermöglichen. Nach dortiger Definition bildet
dabei Berlins östliche, nur ca. 50 km per Luftlinie von der Oder
entfernte Stadtgrenze den Westrand des "Engeren Grenzraumes". Berliner
Stadtgebiet beginnt kaum eine Autostunde von der polnischen Grenze
entfernt.
Auch wenn die genaue Beurteilung der wirtschaftlichen Potentiale
und Chancen Berlins gegenüber dem künftigen EU-Mitglied Polen einer
vertiefenden Arbeit überlassen bleibt, soll hier die gängige
Erwartungshaltung in Erinnerung gerufen werden, die kurz nach der Wende
- nicht nur in Berlin - zur Zukunft dieser Stadt überwog:
"Mit der Vereinigung Deutschlands und der Wiedervereinigung Berlins
ändert sich die Situation Berlins, Deutschlands und Europas
grundlegend. Die in der Vergangenheit notwendige, aber oft auch
quälende Suche nach einer zukunftsträchtigen Funktion für die Stadt
erübrigt sich. Berlin fällt nun die Rolle zu, die es vor der Teilung
schon hatte und die sich aus seiner natürlichen Lage ergibt. Berlin
wird wieder zum wichtigsten Zentrum in der Mitte Europas. Es wird zu
einer Drehscheibe zwischen Ost und West, zu einem Magneten für die
Menschen östlich der Elbe und zu einer Brücke nach Polen und den
Ländern des weiteren Osteuropas." Dieser Textausschnitt entstammt einem
Beitrag von Berlins damaligen Regierenden Bürgermeister Walter Momper
für die Warschauer Zeitung "Zycie Warszawy" zum Tag der Deutschen
Einheit am 03.10.1990. Zwar hatte zu diesem Zeitpunkt schon das
Wegbrechen der Ost-Berliner bzw. DDR-Wirtschaftsstruktur begonnen, ihr
volles Ausmaß zeigte sich aber erst später. Dass zusätzlich auch die
bis dato von "Bonn" quasi subventionierte West-Berliner Wirtschaft
dramatisch schrumpfen und sich wandeln würde, war so tiefgreifend
offensichtlich noch nicht vorhersehbar. 11 Jahre danach lagen folgende
Fakten vor:
Siehe Tabelle 2
Diese Zahlen dokumentieren eine Dynamik des Wandels, der noch immer
nicht abgeschlossen ist; erste Stabilisierungen sind allerdings
erkennbar (z.B. bei der geringer werdenden Abwanderung von Berlinern
in's brandenburgische Umland und wieder leichten Bevölkerungsgewinnen
auch Berlins). Zwar sind in den letzten Jahren einige
Unternehmensansiedlungen als Erfolge für die überwiegend
mittelständisch geprägte Wirtschaft' der Stadt zu verzeichnen, dennoch
ist der Berliner Export in die mittelosteuropäischen (MOE-) Staaten
noch immer eher marginal (Polen als wichtigster MOE-Handelspartner z.B.
verkauft kontinuierlich bereits seit langem deutlich mehr nach Berlin
als es von dort einführt).
Vieles aber zu den laufenden Anpassungsprozessen lässt sich
allerdings nicht statistisch belegen (z.B. Schattenwirtschaft) oder
findet als Wissens-Export und -Import "in den Köpfen" statt. Gerade bei
letzterem spielen die großen Städte die entscheidende Rolle, sie sind
die Kontaktstellen, bieten Kultur und beeinflussen den Zeitgeist; in
ihnen wird Meinung gemacht, wissenschaftlich gearbeitet usw. Auch wenn
Berlins Wirtschaftszentralität vergleichsweise schwach ist, sind doch
die insgesamt in der deutschen Hauptstadt ablaufenden Vorgänge und
vorhandenen Angebote für Polen hoch interessant. So bildeten 1.260 im
Wintersemester 2001/02 eingeschriebene polnische Studenten die
innerhalb der damals rd. 138 Tsd. Studenten größte Ausländergruppe an
Berliner Hochschulen. Als Folge des deutschen Föderalismus und seiner
Länder-Kulturhoheit kann aber von einer auch nur quantitativen Dominanz
Berlins als "der" deutschen Kulturmetropole und Universitätsstadt nicht
gesprochen werden, das deutlich kleinere München hat z.B. etwa
gleichviel Studenten wie Berlin. Die dramatische Finanzlage der Stadt
erlaubt It. entsprechenden Senatsbeschlüssen aber noch nicht einmal ein
Festhalten an diesen jetzigen Studentenzahlen, die absolut nur halb so
hoch (pro Kopf der Bevölkerung also nur ein Viertel so hoch!) wie die
Studentenzahlen Warschaus liegen.
1.Städtevergleich Berlin-Warschau und der Großstädte Polens außerhalb des deutsch-polnischen Grenzraumes
Innerhalb des Zentralstaates Polen hebt sich Berlins offizielle
Partnerstadt Warschau/ Warszawa mit großem Abstand von den dort
nächstwichtigen Städten ab.
Siehe Tabelle 3
Anders als bei Berlin mit den wirtschaftsräumlichen Folgen des
Verlustes der deutschen Ostgebiete, der langen Nachkriegs-Teilung in
konträren Systemen, dem Partikularismus von 16 Bundesländern und der
-abgeschwächt - bis heute anhaltenden Ost-West-Bevölkerungswanderungen
ist die Zentralität Warschaus im kriegszerstörten und 1945 westwärts
verschobenen neuen polnischen Staatsgebiet vollständig
wiederhergestellt worden. Nach Bevölkerungsdezimierung durch die
Deutschen und unter den materiell widrigen Bedingungen Volkspolens
wurde Warschau wieder Hauptstadt mit allen diesbezüglichen Aufgaben
(Exekutive, Legislative, Judikative), und das führende Wirtschafts-,
Kultur- und Wissenschaftszentrum des 39 Mio. Einwohner zählenden
Nachbarstaates. Zwar machen Warschaus Einwohnerzahl (1,61 Mio.) genau
wie die 3,39 Mio. EW Berlins in Deutschland jeweils nur die gleichen
ca. 4,15 der Gesamtbevölkerung beider Republiken aus, Warschau
verkörpert aber eine ungleich höhere Zentralität für die Republik Polen
als Berlin für die Bundesrepublik Deutschland.
Folgerichtig hat auch die Arbeitslosigkeitsquote der polnischen
Hauptstadt das niedrigste Niveau (6,5) innerhalb des gesamten Landes
(Durchschnitt 18,8). In Deutschland mit seiner bundesweiten Quote von
12,5. liegt dagegen die eigene Hauptstadt Berlin mit 18,2 fast auf dem
ostdeutschen Durchschnittswert (alle Zahlen von Ende Februar 2003),
damit viel höher als in den großen Wirtschaftszentren auf dem Gebiet
der alten Bundesrepublik und auch höher als in den größten
westpolnischen Städten.
Gemäß der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit auf die benachbarten,
nach dem EU-Beitritt Polens stärker verflochtenen Räume Ostdeutschlands
und Westpolens wird auf das von Berlin per Luftlinie 520 km (zur Zeit 6
Bahn- bzw. 8 -11 Pkw-Stunden) entfernte Warschau und auf die mittig
sowie östlich gelegenen polnischen Großstädte im folgenden Text nicht
näher eingegangen. Wegen ihrer Größe und den daraus am ehesten
ableitbaren Vergleichbarkeiten bezüglich modernen Stadtmanagements
wären dort aus Berliner Perspektive neben der Hauptstadt ebenfalls
bedeutsam: Krakau / Krakow - vor Warschau Polens Hauptstadt bis zum
Jahre 1596, km-mäßig ähnlich weit von Berlin (aber über 3 Std. längere
Bahnfahrt); dann bereits etwas näher an Berlin die problembelastete
Städteballung im Raum Kattowitz/Katowice: 5 der 20 einwohnerstärksten
Städte Polens liegen allein hier und bilden mit weiteren Städten die
"Unterregion Zentralschlesien" (1.216 Quadratkilometer / 2,10 Mio. EW),
in Deutschland bekannter als "Oberschlesisches
Industrierevier/Gornoslaski Okreg Przemyslowy (GOP)". Entfernungsmässig
folgen dann Polens zweitgrößte Stadt - die ehemalige Textilmetropole
Lodz sowie die 760 Tausend EW insgesamt zählende "Dreistadt/Trojmiasto"
(mit den 3 Einzelgemeinden Danzig, Zoppot, Gdingen/Gdansk, Sopot,
Gdynia).
2. Kenndaten zur westpolnischen Städtestruktur
Nur 3 der 20 polnischen Großstädte bis ca. 200 Tausend EW sind in "Westpolen", hier definiert durch die 3 Grenzwojewodschaften Westpommern, Lebuser Land, Niederschlesien sowie das bereits ca. 80 km östlich der Oder beginnende Großpolen: Stettin, Posen und Breslau.
Siehe Tabelle 3
Im Berlin-nahen Lebuser Land finden sich oberhalb von 100 Tausend
Einwohnern nur Landsberg a.d. Warthe / Gorzow WIkp. und Grünberg /
Zielona Gora mit ca. 128 bzw. 118 Tausend EW, die ähnliche Dimensionen
wie Niederschlesiens Waldenburg/Walbrzych und Liegnitz/Legnica, das
westpommersche Köslin/Koszalin oder auch Brandenburgs Potsdam und
Cottbus haben.
Wegen des seit der Wende ablaufenden Frankfurter
Bevölkerungsrückganges zählt diese verkehrszentral gelegene Oderstadt
und ihre frühere Dammvorstadt / heute Slubice zusammen nicht mehr 100
Tausend EW, wie noch um 1990. Dies gilt im übrigen auch für die an der
Neiße liegende sächsisch-niederschlesische Doppelstadt
Görlitz/Zgorzelec mit ihrem erheblichen Einwohnerverlust auf deutscher
Seite. Die in einer bemerkens werten Kulturlandschaft liegende ehem.
Wojewodschaftsstadt Hirschberg/Jelenia Gora zählt 93 Tausend Einwohner.
Krzysztof Kraszewski (Berlin) hat die aus der deutschen und
polnischen Statistik ermittelten Bevölkerungs- und Arbeitslosen-Daten
zum Grenzraum kreisscharf tabellarisch und kartographisch
zusammengeführt:
siehe Karten 2 und 3 sowie Tabellen 4 a und 4 b
Neben den stark zwischen Großstädten und strukturschwachen
ländlichen Räumen kontrastierenden polnischen Daten sind die deutschen
(statistisch nur mit Einschränkungen vergleichbaren) Daten weniger
heterogen. Positiver Spitzenreiter im westlichen Polen ist Großpolen:
Hier hat die Stadt Posen/Poznan mit nur 7,4 Arbeitslosen einen deutlich
günstigeren Wert als Breslau/Wroclaw (12,8) und Stettin/Szczecin (15,5)
und liegt damit direkt hinter dem Warschauer Bestwert von 6,5 (alle
Werte Ende 2/2003). Die Einwohnerzahlen im polnischen Westen sind in
der Regel deutlich höher als zur deutschen Zeit, insbesondere
diejenigen einiger mittelgroßer Städte (z.B. Grünberg/Zielona Gora),
aber auch Posen hat stärkere Zugewinne gegenüber 1939 erzielt als
Stettin und Breslau.
Für Berlin sind die 3 Wojewodschafts-Hauptstädte Stettin, Posen und
Breslau, die zusammengenommen Warschaus EW-Zahl aufweisen, von
besonderer Bedeutung. Sie befinden sich luftlinienmäßig in einem
Umkreis von max. 300 km um Berlins Innenstadt (d.h. noch dicht genug
für 1-tägige Geschäftsreisen ohne Flugzeug) und hatten früher auch in
unterschiedlicher Dauer zu Preußen gehört, weisen daher auch noch
städtebaulich-infrastrukturelle Ähnlichkeiten mit hiesigen Städten auf.
Im folgenden wird daher eine Charakterisierung dieser 3 westpolnischen
Großstädte sowie die Benennung potentieller Kooperationsfelder aus
Sicht der Berliner räumlichen Planung vorgenommen:
3. Stettin/Szczecin(301 km2/416Tsd. EW)
Per Luftlinie liegen die Stadtmitten Berlins und der Hafenstadt an
der Oder nur 125 km auseinander, 3,6mal weiter (450 km) ist es dagegen
vom Stettiner Schloss der Pommernherzöge bis zum Warschauer
Stadtschloss - die längste Strecke zwischen Polens Hauptstadt und einer
anderen Großstadt im Lande.
Nach wechselvoller Vorgeschichte erst seit 1720 zu
Brandenburg-Preußen gehörend, entwickelte sich die pommersche
Provinzhauptstadt Stettin zum größten Hafen- und Werftstandort an der
Ostsee, erhielt aber durch Hamburg (s. auch Nord-Ostsee-Kanal) immer
stärkere Konkurrenz im Deutschen Reich. Nach weitgehender Übernahme der
Kohle- und Stahl-Standorte Oberschlesiens durch das 1918/19
wiedererstandene Polen (bald darauf neue "Kohlenbahn"
Kattowitz-Gdingen) ging weiteres wirtschaftliches Hinterland verloren.
Die schon seit 1843 bestehende Bahnstrecke nach Berlin, die
leistungsfähige Binnenschifffahrtsverbindung von 1914 und die neue
Autobahn seit den 30er Jahren aber erhielten Stettins Stellung als
"Berliner Ostseehafen" bis 1945. Die zahlreichen Sommerurlauber auf
Usedom und in Misdroy wählten allerdings meist die direkte Bahnfahrt
westlich an Stettin vorbei in weniger als 3 Stunden von Berlins großem
Stettiner Bahnhof an der Invalidenstraße nach Swinemünde, dem heutigen
Swinoujscie.
Besonders im Hafen und Altstadtbezirk durch Luftangriffe stark
zerstört, wurde aus dem deutschen Stettin im Sommer '45 das polnische
Szczecin und die z. T. zurückgekehrte deutsche Bevölkerung in der
Folgezeit ausgewiesen. Die Stadt erhielt in der ersten
14er-Wojewodschaftsgliederung (bis 1957) den Sitz der
Verwaltungsstellen praktisch des gesamten zu Polen gekommenen Teiles
von Pommern. Der erste Stadtpräsident Piotr Zaremba (selbst
Städtebauer) plante die Neuausrichtung der Stadt durch das Hafengebiet
nach Südosten (Richtung Posen/Warschau). Doch der Wiederaufbau währte
lange - zu weit war die Stadt von der neuen Hauptstadt Warschau
entfernt und zu nahe einer nur in politischen Parolen als gesichert
geltenden "Friedensgrenze": Nach dem Görlitzer Abkommen von 1950
versuchte die DDR z.B. noch längere Zeit (vergeblich), Sonderrechte im
Hafen Stettin zu erhalten. Nach Scheitern dieser Bemühungen ließ Walter
Ulbricht den Personenverkehr auf der Berliner Bahnstrecke unterbrechen
(für über 25 Jahre!) und den Konkurrenzhafen Rostock ausbauen (Erich
Honecker später zusätzlich Mukran als Fährverbindung nach Memel /
Klaipeda in der damaligen Sowjetunion - zur Umfahrung des wegen der
Solidarnosc-Bewegung politisch "unsicheren Kantonisten").
3.1 Wojewodschaftsgliederung und übergeordnete Verkehrsnetze Westpommerns
Bei der neuen 17er-Wojewodschaftsgliederung von 1957 wurde die
Stettiner Wojewodschaft mehr als halbiert, Hinterpommern nun von Köslin
verwaltet. Die östlich anschließende, erheblich kleinere Danziger
Wojewodschaft blieb unverändert. Unter Staatschef Edward Gierek wurde
1975 die Wojewodschafts-Anzahl auf 49 praktisch gedrittelt - im
pommerschen Gebiet gab es nun zusätzlich zwischen Köslin und Danzig
noch eine Administration in Stolp/Slupsk. Erst 1999 wurde diese
landesweite Zersplitterung wieder zurückgenommen - der Stettiner
Einfluss erreichte jetzt aber nicht mehr das '46er historisch
weitgehend korrekte Ausmaß: Neben dem im Osten gekürzten neuen
"Westpommern" entstand eine ahistorisch "Pommern/Pomorze" genannte
Wojewodschaft mit Verwaltungssitz Danzig.
Zusätzlich zum erst in den 20er Jahren vom wiedererstandenen
polnischen Staat als damals einzigen Hafenstandort entwickelten Gdingen
wurden in Danzig unter Gierek neue Kapazitäten für Öl und Kohle
ausgebaut ("Nordhafen/Port Polnocny") und der "Dreistadt" der direkte
Anschluss an eine neue Autobahn A 1 über Lodz nach Oberschlesien und
Krakau zugebilligt (teilweise bereits realisiert). Eine ähnliche
Nord-Süd-Autobahn-planung von Stettin in den niederschlesischen Raum
westlich Breslau und nach Tschechien (A 3) wurde aber inzwischen
bedeutungsmäßig von der Regierung in Warschau zur "Schnellstraße"
rückgestuft. Die innerpolnischen Rahmenbedingungen Stettins
verschlechterten sich also gegenüber der "Dreistadt", wohin von Stettin
aus dorthin seit Gierek keine größeren Bahn- oder Straßenausbauten
realisiert werden konnten.
Dadurch stagniert auch die Erreichbarkeit der polnischen
Ostseeküste von Berlin aus; obendrein wurde in 2000 die durchgehende
Zugverbindung Berlin - Stettin - Danzig ("Mare Balticum") eingestellt.
Umsteigefrei lässt sich Stettin derzeit nur mit einem (Regional-)Zug
täglich morgens direkt von Berlin erreichen (und abends zurück).
Umgekehrt fehlt eine auch von der Europaregion POMERANIA gewünschte
Direktzug-Verbindung von Stettin nach Berlin bisher, was - auch
angesichts schwer überschaubarer bzw. im Normalpreis gerade für Polen
zu teurer Bahntarife - einen regen und preiswerten Transfer polnischer
Kleinbusse z.B. direkt zum Flughafen Tegel zur Folge hat.
Stettin ist bisher nicht in den internationalen
TEN-Verkehrskorridoren enthalten, die Aufnahme wird jetzt von beiden
nationalen Verkehrsministerien angestrebt. Trotz vorhandener deutlich
höherer Kapazitäten (und weitergehender Ausbauplanungen der
Hafengesellschaft) stagniert der Güterumschlag im Verbund
Stettin-Swinemünde bei jährlich ca. 20 Mio. t - bei allerdings
steigender Personenabfertigung in Stettins Vorhafen Swinemünde, dem mit
Abstand größten Fährhafen in Polen (vor allem in's schwedische Ystad).
3.2 Mögliches ortsspezifisches Kooperationsprofil Berlin-Stettin
Nach dem Vorgenannten hebt sich als prioritäres Projekt nachhaltig
wirksamer Zusammenarbeit die Modernisierung und Angebotsverbesserung
auf der seit dem 15.08.1843, d.h. seit 160 Jahren bestehenden Berliner
Bahnstrecke hervor (dazu lief in Stettin als auch Berlin 2003 eine vom
Senat in Auftrag gegebene Ausstellung). Angesichts längst laufender
Modernisierung der Autobahn nach Stettin (fertig ca. 2007) und bereits
fortgeschrittener Ausbauplanungen für die Binnenschifffahrt (Neubau
Schiffshebewerk Niederfinow II, Ausbau Hohensaaten-Friedrichsthaler
Wasserstraße (HFW)) ist der Nachholbedarf bei der Bahn unübersehbar. Da
Polen anlässlich des EU-Beitritts ab 2004 mit höheren
Infrastrukturhilfen rechnen kann, wird eine binationale Vereinbarung
über beidseitige Infrastrukturausbauten und mittelbar auch
Kapazitätserweiterungen beim Zugangebot auf dieser Strecke
erforderlich. Ferner soll sie auf die TEN-Ebene gehoben werden.
Erste entsprechende Investitionsabsichten enthält deutscherseits
der neue Bundesverkehrswegeplan (BVWP 2003), danach ist von Berlin bis
Angermünde mit der Beschleunigung auf 160 km/h bis 2008 zu rechnen.
Gemeinsam mit Brandenburg und der Wojewodschaft Westpommern müssen die
Städte Berlin und Stettin gegenüber dem Bund, dem Warschauer
Infrastrukturministerium sowie der DB und PKP die Lobbyarbeit
intensivieren, um auch zwischen Angermünde und Stettin Fortschritte zu
erzielen (Fahrtzeitreduzierung auf unter 1,5 h durch Elektrifizierung
und volle Wiederherstellung der Zweigleisigkeit, bessere Zugqualität
und mehr Direktzüge zu günstigeren und einfacheren Tarifen).
Berlin und Stettin können ab Mai 04 auf grenzüberschreitende
Einzugsbereiche rechnen (besonders wirksam nach der allerdings erst
Jahre später folgenden Euro-Einführung und Schengen-Mitgliedschaft
Polens). Dem Stettiner Raum entstehen Lagevorteile durch die
Nachbarschaft zum Verkehrsknoten Berlin (bereits heute Flugverkehr
insbesondere von Tegel und künftiges Bahnkreuz über den neuen
Hauptbahnhof-Lehrter Bahnhof ab Mai 2006) sowie auf mehr Berliner
Besucher insbesondere beim Ostsee-Freizeitangebot Westpommerns. Im
weiteren Sinn können die Berlin-Stettiner Bahn, die A 11 (E 28) und der
Kanal als nordöstliche Verlängerung des europäischen Verkehrskorridores
IV (Prag/Wien/Budapest) angesehen werden (die Nordverlängerung liefe
nach Rostock, diejenige Richtung Nordwesten nach Hamburg).
Dem Ostseeverkehr Berlins könnte längerfristig ein ergänzendes
Infrastrukturprojekt Auftrieb verleihen - die Wiederherstellung der
direkten Bahnverbindung ab Anschlussstelle Ducherow über eine neue
Karniner Bahnbrücke nach Swinemünde (und weiter auf den deutschen Teil
Usedoms nach Ahlbeck etc.). Da polnischerseits eine feste Querung
zwischen den Inseln Usedom/Uznam und Wollin/Wolin angedacht ist,
könnten bei günstigen Rahmenbedingungen beiderseits der Grenze
"win-win-Effekte" entstehen (z.B. beim bisher noch nicht schnell genug
erreichbaren Swinemünder Fährhafen auf der Wolliner Seite).
Ferner ist darauf einzugehen, dass hinter der frappierenden
Ähnlichkeit weiter Teile von Stettins Innenstadt mit den
kaiserzeitlichen Mietshausblöcken Berlins eine plausible Ursache steht:
Ein beiden Städten gemeinsamer konzeptioneller Ansatz des
Stadtbauingenieurs James Hobrecht. Nachdem er (noch als Bauassessor)
1862 den nach ihm benannten "Bebauungsplan für die Umgebungen Berlins"
dem preußischen Polizeipräsidenten (!) abgeliefert hatte, wurde er als
Stadtbaurat nach Stettin berufen. Für die dort nach langer,
festungs-bautechnisch begründeter Einengung nun geplanten
Stadterweiterungen um den heutigen "Plac Grunwaldzki" schuf er für die
städtebaulichen Leitlinien (in Szczecin gern Haussmann/Paris
zugeschrieben) das Konzept für die Ver- und Entsorgung der Stadt, z.B.
durch ein modernes Wasserwerk.
Nachdem Hobrecht sich so einen Namen gemacht hatte, rief man ihn
dann 1872 als Stadtbaurat nach Berlin, wo er gemäß seinem eigenen
1862er Plan und den Stettiner Erfahrungen in viel größerem Maßstab bis
1897 in städtischen Diensten wirkte, insbesondere beim Bau der
Kanalisation eintrat. Bei diesen konzeptionellen Gemeinsamkeiten in der
Stadttechnik läge eine enge Kooperation der Netzbetreiber Berlins und
Stettins auf der Hand, z.B. beim geplanten Neubau von zwei Stettiner
Großklärwerken (bisher fehlen sie für den größten Teil der Stadt), bei
der Netzpflege und anderen erforderlichen Maßnahmen, um
EU-Umweltstandards zu erreichen.
3.3 Übrige, nicht Stettin-spezifische Kooperationschancen
Berlins (auch auf Kontakte Berlins mit Posen und Breslau übertragbar):
Die eben angesprochenen Umweltstandards stellen nur einen
Ausschnitt aus der breiten Know how-Palette Berlins zu Umwelt- und
Planungsaspekten dar. Bereits zur Mauerzeit hatte sich entsprechend
bundesdeutscher Grenzwerte und eingedenk der besonderen Abhängigkeit
von den knappen Flächenressourcen auf der politischen "Insel" Berlin
(West) notwendigerweise ein hohes Umweltbewusstsein herausgebildet;
Zustandsanalysen und Handlungsauflagen zu den Schutzgütern Boden,
Wasser und Luft setzten und setzen Maßstäbe - seit 1990 nun auch für
Gesamt-Berlin.
Bei der räumlichen Planung wurde früh das Flächenmonitoring
eingeführt; einen spezifischen Anwendungsfall - auch zur Entlastung
öffentlicher Kassen - stellt das Baulückenmanagement dar, das dem
Planungsziel der Reaktivierung von Baubrachen dient und damit auch der
nachhaltigen Innenentwicklung der Stadt (siehe Zielsetzungen zum
Berliner "Planwerk Innenstadt"). Natur- und Artenschutz für Flora und
Fauna, Gewährleistung angemessener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen,
Erhalt und Fortentwicklung städtischer Grünanlagen, Friedhöfe und
Forsten sind weitere wichtige, bereits auch von polnischer Seite
nachgefragte Bausteine Berliner Verwaltungsarbeit zur Sicherung
städtischer Lebensqualität (gerade in Zeiten knapper öffentlicher
Kassen).
Im Gefolge der EU-Mitgliedschaft Polens wird der Wohnungsmarkt der
dortigen Großstädte und ihres Umlandes erheblichen Anforderungen und
Veränderungen ausgesetzt. Wegen tiefgreifenden Abbaus
landwirtschaftlicher Arbeitskräfte werden längerfristig Zuwanderungen
in die städtischen Räume unvermeidlich - trotz bisher nur geringer
Bevölkerungsverluste auf dem Lande (bei stellenweise bis zu 40 %
erreichender Arbeitslosigkeit dort). Während im Osten Deutschlands
mindestens 1,3 Mio. Wohnungen leer stehen (davon über 1/10 in Berlin),
fehlt besonders in polnischen Großstädten bezahlbarer Wohnraum). Die
Oder ist Grenzlinie zwischen Wohnungsüberangebot und Wohnungsmangel.
Neben Neubauprogrammen erscheint aber auch die verstärkte Betreuung des
Wohnungsbestandes und dortiger Sozialstrukturen erforderlich. Gerade zu
letzten Aspekten könnten die Berliner Erfahrungen von
Wohnungsgesellschaften und des Quartiersmanagements nützlich für
polnische Großstädte sein.
Soweit übertragbar, stellen auch die umfangreichen Berliner
Praxiskenntnisse bei der Plattenbausanierung und Wohnumfeldverbesserung
einen bedeutenden "best practise"-Aspekt dar, über den insbesondere in
Warschau bereits detailliert berichtet wurde. Allerdings standen hierzu
Berlin noch bis vor kurzem Finanzressourcen - auch vom Bund (speziell
zum Programm "Stadtumbau Ost") - zur Verfügung, von denen polnische
Praktiker nur träumen konnten. Inzwischen nähert sich Berlin "dank" der
eigenen Finanzmisere polnischen Großstadtverhältnissen an bzw.
unterschreitet ggf. diese gegenüber Warschau bald sogar.
Ein weiteres Themenfeld kommunaler Kooperation zwischen den
polnischen Großstädten und Berlin stellt die stadtverträgliche
Bewältigung des Verkehrs sowohl in den Zentren und Innenstädten als
auch Außenräumen (einschl. dem Stadt-Umland-Bereich) der Metropolen
dar. Außer Warschau verfügen die Großstädte des Nachbarlandes nicht
über U-Bahnen; eine eigenständige (für Stettin in der
Wojewodschaftsplanung angedachte) S-Bahn besteht praktisch nirgendwo in
Polen (Fern-, Regional-, Vorort- oder "Stadtbahnen" - soweit vorhanden
- benutzen fast überall die gleichen Gleise). Straßenbahnen und Busse
haben dafür in der Regel eine größere ÖPNV-Bedeutung als in Berlin -
sind aber weitgehend durch den Individualverkehr staugefährdet.
Die Motorisierungsrate in Warschau übersteigt mittlerweile den für
Deutschland niedrigen Berliner Wert von ca. 365 Pkw/1000 EW. Berlins
neuer "Stadtentwicklungsplan (StEP) Verkehr" bietet eine
Gesamtdarstellung stadtspezifischer Problembeschreibungen und
Lösungsansätze. Diese optimieren ohne große Neubauvolumina die
endogenen Infrastruktur-Potentiale Berlins, z.B. das
Ring-Radialen-System der Bahn und die dezentrale Stadtstruktur mit der
vom Flächennutzungsplan beeinflussten Nutzungsverteilung in sinnvoll
verkehrsreduzierender Mischung. Insoweit kann zumindest die Methodik
auch für polnische Großstädte von Interesse sein.
4. Posen /Poznan (261 km2 / 575 Tsd. EW):
Mit Stadtmittenabstand von Berlin per Luftlinie 240 km entfernt (so
weit wie Hannover von Berlin), ist es von Posen auf dem europäischen
("Kreta-")Verkehrskorridor II näher nach Berlin als nach Warschau (275
km). Vor über 1000 Jahren wurde Posen nach dem benachbarten
Gnesen/Gniezno die zweite Hauptstadt Polens. Als eine der führenden
Handelsstädte zog sie auch Kaufleute und Einwanderer aus anderen
Ländern an, z.B. die "Bamberger" im 18. Jahrhundert. Mit der 2.
polnischen Teilung kam die Stadt mit dem umgebenden Großpolen 1793 zu
Preußen, das anfangs den polnischen Bürgern Freiheiten beließ, aber
auch bereits um 1830 direkt nördlich der Stadt - wie übrigens auch die
Russen in Warschau - eine erste große Zitadelle baute (der später
weitere Festungsanlagen folgten).
Im Verlauf der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden aber die
Bürger- und auch Glaubensrechte der Polen von Preußen immer stärker
bedrängt, die Bismarck'sche Polenpolitik und der Kulturkampf mit der
Katholischen Kirche bewirkten eine starke Abwehrhaltung der ansässigen
Bevölkerung. Unbeschadet massiver deutscher Ansiedlungen im ländlichen
Gebiet Großpolens (und Westpreußens) mit oft auch gewaltsamer
Abdrängung der ansässigen Bevölkerung in die Industriezentren des
Deutschen Reiches (in das Ruhrgebiet und nach Berlin) blieb Posen trotz
geförderter Zuwanderung von Deutschen mehrheitlich polnisch.
Die Stadt wurde wichtiger Industriestandort (siehe das von Hipolit
Cegielski (1815 -1868) gegründete, bis heute nach ihm benannte
Metallverarbeitungswerk) und hatte über die Warthe/Warta Anschluss an
die Binnenschifffahrt. 1848 erreichte die Eisenbahn (von Stettin aus)
erstmals Posen; die direkte Linie nach Berlin - über Frankfurt/O. -
ging allerdings erst 1870 in Betrieb. In der westlich gelegenen, u. a.
nach Plänen von Baumeister Josef Stubben entstandenen neuen Oberstadt
lebten - vereinfach gesagt - die hinzugezogenen Deutschen, in der
historischen Altstadt (Stare Miasto) unten im Flusstal nahe der
historischen Dominsel (Ostrow Tumski) die Polen. 10 Jahre nach
Fertigstellung der neoromanischen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in
(Berlin-) Charlottenburg ließ Wilhelm II. ab 1905 deren Architekten
Franz Schwechten im selben Stil das massige Posener Kaiserschloss
errichten (heute "Zamek").
Nach Wiedererstehen des polnischen Staates im November 1918 (bzw.
formal seit Versailles 1919) kam Posen zurück nach Polen, es entstand
der bis heute in Polen führende Messestandort (erstmals 1921);
wissenschaftliche Einrichtungen wurden gegründet (z.B. die bis heute
landesweit führende Wirtschaftshochschule) und zogen polnische Eliten
in die Stadt, viele Deutsche verließen Posen. Nach dem
Hitler-Stalin-Pakt und dem Überfall auf Polen wurden Baltendeutsche
angesiedelt, die zum Kriegsende nach Westen weiterziehen mussten.
Volkspolen setzte die Förderung der Stadt fort, trotzdem kam es
gerade hier 1956 zu ersten blutigen Arbeiterunruhen. Durch die 14er
Wojewodschaftsgliederung von 1946 reichte Großpolen kurzzeitig sogar
bis an die Oder - seither der Name "Gorzow Wielkopolska" (kurz: WIkp.)
für Landsberg. Seitdem folgten aber 3 Wojewodschafts-Neugliederungen,
die alle eine räumliche Trennung Großpolens von der Oder bewirkten,
zuletzt 1999 durch das "Lebuser Land".
Gegenwärtig ist Posen wohl der - von der Hauptstadt abgesehen -
gefragteste polnische Ansiedlungsstandort in- und ausländischer
Wirtschaftsinvestitionen; erst kürzlich wurde z.B. das neue
innerstädtische Handelszentrum "Alte Brauerei" der polnischen
Multimillionärsfamilie Kulczyk eröffnet. Ein Großteil der
Stadtbevölkerung lebt - im Unterschied zu Stettin und Breslau - seit
Generationen hier.
Bereits jetzt per Bahn innerhalb von 3 Stunden aus Berlin
erreichbar, wird sich dieser Lagevorteil der Stadt durch weitere
Bahnausbauten verstärken, zuerst auf durchgehend 160 km/h. Dann soll
längerfristig eine auch auf nationaler Ebene Polens gewünschte, aber
noch nicht investiv und planungsrechtlich verankerte 300
km/h-Schnellbahnstrecke Berlin - Posen - Lodz (!) - Warschau folgen.
Posen wäre dann - wie Hannover (Posens deutsche Partnerstadt) - von
Berlin aus in 1 1/2 h erreichbar. Kurzfristig gewinnt Posen Lagegunst
durch die z. T. bereits fertiggestellte bzw. im Bau befindliche
(Maut-)Autobahn A 2. Deren Fertigstellung wird für den südwestlichen
Posener Raum auf den Herbst 2004 terminiert; es liegen Pläne des
Marschallamtes der Wojewodschaft vor, an den Autobahn-Anschlussstellen
große Gewerbegebiete auszuweisen - allein am "Knoten Komorniki"
(südwestlicher Stadtrand Posens) rd. 880 ha. Diese Nachbargemeinde
liegt im "Poznanski obszar metropolitalny", dem ca. 4 - 7 km vor die
Stadt reichenden "Metropolenraum Posen" mit einer seitens Wielkopolska
bereits auch vor Inkrafttreten des neuen polnischen Planungsrechtes
besonders geförderten engen Planungsabstimmung. Innerhalb dieses Raumes
finden bereits seit Jahren erhebliche Umland Aufsiedlungen statt.
4.1 Mögliches Kooperationsprofil Berlin – Posen
a)
Als Vertiefungsthema für eine Berlin-Posener Zusammenarbeit (ggf.
auch mit weiteren polnischen Großstädten) kann die eben beschriebene
Stadt-Umland-Thematik benannt werden, bei der im Berlin-Brandenburger
Vergleichsfall (nach deutschem Planungsrecht) vor allem 2 Ebenen von
Bedeutung sind:
1. Die staatsvertraglich verankerte und Institutionen über die
Gemeinsame Landesplanung(s-Abteilung/GL) vorgenommene Sicherung Berlin-
und Brandenburgkonformer Landesinteressen gegenüber der
Regional- und Kommunalplanung auf dieser oberen Planungsebene (s.
insbesondere den Landesentwicklungsplan für den engeren
Verflechtungsraum/LEP eV von 027’98), soweit mit der Planungshoheit der
Gemeinden nach Grundgesetz vereinbar.
2. Die planungsrechtlich als informell einzustufende "Kommunale
Kooperation" von Berlin(s Außenbezirken) mit den brandenburgischen
Nachbargemeinden und -kreisen, wie sie seit Jahren in 4 Umland-AG's
praktiziert wird und mögliche Konflikte im Vorfeld formeller
Festlegungen zu vermeiden sucht. Hierzu scheint gerade mit dem Posener
Raum ein Erfahrungsaustausch sinnvoll zu sein, von dem auch die übrigen
hier behandelten polnischen Großstädte profitieren könnten. Schließlich
sieht das neue polnische Planungsrecht ausdrücklich die Befassung mit
dem jeweiligen "Obszar metropolitalny" (Metropolenraum) in den großen
Ballungsgebieten vor. Ein besonders gelungener, von der Stadt Posen und
dem Umland behandelter Sektoralaspekt dürfte dabei die großflächige,
stadtgrenzen-überschreitende Freiraumplanung sein, die innerhalb des
Posener Stadtgebietes durch detailliertere Aussagen zu Schutzgebieten
sowie Grün- und auch Wasserflächen untersetzt ist.
Weitere wichtige Vertiefungen sind im Stadtentwicklungskonzept
Posens zur Integration von Verkehr und Wirtschaft sowie zur Vielzahl
von Hochschuleinrichtungen und wissenschaftlichen Instituten
augenfällig. Trägt der erste Aspekt mit zum offenkundigen
Wirtschaftserfolg der Stadt bei, so schafft beim zweiten Thema die
bewusst innerstädtische Verortung der zahlreichen Hochschulen,
Akademien etc. eine dort augenfällige Durchmischung der Generationen.
b)
Neben den unter a) benannten Spezifika könnten für Posen auch die
im Stettin-Teil unter b) genannten, genereller relevanten Themenfelder
für eine vertiefte kommunalplanerische Zusammenarbeit herangezogen
werden, etwa zur Einrichtung eines großräumigen Verkehrsverbundes (wie
bereits seit Jahren mit dem in Deutschland flächengrößten VBB
erfolgreich durch Berlin/Brandenburg praktiziert).
5. Breslau / Wroclaw (293 km2 / 634 Tsd. EW)
Von den 3 hier beschriebenen westpolnischen Metropolen ist Breslau
mit 295 km Stadtmittenabstand (Luftlinie) von Berlin am weitesten
entfernt, zur eigenen Hauptstadt Warschau sind es wenige Kilometer
mehr; zur anderen deutschen Stadt des "Deutsch-Polnischen-Hauses" -
Dresden 220 km, nach Prag - innerhalb eines
deutsch-polnisch-tschechischen Städtesechsecks - nur ca. 210 km. Zu
letzteren beiden Städten ist aber die Topographie insbesondere für
Bahnverbindungen deutlich schwieriger (insbesondere durch den
Gebirgszug der Sudeten).
Schlesiens Hauptstadt hat noch häufiger als Stettin und Posen den
offiziellen Namen und die politische Zugehörigkeit gewechselt: Nach der
ersten böhmischen Erwähnung im 10. Jahrhundert (Vratislavia) wurde sie
um 1000 polnischer Bistumssitz, im 12. Jahrhundert Hauptstadt
schlesischer Herzöge (innerhalb Polens), 1241 durch Mongolen erobert
und in Brand gesteckt. 1242 ist als Jahr der 2. Stadtgründung bekannt,
danach zog es viele Einwanderer in die Stadt; ab 1335 wieder böhmisch,
erlebte die Stadt im 14. und 15. Jahrhundert ihre "Goldene Periode"
(siehe das berühmte Rathaus), kam dann unter ungarische Herrschaft und
fiel 1526 per Erbfolge an Habsburg. Kurz darauf verlieh Kaiser
Ferdinand l. der Stadt das noch heute gültige Wappen. Die Stadt erlebte
im 30jährigen Krieg einen erneuten Großbrand und auch eine schwedische
Besetzung.
Ab 1741 eroberte dann Preußens König Friedrich II ganz Schlesien.
Breslau wurde im Folgejahr eine der 3 Residenzstädte - neben
Berlin/Potsdam und Königsberg, auch wenn die kriegerischen
Auseinandersetzungen mit Kaiserin Maria Theresia und ihren Verbündeten
noch Jahre andauerten. Nach der napoleonischen Besetzung 1807/1808
proklamiert Friedrich Wilhelm III hier 1813 "An mein Volk" und stiftet
das "Eiserne Kreuz".
In der „Boomphase" von Berlins Stadtentwicklung im 19. Jahrhundert
kommt nach Volksmund „jeder Zweite (Hinzuziehende nach Berlin) aus
Breslau" - meist über die am 01.09.1846 eröffnete Eisenbahn zum
Schlesischen Bahnhof Berlins (heute Ostbahnhof) oder auch über den
späteren Görlitzer Bahnhof. Schlesiens Hauptstadt erlebt eine
wissenschaftliche Blüte, eine beeindruckende Reihe von
Nobelpreisträgern kommt aus Breslau. Nach dem 1. Weltkrieg fallen Teile
des nördlichen und östlichen Hinterlandes von Breslau (speziell Raum
Kattowitz) an Polen, nur 70 km entfernt bildet sich im Süden die
Tschechoslowakei. Am Ende des 2. Weltkrieges über 4 Monate lang
"Festung Breslau", kapituliert die zu 70 % zerstörte Stadt erst am
06.05.45 und kommt gemäß Jalta und Potsdam unter polnische Verwaltung.
Neue Bewohner ziehen in die Stadt, z. T. aus den für Polen verloren
gegangenen, inzwischen ukrainischen Gebieten um Lwow/Lemberg - heute
Lviv. Vom wiedervereinigten Deutschland 1990 endgültig als zu Polen
gehörend anerkannt, endet damit ein überaus bewegtes Jahrtausend
europäischer Geschichte im "Breslauer Mikrokosmos".
Als das Oderhochwasser im Juli 1997 die Stadtfläche zu 26 %
überschwemmt, hatte Breslau längst die Vorkriegseinwohnerzahl
überschritten, sich baulich erheblich ausgebreitet -
problematischerweise auch in die früher freigehaltenen Oderniederungen
- und als Industrie- sowie besonders Wissenschaftsstandort wieder hohe
Bedeutung erlangt. Wurde naturgemäß die Überschwemmung anfangs als
Katastrophe empfunden, so gewannen die Stadtväter ihr nachträglich auch
Gutes ab: Immerhin seien der Gemeinschaftsgeist der Bewohner gestärkt
und die technische Infrastruktur außerplanmäßig schnell modernisiert
worden. Posen an Einwohnerzahl und sicher auch als Kulturstandort
deutlich übertreffend, konkurriert heute Breslau innerpolnisch - auch
durch die Fülle seiner Baudenkmale - eher mit dem um ca. 100 Tsd. EW
größeren, luftlinienmäßig ca. 230 km entfernten Krakau.
5.1 Mögliches Kooperationsprofil Berlin - Breslau
5.1.1“Korridor III“
Als das naheliegendste, tatsächlich gemeinsam verbindende Projekt
ist der Ausbau des diese eben genannten Räume durchziehenden
"Europäischen Verkehrskorridors III" zu nennen. Zwar war noch in
deutscher Zeit von Berlin aus eine durchgehende Autobahn bis nach
Oppeln / Opole gebaut worden, fertig wurde aber auf langem Abschnitt
nur eine Fahrbahnseite. Nachdem im heutigen Deutschland die
Komplettierung erfolgt ist (A 15) bzw. die Streckenerneuerung nur noch
wenige Jahre läuft (A 13 bis Autobahndreieck Spreewald), hat in Polen
inzwischen auch der Ausbau ab Grenze als A 17/18 (von Olszyna bis
Krzyzowa) begonnen. Ab einer Gabelung bei letztgenannter Ortschaft (dem
für das deutsch-polnische Verhältnis bekannten Kreisau östlich Bunzlau/
Boleslawiec) würden also künftig zwei vollwertige Autobahnen aus
Niederschlesien nach Deutschland führen: Die ältere Trasse über Cottbus
nach Berlin unter Einbindung des Flughafens Schönefeld (künftig
"Berlin-Brandenburg-International/ BBI"). Diese Autobahn wird in den
nächsten Jahren als A 113 am Berliner Teltowkanal entlang in die
Berliner Innenstadt verlängert und den Kfz-Verkehr nach Südosten
erleichtern (auch zum neuen Berliner Wissenschaftszentrum in
Adlershof). Die zweite "Breslauer Autobahn" - die A 4 - führt direkt
nach Westen über Görlitz nach Dresden (mit dem neuen Tunnel durch die
Königshainer Berge). Es überrascht nicht, dass ähnlich dem
beschriebenen Fall aus dem Posener Raum hier vor der südwestlichen
Stadtgrenze Breslaus vergleichbare Gewerbe- bzw.
Einzelhandelsansiedlungen schon erfolgt sind (in Bielany/Kobierzyce).
Bei der Eisenbahn ist der Entwicklungsrückschritt gegenüber der
Vorkriegszeit besonders gravierend. Kam man im Sommer 1939 mit dem
"Fliegenden Breslauer" über Guben in weniger als 3 Stunden von Berlin
in die Hauptstadt Schlesiens, so braucht heute das nur eine täglich
umsteigefrei durchgehende IC-Zugpaar auf einer anderen Trasse rund 6
Stunden! Berlin und Breslau müssen hier auf Verbesserungen drängen,
soll der europäischen Dimension des Korridors III angemessen Rechnung
getragen werden. Wegen des innerpolnischen Nachholbedarfes hat aber
dort Breslau-Warschau höhere Priorität als die Verbindung in Breslaus
vorherige Hauptstadt. So muss hier also vom Raum Berlin (von
Bundesseite und von den Ländern Berlin und Brandenburg) Initiative
ausgehen, zumal der Flughafen BBI auch künftig direkt über die Bahn
erreichbar wird. Ähnlich der Berlin-Stettiner Veranstaltung 2003 könnte
hier das am 01.09.2006 fällige 160jährige Streckenjubiläum der
Berlin-Breslauer Eisenbahn für eine gemeinsame Ausstellung und
entsprechende Lobbyarbeit zur notwendigen Infrastrukturerneuerung (auch
gegenüber Brüssel) genutzt werden.
Zieht man eine Linie über die Karte Mitteleuropas, so werden
immerhin Deutschlands größter Hafen und zweitgrößte Stadt (Hamburg) mit
Polens Einwohnerschwerpunkt (Raum Kattowitz) über Breslau und Berlin
schnurgerade verbunden. Mit leichten Richtungsänderungen führt dann
dieser Weg weiter östlich über Krakau und Lviv nach Kiew, der 2,6 Mio.
WE zählenden Hauptstadt des 50 Mio. Einwohner-Staates Ukraine.
Als drittes Element im Verkehrsband Berlin - Breslau
(-Gleiwitz/Gliwice) innerhalb des Korridors III ist die
Binnenschifffahrtsverbindung über den Oder-Spree-Kanal nach
Eisenhüttenstadt und dann die Oder aufwärts bis in den Gleiwitzer Kanal
anzusehen. Auch wenn politischerseits auf Landesebene in Berlin hier
keine besondere Bedeutung gesehen wird, bewirkt Polen mit seinem
Programm ODRA 2006 auf seiner Seite neben dem prioritären
Hochwasserschutz auch Verbesserungen für den im Sommer durch
Oder-Niedrigwasser stark behinderten Schiffsverkehr. Auch wenn der
Vergleich quantitativ gewagt er scheint, kann doch neben der weithin
bekannten "Rheinschiene" im Westen hier im Deutsch-Polnischen Grenzraum
von Ansätzen zu einer "Oderschiene" gesprochen werden.
5.1.2 Weitere Themenfelder Berlin-Breslau
Neben dem Kooperationsspektrum zum "Korridor III" sind auch hier
die bereits im Stettin- und im Posen Teil genannten übrigen
Themenfelder für eine engere Zusammenarbeit Breslau-Berlin geeignet.
Angesichts der Fülle Breslauer Baudenkmale - außer denen aus Gotik und
Barock auch z.B. noch aus der Weimarer Zeit (Hans Scharoun, Erich
Mendelsohn u. a.) - bietet sich innerhalb des bei Polen-Kooperationen
ohnehin naheliegenden Themenfeldes „Umgang mit dem bauhistorischen
Erbe" eine enge Zusammenarbeit zur deutschen Hauptstadt an. Die
Berliner Archive und Bibliotheken bewahren historische Stadtplane und
wertvolle Vorlagen zu bedeutenden Bauten der drei westpolnischen
Großstädte aus preußischer Zeit auf. Umgekehrt könnte Berlin von der
weltberühmten polnischen Denkmalpflege (PKZ) beim grundsätzlich
beschlossenen Wiederaufbau des Stadtschlosses an der Spree und der
Restaurierung des Naturkundemuseums profitieren - wie auch z.B. bereits
zuvor etwa bei der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel oder
vielen anderen Bauten im Raum Berlin-Potsdam.
Außerdem sei an dieser Stelle auch auf die bereits mehrjährige
Medienkooperation zwischen dem Breslauer Fernsehen und dem "Radio
Berlin Brandenburg/RBB" verwiesen, die alle zwei Wochen das Magazin
"Kowalski trifft Schmidt" produziert und damit die gute Nachbarschaft
zwischen den Bürgerinnen beiderseits der Oder fördert. Der zeitliche
Umfang und die Bezugskulisse der Berichterstattung ließen sich auf ganz
Westpolen ausdehnen; umgekehrt könnten die Ortssender der 3
westpolnischen Metropolen auch ein spezifisch auf Berlin und den
ostdeutschen Grenzraum zu Polen bezogenes Fernsehprogramm einrichten.
Zusammenfassung und Ausblick
Seit der Wende wächst das jahrzehntelang getrennte Berlin -
parallel zum eingangs skizzierten wirtschaftlichen Strukturwandel -
mehr und mehr zusammen, nicht nur infrastrukturell und städtebaulich,
sondern auch mental. Die in erheblichem Maße nicht eigenverschuldeten
Haushaltsprobleme zwingen die Stadt zu tiefgreifenden und unpopulären
Sparbeschlüssen mit z. T. höchst problematischen Prioritätssetzungen.
So ist z.B. die Entscheidung, Berlins Universitäten auf 85.000
Studienplätze zu beschränken (d.h. nur noch ca. 60 % der heutigen
Studentenzahlen!) angesichts der dadurch entstehenden Langzeitwirkungen
fatal. Berlin läge dann etwa bei den Studentenzahlen Breslaus, einer
bevölkerungsmäßig 5-fach kleineren Stadt - noch unterhalb von Krakaus
über 100 Tausend Studenten (von Warschau ganz zu schweigen)! Bildung
und Erziehung nehmen in Polen einen hohen Stellenwert ein. Der
innerdeutsche und künftig verstärkt europäische Konkurrenzkampf um die
junge Intelligenz ginge für Berlin und Ostdeutschland insgesamt
verloren.
Weitere Querelen verwehren der deutschen „Metropole des Ostens",
ihre Standortqualitäten voll auszuspielen - so verhindert das starke
Bundesland Nordrhein-Westfalen bisher, den nach 12 Jahren bezüglich der
Aufgabenteilung von Berlin und Bonn überholten Hauptstadtbeschluss vom
20. Juni 1991 zu revidieren. Der „Bundesstadt" am Rhein geht es heute
deutlich besser als zur Wendezeit, das längerfristig finanziell
aufwendige und die Arbeitseffektivität mindernde Ministerien-Splitting
ist aus vielerlei Gründen nicht mehr zu rechtfertigen (noch immer
arbeiten über 50 der Bundesbediensteten am Rhein). Angesichts der
allgemeinen Arbeitsmarktprobleme im Osten Deutschlands - gerade im
Grenzraum zu Polen - muss der Raum Berlin zumindest auf diesem direkt
von der Politik beeinflussbaren Gebiet gestärkt werden. Dadurch könnten
sich mittelbar weitere Wirtschaftsperspektiven in und um Berlin
entwickeln, würde die notwendige Länderfusion Berlin-Brandenburg
erleichtert und letztlich auch der Kohäsionsprozess mit dem künftigen
EU-Partner Polen beschleunigt. Die bereits erkennbare Tendenz
polnischer (und anderer MOE-) Firmen und Institutionen, Ostdeutschland
zu überspringen und Niederlassungen oder Kooperationen in anderen
Teilen Deutschlands oder in Westeuropa zu bilden, ließe sich mit einer
Stärkung des Raumes Berlin mildern.
Berlins mittelständisch geprägte Wirtschaft muss sich für die
europäische Dimension und echte Internationalität qualifizieren, die -
etwa im Vergleich zu Hamburg, Frankfurt/M. oder auch Wien - bisher zu
wenig spürbar ist. Noch sind Berliner Wirtschaftsverbindungen zu den
EU-Beitrittsländern zu sehr Sache von wenigen "Insidern" und
entsprechende Sprachkenntnisse für den sich zum 01.05.2004 erweiternden
Markt selten. Dabei beschreibt z.B. der von der Senatskanzlei
herausgegebene "Berliner Europabericht 2002/03" eine beeindruckende
Fülle von Fachkontakten der verschiedensten Berliner Verwaltungsstellen
auf Senats- und Bezirksebene (bei denen Polen die führende Position
einnimmt). Neben den EU-/MOE-Aktivitäten des Regierenden Bürgermeisters
bzw. seiner Senatskanzlei sind besonders diejenigen der Wirtschafts-,
der Kultur- und der großen Stadtentwicklungsverwaltung (zuständig für
Planen, Bauen, Wohnen, Umwelt und Verkehr) zu nennen. Im Berliner
Rathaus bemüht man sich, mehr Kenntnis über dieses Verwaltungshandeln
zwecks besserer Quervernetzung und Synergiewirkung sowohl stadtintern
als auch den auswärtigen Partnern gegenüber zu vermitteln (insbesondere
über die Internet-Datenbank "MOE plus"). Dadurch kann polnischen und
weiteren MOE-Interessenten der (elektronische) Zugang zu Berliner
Institutionen erleichtert werden, insbesondere, wenn wichtige Teile
auch auf Polnisch abrufbar wären. Ein umfangreiches "Positionspapier
zur Zusammenarbeit des Landes Berlin mit Mittel- und Osteuropa" liegt
vor und wird künftig regelmäßig von der Senatskanzlei auf Umsetzung
darin enthaltener Projekte überprüft. Auch werden mehr die
Gemeinsamkeiten mit Brandenburg gesucht.
Neben dem Verwaltungshandeln besteht in Berlin ein dichter
werdendes Netzwerk von privat(wirtschaftlich)en Kontakten,
unterschiedlichsten Arbeitsverhältnissen von MOE-Bürgern (insbesondere
Polen), Einkaufs-, Kultur- und Vergnügungstourismus, Abflügen
westpolnischer Bürger/innen von Berlins Flughäfen usw. Außer den über
32.000 in Berlin offiziell gemeldeten Polen gibt es in Berlin viele
inzwischen längst mit deutscher Staatsangehörigkeit ausgestattete
polnischstämmige Personen (z. T. bereits seit Generationen / s. die
Namen z.B. mit Sz... im Telefonbuch) sowie große Zahlen von Ein- oder
auch Mehrtagespendlern aus dem Nachbarland. Nach Schätzungen
überschreiten sie zusammengenommen die Zahl von 100.000 Personen wohl
deutlich (und erreichen damit etwa die Größenordnung der hier lebenden
rund 130 Tausend Türken als auch der geschätzten Zahl von Bürgern aus
den GUS-Staaten). Auch wenn Berlins Einzelhandel noch immer kaum
Werbung etwa in westpolnischen Tageszeitungen macht, ist doch bereits
die erhebliche Kundenzahl aus den MOE-Ländern z.B. in Berlins
Warenhäusern für aufmerksame Zuhörer gut auszumachen. Noch Mangelware
sind Serviceleistungen wie Info-Flyer, Ausstellungskataloge, Broschüren
in polnischer Sprache (z.B. über die Berliner Museen).
Wenn in den nächsten Jahren die verkehrliche Erreichbarkeit Berlins
auch von Osten besser sein wird (Eisenbahnknoten ab Mai 2006, einige
Jahre danach Flughafen BBI), wenn Eigentore wie eine vorzeitige
Schließung des Flughafens Tempelhof vermieden werden und auch die
übrige Zentralität der Stadt innerhalb Deutschlands steigt, kann Berlin
verstärkt die Vorzüge seiner geografische Lage nutzen: Nicht mehr am
Rand der EU, sondern dicht an den aufstrebenden neuen Partnerländern!
Polens Bürger werden dann noch häufiger gern gesehene Gäste, Kunden,
Arbeitskräfte und neue Einwohner in der deutschen Hauptstadt sein. Ihre
Heimat-Wojewodschaften wiederum werden vom künftig "grenzenlos"
erreichbaren, dicht hinter der Oder gelegenen Absatzmarkt Berlin ihren
Nutzen haben und auf mehr Besucher und Kunden aus Berlin zählen können,
wenn dem das professionelle Marketing vorausgeht. Vor allem in und
zwischen den Großstädten wird künftig das grenzüberschreitende neue
Europa gebildet, so auch zwischen Stettin, Posen, Breslau und Berlin!
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Schriftenreihe des Stadtentwicklungsbüros Breslau - bis Mitte 2003
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Übriges
BUNDESVERKEHRIESWEGEPLAN 2003 (BVWP), Beschluss der Bundesregierung vom 02.07.2003, BMVBW Berlin 2003.
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