Thema | Kulturation 2/2003 | Deutsche Kulturgeschichte nach 1945 / Zeitgeschichte | Heiner Stahl | Hausherren von Morgen. Die Jugend- und Medienpolitik der SED und ihre Umsetzung im Jugendstudio DT 64 zwischen 1964 und 1971
| 1.
Einleitung
„Jugendstudio DT 64“[1] ist die etwas andere DDR-Radiosendung. Das
Kürzel „DT 64“ steht für das Deutschlandtreffen der FDJ an den
Pfingsttagen 1964. Der Rundfunk der DDR begleitet diese Veranstaltung
mit einem dreitägigen Jugendsonderprogramm. Spritzig und „sozialistisch
frech [2] klingt das Jugendstudio ab dem Sommer 1964 wochentags auf den
Frequenzen des Berliner Rundfunks. Das nachmittägliche Jugendmagazin
ist in den Augen der protestantisch-konservativen Wochenzeitung „Christ
und Welt“ aus Stuttgart „Wunderwaffe Pankows“. Weiter heißt es dort:
„Schlager aus Ost und West werden nur selten von Nachrichten und
Informationen unterbrochen, bei denen man erst beim zweiten Hinhören
entdeckt, daß sie eine handfeste Sympathiewerbung für das Zonenregime
enthalten.” [3]
„DT 64“ ist Pop und Propaganda, fügt Lennon und Lenin in ein
Sendeformat, verbindet den Liverpooler Mersey-Beat mit dem Leipziger
Gitarrensound und lässt das ‚Yeah, yeah, yeah’ der ,Swinging Sixties’
aus den Transistorradios schallen. Das Jugendstudio feiert die
Errungenschaften der sozialistischen Jugendpolitik, kritisiert aber die
zurückhaltende Umsetzung ihrer Inhalte in Jugendklubs, Schulen und
volkseigenen Betrieben. „DT 64“ ist eine überraschende Form
sozialistischer Erziehung und Unterhaltung, ein Identifikationsangebot
an die junge Nachkriegsgeneration, die in den sozialistischen Staat
hineinwachsen soll. „Jugendstudio DT 64“ ist der Versuch, verlorenes
Terrain gegenüber westlichen Rundfunkangeboten wiederzugewinnen und
durch ein verhältnismäßig offenes Jugendprogramm mit diesen
gleichzuziehen. Heide Riedel charakterisiert „DT 64“ als, „ein
Jugendmagazin mit Beiträgen aus Kultur, Sport und Politik,
Veranstaltungshinweisen, angereichert mit viel Musik und hier als
Bonbon ein Mitschnittservice, durch den die Jugendlichen sich mit nicht
in Plattenläden zu kaufender westlicher Musik eindecken konnten. Denn
das SED-Gebot – 40% westliche zu 60% östlicher Musik – wurde dadurch
unterlaufen, daß das Musikangebot auf das gesamte Programm des Berliner
Rundfunks hochgerechnet wurde und deshalb DT64 mehr westliche Rock- und
Popmusik spielen konnte.” [4]
Die Jugendsendung hat eine doppelte Geschichte, eine sozialistische und
eine gesamtdeutsche. Die gesamtdeutsche Perspektive beginnt nicht erst
mit der „Wende“ von 1989. Sie ist eng verknüpft mit dem kalten
Ätherkrieg, der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West und der
gegenseitigen propagandistischen Beeinflussung der Jugendlichen
diesseits und jenseits der Mauer. Gerade im Programmgenre Jugendradio
berührt sich die ost- und westdeutsche Mediengeschichte.
Diese Magisterarbeit zeichnet die Funktion und Bedeutung des
„Jugendstudios DT 64“ für die Jugend- und Medienpolitik der SED nach.
Den Kern bildet eine institutionen-, programm- und
organisationsgeschichtliche Rekonstruktion des Sendebetriebes von der
Gründung des Programms 1964 bis zum Regierungswechsel von Ulbricht zu
Honecker 1971. In den Blick genommen werden dabei sowohl die Wirkung
des Jugendprogramms auf den Parteiapparat, die FDJ und auf das
Staatliche Rundfunkkomitee [5] (StRK), als auch die Reichweite des
Programms bei den jugendlichen Radiohörern. sowie deren Umgang mit
Alternativangeboten. In dieser Zeit löst eine kulturpolitische
Repressionsphase nach dem „Kahlschlag-Plenum“ [6] 1965 eine
jugendpolitische Öffnungsphase ab. Dieses Politikfeld wird vor und mit
der Machtübernahme Honeckers erneut teilliberalisiert.
Als erste Arbeitsthese gilt die Überlegung, dass dem „Jugendstudio DT
64“ seitens der politischen Entscheidungsträger eine Erziehungs- und
Propagandafunktion zugeordnet wird. Diese wird von den Akteuren
unterschiedlich bewertet. In der Konkurrenzsituation mit den Westmedien
eröffnen sich dadurch zeitlich begrenzte Handlungsspielräume. Die
zweite These berührt das „Kahlschlag-Plenum“. Das 11. Plenum führt
nicht zur Einstellung von „DT 64“ und besitzt daher eine andere
Wirkungsdimension für den DDR-Rundfunk. Da das Jugendstudio an der
Schnittstelle zwischen Jugend-, Medien- und Kulturpolitik angesiedelt
ist, besitzt die medienpolitische Funktion gegenüber den Westsendern
zusammen mit der jugendpolitischen Profilierung der Partei, stets ein
stärkeres Gewicht als die kulturpolitische Debatte um sozialistische
Tanzmusik und die Musikauswahl des Senders. Dem Verhältnis des
Jugendstudios zum Jugendverband FDJ nähert sich die dritte These: „DT
64“ ist institutionell betrachtet kein FDJ-Sender. Der Jugendverband
besitzt keinen direkten Zugriff auf die Sendung. Als einer der
Hauptakteure der DDR-Jugendpolitik übt er durch Themensetzung und
Nachrichtenproduktion dennoch Einfluss auf das Programm aus.
Die geschichts- und medienwissenschaftliche Forschung hat sich dem
Jugendradio in der DDR bisher zwar zugewandt, allerdings zumeist nur
als Abschnitt in Überblicksdarstellungen [7]. Leider fehlt bei
Ulrich/Wagner eine Analyse der Anfangsjahre. Gunter Holzweißig [8]
prägt die Betrachtung der Medienlenkung in der DDR. Er setzt einen
deutlichen Schwerpunkt bei der Tagespresse. Alltagsgeschichtliche
Aspekte der Radionutzung [9] werden inzwischen betont, allerdings
DDR-Jugendliche nicht berücksichtigt.
Der Jugendverband FDJ [10] und gegenkulturelle Jugendbewegungen [11]
sind nach 1989 verstärkt ins Blickfeld der Forschung gerückt. In der
medienwissenschaftlichen Forschung besitzt das Radio als Medium kein
eigenes Gewicht.
2.
Die Jugend- und Medienpolitik der SED nach dem Mauerbau
Die Politikfelder Jugend und Massenmedien sind während des Kalten
Krieges in Deutschland sowohl Schauplätze des Systemgegensatzes, als
auch brüchige Nahtstellen innergesellschaftlicher Entwicklungen. In der
DDR wird dies in den 1960er Jahren besonders deutlich. Zentrale Punkte
sind die wirtschaftpolitischen Veränderungen innerhalb der
Planwirtschaft, das SED-Jugendkommuniqué 1963, das „Kahlschlag-Plenum“
1965 und die Anleitung der DDR-Massenmedien durch die
Agitationskommission des Politbüros. Drei weitere Aspekte sind zudem
von Belang: Der DDR-Generationenkonflikt, der sich stark beim
Konsumverhalten und der Mediennutzung äußert, die inhaltliche
Ausrichtung der DDR-Jugendfunkprogramme in der jugendpolitischen
Schwenkphase 1963 und die Bedeutung des 11. Plenums.
2.1
Der Machtkampf im Politbüro um die SED-Jugendpolitik
Der Mauerbau 1961 scheint die SED-Führungsriege zu internen Lockerungen
und Zugeständnissen zu ermutigen, die im Zusammenhang mit dem seit
Anfang 1963 veränderten Wirtschaftskurs des „Neuen Ökonomischen System
der Planung und Leitung (NÖSPL)“ [12] zu sehen sind. Der
Herrschaftsapparat der SED steht zwischen 1962 und 1965 unter
Veränderungsdruck Dies führt, nach Kaiser, zu einer Fraktionenbildung
innerhalb des Politbüros, die sie an unterschiedlichen Bewertungen der
wirtschafts- und deutschlandpolitischen Konzepte und an den Personen
Walter Ulbricht und Erich Honecker festmacht. Auf dem Politikfeld
Jugend zeigt sich dieser Konflikt im Streit um die Besetzung der
Jugendkommission des Politbüros und der Arbeit der ZK-Abteilung Jugend.
Vor diesem Hintergrund gerät im Frühjahr und Sommer 1963 die FDJ unter
das Brennglas der Kritik. Ulbricht mahnt eine stärkere Bindung des
Jugendverbandes an die Jugend an. Seiner Ansicht nach hat der
Jugendverband diese nicht mehr. Zudem mangelt DDR-Jugend. Sie leidet
unter einem Mitgliederschwund. In seiner Rede auf dem VII. Parlament
[13] der FDJ im Mai 1963 weist Ulbricht darauf hin, dass „in den
DDR-Gewerkschaften insgesamt etwa doppelt soviel Jugendliche
organisiert seien als in der FDJ.” [14] Im Zuge dieser Umorientierung
drückt Walter Ulbricht seinen Kandidaten für die Jugendkommission des
Politbüros, Kurt Turba, zuvor Chefredakteur der
FDJ-Studentenzeitschrift FORUM, gegen den erklärten Willen des im ZK
für Jugendfragen zuständigen Sekretärs Erich Honecker in dessen
Abwesenheit durch [15]. Im ersten Halbjahr 1963 hat die
Jugendkommission auf Veranlassung Honeckers und Paul Verners, gerade
das FORUM kritisch unter die Lupe genommen. Eben dieser Turba sitzt ab
August 1963 als Ulbrichts Wunschkandidat nun sowohl der
Jugendkommission als auch der ZK-Abteilung Jugend vor und setzt dessen
neue politische Linie um. Turba erhält für das jugendpolitische Feld
zunächst Handlungsfreiheit, gerät aber ab dem Herbst 1965 zunehmend
unter Druck, da sich Honecker zusammen mit den Teilen des SED-Apparates
eine neue, tragfähigere Machtbasis aufbaut, die sich gegen diesen
forcierten Liberalisierungskurs Ulbrichts stemmt. Ab Sommer 1965 sitzt
Honecker als Sekretär des Zentralkomitees an der zweitwichtigsten
Schaltstelle des SED-Apparates. Solange Ulbricht in der Jugendpolitik
seine parteiinternen Konkurrenten in die Defensive drängen kann, wirkt
sich die doppelte institutionelle Anbindung der Jugendkommission, beim
Politbüro und beim ZK günstig auf die Umsetzung der politischen Linie
aus. Nach dem 11. Plenum wird Turba von seinen bisherigen Aufgaben
entbunden und von Ulbricht fallen gelassen.
2.1.1
Generationenkonflikt und das Jugendkommuniqué 1963
Solange das mit dem NÖSPL einhergehende Ziel des vollständigen Aufbaues
des Sozialismus in der DDR von den Jugendlichen zwischen 15 und 25
Jahren verfolgt wird, bestehen gerade in der Freizeitgestaltung für die
Heranwachsenden Freiräume. „DT 64“ gehört zu dieser Aufbruchstimmung.
Mit den Jugendkommuniqués von 1961 und 1963 unternimmt die SED zwei
Liberalisierungsschübe in der Jugendpolitik, wobei der spätere
weitreichende Reformvorschläge anbietet und eine notwendige
Individualisierung sowie ein Bemühen um Konfliktfähigkeit anmahnt. Vom
Erscheinen des Kommuniqués 1963 und dessen De-facto-Rücknahme auf dem
Kahlschlag-Plenum 1965 reicht eine der spannungsreichsten Perioden im
geistigen wie politischen Leben der DDR.
Mit den Jugendkommuniqués von 1961 und 1963 und dem Jugendgesetz von
1964 stellt die SED Identifikationsangebote für die junge
Nachkriegsgeneration bereit, weist den Jugendlichen Aufgaben und
Pflichten zu, bietet ihnen aber gleichzeitig Aufstiegschancen an. Nach
dem Mauerbau gewinnt diese Öffnung nach Innen für die
Herrschaftslegitimation der Staatspartei zusehends an Bedeutung. Die
SED und mit einer zeitlichen Verzögerung auch die FDJ bleiben nicht
frei von Veränderungen und Umorientierungen und können sich vom
selbstinduzierten Wandel nicht gänzlich abschotten. Ulrike Schuster
[16] spricht davon, dass die Führungsspitze der SED um Ulbricht eine
langsamen Generationenwechsel in allen Teilen der Gesellschaft, auch in
der Partei, einsetzen sieht. „Dementsprechend sollten die ‚Hausherren
von Morgen‘ auf die kommunistischen Ideale der Alten eingeschworen
sowie in den politischen, fachlichen und moralischen Stand gesetzt
werden, die sozialistische deutsche Republik zu erhalten und zu
vervollkommnen.” [17] Das Jugendkommuniqué von 1963 „bedeutet eine
bedeutende Veränderung der Jugendarbeit der Partei, der FDJ und aller
Staatsorgane. Es geht um die Überwindung bürokratischer Erscheinungen,
die Überwindung administrativer Methoden, mit denen manche Jugendfragen
lösen wollen.” [18] Ulbricht fordert die Partei und den Jugendverband
auf, ihre Schwächen in der Jugendarbeit und deren Lösungen zu
bestimmen. Das Politbüro beschließt am 17. September 1963 die Vorlage
zum Jugendkommuniqué.
Die SED-Spitze vollzieht damit eine Wendung und passt sich einer
Entwicklung an, die längst Teil des Alltagslebens der Jugendlichen ist.
Schuster: „Wohl weitgehend unbelastet von Erinnerungen an politische
Repression während der SBZ-Phase und offenbar wenig beeindruckt von
stalinistischer Indoktrination der fünfziger Jahre, setzte die
nachwachsende Jugendgeneration offenbar ihre privaten Vorstellungen
rigoroser gegen den öffentlichen Normenkodex durch, als es ihre Eltern
taten.” [19] Das zentrale Thema ist der Generationenkonflikt. Gerade
das kulturelle Konsumverhalten der Jugendlichen ist ein Streitpunkt,
besonders wenn es um westliche Pop- und Schlagermusik geht. Das
Kommuniqué von 1963 geht auf diesen Widerspruch in bemerkenswerter
Weise ein. „Niemandem fällt ein, der Jugend vorzuschreiben, sie solle
ihre Gefühle und Stimmungen beim Tanz nur im Walzer- oder Tangorhythmus
ausdrücken. Welchen Takt die Jugend wählt, ist ihr überlassen:
Hauptsache, sie bleibt taktvoll.” [20]
Die DDR-Führung sieht in den Nachkriegskindern, so Dorothee Wierling,
eine unbelastete Generation. „Die Sechziger Jahre sind in der DDR nicht
nur eine Phase partieller Liberalisierung, sondern auch die Hoch-Zeit
eines pädagogischen Optimismus, der sich auf die Nachkriegsgeborenen
richtete und in der Mitte des Jahrzehnts umschlug in Enttäuschung und
Aggression gegenüber denjenigen, die sich diesem Erziehungsanspruch als
widerstrebend und unzugänglich erwiesen.” [21] Da die
Erziehungsfunktionäre jeglichen diffusen Jugendprotest in die
Deutungsmuster des Kalten Krieges einordnen, erlangen die jugendlichen
Subkulturen unausweichlich politische Relevanz. Spiel- und
Auftrittsverbote für Beatgruppen werden nach den Ausschreitungen beim
Konzert der „Rolling Stones“ in der Westberliner Waldbühne erteilt. Sie
bilden den Hintergrund für die Leipziger Beatdemonstration vom
31.10.1965. Diese Demonstration ist der „spektakulärste Ausdruck einer
Auseinandersetzung, die in allen Teilen der DDR seit Jahren stattfand
und seit Sommer 1965 endgültig zum Kern der Jugendkonflikte geworden
war.” [22]
2.1.2
Die 11. Tagung des Zentralkomitees der SED vom 15.12 bis 18.12.1965
„Das 11. Plenum des ZK der SED war nicht der erste und nicht der
letzte, aber der rigoroseste und folgenreichste Eingriff der
SED-Führung in Kunstprozesse und Intellektuellendebatten.” [23] Diese
Zusammenkunft des Zentralkomitees ist als eine wirtschaftspolitische
Tagung konzipiert, auf der die Fortführung und Weiterentwicklung des in
die Kritik geratenen neuen Wirtschaftskonzeptes beraten werden soll. Im
Verlauf des Plenums nimmt die kulturpolitische Diskussion mehr und mehr
Raum ein und behandelt die in den Augen der SED-Entscheidungsträger
negative Darstellung der Lebenswirklichkeit in der DDR in aktuellen
Büchern und in DEFA-Filmen. Die Ambivalenz des 11. Plenums zwischen
einer wirtschafts- und kulturpolitischen Debatte auf dem Hintergrund
einer grundlegenden Auseinandersetzung innerhalb der SED ist ein
spannendes Forschungsproblem, dessen kulturpolitische Dimension bislang
hervorgehoben wird. Eine Jahresproduktion der DEFA wird nicht
aufgeführt. Ebenso muss der Jugendverband für die Durchführung des
Gitarrenwettbewerbes Abbitte leisten. „Während der 11. Tagung ist
höchsten politischen Instanzen eine schwere und folgenreiche Lektion
erteilt worden – den Leitungen des Kulturministeriums und des
FDJ-Zentralrates ebenso wie den Köpfen der Abteilung Kultur des ZK und
der Jugendkommission beim Politbüro. Seit langem siedende Spannungen
entluden sich, die Kontrahenten reformerischer Aufbrüche, jene
neostalinistische Fraktion in der Regierung um Spiritus rector Erich
Honecker, trugen einen entscheidenden Sieg davon.” [24] Trotz der
umfassenden Darstellung des Kahlschlag-Plenums bei Agde fehlt eine
Analyse der Auswirkungen auf den Rundfunk der DDR und „DT 64“ darin
gänzlich. Peter Hoff beschreibt lediglich die Situation im
DDR-Fernsehen. [25] Da das „Jugendstudio DT“ 64 explizit von Honecker
in dessen Vortrag zur Beatmusik angeprangert wird, ist eine Wirkung
durchaus anzunehmen. Wenn, wie Rauhut schreibt [26], „DT 64“ noch
einmal mit dem Schrecken davonkommt, dann scheint der Kahlschlag für
den Jugendfunk weit weniger einschneidend als zum Beispiel für die
bestehende DDR-Musikszene.
2.2
Der DDR-Rundfunk in der SED-Medienpolitik der Sechziger Jahre
Dem Staatlichen Rundfunkkomitee untersteht die Gestaltung der Hörfunk-
und Fernsehprogramme. Da die Veranstaltung von Hörfunk- und
Fernsehprogrammen eine staatliche Aufgabe ist, untersteht das StRK
institutionell gesehen dem Ministerrat der DDR. Die Systemkonfrontation
und der Klassenkampf prägen die Zielstellung des massenmedialen
Rundfunkangebotes. Die einzelnen DDR-Hörfunksender erfüllen hierbei
unterschiedliche Zielaufgaben. Der „Deutschlandsender“ besitzt eine
gesamtdeutsche Programmausrichtung. „Radio DDR I“ ist der Inlandssender
mit Regionalstudios, „Radio DDR II“ die Kultur- und Bildungswelle und
der Berliner Rundfunk die Sendefrequenz für das Hauptstadtpublikum.
„Radio Berlin International“ ist ab dem 20. Mai 1959 die
DDR-Auslandspropaganda. Zwei Geheimsender, der „Deutsche
Freiheitssender 904“ und der „Deutsche Soldatensender 935“, sind für
die spezifische Westpropaganda von Bedeutung. Sie sind allerdings nicht
Teil der Hörfunkkette des StRK. Anzunehmen ist, dass diese Sender dem
Innenministerium und der Staatsicherheit unterstehen, wobei dieser
Zusammenhang bislang noch nicht erforscht ist. „Zur Munition des Kalten
Krieges zählten durchaus auch die Programme der Hörfunk- und
Fernsehsender. Ihre Aufstellung folgte zwei strategischen Zielen:
Erstens sollten sie so weit wie möglich das gegenseitige Territorium
,unter Beschuß nehmen’, zweitens sollten ihre Programme jenseits der
Staatsgrenze viele Menschen erreichen.” [27] Dem „Berliner Rundfunk“
als Stammfrequenz des „Jugendstudios DT 64“ stehen die Westberliner
Stationen RIAS I und II sowie SFB I und II in regionaler Konkurrenz
gegenüber.
2.2.1
Agitation und Propaganda in der Anleitung der DDR-Medien
Nach Lenin haben die Massenmedien die Aufgabe, gleichzeitig Agitator,
Propagandist und Organisator zu sein. Parteilichkeit,
Wissenschaftlichkeit und Massenverbundenheit sind die konstituierenden
Elemente bei der Umsetzung der agitatorischen und propagandistischen
Parteilinie. Die Abteilung Agitation und Propaganda des ZK lenkt die
Presse, Rundfunk und Fernsehen mittels der Agitationskommission. In
dieser Kommission sitzen die Chefredakteure der Parteizeitungen, des
Nachrichtendienstes ADN, der Vorsitzende des StRK, sein Stellvertreter
und der Intendant des Fernsehfunks und nehmen die so genannten „Argus“
– die wöchentlichen Leitlinien der politischen Argumentation –
entgegen. Norbert Podewin beschreibt die Arbeit der
Agitationskommission Mitte der Sechziger Jahre nach Aussagen Günter
Herlts, eines persönlichen Mitarbeiters Albert Nordens, wie folgt:
„Unterstützt von fähigen Leuten in der Agitationskommission wie Eisler,
Kegel und Dusiska, lenkte er die Massenmedien mit langer Leine. Nur
wenn sich ein Amtsbruder oder gar Ulbricht von einer Nachricht oder
einer Sendung konsterniert zeigte, dann zuckten Blitze durch den Raum.
Aber die Weitergabe solcher Stromschläge vom Koppelzaun überließ er
gern seinen Referenten, wohl wissend, daß manche Tragödie dann zur
Komödie wurde.“ [28]
Innerhalb des Staatlichen Rundfunkkomitees wird diese
Argumentationssitzung auf der Ebene der Intendanten und danach in den
Sendern zwischen den Chefredakteuren und den Fachredaktionen beraten.
Die Redaktionsleiter übermitteln die fixierten Themen und Nicht-Themen
an die Mitarbeiter. In der täglichen Arbeit im „Jugendstudio DT 64“
gibt es zudem eine weitere Korrekturinstanz. Peter Salchow erinnert
sich: „Wir hatten immer einen so genannten Abzeichner, das heißt, jeder
Beitrag, ob geschrieben oder produziert, musste dem Abzeichner
vorgelegt werden und erst, wenn der sein Kringel druntersetzte und die
Freigabe betätigt hatte, dann durfte das Ding auf den Sender gebracht
werden. Die Abzeichner waren allerdings unterschiedlichen Alters und
unterschiedlichen Vermögens.” [29] Die Anleitung der Massenmedien
stellt sich, nach Holzweißig, als ein effizientes und straffes System
dar, das über mehrere Stufen eine maßgebende Tiefenwirkung erzielt und
alle Funktionsträger der Presse- und Rundfunklandschaft einschließt.
„DT 64“ als Jugendredaktion des Berliner Rundfunks erfährt hierbei
keine Sonderbehandlung. Es ist den spezifischen Anforderungen und
Disziplinierungen des Systems ausgesetzt, entwickelt aber ebenso
Strategien, die Leitlinien punktuell auszuweiten oder zu umgehen.
Salchow: „Man kannte die dann eigentlich recht schnell und dann ging es
dann so, dass man einen provokanten Satz ins erste Drittel schrieb und
den musste der Abzeichner finden und anfangen zu streichen und zu
diskutieren. Den Rest überfliegt er dann noch, weil er ja etwas
gefunden hatte. Was ich allerdings sagen wollte, stand aber ganz
woanders.”
2.2.2
Der DDR-Rundfunk und seine Jugendradiosendungen
Stärker als die Druckmedien bekommt der DDR-Rundfunk die Diskrepanz
zwischen Programmauftrag und dem Unterhaltungsbedürfnis der Hörer zu
spüren. Für die 1950er Jahre schreibt Münkel: „Das Massenmedium Radio
war nicht nur integraler Bestandteil des DDR-Herrschaftsapparates,
sondern auch ein wichtiges Bindeglied zwischen Herrschaft und
Gesellschaft. Dieser Umstand manifestierte sich im Spannungsfeld von
Programm und Hörerschaft.” [30] Die drei Hörfunkprogramme der DDR haben
jeweils eigene Kinder- und Jugendredaktionen. Auf dem
„Deutschlandsender“ läuft im Sommer 1963 „Junge Leute – heute“, jeweils
Sonnabendnachmittag. Die Sendung besitzt eine gesamtdeutsche
Ausrichtung. Das Inlandsprogramm „Radio DDR I“ sendet die „Junge Welle“
jeweils mittwochs und freitags von 15.05 – 15.30 Uhr, sowie regelmäßig
die Wort- und Musiksendung „Abend der Jugend“. Für die Hauptstadtjugend
ist montags, mittwochs und freitags zwischen 16.00 Uhr und 18.30 Uhr
das Jugendstudio Berlin im Äther.
Die Schwenkphase der SED-Jugendpolitik im Sommer 1963 erfasst, die
Jugendredaktion der DDR-Sender vollständig und zeigt, wie stark sich
die inhaltlichen Positionierungen zu diesem Zeitpunkt zerfließen. [31]
Das Jugendkommuniqué 1963 schafft dann wiederum eine gefestigte
Argumentationsgrundlage. [32] Die DDR-Jugendfunkprogramme stehen in
drei unterschiedlichen Konkurrenzsituationen. Zunächst ist dies der
Wettbewerb zwischen den DDR-Sendern und ihrer Jugendredaktionen. Nur
während des Deutschlandtreffens 1964 ist die Konkurrenz zwischen ihnen
kurzzeitig in der Sonderredaktion Festivalsenders „DT 64“ aufgehoben.
Ferner besteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Jugendsendungen
und den für die Westpropaganda eingesetzten Stationen „Deutscher
Freiheitssender 904“ und „Soldatensender 935“. Die Geheimsender sind
aufgrund ihrer sehr westlichen Musikauswahl oft Nutzungsalternativen.
Die westlichen Rundfunkanstalten bilden die wichtigste Konkurrenz. Das
sind im einzelnen die Sendungen „Treffpunkt“ RIAS II (Montags-Freitags
16.00-18.00 Uhr), „Neuerscheinungen“ auf Sender Freies Berlin
(Dienstags und Donnerstags 18.00-18.30 Uhr), „s-f-beat“ ebenfalls auf
der Welle des SFB (Montags bis Freitags, 18.30-19.30 Uhr) und der
„Aktuelle Plattenteller“ des Deutschlandfunks (Montags-Freitags
18.15-19.00 Uhr).
3.
Jugendstudio DT 64 – Entstehung, Arbeitsweise, Grenzen
Die vorangegangenen Ausführungen zur Jugend- und Medienpolitik der SED
in den 60er Jahren haben das Umfeld und die Handlungsspielräume
abgesteckt. Das „Jugendstudio DT 64“ ist darin eingebunden und
gleichzeitig von den Schwankungen in diesen Bereichen abhängig. Das
folgende Kapitel geht zunächst auf die Entstehung des Jugendstudios
nach dem Deutschlandtreffen und der Einrichtung eines festen
Sendeplatzes beim Berliner Rundfunk ein.
3.1
Das Sonderstudio und Festivalradio zum Deutschlandtreffen 1964
Das StRK beginnt im Februar 1964 mit vorbereitenden Planungen für das
Deutschlandtreffen. Mitte April 1964 steht der Name und der Inhalt des
Sonderprogramms fest. „Es wird während des Deutschlandtreffens ein
Sonderprogramm unter dem Namen “DT 64” gefahren. Das Programm hat die
Aufgaben, die Teilnehmer des Deutschlandtreffens und ihre Gastgeber
ständig zu informieren, bei allen organisatorischen Fragen zu helfen
und über das Deutschlandtreffen breit zu berichten. Das Sonderprogramm
wird von Freitag, den 15. Mai früh 4.00 Uhr bis Dienstag den 19. Mai
früh 5.00 Uhr ausgestrahlt über MW 611 (Berliner Rundfunk) und UKW 96
(Radio DDR). Die große Ansage lautet: Hier ist DT 64. Wir senden vom
Deutschlandtreffen der Jungend 1964 in Berlin.” [33] In der
Sonderredaktion für das Deutschlandtreffen sind Journalisten aller drei
Sender und Jugendfunkredaktionen vertreten.
Das Deutschlandtreffen soll zu einer innenpolitischen Mobilisierung der
DDR-Jugend beitragen. Die SED-Führung erhofft sich auf diesem Weg einen
Durchbruch für das Zustandekommen von deutsch-deutschen Gesprächen auf
Regierungsebene. Und drittens setzt Ulbricht auf die Ausstrahlungskraft
der mit dem Jugendkommuniqué und dem Jugendgesetz eingeleiteten
Veränderungen, wohlwissend, dass es Vergleichbares in der
Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt nicht gibt. Für die nach offiziellen
Angaben 535000 Jugendliche aus der DDR und 25000 Teilnehmer aus der
Bundesrepublik und West-Berlin wurden „ganze Straßenzüge – von den
Linden über die Friedrichstraße bis zur Karl-Marx-Allee für den Verkehr
gesperrt und zu Tanzstraßen erklärt, auf denen sich Hunderttausende bis
in die späte Nacht bei Twist und Hully-Gully, Jazz und Rock vergnügten.
Sämtliche Theater spielten kostenlos, die Kinos waren fast rund um die
Uhr geöffnet.” [34] Jugendliche Beatgruppen aus der DDR und andere
Laienkünstler treten erstmals während des Festivals in einem
offiziellen Rahmen auf. Auch die „heiße Musik“, die aus den
Kofferradios schallt, trägt erheblich zu dieser Atmosphäre bei. Auch
der „RIAS“ sendet zum Deutschlandtreffen ein musiklastiges,
jugendorientiertes Gegenprogramm.
Die flotte, größtenteils westliche Tanzmusik, die während des Festivals
über den Sender läuft, ist, nach Krause, ein hart erkämpftes Privileg
und nur möglich, da die Sonderredaktion mit dem Musikgeschmack der
westdeutschen Gäste argumentiert. Krause erinnert sich an die
Verhandlungen: „Alles hat diese Beatles gehört (Pause) Also bin ich zu
Eisler, ich habe gesagt, pass auf, (Pause) willste das dieser Sender
auch gehört wird. Ohne Musik kommen wir nicht aus und wir kommen auch
nicht aus ohne einen erheblichen (lacht) Anteil an westlicher Musik,
Tanzmusik und Rockmusik. Sie werden die Beatles hören, darauf kannst du
dich verlassen, sagte ich zu Eisler. Aber dann werden sie nicht DT 64
hören. Wenn sie (die Jugendlichen H.S.) sie (die Beatles, H.S) hören
sollen, dann sollen sie es bei uns hören. Und dann hat der ,Alte‘
(Eisler, H.S.) gesagt: ‘Ja’. Macht das mal.” [35]
3.2
Der Politbürobeschluss zur Weiterführung von DT 64
Schon vom 21. Mai 1964 datiert ein Vermerk der ZK-Abteilung Jugend, der
zwar auf die Weiterführung des Jugendsenders nicht explizit hinweist,
aber diesbezügliche Anregungen Ulbrichts festhält. „Dem Rundfunk und
dem Fernsehfunk sollte vorgeschlagen werden, daß für eine längere Zeit
die besten Aufnahmen über die verschiedenen Kulturveranstaltungen der
Jugend zum Deutschlandtreffen systematisch in das Programm mit
aufgenommen werden.” [36] Diese Äußerungen bilden vermutlich die
Grundlage für die von Kurt Turba im Namen der Jugendkommission
erstellte Vorlage zu „Problemen, die sich aus der Einschätzung des
Deutschlandtreffens ergeben” [37], die er am 23. Mai 1964 an das
Politbüro richtet. Diese Vorlage an das Politbüro wird direkt und ohne
Änderungen in die Endredaktion des Politbürobeschlusses [38]
übernommen. Es ist anzunehmen, dass die Äußerungen Turbas darin die
Zustimmung Ulbrichts besitzen. Turba fragt am Ende der Vorlage, „wie
und in welchen Formen der Jugendsender ,DT 64’, der bei Jung und Alt
während des Deutschlandtreffens großen Anklang fand, seine Sendungen
fortsetzen kann.” [39]
Auf der Sitzung des Politbüros vom 26. Mai 1964 [40] tritt Horst
Schumann, erster Sekretär des FDJ-Zentralrates, ebenfalls für die
Weiterführung des Senders „DT 64“ ein. „In diesem Zusammenhang (den
Formen des öffentlichen Auftretens der Jugend auf dem
Deutschlandtreffen, H.S.) möchten wir die große Wirkung des Senders ‘DT
64’ hervorheben.” [41] Nach Auffassung des Zentralrates der FDJ „war
dieser Sender ein wirkungsvolles Mittel, um die Jugend an das Geschehen
des Treffens zu binden und die Versuche der Einwirkung der NATO-Sender
auf das Treffen zu unterbinden.” [42] So schlägt Schumann in seiner
Rede dem Politbüro vor, in der DDR einen Jugendsender zusätzlich
einzurichten, da dadurch auch eine mediale Einflussnahme nach
Westdeutschland möglich sei. Beide maßgeblichen jugendpolitischen
Akteure, die Jugendkommission des Politbüros bzw. die ZK-Abteilung
Jugend und der Zentralrat der FDJ tragen den Wunsch an das Politbüro
heran, das erfolgreiche Festivalprogramm künftig weiterzuführen. Aus
Sicht der Jugendkommission liegt die Einrichtung eines Jugendsenders
auf der durch Ulbricht im Sommer 1963 eingeschlagenen politischen
Linie, die Kurt Turba selbst mit dem Jugendkommuniqué fortgeführt und
umgesetzt hat. Seitens der FDJ könnte eine Rolle gespielt haben, so
frühzeitig wie möglich auf den einzurichtenden Jugendsender und die
Gestaltung des Programms Einfluß zu nehmen, da ja der Jugendverband im
Zuge der veränderten Jugendpolitik in die Defensive gedrängt ist. Zu
fragen wäre, ob der Jugendverband in diesem Zeitraum über eine
gefestigte Stellung im Entscheidungsablauf verfügt, um diesen Anspruch
auch durchzusetzen. Letzteres scheint fraglich.
3.3
Die Umsetzung des Festivalprogramms DT 64 im DDR-Rundfunk
Durch den Politbürobeschluss von Ende Mai 1964 ist die Einrichtung
eines Jugendsenders, verstanden als Erweiterung des bisherigen
Programmangebotes, auf die politische Tagesordnung gesetzt. Das StRK
ist zu einer Überprüfung angehalten, obwohl die Etablierung eines
weiteren Senders nicht in die Umprofilierungsphase der bestehenden
Sender passt und wohl quer zu deren aktuellen Interessen liegt.
Diesbezügliche Erwägungen hinsichtlich senderinterner Spezialisierungen
weist das Komitee bereits vor dem Deutschlandtreffen zurück. [43]
Nach dem Jugendtreffen erreichen äußerst positive Hörermeinungen
unaufgefordert die Intendanten der Sender und den Vorsitzenden des
StRK, so dass die Publikumsreaktion als Gesichtspunkt von den
Entscheidungsträgern nicht gänzlich ausgeblendet werden kann.
Beispielhaft für die Reaktionen ist der Brief der Oberschülerin Hedda
L.: „Über den Sender DT 64 zu Pfingsten waren wir einer Meinung und
zwar, daß die Sendungen sehr gut waren und dementsprechend angekommen
sind. Könnte man nicht bei der Programmgestaltung übereinkommen, daß
jeden Abend ein Sender in der Art des DT ein Programm für die Jugend
bringen könnte (mit Tanzmusik, verbunden mit Nachrichten und
Diskussionen usw.)?” [44]
Ganz im Gegensatz zu den Hörermeinungen sieht der DDR-Rundfunk das
Sonderprogramm zum Deutschlandtreffen im DDR-Rundfunk lediglich als
einmalige Sendeveranstaltung an. Herta Classen, Intendantin des
Berliner Rundfunks, äußert sich auf einer Klausurtagung mit der
Leipziger Fakultät für Journalistik, zur Problematik eines
Jugendsenders. „Wir haben aber nicht die Möglichkeit, eine zusätzliche
Mittelwelle zu annektieren, um damit Jugendsendungen zu bestreiten. Wir
werden wahrscheinlich unsere Jugendprobleme in der Weise gestalten, daß
wir beispielsweise auf dem Berliner Rundfunk unsere Jugendsendungen
verstärken.” [45] Das Jugendstudio Berlin sendet während dieser Zeit
dreimal wöchentlich weiter wie zuvor.
Auf der Sitzung des Rundfunkkomitees vom 2.Juni 1964 kommt der
Jugendsender erneut zur Sprache. [46] Im Vorfeld haben Horst Schumann
und Helmut Müller vom Zentralrat der FDJ ein Gespräch beim Vorsitzenden
des StRK, Gerhart Eisler, gesucht. Eisler bittet das Gremium um
nochmalige Prüfung der Angelegenheit „DT 64“. In der anschließenden
Diskussion zwischen den Intendanten Classen, Wolfgang Kleinert (Radio
DDR) und Kurt Ehrich (Deutschlandsender) sowie Mitglieder ihrer
Chefredaktionen, Vertreter des Auslandsprogramms Radio Berlin
International und Gerhart Eisler, dessen Stellvertreter Reginald
Grimmer und dem Kaderverantwortlichen Erich Lange im Namen der
Rundfunkverwaltung herrscht Einmütigkeit darüber, dass eine
Weiterführung eines Jugendsender ,DT 64’ schlechthin nicht möglich sei.
Die Begründung für die Ablehnung eines eigenständigen Senders ist, dass
dem Sender „DT 64“ über Pfingsten Möglichkeiten gegeben und Methoden
gestattet wurden, die für ein Dauerprogramm aus verschiedenen Gründen
nicht anwendbar sind. Die Komiteemitglieder verständigen sich auf die
Lösung, die Sendereihe Jugendstudio Berlin zu erweitern, um damit den
Anteil von Jugendsendungen im DDR-Rundfunk zu erhöhen. Dem
Zusatzprotokoll beigefügt ist eine maschinengeschriebene
Zusammenfassung [47] der Diskussion. Dort werden die unterschiedlichen
Positionen der Komiteemitglieder zum Jugendsender deutlich.
Gleichzeitig treten grundlegende ideologische Bedenken bezüglich des
Sonderprogramms zu Tage. Inge Schmidt (Radio DDR I) vertritt die
Ansicht, dass der Erfolg von „DT 64“ in erster Linie auf die bisherigen
Ausarbeitungen eines Informations- und Unterhaltungsprogramms innerhalb
des StRK zurückzuführen ist. Sie fährt fort: „Die Jugend wünscht keine
besonderen Jugendsendungen. Sie hat den Wunsch, bestimmte Sachen auf
andere Art gesagt zu bekommen. [Deshalb] läuft alles darauf hinaus,
[daß ein] ein Informations- und Unterhaltungsprogramm, das Bedürfnis
der Jugend befriedigen können (sic!).” [48] Sie hält die auf DDR I
umgesetzte Variante, dreimal in der Woche zwischen 16 und 20 Uhr -
vorwiegend Jugendfragen zu behandeln, für einen richtigen Weg, lehnt
eine noch eingehendere Behandlung jugendspezifischer Themen ab. Herta
Classen vom Berliner Rundfunk pflichtet ihr bei und erklärt: „DT 64
lebte von der Atmosphäre des Deutschlandtreffens und von der heißen
Tanzmusik und wir können unmöglich ein solches Programm machen. Wir
kommen ideologisch und kulturpolitisch in die Enge [Ersetzung im
Original durch das Wort ‘Schwierigkeiten’, H.S.], wenn wir das über
eine längere Periode mehr als zwei Stunden auf das Programm ausdehnen.”
[49] Der Intendant des Deutschlandsenders, Kurt Ehrich, sieht dieses
Problem ebenfalls. „Dieses Programm ist getragen von Elementen, die wir
nicht in unserem offiziellen Programm haben dürfen und werden. Wir
würden ideologische Fundamente aushöhlen, die bei uns gewachsen sind.
Ideologisch gibt es entscheidenden (sic!) Einwand gegen die Fortführung
des ,DT 64’. Und machen wir das nicht, ist das Ganze, was ,DT 64’ so
populär gemacht hat, nicht vorhanden.” [50] Für die Ablehnung eines
Jugendsenders, der vergleichbar mit dem Freiheitssender ist, plädiert
die Intendantin des Berliner Rundfunks, in dem sie auf die technische
Unmöglichkeit der Realisierung und die erhöhten Kosten durch viele
zusätzliche Kader verwies. Classen bietet als Lösungsweg an, „daß der
Berliner Rundfunk fünfmal in der Woche Jugendstudio macht. Wir sind
nicht abgeneigt, wenn der Druck sehr stark ist, auf dieser Basis zu
verhandeln.” [51]
Von woher dieser bestehende Druck komme und mit wem darüber zu
verhandeln sei, wird nicht erläutert. Am wahrscheinlichsten ist die
Einwirkung der SED-Führungsspitze, ausgelöst durch den
Politbürobeschluß. Die Hörerreaktionen dürften kein auslösendes Moment
für diese Überlegungen geboten haben. Die Umsetzung des Sondersenders
im Hause des Berliner Rundfunks kann als konfliktfreieste Lösung mit
einem Höchstmaß an senderinterner Kontrolle gelten, welche die vom von
der SED-Führung kommenden Überlegungen verarbeitet und mit den
Interessen der Rundfunksender in Einklang bringt. Das „Jugendstudio
Berlin“ des Berliner Rundfunks wird zum Programmstart am 29. Juni in
„Jugendstudio DT 64“ umbenannt, rechtzeitig zu Ulbrichts 71.
Geburtstag, der am 30. Juni feierlich begangen wird. Der Bezug zum
erfolgreichen Sonderprogramm des Deutschlandtreffens erhält bei den
Hörern die Erinnerung an das westbeat-spielende Festivalradio und
bindet sie dadurch leichter an dieses „neue“ Angebot. Diese
Neuartigkeit von „DT 64“ muss meines Erachtens als Ergebnis der eben
dargestellten Entscheidungsfindung innerhalb des StRK, in Frage
gestellt werden. „DT 64“ wirkt vielmehr wie ein interner
Formelkompromiss, der die externen Anforderungen zwar umsetzt, sie aber
anders ausfüllt. Eine Gleichsetzung von „Jugendstudio DT 64“ mit dem
Sonderprogramm zum Deutschlandtreffen ist demnach nicht zulässig. Das
StRK entscheidet sich gegen eigenständigen Jugendsender ein, obwohl
dies durchaus auf der Linie des Politbürobeschlusses läge. Ideologische
und kulturpolitische Gründe sprechen gegen die Weiterführung des
Programms wie an den Festivaltagen. Inwieweit letztlich die technischen
Voraussetzungen für die Umsetzung eines Jugendsenders überhaupt
vorhanden sind, muss hier offen bleiben. Die Intendanten befürchten
zudem die Gefahr, dass ein Jugendsender die anderen Programme schwächen
könne. Wirklich maßgebend ist wohl eher, dass ein eigenständiger
Jugendsender das mühsam hergestellte Gleichgewicht zwischen den
Programmaufträgen der Sender, ihrer unterschiedlichen Ausrichtung auf
Hörerzielgruppen und der Entscheidungsfindung innerhalb des StRK stört
und aus der Balance bringt.
3.4
Redaktion, Sendearbeit und Aufgaben des Jugendstudios DT 64
Die Größe der Redaktion bewegt sich im Zeitraum von 1964 bis 1971
zwischen 20 und 30 Personen [52]. Siegmar Krause ist der erste
Redaktionsleiter des Jugendstudios DT 64. Er übt diese Tätigkeit
bereits beim Jugendstudio Berlin aus. Ihm folgen 1967 Jonny Marhold,
von 1969 bis 1971 Manfred Kühn und von 1971 bis 1977 Axel Blumentritt.
Alfred Stephan, zuständig für Ökonomie, und Manfred Kühn, die
Jugendverbandsarbeit betreuend, sind in der Anfangszeit die
Stellvertreter Krauses. Werner Kapitola organisiert den „Marktplatz der
Sensationen“, Ingrid Kuhfeld ist für den Bereich Schule,
Berufsausbildung und Erwachsenwerden verantwortlich, Peter Salchow,
Gretel Ortner, Jürgen Babenschneider und Karl-Heinz Neumann arbeiten
als Reporter, Redakteure und Sprecher, Klaus Dieter Kröber (Nationale
Politik und Westdeutschland), Gerhard Auerbach (Wehrerziehung) und
Jürgen Kohrt (Jugendverband) sind ausschließlich Reporter. Frau Hensel
ist die Chefsekretärin und Harry Grabka legt die Platten auf den
Teller. Hinzu kommen noch einige freie Mitarbeiter wie z.B. Marianne
Oppel, Werner Dorst und Günter Hesse. Das 11. Plenum hat auf die
Redaktionsgröße des Jugendstudios keine Einwirkung. Eine Vergrößerung
der Redaktion, um eine verbesserte und tiefergehende Berichterstattung
zu erzielen, wäre ein Weg gewesen, mit der Kritik des 11. Plenum
innerhalb des StRK umzugehen. Dies ist nicht der Fall. Für eine
Sendeaktion in Karl-Marx-Stadt während des VIII. Parlaments der FDJ und
des Pfingstreffens 1967 erhalten 25 Personen [53] Auszeichnungen.
Durch die Gegenüberstellung einer inhaltlichen und musikalischen
Programmanalyse [54] der Jugendredaktion des RIAS und der einer
verstärkt auf inhaltliche Punkte abhebenden Untersuchung der Abteilung
Agitation/Propaganda der FDJ [55] versucht diese Arbeit, ergänzt durch
Aussagen der Zeitzeugen im weiteren Verlauf, die inhaltliche und
musikalische Sendearbeit von „Jugendstudio DT 64“ zu rekonstruieren.
Die Expertise der Abteilung Agitation der FDJ kommt zu der
Einschätzung, dass das Programm zwar ausgewogen sei, allerdings seine
Stärken eindeutig im ersten Teil habe. „Wir halten die Orientierung des
,Staatlichen Rundfunkkomitees’, nach 18.30 Uhr weitgehend die Aufgaben
der ehemaligen Sendung ‘Pulsschlag der Zeit’ durch das Jugendstudio
lösen zu lassen, für überprüfenswert. Dokumentationen von 30 Minuten
Dauer und ähnliche Beiträge innerhalb der Sendezeit von DT 64
entsprechen nicht den Erwartungen der jungen Hörer.” [56] Die
Problematik von blockierenden Sendefenstern im Jugendstudio DT 64, als
einer ansonsten fließenden Magazin- und Informationssendung, zieht sich
ungelöst durch den Betrachtungszeitraum hindurch.
Für die Agitationsabteilung der FDJ hat das Jugendstudio folgende
Aufgaben: „DT 64 will den sozialistischen Menschenformen formen helfen,
aber nicht den Menschen in eine Form pressen. Das heißt also: DT 64 muß
vom Denken und Fühlen der Jungen und Mädchen ausgehen, ihren
Bewußtseinsstand und ihren Wissensdrang genauso respektieren wie ihre
Abneigung gegen konservative Formen und Methoden, ihr kritisches Denken
wie die Liebe zum Modernen, auch zur flotten Musik.” [57] An jedem Tag
gibt es einen bestimmten Pflichtbeitrag im Programm. Montags ist es die
Berufsausbildung, dienstags die Wehrerziehung, mittwochs kommt ein
Bericht zum Thema Landwirtschaft, donnerstags berichtet „DT 64“ aus
einem Betrieb oder nähert sich einem wirtschaftlichen Problem, freitags
schließlich steht der Bereich Kultur im Mittelpunkt. Die
RIAS-Untersuchung vom November 1965 stellt den Sachverhalt ähnlich dar:
„Für jeden einzelnen Wochentag arbeitet jeweils eine Tages-Redaktion,
die mit sechs oder sieben Mitarbeitern besetzt ist.” [58] Kultur (auch
Wissenschaft und Technik), Aktuelles, Sport, Quiz, Politik, Hörer und
Zwischentext sind die Kategorien, nach denen das DT 64-Programm
einteilt. Das Programm von Jugendstudio DT ist gemäß der
RIAS-Untersuchung gekennzeichnet durch ein Wort-Musik-Verhältnis von
1/3 zu 2/3. Der gesamte Wortanteil von 70 Minuten gliedert sich in
folgende Schwerpunktbereiche:
Politik: 27’00 (38,6%)
Kultur: 19’00 (27,1%)
Quiz: 9’00 (12,8%)
Hörer: 7’00 (10%)
Aktuelles: 6’00 (8,6%)
Zwischentext: 2’00 (2,9%)
Die Musikanteile beschreibt der „RIAS“ genauer als die FDJ. Die
Stilvarianten „ ,hot’ (heiße Musik jeder Art) und ,slow’ (gemäßigte
Musik aller Sparten)” [59] gibt es. 55 Titel werden in jeder Sendung
gespielt, dabei umfasst heiße Musik 60% (32 Stücke) der Gesamtmusik.
Sie setzt sich aus den Stilen Beat, Schlager, traditioneller Jazz und
lateinamerikanische Tanzmusik zusammen. Der Beat ist mit 15 Titeln am
Häufigsten vertreten. Schlager von Udo Jürgens und Wencke Myhre, den
ostdeutschen Pendants Manfred Krug oder Bärbel Wachholz, traditional
Jazz und lateinamerikanischer Tanzmusik wie ,La Cucharacha’ oder
kubanische Revolutionslieder folgen, äußerst selten wird einmal ein
Marsch gespielt. [60] Der RIAS unterscheidet die Musikproduktionen in
erkennbare Eigenproduktionen östlicher Prägung, westliche Originaltitel
und limitierte West-Titel. Das ergibt folgende Abstufung: Imitationen
westlicher Titel (38,2%), östlichen Eigenproduktionen und Bänder aus
dem sozialistischen Ausland (32,7) und westliche Originale (29,1%).
Die RIAS-Studie belegt somit für den Zeitraum vor dem 11. Plenum, dass
„DT 64“ bei der Musikauswahl mit der gesetzlich festgelegten Verteilung
von 60% Ostmusik zu 40% Westtiteln flexibel umgeht und sich eher nicht
daran hält. Rechnet man die Verteilung auf den ganzen Berliner Rundfunk
hoch, so bleibt das Verhältnis sicherlich zugunsten der DDR-eigenen und
sozialistischen Produktion erhalten. Zählt man die Imitationen
westlicher Titel, zumal wenn es sich um gesangslose Instrumentalstücke
oder um nicht-englischsprachige Interpretationen handelt, und die
originalen Westmusiken zusammen, so kehrt sich das Verhältnis in
ungefähr 70% West zu 30% Ost um. Mit den ideologischen Eckpfeilern
sozialistischer Kulturpolitik hat die Musikauswahl bei „Jugendstudio DT
64“ nicht mehr viel zu tun. Hier veranschaulicht sich die Ambivalenz
zwischen politischen Prämissen und der Erfüllung von Hörerbedürfnissen
auf eine sehr drastische Weise.
Siegmar Krause bejaht im Zeitzeugeninterview die Frage, ob er bereits
im Spätsommer 1965 bemerkt, dass „DT 64“ aufgrund der Musik zunehmend
ins Kreuzfeuer der Kritik gerät. „Und dann mehrten sich die Stimmen:
Ihr seid da (wohl im Politbüro, H.S) sehr Mode und (werdet) mit sehr
kritischen Tönen (bedacht), passt mal ein bißchen auf. Ja, was sollte
ich machen.” [61] Nach Peter Salchows Ansicht verschwindet mit dem 11.
Plenum die englischsprachige Musik von einem Tag auf den anderen aus
dem Programm. „Und da kam einer auf die Idee, dass es auch in
Frankreich und in Italien Musik gibt und man müsse die nur herholen, da
es dort nachgespielte Beatles-Titel gibt. Und da bekommt „DT 64“ diese
schöne Musikfarbe, dass englische Musik in französischem Gewand
erscheint. Eben nicht die Originalmusik des Klassenfeindes.”[62] Die
Reaktion der Hörer ist entsprechend ablehnend. Salchow weiter: „Und so
entsteht ja relativ schnell eine gewisse Lockerung von den Anteilen
her. Im Frühjahr 1966 spielten wir 20 % englische Titel, danach ging
der Anteil langsam wieder hoch.” Für Salchows Aussagen spricht auch
eine Untersuchung der VEB Deutsche Schallplatten, die gegenüber der
ZK-Abteilung Kultur verdeutlichen will, dass „DT 64“ auch nach dem 11.
Plenum westliche Tanzmusik im Programm spielt. [63]
3.5
Jugendstudio DT 64 und das 11. Plenum
Erich Honecker stellt in seinem Plenumsreferat das „Jugendstudio DT 64“
und die FDJ regelrecht an den Pranger. „Über eine lange Zeit hat DT 64
in seinem Musikprogramm einseitig die Beatmusik propagiert. In den
Senden (sic!) des Jugendsenders wurden in nicht vertretbarer Weise die
Fragen der allseitigen Bildung und des Wissens junger Menschen, die
verschiedensten Bereiche der Kunst, der Literatur der Vergangenheit und
Gegenwart außer acht gelassen. Es kam, daß es im Zentralrat der Freien
Deutschen Jugend eine fehlerhafte Beurteilung der Beat-Musik gab. Sie
wurde als musikalischer Ausdruck des Zeitalters der technischen
Revolution entdeckt und dabei wurde übersehen, daß der Gegner diese Art
Musik ausnutzt, um durch die Übersteigerung der Beat-Rhythmen
Jugendliche zu Exzessen aufzuputschen. Der schädliche Einfluß solcher
Musik auf das Denken und Handeln von Jugendlichen wurde grob
unterschätzt. Niemand in unserem Staate hat etwas gegen eine gepflegte
Beat-Musik. Sie kann aber doch nicht als die alleinige und
hauptsächlichste Form der Tanzmusik betrachtet werden. Entschieden und
systematisch müssen ihre dekadenten Züge bekämpft werden.” [64]
Honecker nimmt Erziehungsfunktion ins Visier. „Es gibt auch Mängel in
der Erziehung der Jugend, vor allem der studierenden Jugend. Wir halten
es für dringend notwendig, der Jugend das Verständnis für die
Geschichte unseres Volkes und für den historischen Kampf der
Arbeiterklasse zu vermitteln.”[65] Der Bezug zu „DT 64“ ist
offensichtlich, möglicherweise wird die Argumentation Honeckers aber
von einer Disziplinierung der FDJ überlagert. Die Quelle lässt dies in
der Schwebe. Das Kahlschlag-Plenum führt nicht zur Einstellung der
Jugendsendung, sonder hat wie die nachfolgende Quelle zeigt eine
programminhaltliche Neuausrichtung des Jugendstudios zur Folge.
Allerdings ist erstaunlich, dass StRK das Thema DT 64 erst im April
1966 auf die Tagesordnung einer Sitzung setzt. Anzunehmen ist, dass das
Rundfunkkomitee die Entwicklungen nach dem 11. Plenum aussitzt, intern
das Jugendstudio allerdings wieder enger an die Leine nimmt. Bestünde
ein starker externer Druck hätte sich das Komitee viel früher mit
diesem Problem in einer Sitzung beschäftigt. Siegmar Krause kann in der
Komiteevorlage vom 2. April 1966 von bereits umgesetzten Sendevorhaben
[66] berichten und künftige Programmschwerpunkte darstellen.
Geschichte des deutschen Imperialsmus:
„Neu ins Programm aufgenommen wurde eine 15-teilige Sendereihe über die
Geschichte des deutschen Imperialismus und seiner Kriege. Entsprechend
der Forderung Walter Ulbrichts (die die Aussagen Honeckers aufgreifen
und sich zu eigen machen, H.S) zu, geschichts- und bewußtseinsbildend
auf die Jugend einzuwirken. [...] Die Sendungen bestehen jeweils aus
einer Dokumentation, aus einem besonderen Ereignis einer bestimmten
Epoche und einer anschließenden Diskussion mit jungen Berlinern zu
Einzelereignissen, aber auch gesellschaftlichen Grundfragen.” [67] In
Zusammenarbeit mit der FDJ will DT 64 einen speziellen Jugendklub
einrichten. Ebenfalls werde mit dem Institut für Marxismus-Leninismus
eine Sendereihe zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung
vorbereitet.
Soldatenmagazin:
Die Beschäftigung mit den jungen Soldaten der NVA wird stärker ins
Programm gerückt. Bisher ist dieses Thema eher in Einzelreportagen oder
durch ein Weihnachtswunschkonzert präsent. Das Soldatenmagazin
„erscheint jeden Dienstag von 18.15 bis 19.30 Uhr. Hier werden vor
allem Probleme der patriotischen Erziehung, der vormilitärischen
Ausbildung und des Soldatenlebens behandelt.” [68] „DT 64“ will sich
dabei auf einige Probleme konzentrieren: „Freund-Feind, die
klassenmäßige Erziehung unserer Soldaten, die Rolle der FDJ in den
Einheiten, Ausnutzen der Dienstzeit bis zum letzten Tag. Darunter
fallen auch Fragen der Disziplin und Ordnung.” [69]
Dies sind nur zwei Beispiele für inhaltliche Anpassungen nach dem 11.
Plenum. Für ebenso wichtig halte ich folgende Aussage von Marianne
Oppel: „Nach der ersten Phase, in der wir morgens das Programm für den
Nachmittag erfunden haben, brauchte Siegmar dann, als er in den ,Turm’
(Zur Sitzung des StRK) musste, nämlich ein Stück Papier, das er dann
vortrug. Ab diesem Zeitpunkt mussten wir anfangen zu planen. Das fällt
ungefähr mit dem Plenum zusammen. Er brauchte einen Plan und die (die
Intendanten und der Erste Vorsitzende des StRKs, H.S.) wollten wissen,
was bei uns lief. Im Rundfunk war es üblich. Man durfte eigentlich gar
nicht sagen, dass wir am Tag vorher nicht wussten, was wir am nächsten
Tag senden wollen.” [70]
Dennoch überraschend, dass sich das StRK erst vier Monate nach dem
Plenum, der Gesamtproblematik „DT 64“ annimmt. Vielleicht zeugt es auch
davon, dass der staatliche Rundfunk sich verhältnismäßig schnell von
der durch das Plenum entstandenen Drucksituation lösen kann. Inwieweit
dies dann konkret das „Jugendstudio DT 64“ betrifft, ist mit dem
recherchierten Material nicht zu klären, da die Nachbesprechungen des
Komitees in kleinerem Kreis über die Zukunft von „DT 64“ nicht in den
Beständen gefunden werden konnten.
Das StRK wartet die Wellen der ZK-Tagung ab und bearbeitet „DT 64“ erst
intern, als die Auswirkungen des Plenums bereits wieder abklingen.
Womöglich ist dem Vorsitzenden Eisler klar, dass die Kulturdebatte auf
dem Kahlschlag-Plenum lediglich den Nebenschauplatz einer anderen
Auseinandersetzung bilden und es eigentlich nicht um „DT 64“ an sich
geht, sondern um die liberale Jugendpolitik bzw. die
Wirtschaftspolitik. Dieser andere Konflikt ist der Gegensatz zwischen
Honecker und Ulbricht. In der Absetzung Turbas vom Vorsitz der
Jugendkommission und der Jugendabteilung des ZK erzielt Honecker einen
personalpolitischen Erfolg. Ulbricht lässt Turba wohl fallen, um einen
Kompromiss in der Wirtschaftspolitik zu erreichen.
3.6
Die Ausdehnung der Sendezeit
Das Jugendstudio DT 64 sendet nach dem Programmstart fünfmal in der
Woche von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr, das sind 10 Stunden Wochenprogramm.
Der Vorgänger Jugendstudio Berlin hatte 7 ½ Stunden Sendezeit pro
Woche. Ab 1. September 1964 [71] erhält das Jugendprogramm eine halbe
Stunde hinzu. Es strahlt nun von 16.00 Uhr bis 18.30 Uhr, also 12 ½
Stunden. Eine erneute Verlängerung um eine Stunde tritt auf Vorschlag
der Intendantin Classen „Ende Mai 1965 in Kraft.” [72] Die Sendung
dauert nun von 16.00 Uhr bis 19.30 Uhr an jedem Werktag. Im Januar 1971
gelangt „DT 64“ auf einen Platz am Sonnabend nachmittag, mit der
Hitparaden-Sendung „DT 64-Musikstudio“. Erst Jahr 1981 verlängert sich
die Sendezeit wieder. Die Erweiterung der täglichen Sendezeit in der
Anfangszeit lässt auf einen Bedeutungszuwachs des Jugendstudios
schließen. Allerdings endet diese Phase bereits im Sommer 1965. Das 11.
Plenum wirkt sich darauf nicht nachteilig aus.
Dennoch gibt es sowohl um einen Sendeplatz von „DT 64“ am Wochenende
eine Debatte, als auch um die Überlegung die Jugendredaktionen der
DDR-Hörfunksender zusammenzulegen. Die FDJ-Abteilung Agitation erwägt
diesen Schritt und formuliert in einem Vermerk vom Dezember 1964: „Bis
1970 werden die Voraussetzungen für einen selbständigen Jugendsender
geschaffen, der auf geeigneten Frequenzen ausstrahlt. Dieser Sender
wendet sich in einem Ganztagesprogramm an die Jugend der DDR und auf
Langwelle besonders an die Jugend Westdeutschlands und Westberlins. Im
Jugendsender vereinigen sich die Jugendstudios von Radio DDR, Berliner
Rundfunk und später des Deutschlandsenders.” [73] Der Berliner Rundfunk
verweigert sich der weiteren Ausdehnung von „DT 64“ auf das Wochenende.
Das StRK bestätigt die vorgebrachten Bedenken des Senders und
beschließt im August 1965, „daß im Interesse der Erfüllung der großen
politischen Aufgaben des BR eine Programmerweiterung für DT 64 über das
Wochenende nicht vorgenommen wird.” [74] Erst 1987 wird dieses Vorhaben
dann umgesetzt und die Jugendredaktionen des früheren
Deutschlandsenders, nun Stimme der DDR, und des Berliner Rundfunks
zusammengeführt.
4.
Wirkung von DT 64 auf ausgewählte politische Entscheidungsträger
Dieses Kapitel beschreibt wie die verschiedenen Ebenen des
SED-Herrschaftsapparates, das Politbüro und das Zentralkomitee (ZK),
der Zentralrat der FDJ und seine Abteilungen sowie das Staatlichen
Rundfunkkomitee (StRK) das Programm des Jugendstudios auf- und
wahrnehmen. Sicherlich kann eine erweiterte Betrachtung auch der
ministeriellen und bezirklichen Ebene erkenntnisgewinnend, sie muss an
dieser Stelle ausbleiben. Für diese Zusammenfassung beschränke ich mich
auf das StRK als Akteur im Umfeld des 11. Plenum.
4.1
Das StRK und DT 64 im Umfeld des 11. Plenums
Innerhalb des StRK wird bereits vor dem 11. Plenum von „DT 64“ eine
inhaltliche Verbesserung der Sendebeiträge gefordert. Diese soll durch
die Einbindung von Fachjournalisten aus anderen Redaktionen und
Sendern. „Ohne den Wortanteil im Programm zu vergrößern, muß es noch
überarbeitet und interessanter gestaltet werden. Dabei sind die
Hinweise der Parteileitung zu beachten.” [75] Um die scheinbar
entstandene Lücke in der Anleitung der Redaktion zu schließen und den
wohl schwierigen Informationsfluss innerhalb des Senders zu beheben,
nimmt daraufhin ein Vertreter des Jugendstudios an der zentralen
Argumentation des Komitees teil. Dieses Verfahren verdient besondere
Aufmerksamkeit, da es einerseits eine stärkere Einflußnahme des StRK
ermöglicht, andererseits der Jugendredaktion ein Vertretungsrecht im
obersten Entscheidungsgremium des DDR-Rundfunks einräumt und sie
dadurch gegenüber der Intendanz und der Chefredaktion des Berliner
Rundfunks aufwertet. Mit dem Vertretungsrecht innerhalb der
StRK-Sitzung erhält die Redaktion fast die Kompetenzen eines
eigenständigen Senders. Meines Erachtens beinhaltet dieses Vorgehen des
StRK nicht nur eine Disziplinierung, sondern auch eine Aufwertung. Im
Zuge der Verantwortung Eislers und des StRKs für „DT 64“ sollen „sofort
Maßnahmen ergriffen werden, um die vorhandenen Lücken (in der
abspielbaren Musik, H.S.) zu schließen und ein den Erfordernissen
entsprechendes Musikprogramm gestalten zu können.” [76]
Ende Oktober 1965 beschließt das Komitee also, eine Veränderung des
Musikprogramms von „DT 64“ einzuleiten und die Zahl der im Rundfunk
produzierten Tanzmusiktitel zu erhöhen. Die Entscheidung dürfte sich
faktisch erst mit einer zeitlichen Verzögerung ausgewirkt haben, so
dass diese Maßnahmen zum 11. Plenum noch nicht griffen, sondern
lediglich als eingeleitet zu bezeichnen sind. Dennoch: Bereits vor dem
Plenum sind auf dem musikpolitischen Feld Maßnahmen eingeleitet. Das
11. Plenum trifft den DDR-Rundfunk möglicherweise hart, aber nicht
unvorbereitet.
Nach einer ersten Auswertung des 11. Plenums und dem Bericht des
stellvertretenden Vorsitzenden Grimmer beschließt das StRK auf
Vorschlag von Eisler und dem Sekretär der Parteileitung: „Für die
Durchführung der Aufgaben von „DT 64“ hat das Staatliche
Rundfunkkomitee eine besondere Verantwortung und muss die
Leitungstätigkeit und Kontrolle verstärken. Wenn in der Vergangenheit
Schwächen in der Arbeit aufgetreten sind, so sind dafür nicht nur „DT
64“ oder die Intendanz des Berliner Rundfunks verantwortlich, sondern
auch das Komitee.” [77] Hinter diesen Positionierungen seitens des
Rundfunkkomitees zu „DT 64“ steckt die Strategie Gerhart Eislers,
mittels der Übernahme der Gesamtverantwortung durch das StRK, die
Folgen des 11. Plenums für das Jugendstudio abzuschwächen. Durch das
Vertretungsrecht von „DT 64“ im StRK fühlen sich die Verantwortlichen
des Berliner Rundfunks in ihrer Bedeutung eingeschränkt. Krause: „Und
das hat dieses Verhältnis noch mehr zerrüttet.” [78] Löst man sich von
der Einschätzung Krauses, so könnte man im Vorgehen Eislers eine
Strategie sehen, bei welcher es ihm gelingt, dass Jugendstudio wieder
auf ,Linie’ zu bringen und die Kontrolle der jugendpolitischen Arbeit
des Rundfunks, dessen Herzstück „DT 64“ zweifelsohne ist, zu
optimieren, ohne die Mitarbeiter zu demotivieren und zu entmutigen.
4.2
Prof. h.c. Gerhart Eisler
Gerhart Eisler [79] ist eine schillernde Figur unter den
Funktionsträgern des DDR-Partei- und Staatsapparates. Stationen seiner
Vita sind die kommunistische Pressearbeit in Österreich nach dem 1.
Weltkrieg, später ist er Vertreter der kommunistischen Internationalen,
antifaschistischer Rundfunkjournalist während des Spanischen
Bürgerkrieges und Chefredakteur des Deutschen Freiheitssenders 29,8
[80]. Ab 1956 ist er, trotz einer mehrjährigen Entbindung von
Parteifunktionen, als erster stellvertretender Vorsitzender des
Staatlichen Rundfunkkomitees tätig und übernimmt von 1962 bis 1968 den
Vorsitz des Gremiums.
In der Einschätzung der Zeitzeugen ist Eisler die maßgebliche Figur,
die den Weiterbestand von „DT 64“ im Zusammenhang mit dem 11. Plenum
sichert. Die überlieferten Bestände [81] des Sekretariats des
Vorsitzenden liefern diesbezüglich keine Anhaltspunkte. Marianne Oppel:
„Ich weiß, dass er sehr seine Hand über uns gehalten hat. Der hat Euch
(Die Redaktionsleiter, H.S.) verhauen, aber nach außen hin hat er uns
sehr verteidigt.” [82] In den Äußerungen Krauses klingt an, dass Eisler
offizielle Termine des oberen SED-Apparates mit den Leitern der unter
Beschuss geratenen Redaktionen besetzt, damit die SED-Führungsspitze
die Personen hinter den als problematisch eingestuften Jugend- und
Kulturprogrammen kennen lernen und vorhandene Vorbehalte abbauen
können. „Der Eisler hat es fertig gebracht nach dem Plenum, als die
Jugendredaktion und die Kulturpolitik kritisiert wurde, hat er kurz
danach, im Januar oder Februar, also Albert Norden, Mitglied des
Politbüros, zuständig für Propaganda, hatte Geburtstag, da hat der
Eisler, also infam von dem Alten, als die beiden Vertreter des
Rundfunks, die Norden gratulierten, den Manfred Engelhardt, Chef der
Kultur und mich, Chef des Jugendstudios, geschickt. Das war perfide.
Wir haben alle gefeixt. Ich hatte das damals noch gar nicht so richtig
mitgekriegt, erst dann ist mir die Feinheit dieses Schachzuges
aufgegangen.” Zur jahrelangen Freundschaft zwischen Albert Norden und
Gerhart Eisler, begründet in ihrer ähnlichen Herkunft, der Arbeit als
junge, kommunistische Journalisten in der Zwischenkriegszeit, in der
USA-Emigration und der gemeinsamen Arbeit beim Amt für Information der
DDR ab 1947, liefert Podewin [83] erhellende Einblicke und deutet auf
ein dauerhaft funktionierendes persönliches Netzwerk hin, das auch in
dem hier beleuchteten Zusammenhang zum Tragen kommen dürfte. In diesem
Netzwerk ist noch ein weiterer SED-Entscheidungsträger- und
-vorbereiter involviert: Kurt Hager. In der Gründungsredaktion des
KPD-Geheimsenders „Deutscher Freiheitssender 29,8“ in Madrid bzw.
Valencia arbeitet Eisler mit Kurt Hager [84] zusammen, der zum
Zeitpunkt des 11. Plenums ZK-Sekretär für Kultur, Wissenschaft und
Volksbildung und Leiter der Ideologischen Kommission des Politbüros
ist. Da sich die Diskussion auf dem Kahlschlag-Plenum um
wirtschaftliche und kulturelle Themen dreht, muss Hager und die
ZK-Abteilung Kultur sowohl an der Vorbereitung als auch an der
Umsetzung von Maßnahmen in Auswertung des Plenums beteiligt gewesen
sein. Möglicherweise hat die persönlich Beziehung zwischen Eisler und
Hager, die aus gemeinsamen Tagen während des spanischen Bürgerkrieges
herrührt, einen Anteil am Weiterbestehen des Jugendstudios. Dieses
persönliche Netzwerk und seine Verknüpfung in die
Entscheidungsstrukturen der SED und der Ministerien hinein
darzustellen, wäre die Aufgabe einer eigenen Forschungsarbeit. Ein
weiteres Beispiel für Netzwerke ist die Beziehung zwischen Honecker und
dem SED-Bezirkschef von Leipzig, Paul Fröhlich [85], in der
Vorbereitung des 11. Plenums. An dieser Stelle hier konnte der Aspekt
persönlicher Beziehungen nur sehr oberflächlich angedeutet werden.
5.
„Jugendstudio DT 64“ und das Nutzungsverhalten von Jugendlichen
Das Zentralinstitut für Jugendforschung (ZIJ) [86] und die Abteilung
Soziologische Forschung [87] des StRK sind die beiden maßgeblichen
Forschungseinrichtungen zur Rundfunknutzung. Allerdings sind die
Studiendesigns erst zu Beginn der 1970er so weit entwickelt, dass die
Umfragen als repräsentativ gelten können. Der Vorbehalt einer
Ergebnislenkung zugunsten von DDR-Sendungen muss bei der Bewertung
uneingeschränkt gelten. Nach der Beschreibung des Nutzungsverhaltens
wird versucht, die Aneignungssituation von Radioprogrammen in einem
ideologisch geteilten, aber technisch vereinigten Radioäther zu
beschreiben.
5.1
Die Hörer und die Reichweite von „DT 64“
Die erste Untersuchung stammt aus dem Jahr 1967. Walter Friedrich [88]
liefert eine Analyse der Hörgewohnheiten Jugendlicher bezüglich „DT
64“. Demnach gibt es in Grimma 14% ständige DT 64-Hörer, 53,1%
verfolgen häufig die Sendungen, 26% eher selten und 6% verzichten ganz
auf das Jugendstudio. Mädchen (20,7%) hören demnach stärker ständig DT
64 als Jungen (8,1%).
1970 heißt es in einem Falltest der soziologischen Abteilung des
Rundfunks: „Die meisten Hörer entstammen den Altersgruppen von 15 bis
18 Jahren (63%) und 19 bis 24 Jahren (58%).” [89]
1974 beschreibt eine Untersuchung der Abteilung Soziologische
Hörerforschung die DT-64-Hörer. Es sind „Schüler der 9. bis 12.
Klassen, Lehrlinge, Arbeiter in der Industrie, Studenten und
Fachschüler sowie in Dienstleistungen Tätige, bedingt auch Angehörige
des mittleren wissenschaftlichen Personals. In den Erwartungen steht
die Musik uneingeschränkt an der Spitze. Mit Abstand folgt
Information/Unterhaltung sowie mit größerem Abstand
Information/Argumentation, Bildung und Hörspiel.” [90]
Die Diplomarbeit [91] von Joachim Hürtgen zeigt, dass „DT 64“
keineswegs eine durchgängige Erfolgsgeschichte ist, sondern
hinsichtlich der Reichweite, Programmzusammensetzung und
Nutzungsverhalten einige Schwachstellen aufweist. „Aus verschiedenen
Resonanzuntersuchungen des Jahres 1971 zu verschiedenen Sendereihen,
die in der DDR empfangbar sind, geht hervor, daß die Sendung
RIAS-Treffpunkt von ca. 12%, SF-Beat (Jugendsendung des SFB seit 1967,
H.S.) von ca. 14% aller Bürger der DDR über 15 Jahre gehört werden. DT
64 vereinigt in diesen Relationen 26% auf sich.” [92] Da der Berliner
Rundfunk, so Hürtgen im gesamten Territorium der DDR zu empfangen ist,
ist anzunehmen, dass die Hörerbeteiligung bei den Westsendern bei
voller Empfangbarkeit anwachsen würde. Deren Attraktivität begründet
Hürtgen mit dem höheren Musikanteil gegenüber den Wortbeiträgen.
RIAS-Treffpunkt besteht aus 1/3 Wort und 2/3 Musik, bei der Sendung
„s-f-beat“ liegt das Verhältnis zwischen 1:3 und 1:4 zu Gunsten der
Musik. Bei „DT 64“ ist der Wortanteil 1971 genauso hoch wie der
Musikanteil, was eine Verschiebung zu Gunsten der Sendebeiträge
gegenüber den Anfangsjahren bedeutet.
Das zweite Argument Hürtgens für die Attraktivität der Westsender ist
das jugendliche Bedürfnis nach westlichen Beat- und Rockmusiktitel. „DT
64“ befriedigt dieses Bedürfnis, seiner Ansicht nach, Anfang der 70er
Jahre nicht ausreichend. Als dritten Punkt für den Verlust an
Hörerbeteiligung sieht Hürtgen die Sendung „Pulsschlag der Zeit“ an.
„Von 17.30 bis 18 Uhr wird das Jugendmagazin DT 64 durch die sehr
informationsintensive Sendung ,Pulsschlag der Zeit’ unterbrochen.” [93]
Somit wird innerhalb des Jugendprogramms auch eine ältere Zielgruppe
angesprochen. Hürtgen merkt an, dass sich die westlichen Radiostationen
mit ihrem Jugend- und Musikprogramm auf diesen Bruch hin ausrichten und
ihr Programm dahingehend abstimmen, dass ein durchgehendes
Alternativangebot zu „DT 64“ gewährleistet ist. [94] Auf einer
Zeitachse äußert sich dies folgendermaßen (jeweils Anzahl der Hörer von
Hundert).
15.00-15.30 Uhr
DT64 - 12
AFS - 15
15.30-16.00 Uhr
DT64 - 41
AFS - 19
17.30-18.00 Uhr
DT64 - 34
AFS - 21
18.00-18.30 Uhr
DT64 - 28
AFS - 32
19.00-19.30 Uhr
DT64 - 30
AFS - 22
Mit Beginn von „DT 64“ vereinigt der Berliner Rundfunk eine große
Gruppe potentieller Hörer auf seiner Frequenz. Das Jugendstudio hält
diese Zahl bis nach 17.30 Uhr konstant. Dann unterbricht „Pulsschlag
der Zeit“ das Jugendmagazins. Ein Viertel der Hörer wendet sich im
Zeitverlauf bis 18.30 von „DT 64“ ab und anderen Tätigkeiten oder den
westlichen Musikangeboten zu. Bei der altersmäßigen Verteilung der
jugendliche Zielgruppe auf die Sendeangebote bindet „DT 64“ zwischen
15.00 bis 19.30 Uhr die Hälfte der 15- bis 18 jährigen, bei den 19- bis
24 jährigen liegt der Anteile bei 45 Prozent. RIAS und s-f-beat sind in
beiden Hörergruppen mit einem Drittel. Der Hörerzuspruch fällt bei
Radio DDR I (11 % bei der jüngeren Zielgruppe, 17% bei der älteren) und
Deutschlandsender (6 % bzw. 10 %) deutlich gegenüber „DT 64“ und den
Westsendern ab. [95]
Die erwähnte StRK-Untersuchung aus dem Jahr 1974 erkennt an, dass „sich
die Jugendlichen gegenüber AFS-Sendungen je nach Interesse selektiv
verhalten und vermutlich ein differenziertes Angebot nutzen.” [96]
Dabei sei es unmöglich, klar zwischen „DT 64“ hörenden FDJ-Mitgliedern
und AFS hörenden nichtorganisierten Jugendlichen zu trennen, denn
selbst bei einer Grundmengen von fünf Funktionsträgern des
Jugendverbandes hören zwei davon nie „DT 64“.
Grob verallgemeinert ist der typische DT 64-Hörer eine politisch aktive
Schülerin an einer POS oder EOS im Alter von 15 bis 18 Jahren. Ihr
gesicherter ideologischer Standpunkt besitzt einen Effekt auf die
Wahlentscheidung zugunsten „DT 64“, weil es ihr DDR-Programm für die
Jugend ist. Ihre positive Einstellung zur DDR muss sie nicht
zwangsläufig daran hindern, trotzdem ab und an westliche Beat- und
Rockmusik auf westlichen Stationen hören. zu wollen. Der Senderwechsel
von Ost nach West und umgekehrt, spielt, meiner Ansicht nach, eine
bedeutende Rolle. Das Phänomen der Doppelnutzung ist für die
Beschreibung der Hörgewohnheiten von Jugendlichen künftig viel stärker
in den Mittelpunkt zu rücken.
5.2
Der geteilte und vereinte Radioäther – Annäherung an eine Nutzungssituation
Im Folgenden wird versucht, sich diesem Problem des geteilten und
vereinten Radioäthers mit einem mehrstufigen Selektionsmodell [97] zu
nähern. Mertens Ansatz enthält sechs Instanzen. Ein Markt an Themen und
Medienformaten, mit jeweils eigenen Zugangsbedingungen, bildet die
erste Ebene eines Auswahlpools. Auf der zweiten Stufe der
Wahlentscheidung verhält sich der Rezipient im Sinne des „Uses and
Gratifications Approach“ aufgrund seiner Motive, Interessen und seines
soziokulturellen Hintergrundes aus dem Angebot an Medien und Inhalten
aus. Der Kommunikator als dritte Instanz entscheidet, was als Inhalt
zur Rezeption zugelassen wird und was nicht. Diese angebotenen Inhalte,
so Merten, wählen in einem vierten Vorgang ihre Rezipienten nach
Kriterien der Aktualität aus. Anders ausgedrückt heißt das, das der
Hörer oder Leser mit seinem spezifischen Set aus Erwartungen, Normen
und Wünschen nimmt nur die zu ihm passenden Inhalte auf. Auf der
fünften Ebene findet dann der Verarbeitungsprozess zwischen den
aufgenommenen Inhalten und der Eigenwahrnehmung von Realität statt. Auf
der letzten Stufe führt die Interpretation der Inhalte durch den
Empfänger zu einer entsprechend der möglichen Alternativen geeigneten
Handlung seitens des Rezipienten. Die Hörfunk- und Fernsehteilnehmer
entscheiden also in Bezug auf das Medium und dessen Inhalte zwischen
den angebotenen Wahlmöglichkeiten.
Die Marktsituation, Mertens erste Stufe, ist in der DDR bezüglich der
Verfügbarkeit von Medien, Themen und Zugangsbedingungen und den
Interpretationsweisen von Inhalten mehrfach geteilt. Erstens ist
zwischen westlichen und östlichen Angeboten zur Mediennutzung zu
unterscheiden und der persönliche Zugang zu westdeutschen Rundfunk- und
Fernsehstationen sowie Westschallplatten, Jeans und BRAVO - Heften zu
bedenken. Dieser Faktor wirkt sich besonders auf die Kommunikation und
die Rollenverteilung innerhalb von Cliquen, Schulklassen oder
Sportvereinen aus. Als zweiter Teilungsaspekt sind die
unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründe und Umweltzusammenhänge
bei Jugendlichen zu berücksichtigen, da unterschiedlichen Grade
gesellschaftlichen Engagements, in der SED, der FDJ, der staatlichen
Gewerkschaft oder milieubedingt in kirchlichen oder intellektuellen
Kreisen bestehen und somit verschiedene Interpretationen der
angebotenen Inhalte möglich werden. Ebenfalls spielen regionale
Unterschiede, zumindest bei der Empfangbarkeit von Westsendern,
besonders im süd- und nordöstlichen Teil der DDR, eine gewichtige Rolle.
Der Markt an Themen und Medienformaten ist in der DDR der Sechziger
Jahre vom Kalten Krieg geprägt, von der östlichen Propaganda über
Westdeutschland und westlichen Darstellungen der so genannten Zone. Die
Nutzung des entgegengesetzten Marktteils ist einerseits
gesellschaftlich tabuisiert, andererseits aus dem gleichen Grund heraus
für Jugendliche als besonders reizvoll einzuschätzen. Der Markt für
musikbezogene mediale Angebote ist hiervon maßgeblich betroffen, da es
für den Fan ideelle Unterschiede zwischen einer Originalaufnahme und
einer nachbearbeiteten Version bzw. einer DDR-Lizenzplatte gibt. Obwohl
sich ab Mitte der Sechziger Jahre die Verfügbarkeit von
Transistorradios, Mitschneidemöglichkeiten und Abspielgeräten erhöht,
bleibt dieser Gegensatz bestehen.
Die individuelle Bedeutungszuweisung an die empfangene Information ist
als eine weitere Ebene der Selektion von den Sozialisationserfahrungen
der Jugendlichen in der Familie, Schule, Jugendverband und der
Bezugsgruppe im Sportverein und im Jugendklub geprägt. Hinzu kommt ein
jugendspezifisches Abgrenzungsverhalten, das sich in erster Linie in
musikalischen und kleidungsbezogenen Vorlieben äußert und in gewissem
Maße auch zu ideologisch unterschiedlichen Positionen führen kann.
Diese Themenkonjunktur wird sowohl vom Markt als auch durch das
Agitationssystem der DDR bestimmt. Die von der Partei ausgegebenen
Argumentationshilfen zwingen die Redaktion zu einer Strategie der
Themenbearbeitung, welche Fragen und Themen aufgreift, die von den
Feldern der aktuellen Argumentationslinie weit entfernt sind. Hier
beginnt der redaktionelle Handlungsspielraum bei der Gestaltung des
Programms, der sich allerdings stets innerhalb der aktuellen Positionen
der SED und FDJ und Parteitagsbeschlüssen bewegt. Vom Hörer verlangt
dieser Modus der Themen- und Informationssetzung eine gegenläufige
Bedeutungszuweisung. Es ist anzunehmen, dass ein DDR-Jugendlicher,
geprägt durch ein doppeltes Angebot, durchaus zu unterscheiden lernt,
dass die Information die wichtigere sein kann, die nicht thematisiert
wird. Gerade mit Hinblick auf die empfangbaren und genutzten
westdeutschen Sendeangebote kann „DT 64“ nur eine eingeschränkte
„gate-keeping“ - Funktion ausüben, da nicht zugelassene Themen über den
anderen westlichen Teil des Marktes verfügbar bleiben, auch wenn sie
wiederum mit anderen ideologischen Versatzstücken versehen werden.
Der Verarbeitungsvorgang, bei dem der Rezipient die aufgenommenen
Inhalte mit seinen Vorstellungen von Realität und Erwartungen an das
Programm abgleicht, spiegelt sich zum Teil in den Hörerbriefen wieder.
Die Bandbreite dieser Meinungsäußerungen lässt den Schluss zu, dass „DT
64“-Hörer durchaus aktiv zwischen westlichen und östlichen
Sendeformaten auswählen und die Differenzen zwischen den angebotenen
Inhalten und den eigenen lebensweltlichen Erfahrungen ansprechen.
Festzuhalten ist, dass eine ausschließlich auf den klassischen,
kausalen Wirkungsansatz gestützte Betrachtung, den
Beziehungszusammenhang „DT 64“ und Hörer nur bruchstückhaft erklären
kann. Eine vom „Uses and Gratification Approach” geleitete Sicht
vernachlässigt die divergierenden Zugangsvoraussetzungen und die von
mehreren Akteuren bestimmte Strukturierung des Themenangebotes. Das
Modell von Merten konnte in diesem Rahmen sicherlich nur ein Versuch
darstellen, auf die grundlegende Problematik der Beschreibung eines
geteilten aber doch zusammengehörenden Kommunikationsraumes
darzustellen. Es ergibt sich hieraus die Aufgabe, ein ausgefeilteres
kommunikationstheoretisches Raster zu entwickeln, das die
Kommunikationssituation im Spezialfall DDR zu erfassen vermag.
6.
Problemfelder künftiger medien- und jugendpolitischer DDR-Forschung
Da jugend- und medienpolitische Problemstellungen in der DDR-Forschung
noch eher brachliegende Forschungsfelder sind, hat diese Magisterarbeit
versucht, beide Bereiche zu verknüpfen. Neben der Darstellung der
offiziellen SED-Politiken liegt ein Schwerpunkt der Arbeit auf die
konkrete Umsetzungsleistung innerhalb des Jugendfunkprogrammes „DT64“
und berücksichtigt zudem die Nutzung der Jugendsendung durch die
jugendlichen Hörer.
An der Intendantendiskussion im StRK konnte gezeigt werden, dass das
„Jugendstudio DT 64“ keine identische Weiterführung des Festivalradios
ist. Es ist vielmehr eine Kompromissversion, welche die Interessen der
DDR-Sender in ihrer Profilierungsphase berücksichtigt, gleichzeitig
einen eigenständigen Jugendsender verhindert und auf der Überzeugung
der Intendanten beruht, dass die Freiheiten während des
Deutschlandtreffens nicht dauerhaft bestehen werden. Hier ist die These
also dahingehend zu erweitern, dass die Rolle des „Jugendstudio DT 64“
für die Jugend- und Medienpolitik höher bewertet wird als die
Nachlässigkeit und Liberalität bei der Durchsetzung der Kulturpolitik.
Gerade hieran erklärt sich meines Erachtens, dass das Kahlschlag-Plenum
im Dezember 1965 nicht die Wirkungstiefe für „DT 64“ besitzt wie für
die DEFA oder für die DDR-Schriftsteller. Denn erstens hatte die
medienpolitische Funktion gegenüber den Westsendern zusammen mit der
jugendpolitischen Profilierung der SED stets ein stärkeres Gewicht als
die kulturpolitische Debatte um die Musikauswahl des Senders. Zweitens
hatte das Programm innerhalb einer kurzen Zeit eine beachtliche
Reichweite unter der jugendlichen Zielgruppe erreicht. Die
DDR-Jugendprogramme leisteten dies bis 1964 in weit geringerem Maße.
Das 11. Plenum bleibt ein spannendes Forschungsproblem. Es konnte
gezeigt werden, dass sich zwar die Jugendredaktion mit den Folgen des
Kahlschlag-Plenums auseinandersetzt und Konsequenzen daraus ziehen muss
Aber der auf der Tagung erzeugte Druck gegenüber „DT 64“ wird nicht
nachdrücklich umgesetzt.. Es besteht ein Arrangement verschiedener
Entscheidungsträger, das die Fortsetzung der Sendung gewährleistet. Die
nach außen hin spürbare Disziplinierung, eingeleitet durch das
Staatliche Rundfunkkomitee und den Vorsitzenden Gerhart Eisler,
beruhigt in erster Linie die kulturpolitischen Bedenkenträger, stellt
aber die jugend- und medienpolitischen Zielstellungen nicht in Frage.
Ob das 11. Plenum wirklich diese Wirkungstiefe besitzt, die ihm in der
Literatur zugeschrieben wird, muss am Ende dieser Analyse offen
bleiben. Gleichsam ist die Funktion informeller Netzwerke zwischen den
verschiedenen Ebenen des Partei- und Staatsapparates künftig stärker zu
erörtern. In dieser Arbeit wurde die Beziehung zwischen Eisler, Norden
und dem ZK-Chefideologen Hager dargestellt. Dieses Verhältnis besitzt
meiner Ansicht nach durchaus Erklärungswert für den Fortbestand von „DT
64“ nach dem 11. Plenum.
Als weiteres Ergebnis dieser Arbeit ist die These zu formulieren, dass
das Medienverhalten von DDR-Jugendlichen von einer sich überlagernden
Doppelnutzung geprägt Ein kleinerer, aber konstanter Teil des Publikums
hört ausschließlich die westlichen Stationen oder nur DDR-Sender. Der
größte Teil wechselt interessenbezogen zwischen den Angeboten hin und
her. Auch wenn anzunehmen ist, dass die DDR-Untersuchungen den
Höreranteil von „DT 64“ zu hoch und die Verbreitung der westlichen
Stationen als zu niedrig ansetzen, ist meiner Ansicht nach bei der
jugendlichen Zielgruppe nicht von einem dauernden Übergewicht der
westlichen Programme zu sprechen. Die westlichen Stationen binden
zwischen 10 und 15% Stammhörer an ihre Sendungen. Diese Gruppe ist für
DDR-Programme nicht erreichbar. Vielleicht höchstens ein Viertel der
Jugendlichen hört ausschließlich DT 64 und keine Westsender.
Ein weiterer Hintergrundkonflikt, der in dieser Arbeit angesprochen
wird, ist die wechselseitige Beeinflussung von ost- und westdeutschen
Stationen bei Einführung, Ausdehnung und Erhalt von
Jugendfunkprogrammen. Eine Arbeitsthese für künftige Überlegungen
lautet, dass erst nach der Einrichtung von „DT 64“ im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk der BRD Sendeangebote für Jugendliche
mit einer ähnlich ausgedehnten Sendezeit entstehen. Anders herum
betrachtet: Wenn es diese konträre und widersprüchliche Beziehung nicht
gegeben hätte, welche Notwendigkeit bestünde dann für die
Jugendredaktion des RIAS im Oktober 1965 das gegnerische Programm zu
analysieren? Richard Kitschigin, Leiter jener Redaktion, schreibt zum
zehnjährigen Jubiläums des „RIAS-Treffpunkts“ 1972: „Zwei Jahre später
begann die Ost-Berliner Konkurrenz, mit ihrem ,Jugendstudio DT 64’ das
RIAS-Magazin für junge Leute zu kopieren, und heute, nach einem
,Treffpunkt’-Jahrzehnt, hat das Modell längst auch bei allen
ARD-Anstalten Schule gemacht.”[98]
Hält man allerdings die jeweiligen Sendezeiten gegeneinander, dann
zeigt sich ein anderes Bild. Der RIAS sendet ab August 1962 monatlich
eine Stunde lang den „Treffpunkt“. Ab dem Frühjahr 1966 läuft die
Sendung bereits alle vierzehn Tage mit einer Dauer von 75 Minuten. Zum
Zeitpunkt 1962, als die erste RIAS-Treffpunkt-Sendung durch den Äther
kommt, läuft das Jugendstudio Berlin montags, mittwochs und freitags
für je zweieinhalb. Stellt man die erwähnten Ausführungen Kitschigins
und die Sendepläne des Jugendstudios Berlin des Berliner Rundfunk aus
dem Winter 1961 [99] gegenüber, so zeigt sich, dass die Sendungen durch
die Verbindung von Wortbeiträgen aus den verschiedenen jugendrelevanten
Bereichen mit einem beträchtlichen Musikanteil [100] geprägt sind.
Nicht erst „Jugendstudio DT 64“ etabliert ein kombiniertes Musik- und
Informationsmagazin für die DDR-Jugendlichen, bereits vorher beim
„Jugendstudio Berlin“ sind die Grundlagen dafür entwickelt. Die
gegebenen Beispiele deuten an, dass zumindest von einer
Parallelentwicklung bei den Jugendfunkprogrammen gesprochen werden
kann. Durch diese Konkurrenz um die jugendliche Hörergunst erlangen die
Redaktionen größeres Gewicht innerhalb ihrer Sender und sichern ihren
Programmplatz mit dem Verweis auf das gegnerische Jugendmagazin und
dessen, aufgrund der eigenen ,erfolgreichen‘ Arbeit, ,niedrige‘
Reichweite. Durch diese Konkurrenz um die jugendliche Hörergunst
erlangen die Redaktionen größeres Gewicht innerhalb ihrer Sender und
sichern ihren Programmplatz mit dem Verweis auf das gegnerische
Jugendmagazin und dessen „niedrige“ Reichweite aufgrund der eigenen
„erfolgreichen“ und „guten“ Arbeit.
b>Literatur
Agde, Günther (Hrsg.), Kahlschlag - Das 11. Plenum des ZK der SED 1965, Studien und Dokumente, Berlin 1991.
Bauhaus, Andreas, Jugendpresse-, hörfunk- und fernsehen in der
DDR. Ein Spagat zwischen FDJ-Interessen und Rezipientenbedürfnissen,
Münster 1994.
Diller, Ansgar, Der Rundfunk als Herrschaftsinstrument der SED,
In: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Materialien der Enquete-Kommission
„Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland
(12. Wahlperiode), Bd. II/4: Machtstrukturen und
Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Verantwortung,
Baden-Baden 1995, S 1214-1243.
Dussel, Konrad, Deutsche Rundfunkgeschichte – Eine Einführung, Konstanz 1999.
Fenemore, Mark, The limits of repression and reform. SED youth
policy in the Early 1960s, In: Major, Patrick/Osmond, Jonathan, The
Workers’ and Peasants’ State. Communism and Society in East Germany
Under Ulbricht 1945-71, Manchester 2002.
Geserick, Rolf, Der Klassenfeind sitzt auf dem Dach. Der
deutsch-deutsche Schlagabtausch im Äther, In: Unsere Medien, unsere
Republik H.4/März 1990, 1962: Meinungsfreiheit: Ausgewogen? , Marl
1990, S. 32-34.
Gotschlich, Helga (Hrsg.), Links und Links und Schritt gehalten. Die FDJ. Konzepte – Abläufe – Grenzen, Berlin 1994.
Herbst, Maral, Demokratie und Maulkorb: der deutsche Rundfunk in Berlin zwischen Staatsgründung und Mauerbau, Berlin 2002.
Holzweißig, Gunter, Massenmedien in der DDR, Berlin 1983.
Holzweißig, Gunter, Zensur ohne Zensor, Bonn 1997.
Holzweißig, Gunter, Die schärfste Waffe der Partei. Eine Mediengeschichte der DDR, Köln 2002.
Kaiser Monika, Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker. Funktionsmechanismen der SED-Diktatur in Konfliktsituationen 1962-1972, Berlin 1997.
Kundler, Herbert, RIAS-Berlin. Radio in der geteilten Stadt, Berlin 1994.
Kundler, Herbert, RIAS-Berlin. Eine Radio-Station in einer geteilten Stadt. Programme und Menschen. Texte, Bilder, Dokumente, Berlin 2002.
Larkey, Edward, DT 64 und RIAS – Jugendradio, Populäre Musik und
Kalter Krieg, In: Felsmann, Klaus-Dieter (Hrsg.), Gedanken zur
Entwicklung von regionalen Bildstellen und Medienzentren, Buckower
Mediengespräche, Berlin 2000, S. 45-50.
Ludz, Peter-Christian, Die DDR zwischen Ost und West, von 1961 bis 1976, München 1977.
Maase, Kaspar, Bravo Amerika. Erkundungen zur Jugendkultur der Bundesrepublik in den fünfziger Jahren, Hamburg 1992.
Mählert, Ulrich/Stephan, Gert-Rüdiger, Blaue Hemden – Rote Fahnen. Die Geschichte der FDJ, Opladen 1996.
Meyen, Michael, Hauptsache Unterhaltung. Mediennutzung und Medienbewertung in Deutschland in den 50er Jahren, Münster 2001.
Meyen, Michael, Mediennutzung, Mediaforschung, Medienfunktionen, Nutzungsmuster, Konstanz 2001.
Müller, Silvia, Der Rundfunk als Herrschaftsinstrument der SED,
In: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Materialien der Enquete-Kommission
„Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland
(12. Wahlperiode), Bd. II/4: Machtstrukturen und
Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Verantwortung,
Baden-Baden 1995, S. 2287-2326.
Münkel, Daniela, Herrschaftspraxis im Rundfunk der SBZ/DDR.
Anspruch – Sicherung – Grenzen, In: Saldern, Adelheid, von/Marssolek,
Ingrid, (Hrsg.), Radiozeiten. Alltag und Gesellschaft (1924-1960),
Potsdam 1999, S. 83-100.
Ohse, Marc-Dietrich, Jugend nach dem Mauerbau. Anpassung, Protest und Eigensinn. 1961-1974, Berlin 2003.
Poiger, Uta G. Jazz, Rock, and Rebels. Cold War Politics and American Culture in a Divided Germany, Berkeley, Los Angeles 2000.
Rauhut, Michael, Beat in der Grauzone, DDR-Rock 1964 bis 1972 – Politik und Alltag, Berlin 1993.
Rauhut, Michael, Rock in der DDR 1964 bis 1989, Bonn 2002.
Rexin, Manfred (Hrsg.), Radio-Reminiszenzen, Berlin 2001.
Riedel, Heide, Hörfunk und Fernsehen in der DDR, Köln 1977.
Riedel, Heide (Hrsg.), Mit uns zieht die Zeit ... Erinnerungen an 40 Jahre DDR-Medien, Berlin 1993.
Riedel, Heide, Lieber Rundfunk – 75 Jahre Hörergeschichte, Berlin 1999.
Saldern, Adelheid, von/Marssolek, Ingrid, (Hrsg.), Radiozeiten. Alltag und Gesellschaft (1924-1960), Potsdam 1999.
Schildt, Axel/Siegfried, Detlef/Lammers, Karl-Christian (Hrsg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000.
Schmidt, Uta C. , Radioaneignung, In: Saldern, Adelheid
von/Marssolek, Inge (Hrsg.), Zuhören und Gehörtwerden. Zwischen Lenkung
und Ablenkung. Bd. II: Radio in der DDR der fünfziger Jahre, Tübingen
1998, S. 259-368.
Schuster, Ulrike, Die SED-Jugendkommuniqués von 1961 und 1963.
Anmerkungen zur ostdeutschen Jugendpolitik vor und nach dem Mauerbau,
In: Institut für zeitgeschichtliche Jugendforschung (Hrsg.), Jahrbuch
für zeitgeschichtliche Jugendforschung 1994/95, Berlin 1995, S.58-75.
Skyba, Peter, Vom Hoffnungsträger zum Sicherheitsrisiko. Jugend in der DDR und Jugendpolitik der SED 1949–1961, Köln 2000.
Ulrich, Andreas/Wagner, Jörg (Hrsg.), DT 64 – Das Buch zum Jugendradio 1964-1993, Leipzig 1993.
Wagnleitner, Reinhold, Coca-Colonisation und Kalter Krieg, Wien 1991.
Walter, Michael, Die Freie Deutsche Jugend. Ihre Funktionen im politischen System der DDR, Freiburg i. Br. 1997.
Wierling, Dorothee, Geboren im Jahr Eins. Der Jahrgang 1949 in der DDR. Versuch einer Kollektivbiographie, Berlin 2002.
Wierling, Dorothee, Die Jugend als innerer Feind. Konflikte in
der Erziehungsdiktatur der sechziger Jahre, In: Kaelble, Hartmut/Kocka
Jürgen/ Zwar, Hartmut (Hrsg.), Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 404-425.
Wilke, Jürgen (Hrsg.), Massenmedien und Zeitgeschichte, Konstanz 1999.
Anmerkungen
[1] Ulrich, Andreas/Wagner, Jörg (Hrsg.), DT 64 – Das Buch zum Jugendradio 1964-1993, Leipzig 1993.
[2] Kaiser Monika, Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker.
Funktionsmechanismen der SED-Diktatur in Konfliktsituationen 1962-1972,
Berlin 1997, S. 145.
[3] Frank, Henning, Beatles singen für Pankow, Christ und Welt, Nr. 47 – Beilage Rheinischer Merkur, 20.11.1964.
[4] Riedel, Heide, Lieber Rundfunk – 75 Jahre Hörergeschichte, Berlin 1999, S. 286 ff.
[5] Das StRK ist ab dem 14.9.1952 die zentrale Leitungsinstanz für den
Hörfunk und das Fernsehen in der DDR. Diller, Ansgar, Der Rundfunk als
Herrschaftsinstrument der SED, In: Deutscher Bundestag (Hrsg.),
Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und
Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ (12. Wahlperiode), Bd. II/4:
Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage
der Verantwortung, Baden-Baden 1995, S .1214-1243. Müller, Silvia, Der
Rundfunk als Herrschaftsinstrument der SED, In: Deutscher Bundestag
(Hrsg.), Bd. II/4, Baden-Baden 1995, S. 2287-2326.
[6] Agde, Günther (Hrsg.), Kahlschlag - Das 11. Plenum des ZK der SED 1965, Studien und Dokumente, Berlin 1991.
[7] Hoff, Peter, Jugendprogramme – Das vergebliche Werben um die
Zielgruppe, In: Riedel, Heide (Hrsg.), Mit uns zieht die Zeit ...
Erinnerungen an 40 Jahre 1993. S. 210-217. Riedel, Heide, Hörfunk und
Fernsehen in der DDR, Köln 1977. S. 68 ff. Bauhaus, Andreas,
Jugendpresse, -hörfunk und -fernsehen in der DDR: ein Spagat zwischen
FDJ-Interessen und Rezipientenbedürfnissen, Münster 1994. Dussel,
Konrad, Deutsche Rundfunkgeschichte – Eine Einführung, Konstanz 1999,
S. 161ff. Muehl-Benninghaus, Wolfgang, Reformversuche von oben. Zur
Rolle von DT64 und Elf99 am Ende der DDR, In: Rundfunk und Geschichte
(RuG) 21. Jahrgang Nr. 4- Oktober 1995, S. 253-258.
[8] Holzweißig, Gunter, Massenmedien in der DDR, Berlin 1983. Ders.
Massenmedien unter Parteiaufsicht. Lenkungsmechanismen vor der Wende in
der DDR, In: Rundfunk und Fernsehen, H. 3 (1990), S. 365-376. Ders.
Medienlenkung in der SBZ/DDR. Zur Tätigkeit der ZK-Abteilung Agitation
und der Agitationskommission beim Politbüro des SED, In: Publizistik
H.1, 1994, S. 58-72. Ders., Zensur ohne Zensor, Bonn 1997. Ders., Die
schärfste Waffe der Partei. Eine Mediengeschichte der DDR, Köln 2002.
[9] Saldern, Adelheid von/Marssolek, Inge (Hrsg.), Zuhören und
Gehörtwerden. Zwischen Lenkung und Ablenkung. Bd. II: Radio in der DDR
der fünfziger Jahre, Tübingen 1998. Requate, Jörg, Die audiovisuellen
Medien der DDR und ihr Publikum, Möglichkeiten und Grenzen eines
kommunikativen Austausches, In: Wilke, Jürgen (Hrsg.), Massenmedien und
Zeitgeschichte, Konstanz 1999, S. 200-211. Meyen, Michael, Hauptsache
Unterhaltung. Mediennutzung und Medienbewertung in Deutschland in den
50er Jahren, Münster 2001. Herbst, Maral, Demokratie und Maulkorb: der
deutsche Rundfunk in Berlin zwischen Staatsgründung und Mauerbau,
Berlin 2002.
[10] Mählert, Ulrich/ Stephan, Gert-Rüdiger, Blaue Hemden – Rote
Fahnen, Die Geschichte der FDJ, Opladen 1996. Gotschlich, Helga
(Hrsg.), Links und Links und Schritt gehalten. Die FDJ. Konzepte –
Abläufe – Grenzen, Berlin 1994. Schuster, Ulrike, Die
SED-Jugendkommuniqués von 1961 und 1963. Anmerkungen zur ostdeutschen
Jugendpolitik vor und nach dem Mauerbau, In: Institut für
zeitgeschichtliche Jugendforschung (Hrsg.), Jahrbuch für
zeitgeschichtliche Jugendforschung 1994/95, Berlin 1995, S.58-75.
Walter, Michael, Die Freie Deutsche Jugend. Ihre Funktionen im
politischen System der DDR, Freiburg i. Br. 1997.
[11] Rauhut, Michael, Beat in der Grauzone, DDR-Rock 1964 bis 1972 –
Politik und Alltag, Berlin 1993. Ders, Rock in der DDR 1964 bis 1989,
Bonn 2002. Wierling, Dorothee, Die Jugend als innerer Feind. Konflikte
in der Erziehungsdiktatur der sechziger Jahre, In: Kaelble, Hartmut/
Kocka Jürgen/ Zwar, Hartmut (Hrsg.), Sozialgeschichte der DDR,
Stuttgart 1994, S. 404-425. Dieselbe, Geboren im Jahr Eins. Der
Jahrgang 1949 in der DDR. Versuch einer Kollektivbiographie, Berlin
2002. Wagnleitner, Reinhold, Coca-Colonisation und Kalter Krieg, Wien
1991. Skyba, Peter, Vom Hoffnungsträger zum Sicherheitsrisiko. Jugend
in der DDR und Jugendpolitik der SED 1949–1961, Köln 2000. Fenemore,
Mark, The limits of repression and reform. SED youth policy in the
Early 1960s, In: Major, Patrick/Osmond, Jonathan, The Workers’ and
Peasants’ State. Communism and Society in East Germany Under Ulbricht
1945-71, Manchester 2002. Ohse, Marc-Dietrich, Jugend nach dem
Mauerbau. Anpassung, Protest und Eigensinn. 1961-1974, Berlin 2003. Für
die BRD: Maase, Kaspar, Bravo Amerika. Erkundungen zur Jugendkultur der
Bundesrepublik in den fünfziger Jahren, Hamburg 1992. Herbert, Ulrich
(Hrsg.), "Wandlungsprozesse in Westdeutschland". Belastung,
Integration, Liberalisierung 1945 – 1980. Moderne Zeit. Neue
Forschungen zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des 19. und 20.
Jahrhunderts, Göttingen 2002.
[12] Ludz, Peter-Christian, Widersprüche im Neuen Ökonomischen
System, In: SBZ-Archiv H. 7/1964 S. 101-104. Steiner, André, Die
DDR-Wirtschaftsreform der sechziger Jahre. Konflikt zwischen Effizienz-
und Machtkalkül, Berlin 1999. Roesler, Jörg, Zwischen Plan und Markt.
Die Wirtschaftsreform 1963-1970, Freiburg 1990.
[13] Probst, Peter, Das VII. Parlament der FDJ, SBZ-Archiv, H. 12/1963, S. 182-184, S. 184.
[14] Kaiser, Machtwechsel, S. 137
[15] Ebd. S. 134.
[16] Schuster, Ulrike, Die SED-Jugendkommuniqués von 1961 und 1963,
Anmerkungen zur ostdeutschen Jugendpolitik vor und nach dem Mauerbau,
Jahrbuch für zeitgeschichtliche Jugendforschung 1994/1995, Institut für
zeitgeschichtliche Jugendforschung (Hrsg.), Berlin 1995, S. 58-75.
[17] Ebd. S. 59.
[18] Kaiser, Machtwechsel, S. 153 ff.
[19] Schuster, Ulrike, SED-Jugendkommuniqués, S.60.
[20] Ebd. S. 72.
[21] Wierling, Dorothee, Jugend als innerer Feind. Konflikte in der
Erziehungsdiktatur der sechziger Jahre, In: Kaelble/Kocka/ Zwar
(Hrsg.), Sozialgeschichte der DDR, Berlin 1994, S. 404-425, S. 404.
[22] Ebd, S. 408.
[23] Agde, Kahlschlag, S. 9.
[24] Rauhut, Michael, Beat in der Grauzone. DDR-Rock 1962 bis 1972
– Politik und Alltag, Berlin 1993, S. 164. Rauhut hält die Position der
ZK-Abteilung Kultur für reformorientiert. Dies würde ich zurückweisen,
ihm zumindest aber für die Jugendkommission und das Ministerium für
Kultur zustimmen. Sehr anregend hinsichtlich der Musikpolitik beider
deutscher Staaten ist Poiger, Uta G. Jazz, Rock, and Rebels. Cold War
Politics and American Culture in a Divided Germany, Berkeley, Los
Angeles 2000.
[25] Hoff, Peter, Das 11. Plenum und der Deutsche Fernsehfunk, In: Agde, Kahlschlag, S. 105-116
[26] Rauhut, Beat, S. 158.
[27] Geserick, Rolf, Der Klassenfeind sitzt auf dem Dach. Der
deutsch-deutsche Schlagabtausch im Äther, In: Unsere Medien, unsere
Republik H.4/März 1990, 1962: Meinungsfreiheit: ?, Marl 1990, S. 32 ff
[28] Podewin, Norbert, Albert Norden. Der Rabbinersohn im Politbüro, Berlin 2003, S.363.
[29] Zeitzeugeninterview mit Peter Salchow 9.04.02.
[30] Münkel, Daniela, Herrschaftspraxis im Rundfunk der SBZ/DDR.
Anspruch – Sicherung – Grenzen, In: Marssolek, Ingrid, Saldern,
Adelheid, von (Hrsg.), Radiozeiten. Alltag und Gesellschaft
(1924-1960), Potsdam 1999, S. 83-100. Münkel thematisiert auch die
Rolle des MfS im Rundfunk, S. 89-97.
[31] DRA, P- Bblg, Schriftgut Hörfunk, Beschlußprotokoll (BP) 28/63, 27.8.1963, TOP I. S. 2.
[32] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, BP 31/63, 24.9.1963, S. 2.
[33] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, KV 51/64 zur Sitzung des StRK vom 19.4.1964, S. 1.
[34] Kaiser, Machtwechsel, S.160.
[35] Zeitzeugeninterview mit Siegmar Krause, 15.04.2002.
[36] SAPMO-BArch, DY 30 IV A 2/16/131, Abteilung Jugend ZK, 21.5.1964,
Vorschläge auf Grund der Hinweise des Genossen Ulbricht in Auswertung
des Deutschlandtreffens, S. 3.
[37] SAPMO-BArch, DY 30 J IV 2/2 A/1.031, Anlage 1 Blatt 19.
[38] SAPMO-BArch, DY 30 J IV 2/2/932, Anlage 1, S. 11-12. Die Endredaktion obliegt Erich Honecker.
[39] SAPMO-BArch, DY 30 J IV 2/2 A/1.031, Anlage 1 Blatt 20.
[40] SAPMO-BArch, DY 30 J IV 2/2 A/1.031, Protokoll 17/64, TOP 2. S. 2.
[41] SAPMO-BArch, DY 24/10.879, Bestand Horst Schumann, Niederschrift
des Berichtes an das Politbüro des ZK der SED zur Einschätzung des
Deutschlandtreffens der Jugend in der Hauptstadt der DDR, Berlin ,
Pfingsten 1964, Rede auf der Politbürositzung vom 26.5.1964,. S. 13.
[42] Ebd. S. 13.
[43] DRA, P-Bblg., Schriftgut Hörfunk, BP 12/64 Außerordentliche
Komiteesitzung vom 23.3.64 über die Generallinie zur Entwicklung der
Sender bis 1970. S. 4.
[44] BArch, DR 6/93, Intendanz Radio DDR für Prof. Eisler vom 23.5.64, Hörermeinungen zu ‚DT 64‘.
[45] BArch, DR 6/493, Beschlußprotokoll BP 23/64, 26.5.1964, S. 4
[46] BArch, DR 6/493, Zusatzprotokoll zum BP 24/64, 2.6.1964, S. 6.
[47] BArch DR 6/493, maschinengeschriebene Rohfassung des
Zusatzprotokolls zum BP 24/64, 2.6.1964, S.1-5. Redaktionelle
Änderungen bezüglich der Wortwahl wurden im Original mit Bleistift
vorgenommen. Die Einfügungen werden hier im Text mit eckiger Klammer
gekennzeichnet.
[48] Ebd. S. 1.
[49] Ebd. S. 1.
[50] Ebd. S. 3.
[51] Ebd. S. 2.
[52] Das Volk, 3.4.1965, S. 2, der Autor Walter Michel spricht von
etwa 20 jungen, aber erfahrenen Journalisten und einigen freie
Mitarbeitern., Die RIAS-Studie zählt in neun Sendungen 32 verschiedene
Namen.
[53] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, Komiteeinformation (KI),
19.05.1967 Vorschlag der Prämierung der Sonderaktion Karl-Marx-Stadt
für die während des VIII Parlaments der FDJ und des Pfingsttreffens
geleistete Arbeit.
[54] DRA, P-Bblg., Schriftgut Hörfunk, F 504-01-04/0001, RIAS BERLIN
Kultur. Wort, Jugend und Erziehung (389/489), Bethke, Eckart, DT 64.
Eine Untersuchung des RIAS-Jugendfunks, November 1965.
[55] SAPMO-BArch, DY 24/1.556/ II, Die Aufgaben des Jugendstudios
DT 64, Protokoll der Sitzung des Sekretariats des Zentralrates der FDJ
Nr. 110, 31.8.1965, Anlage 4.
[56] Ebd. S. 20.
[57] SAPMO-BArch, DY 30 IV A 2/16/79, Blatt 81 ff.
[58] DRA, P-Bblg., Schriftgut Hörfunk, F 504-01-04/0001, S. 1.
[59]Ebd. S. 2.
[60] Ebd. S. 2. In prozentualen Anteilen ergibt das für die Kategorie
schneller Tanzmusik eine Rangfolge von Beat (47%), Schlager (34.4%),
Jazz (15,6%), Lateinamerikanische Tanzmusik (3%). Die Anteile der
einzelnen Stile bei der gemäßigten (‘slow’) Musik sind Schlager (56,8%)
an erster Stelle, Volkslied (12,4), Modern Jazz (10,5%), Traditional
Jazz (6,7%), Chanson (6,6%), klassische Musik (6,5%), Märsche (0,44%).
Volkslieder sind hier amerikanische Hillbilly-Songs (Woody Guthrie) und
russische oder vietnamesische Volksweisen.
[61] Zeitzeugeninterview Siegmar Krause 15.04.2002.
[62] Zeitzeugeninterview Peter Salchow, 9.4.2002.
[63] SAPMO-BArch, DY 30 IV A 2/9.06/159, VEB Deutsche
Schallplatten, künstlerischer Bereich und Produktionsleitung Amiga, an
Abteilung Kultur, 7.4.1966. S. 1. Genannt werden Cliff Richard (,Es war
keine so wunderbar wie du’), Rita Pavone (,Wenn ich ein Junge wär’),
Manuela (,Hallo Mary Lou’), Udo Jürgens (,So wie eine Rose’), Trini
Lopez (,Lemon Tree’), Sascha Distel (,une famille drôle’) und die
Beatles (,Yesterday’ und ,I wanna be your lover’).
[64] SAPMO-BArch, DY 30 J IV 2/1/336 Blatt 90 ff.
[65] Ebd. Blatt. 90.
[66] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, KV 37/66, 2.4.66, Jugendstudio DT 64, Unsere Arbeit nach dem 11. Plenum. S. 1-8.
[67] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, KV 37/66, 2.4.66, S. 1.
[68] Ebd. S. 2 Man muss hier allerdings anmerken, dass Radiohören
in Kasernen der NVA verboten war und der Sendeplatz in direkter
Konkurrenz zu den Musikhitparaden auf den westlichen Rundfunkstationen
(z.B. „Aktueller Plattenteller“ auf Deutschlandfunk) steht.
[69] Ebd. S. 5
[70] Zeitzeugeninterview Marianne Oppel. 15.04.2002.
[71] DRA, P-Bblg., Schriftgut Hörfunk, KV 77/64, 24.8.64. Betreff: Jugendstudio DT 64.
[72] DRA, P-Bblg., Schriftgut Hörfunk, BP 16/65, 20.4.65, S. 1.
[73] SAPMO-BArch, DY 24/531 II, Abt. Agitation/Propaganda, Peter
Seifert, an die Ideologische Kommission beim Büro des Zentralrates der
FDJ, 14.12.1964, „Die ideologische Arbeit der FDJ bis 1970 – Die
Funktion der Massenkommunikationsmittel bei der sozialistischen
Bewußtseinbildung der Jugend”, S. 38 ff.
[74] DRA, P-Bblg., Schriftgut Hörfunk, BP 30/65, 3.8.65, S. 2.
[75] BArch,DR 6/813, Beschlußprotokoll (BP) 40/65 der Sitzung des
Rundfunkkommitees vom 26.10.1965, TOP 2, Aussprache mit Vertretern von
DT 64, S.2.
[76] Ebd. S. 2.
[77] BArch, DR 6/813, BP 47/65 vom 21.12.1965, TOP 1: Erste
Auswertung des 11. Plenums des ZK der SED, S. 2. Die Mitarbeiter von DT
64 wurde verpflichtet, unter Leitung der Intendanz einen Plan für ihre
Arbeit, besonders auf ideologischem Gebiet, zu erstellen und dem
Komitee vorzulegen. Dies geschieht erst im April 1966 in der Vorlage KV
37/66.
[78] Zeitzeugeninterview mit Siegmar Krause und Marianne Oppel, Berlin 15.04.2002.
[79] Müller-Enbergs et. al., Wer war wer in der DDR ?, S. 180-181.
Gerhart Eisler ist der ältere Bruder des Komponisten Hanns Eisler, und
wurde am 20.2.1898 in Leipzig geboren.
[80] Teubner, Hans, Der deutsche Freiheitssender 29,8 als Führungsorgan
der KPD im antifaschistischen Kampf, Beiträge zur Geschichte der
deutschen Arbeiterbewegung H. 6/1965, S. 1022-1036.
[81] SAPMO-BArch, DR 6/570, DR 6/571 Sekretariat Prof. Eisler und DR 6/584, DR 6/585, Sekretariat des Vorsitzenden 1964-66.
[82] Zeitzeugeninterview mit Siegmar Krause und Marianne Oppel, Berlin 15.04.2002.
[83] Podewin, Albert Norden, Berlin 2003, S. 173.
[84] Müller-Enbergs et. al., Wer war wer in der DDR?,, S. 303-304.
[85] Ebd. S. 229-230.
[86] Wörterbuch zur sozialistischen Jugendpolitik, Berlin 1975,
S.176-177. Es ist nach seiner Gründung 1966 beim Amt für Jugendfragen
des Ministerrates institutionell angesiedelt.
[87] Mühlberg, Lieselotte, Hörerforschung des DDR-Rundfunks, In:
Riedel, Heide (Hrsg.), Mit uns zieht die neue Zeit, S.173-181. Voß,
Gerlinde, Für den Panzerschrank, In: Ulrich/Wagner (Hrsg.), DT 64, S.
92-98.
[88] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, AVN587, Friedrich, Walter, Freizeitgestaltung der Jugend im Kreis Grimma, 1.8.1967.
[89] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, Soziologische Forschung, AVN 177,
Falltest 18.11.1970 in der Zeit von 15.30 bis 19.30 Uhr, S. 2.
[90] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, AVN 1.2.7.1, Maltusch,
Wernfried, Charakteristika der hauptsächlichen Hörer unserer
Jugendsendungen und der Jugendsendungen von AFS, die in der DDR gehört
werden, 5.7.1974, S.1.
[91] Hürtgen, Joachim, Soziologische Ergebnisse zur Rezeption von
Jugendprogrammen des Rundfunks, Diplomarbeit, Lehrstuhl
Kulturwissenschaften und Ästhetik der Humboldt-Universität zu Berlin,
Berlin 1972.
[92] Ebd. S. 42.
[93] Ebd. S. 31.
[94] Ebd. S. 42. Quelle: DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, AVN177,
Arbeitsbereich soziologische Hörerforschung, Maltusch, Wernfried
/Kramer, Hans-Gert, Bericht über den Falltest vom 18.11 1970 von 15.30
bis 19.30 Uhr, S. 4.
[95] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, AVN177, Arbeitsbereich
soziologische Hörerforschung, Maltusch, Wernfried /Kramer, Hans-Gert,
Bericht über den Falltest vom 18.11 1970 in der Zeit von 15.30 bis
19.30 Uhr, S. 4.
[96] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, AVN 1.2.7.1, Maltusch,
Wernfried, Charakteristika der hauptsächlichen Hörer unserer
Jugendsendungen und der Jugendsendungen von AFS, die in der DDR gehört
werden, 5.7.1974, S. 2.
[97] Merten, Klaus, Vom Nutzen des „Uses and Gratifications
Approach”, Anmerkungen zu Palmgreen, In: Hans-Bredow-Institut (Hrsg.),
Rundfunk und Fernsehen 1948-1989, Baden-Baden 1990, S. 572-578,
ebenfalls diesen Ansatz kritisierend Ronge, Volker, S. 579-588.
[98] DRA, P-Bblg, Schriftgut Hörfunk, F 504-01-04/001, Kitschigin,
Richard, Treffpunkt RIAS 2, Zehn Jahre Jugend-Magazin mit Rock und Pop.
S.1. Zum RIAS ferner: Kundler, Herbert, RIAS-Berlin. Radio in der
geteilten Stadt, Berlin 1994. Kundler, Herbert, RIAS-Berlin. Eine
Radio-Station in einer geteilten Stadt. Programme und Menschen. Texte,
Bilder, Dokumente, Berlin 2002. Rexin, Manfred (Hrsg.),
Radio-Reminiszenzen, Berlin 2001. Zur Konkurrenz mit „DT 64“: Larkey,
Edward, DT 64 und RIAS – Jugendradio, Populäre Musik und Kalter Krieg,
In: Felsmann, Klaus-Dieter (Hrsg.), Gedanken zur Entwicklung von
regionalen Bildstellen und Medienzentren, Buckower Mediengespräche,
Berlin 2000, S. 45-50.
[99] BArch, DR 6/602, Brief Jugendredaktion des BR (Siegmar Krause) an
die persönliche Referentin des Vorsitzenden (Hermann Ley) Kollegin
Pfister vom 28.11.1961.
[100] BArch, DR 6/602, Krause an Pfister vom 28.11.1961, Anhang I
SENDESCHEMA: Montags: Winterprogramm (Anlage fertiggestelltfertig
gestellt 17.10. 1961) Verantwortlich: Krause / Jatzlau.
16.00-16.10 Uhr Vorspann und Musik
16.10-16.15 Uhr Eein Dokument (Neumann / U. Krause) 5-6’
16.15-16.30 Uhr Musik (dazwischen Aktuelles, ca. 3’ jeweils)
16.30-16.40 Uhr Nachrichten und Außenpolitik
16.40-17.00 Uhr Fröhlich vor Fünf, Heiße SachemSachen zum Mitschneiden (Musikredakteur) 20’
17.00-17.10 Uhr operative Sendereihe aus dem Leben der FDJ (Neumann) 10’
17.10-17.20 Uhr Musik
17.20-17.25 Uhr (Elektronen-Roboter )‘Alpha’ weiß alles (Neumann / Blankenhorn) 3’
17.25-17.30 Uhr Musik
17.30-17.35 Uhr Nachrichten
17.35-17.40 Uhr Musik
17.40-18.00 Uhr Die Funkfahrschule (Auerbach) 20’
18.00-18.20 Uhr Neues aus der VEB Deutsche Schallplatte (Neumann / Rabow) 20’
18.20-18.30 Uhr Musik (dazwischen Aktuelles)
Diesem Text liegt die Magisterarbeit des Verfassers zugrunde,
die er Ende 2002 an der Universität Potsdam bei Konrad H. Jarausch
eingereicht hat.
|
| |