Thema | Kulturation 1/2006 | Geschichte der ostdeutschen Kulturwissenschaft | Lutz Haucke | Carlos Sauras Familienbilder – eine Trilogie der Erinnerungen - GARTEN DER LÜSTE 1970, COUSINE ANGELICA 1974, ZÜCHTE RABEN 1975
| I. Trilogie oder nicht? Einige Feststellungen
Als die klassische Trilogie im Werk Sauras ist allgemein bekannt
die Flamenco-Trilogie der 80er mit BLUTHOCHZEIT (1981), CARMEN (1983),
LIEBESZAUBER (1986). Man muss aber weiter zurückgehen in seinem Werk,
wenn man eine andere Trilogie ausfindig machen will.
In der Phase der Erstarrung der „liberacion“ (1966-1975) hatte
Saura die Ausei-nandersetzung mit den Verdrängungen aus der Zeit des
Bürgerkrieges und mit der mo-dernen, gegenwärtigen Gesellschaft
Spaniens aus der Perspektive der Mittelklasse ver-folgt. Bekannt sind
für die Bürgerkriegsauseinandersetzungen: LA CAZA, 1966, HÖHLE DER
ERINNERUNGEN, 1969, GARTEN DER LÜSTE, 1970; COUSINE ANGELICA, 1974;
ZÜCHTE RABEN UND SIE KRATZEN DIR DIE AUGEN AUS, 1975. Als
Gegenwartsfilme: PEPPERMINT FRAPPÉ, 1967, STRESS ZU DRITT, 1968, ANNA
UND DIE WÖLFE, 1972.
Aber zwischen 1970 und 1975 kann eine Gruppe von Filmen
ausgegliedert wer-den, für deren Gemeinsamkeit als Trilogie folgende
Gesichtspunkte geltend gemacht werden können:
(1) „Die Kinder Francos“ - Rekonstruktion mentaler Konflikte in einer Nation
Es sind Familienstories und sie kreisen um die tabuisierte
Geschichte des Spani-schen Bürgerkrieges (GARTEN DER LÜSTE, 1970;
COUSINE ANGELICA, 1974) bzw. wie in ZÜCHTE RABEN (1975) um
Nachwirkungen im Jahre 1975 (die übermächtige franquistische Vaterfigur
als Militär, den die Tochter umzubringen versuchte) aus der
Gegenwartssicht von 1995. Im weiteren Sinne könnte man formulieren,
dass diese Fa-milienstories Beziehungen zwischen Eltern und Kindern,
Verwandten - Onkels und Tan-ten - und Kindern erzählen. Es sind die
„Kinder Francos“, d.h. die unter dem Schatten der autoritären Mächte
Franco-Spaniens (Militär, Industrielle, konservativer Katholizis-mus)
Aufgewachsenen. Dieses Merkmal der Trilogie veranlasst uns auch, ANNA
UND DIE WÖLFE (1972) nicht hier mit zu diskutieren - zweifelsohne ein
Familienbild, das aber einem anderen Problemfeld im Werk Sauras folgt:
der ödipalen Bindung der Söh-ne(in diesem Saura-Film die
symptomatischen Vertreter des Militärs, der Kirche und des Don
Juan-Typus) an die Mutter und deren Ausbruch im Massaker - in dem Falle
gegenüber der Fremden und Frau, der Erzieherin Anna.
(2) Die Parallelisierung von verschiedenen Zeitebenen und Sauras
Bilder des kol-lektiven Gedächtnisses und der individuellen
Erinnerungen
Wir entdecken eine erneuerte Parallelisierung von Zeitebenen, wobei
Saura stilis-tisch eine Überwindung traditioneller europäischer
Rückblendendramaturgien erreicht - insbesondere in ZÜCHTE RABEN (1975)
wird die Gegenwart von 1975 aus dem Jahre 2000 erzählt - ohne dass
diese Gegenwart weiter präsent ist. Gegenwärtig soll sein das
Gedächtnis bzw. die Welt der Träume eines Kindes (Ana).
Das Schema der Narration schließt ein flashbacks (Rückblenden) und
simulierte Erinnerungen, die wie eine hermetische Projektion und als
labyrinthne Struktur zu ver-stehen sind. Aber: Saura überwand bis dato
existierende Rückblendendramaturgien der 60er/70er Jahre (vgl. A.
Resnais, 1959, J. Němec/ČSSR, 1964, aber auch die der Filme L.
Buñuels).
Katherine Kovácz unterscheidet in GARTEN DER LÜSTE folgende Zeitebenen:
(1) die wieder hergestellte Vergangenheit (the recreated past)
Szenenserie u. a.: beginnend mit der Schweineepisode, der Kommunion
1931 und dem Sieg der Republik über die Monarchie, dem Sieg der
Franquisten am 1.4.1939 in Madrid und dem Tod der Mutter;
(2) das gegenwärtige tägliche Rahmenbild (the present – day frame)
Antonios Phase der Rekonvaleszenz, die theatralen Text-Bilder
seiner Familie u. a. im Schlafzimmer mit seiner Freundin Nicole
(Esperanza Roy), das Besichtigen von Fotografien seiner Vergangenheit;
(3) die beschworene Vergangenheit (evoked Past)
Antonio projiziert sich zurück in die Vergangenheit / die Tante, ihn im Alter von 11 Jahren pflegend;
(4) die bedrohliche, die lästige Welt (oneiric world)
Eruptionen der Halluzinationen, wenn Antonio im Garten sitzt
(Ritterspiele, Sturz in das Schwimmbecken, die ihn verfolgenden Ritter)
(5) Eine Stufe in die Zukunft? (a future plane)
Antonio ist mehrfach mehr von seiner eigenen Zukunft überzeugt als
von der der Familie (der misslungene Auftritt im Firmenvorstand;
Finaleszene mit der Frau, die er aus dem Ruderboot werfen will u. a.)
/1/
In COUSINE ANGELICA (1974) lassen sich unterscheiden:
(1) die gegenwärtige Zeitebene
Er weilt bei der Verwandtschaft zu Besuch, um die Überreste seiner
Mutter in der Gruft beizusetzen, er wohnt im Hotel, er wohnt bei den
Verwandten.
(2) Wahrnehmungen stellen die Vergangenheit wieder her – Erinnerungsbilder (mit Bezug auf die Gegenwart).
Wiederentdeckung von Schulheften, dem Theatersaal, dem Dachboden,
d.h. über Wahrnehmungen und Vorstellungen wird das Gedächtnis
aktiviert; Erinnerungen an den Schulunterricht, Erinnerung an die
Befragung und Bedrohung durch den Priester; die Erzählung des Priesters
über den durch die Bomben der „Roten“ getöteten Jungen; der
Bombenangriff; er als kleiner Junge bei der Tante im Bett; er und
Angelika auf dem Dach als Kinder; die Flucht mit Angelika und die
Verprügelung durch den Onkel.
(3) Virtuelle Erinnerungen (Vorstellungsbilder, Alpträume, Halluzinationen)
Das Traumbild von der Nonne; die Erschießung des Vaters.
Als Hypothesen zu der von Saura in seinen Filmen angestrebten Psychologie des Erinnerns sollen erst einmal formuliert werden,
a) dass Sauras Konzept von kollektivem Gedächtnis und individueller Erinnerung zwischen 1970 und 1975 einen Wandel durchläuft:
- GARTEN DER LÜSTE (1970) war der Versuch, den Verlust des
Gedächtnisses zu thematisieren. Das ging einher mit Simultaneitäten von
Vergangenheit und Gegen-wart - insbesondere satirische
Karikaturelemente waren entdeckbar, auch serielle Ele-mente (Fotoserie
über die Geschichte des Familienunternehmens). - In COUSINE ANGELICA (1974) bricht Saura den Mythos eines
kollektiven histo-rischen Bewusstseins vom spanischen Bürgerkrieg auf.
Nicht Angelica hat eine Dimen-sion von Erinnerungen/Erinnerungsbildern
an ihn bzw. an die „verlorene Zeit“, nicht die Tante. Einzig sein
Gedächtnis ist in Aktion. Und dies ist das Gedächtnis eines Kindes von
Republikanern, das eine repressive Erziehung bei den Verwandten erlebte
und deshalb (vielleicht) einsam und allein lebt. - In ZÜCHTE RABEN ist die diskontinuierliche Erzählung über ein
kleines Mäd-chen, das (vielleicht) versuchte, dem Vater Gift zu geben,
über seine Beobachtungen der unglücklichen Ehe ihrer Mutter mit einem
Offizier nicht vom Erinnern und vom Ge-dächtnis des Kindes bestimmt
sondern vom Beobachten des Kindes und vom Rollen-spiel (Gedächtnis,
Einbildungskraft und Spiel). Saura hat dies insbesondere mit Ver-weis
auf die schwer deutbare Todeserfahrung eines Kindes (der Vater starb)
begrün-det.
b) Die Kinder sehen und beobachten - über Sauras Dramaturgie des Umgangs mit kollektivem Gedächtnis und Erinnerungsbildern
G. Deleuze schreibt über die Krise des Aktionsbildes:
„Die Merkmale, mit denen wir zuvor die Krise des Aktions-Bildes
bestimmt haben, wer-den nun verständlich: die Bal(l)adenform, die
Verbreitung der Klischees, die Ereignisse, die kaum noch diejenigen
berühren, denen sie widerfahren, kurz: die Lockerung der
sensomotorischen Zusammenhänge; all diese Merkmale waren bedeutend,
wenn auch nur im Sinne von Ausgangsbedingungen. Sie machten das neue
Bild möglich, obgleich sie es noch nicht konstituierten, denn dazu
bedurfte es der rein optischen und akusti-schen Situationen, die an die
Schwelle der schwindenden sensomotorischen traten. Es ist, besonders
bei De Sica, auf die Rolle des Kindes im Neorealismus hingewiesen
worden(später auch in Frankreich bei Truffaut): in der Welt der
Erwachsenen ist näm-lich das Kind von einer gewissen motorischen
Unzulänglichkeit betroffen, die es aber umso befähigter macht, zu sehen
und zu verstehen.“ /2/
Wenn Saura das Gedächtnis für die Struktur seiner Trilogie nutzt, dann sind einige Bemerkungen vorweg zu schicken.
Es kann unterschieden werden zwischen
a) dem motorischen Gedächtnis (Fertigkeiten, Gewohnheiten)
b) dem bildhaften Gedächtnis (Gesichts-, Gehör-, Tastgedächtnis)
c) dem logischen Gedächtnis (Gedächtnis für Gedanken) - Wortgedächtnis
d) dem affektiven Gedächtnis( Gedächtnis für Gefühle).
Henri Bergson trennte zwischen motorischem Gedächtnis und Vorstellungsge-dächtnis (Körper-, Seelengedächtnis). /3/
Sigmund Freud entwickelte das Konzept der „Erinnerungsspur“ oder des „Erinne-rungsrestes“
- der Mensch verfügt über verschiedene „mnestische Systeme“(wie
Archive), in denen Erinnerungen nach verschiedenen
Klassifizierungsweisen angeordnet sind (chronologische Reihenfolge,
Assoziationsketten, Stufe des Zugangs zum Bewusst-sein)
- vorbewusste Erinnerungen(Gedächtnis) können in Verhaltensweisen
aktualisiert werden, aber problematisch ist, wie das Unterbewusstsein
eingeschriebene Erinne-rungsspuren ins Bewusstsein bringt.
Deshalb verweist G. Deleuze auf die Komplexität von Zeit-Bildern:
„Die Zeit lässt die Gegenwart vorübergehen und bewahrt zugleich die
Vergangenheit in sich. Folglich gibt es zwei mögliche Zeit-Bilder; das
eine gründet in der Vergangenheit, das andere in der Gegenwart. Jedes
ist komplex und gilt als das Ganze der Zeit.“ /4/ Er betont die Gleichzeitigkeit von verschiedenen Vergangenheitsregionen:
„Zwischen der Vergangenheit als allgemeiner Präexistenz und der
Gegenwart als unendlich zusammengezogener Vergangenheit gibt es die
Gesamtheit der Vergangen-heitskreise, die eine Vielzahl von
ausgedehnten und verengten Regionen, Sedimenten, Schichten bilden… Je
nachdem welcher Natur die Erinnerung ist, der wir nachgehen, müssen wir
in den einen oder anderen Kreis springen. Selbstverständlich erwecken
diese Regionen(meine Kindheit, meine Jugend, meine Reife, usw.) den
Anschein des Aufeinanderfolgens. Doch sie folgen aufeinander nur aus
dem Blickwinkel der früheren Gegenwarten, die die Grenze einer jeden
markieren. Dagegen koexistieren sie aus dem Blickwinkel der aktuellen
Gegenwart, die jedes mal ihre gemeinsame Grenze oder die am engsten
zusammengezogene von ihnen repräsentiert. Was Fellini sagt, ist Bergson
sehr nahe: ’Was wir geworden sind, sind wir im Gedächtnis, wir sind
gleichzei-tig Kindheit, Jugend, Alter und Reife.’“/5/
c) Die historische Zeit und die biographische Zeit verschmelzen in den Erinnerun-gen
Es gilt deshalb in Bezug auf die Dramaturgie Sauras in der Trilogie zu fragen: Wie wird die historische Zeit präsentiert?
Historische Zeit – das sind nur in Andeutungen erzählte Kämpfe des
Bürgerkrieges 1936/39 (vgl. in COUSINE ANGELICA zu Beginn das
Umschalten in die historische Zeit auf der Landstrasse: die Wolken am
Horizont, das Oldtimer Auto) oder es werden Er-eignisse, die auf den
Jungen gewirkt haben, erzählt (Bombenabwurf über der Schule; die
Familie, die mit dem Einmarsch von Truppen konfrontiert ist).
Die historische Zeit wird also charakterisiert durch:
a) szenographisches Historisieren
b) vom Bürgerkrieg bestimmte Ereignisse in der Familie bzw. durch
Verhaltenswei-sen der Familienmitglieder: die Tante, die als Nonne
dient; der Onkel, der als Offizier vom Vormarsch auf Madrid berichtet.
Wie wird die biographische Zeit (Kindheit/Jugend und die Gegenwart) für die Art und Weise der Erzählung wichtig?
Biographische Zeit: wie brachten Vater und Mutter das Kind zur
Verwandtschaft; wie wurde die Schulzeit verbracht (Schulhefte, die
Erzählung des Priesters), der ihn und die Cousine verfolgende Onkel,
der Onkel verprügelt ihn, die Mutter besucht ihn.
Weil die biographische Zeit in Erlebnissen manifest ist, wird eine
subjektive Zeit-struktur dominant, die unterschiedliche
Erzählmöglichkeiten bietet. Dabei ist auffällig, dass - Saura auf die Ebene der Träume verzichtet, er erzählt erlebte Ereignisse
- Saura betont die Erlebniswelt des Kindes und nutzt hierfür nicht
so sehr kinema-tographische Effekte(Bildzeit/Wahrnehmungszeit), sondern
die Wirkung des Schau-spielers José López Vázquez als erwachsener Luis
und als Knabe in COUSINE ANGELICA.
Generell gilt aber:
- Zentrum in COUSINE ANGELICA ist das Bewusstsein Luis’. Dieses Bewusstsein bezeichnet H.-J. Neuschäfer als neurotisch:
„dass der Film letztlich zeigen will, wie tief das Verhalten des
erwachsenen Luis von den Erlebnissen der Vergangenheit geprägt ist und
wie vor allem die Angst vor der Normenübertretung, die ihm als Kind so
nachhaltig anerzogen wurde, im erwachsenen Mann in doppelter Hinsicht
eine neurotische Veranlagung hinterlassen hat: einerseits eine
übertriebene Ängstlichkeit und Selbstabkapselung und andererseits eine
verküm-merte Affekt- und Hingabebereitschaft.“ /6/ - es gibt zwei zeitliche Reihen: 1936/39 und 1973 (Vergangenheits- und Gegen-wartssequenzen)
- auf der Grundlage der Zeitachsen sind die Personendopplungen
(zeitübergreifen-de Doppelfiguren) zu beachten: die kleine Angelica
1936 und 1973/ Mutter Angelicas 1936 und Angelica 1973; Miguel und
Anselmo.
In ZÜCHTE RABEN, 1975, wird Zeit in einer andersartigen Weise
thematisiert. Es ist die Konfrontation einer Generation mit ihrer
Elterngeneration, die vom Bürgerkrieg in ihrer Kindheit geprägt wurde.
Zeit hat hier andere Ebenen als in COUSINE ANGELICA. Sie ist viel
subjektiver Erlebniszeit (als in COUSINE ANGELICA) der Neunjährigen und
sie wird berichtet aus der Perspektive der erwachsenen Ana Torrent.
Deshalb sind ver-schiedene Zeitebenen besonders zu unterscheiden:
- Anas Eltern sind gestorben und sie lebt mit ihren Geschwistern,
der Großmutter, Paulina, der Hausangestellten, in einem Haus in Madrid.
Sie erinnert sich und träumt vom Leben mit der Mutter. D. h. die Ebene
der Träume des Kindes Ana wird betont.
- jegliche zeitliche Chronologie ist irreführend: der Film beginnt
mit dem Tode des Vaters, die Mutter ist anfangs im Film präsent, aber
sie ist - bezogen auf die Chronolo-gie der Lebensgeschichte zu diesem
Zeitpunkt schon lange tot. - das Jahr 1975 (das Todesjahr Francos) und die sich erinnernde
Ana des Jahres 2000 (und die These vom Irrtum, dass die Kindheit eine
Zeit der Unschuld gewesen sei).
All diese Komplizierung der Gedächtsnis- und Erinnerungsebenen wird
bei Saura notwendiger Anlass, die in der europäischen
Spielfilmdramaturgie der sechziger Jahre gewonnenen Rückblendenlösungen
aufzuheben und bis dato nicht bekannte neue We-ge zu beschreiten.
Insofern ist diese Trilogie Sauras auch im europäischen
filmge-schichtlichen Kontext ein einmaliges Novum.
II. Das Leben als Traum - die Calderon- und die Surrealismus - Rezeption Sauras
In Calderóns DAS LEBEN EIN TRAUM heisst es im 2. Akt und dies mutet an wie ein möglicher Zugang zu Sauras Zeitenkonstruktionen:
„War es auch ein Traumgeflimmer:/ was ich träumte, sag’ ich nimmer; doch, was ich erblickte, ja“ / 7/
„Was ist Leben? Raserei!/Was ist Leben? Hohler Schaum,/ein Gedicht,
ein Schat-ten kaum!/ Wenig kann das Glück uns geben;/ denn ein Traum
ist alles Leben,/ und die Träume selbst ein Traum.“ /8/
Vereinfacht lautet die Story des Stücks von Calderón:
Sigismund, der versteckte Sohn des Königs, muss wie ein Tier
aufwachsen in Ket-ten. Er wird entdeckt von Rosaura, der Tochter seines
Wächters, des Clotald. Infolge von Erbansprüchen seines Neffen und
seiner Nichte holt er Sigismund für einen Tag an den Hof. Sigismund,
das Tier, handelt mit violence. Er wird betäubt und sein Wächter
erklärt ihm, alles sei ein Traum gewesen.
Das Volk befreit Sigismund. Er steht zum zweitenmal dem Traum
gegenüber, aber nun setzt er anstelle von Wut und Hass Ehrfurcht und
Liebe ein, versöhnt sich mit dem Vater und wird ein gütiger Herrscher.
Für GARTEN DER LÜSTE (1970) ist auf die Rezeption DAS LEBEN EIN
TRAUM (UA Madrid:1635) von Calderón de la Barca (1600-1681) hingewiesen
worden. Es las-sen sich folgende Feststellungen treffen:
1. ähnlich wie Sigismund, befindet sich Antonio in einer
gefängnisähnlichen Situa-tion (er hat nicht das Gedächtnis verloren,
sondern Kommunikationsfähigkeiten, er rea-giert mit Gewalt), aber es
gibt nicht die Versöhnung - nur den Hass bzw. er scheitert gegen den
Vater. Mit Calderóns Stücks verbindet ihn aber die Dopplung, die für
Calde-róns Sigismund-Figur charakteristisch ist. Der Widerspruch
zwischen der realen Traumwelt der Knechtschaft und den Träumen der
Freiheit verleiht Antonio wie Sigis-mund die Erfahrung vom
Scheincharakter des Lebens.
2. Er träumt - aber die Situationen sind ihm als Zwang und
Therapietests auferlegt. „Das Leben ein Traum“ erweist sich in dem
Widerspruch von Traum und Leben als das Leben von Gefangenen in dem
Saura-Film (siehe Schlussbild), aber jeder spielt seine Rolle bzw.
Rollen und Antonio ist ein Spieler in verschiedensten Rollen. Die Figur
des Antonio Cano bündelt durch die Vielfalt der Zeitebenen eine
Vielzahl von Funktionsrol-len:
- Familienrollen/Altersrollen: Kind, alter Mann/ Sohn, Vater, Ehemann
- Geschlechterrollen: Ehemann-lover
- Berufsrollen: Industrieller/Manager.
3. Calderons Dramaturgie kennt keine Einheit des Ortes und der
Handlung, Ord-nungen werden ständig verletzt (Leben als Traum ist
bereits eine Verkehrung der Lo-gik). Sie entspricht einem Zeitalter des
Verfalls der spanischen Werte, in dem die totale Bindung, Unterwerfung
des Individuums an die Bürokratie aufgehoben werden soll - in der
Vision - durch eine Ideologie des freien individuellen Willens. Die
Auflösung bei Calderón ist zugleich einer gegenreformatorischen
Gnadenlehre geschuldet: der einzel-ne hat die Freiheit des Willens zur
vernünftigen Gesellschaft, was im Finale bekräftigt wird. Davon ist bei
Saura nichts zu entdecken. Das erstarrte franquistische Spanien ist der
Schlusspunkt.
Wie nutzt Saura die surrealistische Methode um eine andere Struktur und Funktion zu erreichen?
- Sauras eigenständige, aber von Buñuel gewonnene Anlehnung an den
Surrea-lismus dient einer realistischen Entdeckung mit den Mitteln
nicht der Abbilder sondern der Imaginationen. Deshalb wäre eher auf die
Tradition P. Calderons (DAS LEBEN - EIN TRAUM, 1635) hin die Befragung
vorzunehmen. Der Gegensatz von Gefängnis, Knechtschaft und begrenzter
individueller Entscheidungsfreiheit bedingt Traumwelten, d.h. eine
Vermischung von Fiktionen, Schauspiel und brutaler Ausbruchssituation
und letztendlicher Gefangenschaft. Traum ist bei Saura - z.B. in GARTEN
DER LÜSTE (1970), aber auch in den „Kinderfilmen“ der 70er Jahre eine
Wahrnehmung der Realität durch die Opfer dieser Realität: konfus,
diskontinuierlich, fragmentarisiert und ver-schlüsselt. Und dem kommt
Saura auch mit surrealen Mitteln auf die Spur.
- Im Gegensatz zu Buñuels einschichtigen Traumstrukturen, die
surrealen Techni-ken verpflichtet sind, legen die vielfältigen
Zeitebenen bei Saura eine surreale Struktur nahe, in der kollektive
Historie, kollektives Gedächtnis, verlorenes Gedächtnis und
indi-viduelle Erinnerungen erzählbar werden. Diese Verschlüsselungen
sind zugleich dra-maturgische Wege um die Tabuisierung des Spanischen
Bürgerkrieges von 1936/39 durch die Franco-Zensur zu unterlaufen.
Buñuel hatte nie - auch nicht in DAS LEBEN DES ARCHIBALDO DE LA
CRUZ(1955) - die Absicht, Historie zu erzählen. Saura will Historie
erzählen, aber die Franco-Zensur verbietet das. Um sie zu unterlaufen,
rezi-piert Saura surreale Techniken.
III. Ästhetische Kreativität und Zensur
Die Filme zwischen 1970 und 1975 entstehen in der letzten Phase des
Franco-Faschismus, d. h. sie sind noch geprägt von der Zensur und es
entsteht die Frage, mit welchen dramaturgischen Techniken Saura mentale
Muster der Repressionserfahrung in „szenische und Bildsprache“
übersetzt.
Als historischer Rahmen gelten die Phasen im Faschismus seit den 60er Jahren:
- Mitte 60er Jahre „aperatura“(Öffnung) / Pressegesetz von 1966/ die internationale Anerkennungen für spanische Regisseure
- 70er/80er „transición“, d. h. der zeitweilige Übergang vom faschistisch-autoritären zum demokratischen Staat.
Diese Phasen werden durch zwei gegensätzliche Spanienbilder
grundsätzlich be-stimmt: „España Eterna“, das „ewige“ Spanien, das
Beharren auf der Tradition( im Ver-ständnis des franquistischen
Regimes) und „España Moderna“, das Spanien des „cam-bios“, des Wandels
hin zur Liberalisierung.
Dieser Widerspruch prägte die ästhetische und dramaturgische Verarbeitung der möglichen Zensur durch die Regisseure.
H.-J. Neuschäfer benennt als kulturpsychologische Phänomene der spanischen Dramatik in dieser Situation:
„1.Die Unterdrückung der Gefühle im Namen der überkommenen Moral;
2. Das anarchistische Aufbegehren gegen die „Spielregeln“;..
3. die Rückkehr zur alten Ordnung, deren Retablierung aber nicht
mehr als Lö-sung, sondern als Katastrophe dargestellt wird.“ /9/
Zusammenhänge von ästhetischer Kreativität und Zensur sollen am Beispiel von GARTEN DER LÜSTE im Folgenden verfolgt werden.
1) Politische Realität und „cinema des auteurs“
Eine klare Antwort auf die Frage der politischen Realität in diesem Film der Trilogie gibt Gertrud Koch, wenn sie schreibt:
„Das Bild einer spanischen Familie der Großbourgeoisie enthält
zugleich die politi-sche Parabel eines erstarrten, in sich selbst
gefesselten Bürgertums, das - unfähig zur Veränderung - an der Macht
festhält, mit der es kaum mehr anzufangen weiß, als (wie Antonio Cano)
das erwirtschaftete Vermögen auf ein Schweizer Nummernkonto zu
transferieren.“ /10/
Unumgänglich ist die Frage nach den Schnittpunkten der politischen
Geschichte (1969/71/73) in Franco-Spanien, die ein Zensurfeld schufen,
in das der Film geriet?
- Da ist die Rückkehr zur Zensur wie sie bis 1960/61 bestand zwischen 1969 und 1973:
Kabinettskrise im Oktober 1969 (13 Minister ausgewechselt/
Übernahme der Re-gierung durch den Admiral Luis Carrero Blanco, einem
ultrareligiösen Caudillo-Anhänger); 1970 Versuch der Euskadi Ta
Askatasuna (ETA) zu einer militärischen Provokation in Burgos;
Rücknahme der Liberalisierung der Pressezensur durch Fraga Iribarne,
der im Oktober 69 ersetzt wurde durch Alfredo Sánchez Bella (bis Juni
1973)
- These von Román Gubern (Un cine para el cadalso/Cinema for the
Scaf-folds,1976), dass die frühen 70er Jahre für Werke und Regisseure
ein Märtyrium der Zensur brachten:
Joseph Maria Forn LA RESPUESTA/DIE ANTWORT,1969; in 6 Jahren 24x beim Zensor;
Carlos Durán LIBERXINA 90 (1970/71), ein politischer SF-Film;
Basilio Martin Patino CANCIONES PARA DESPUES DE UNA GUERRA (1970).
- Saura beginnt ein politischeres Kino als in den Jahren zuvor mit:
GARTEN DER LÜSTE (1970), ANNA UND DIE WÖLFE (1972), COUSINE ANGELICA
(1973). Es wurden Jahre des Findens von Umwegen der Erzählweise und der
Plotfindung ange-sichts der Verfolgungen durch die Zensur.
Zensurmaßnahmen für COUSINE ANGELICA: zwei Ablehnungen des
Drehbuchs, Annahme 18.12.73. Der Film dürfe keine Symbole (politische,
militärische, religiöse) zeigen/ Abnahme: 26.2.1974 und im Ausland:
Sonderpreis in Cannes 1974.
ZÜCHTE RABEN wurde von der Zensur-Kommission vom 14.10.75 als
subversiv bewertet insofern der Film einen Angriff aufs faschistische
Militär (das Familienbild des franquistischen Militärs) enthalte. Nach
1976 Sonderpreis in Cannes und Freigabe durch die Zensur, aber vom
Vizepräsidenten der Regierung General Santiago Diaz de Mendivil wird
der Film als entehrend bezeichnet.
- Wichtig ist auch für das Verständnis der Figur des Antonio Cano
in GARTEN DER LÜSTE der Tod des Juan March, eines Privatiers und
Industriellen, der den Mili-tärs gegen die Republik 1936 half. Seine
letzten Worte nach einem Autocrash sollen gewesen sein: „Mein Kopf,
mein Kopf. Tu was Du wünschst mit meinem Körper, aber tut nichts meinem
Kopf!“ D. h. auch, dass Antonio Cano, der Verkrüppelte, in diesem
politischen Kontext zu lesen ist. 1971 gibt es einen Erfolg auf dem New Yorker Festival für Sauras
GARTEN DER LÜSTE, aber die spanischen Zensur-Behörden erlauben keine
Nominierung für die Ber-linale
2) Story-Dramaturgie
a) Erzählweise und die Präsentation der Figur
- Die Erzählstrategie hat ihren Ursprung in der Tatsache, dass
Antonio Cano (José Luis López Vázquez) gezwungen ist angesichts einer
Serie von „therapeutischen Situa-tionen“(Dramatisierungen) sein
Gedächtnis zurück zu gewinnen. Angelpunkt ist, die Familie will von ihm
unter allen Umständen das Konto einer Schweizer Bank erfahren. Diese
Jagd und ihre Inszenierungen um die Hauptfigur widerlegt auch die
ideologische Formel für das „España Eterna“: „Katholizismus,
Patriotismus, Familie“. Das im fran-quistischen Film eherne Bild von
der Familie wird bei Saura umgekehrt.
- Der durch einen Autounfall Verkrüppelte ist zugleich
kommunikationsgestört (Sprech- und Schreibunfähigkeit/ angeblich
Verlust des Gedächtnisses/ gelähmter Roll-stuhlfahrer). Diese Figur
trägt die Parabel von der Erstarrung der Bourgeoisie im
Fran-co-Spanien. Sie hat diese tragende Verweisfunktion.
- Es gibt Phantasie- und Erinnerungsepisoden aus verschiedenen
Zeiten (Kindheit, Kommunion, Einzug der Faschisten in Madrid), aber
Antonio Cano wird durchgängig vom gegenwärtigen Antonio gespielt. Die
komische Verrätselung verschiedener Alters-stufen ist bei Saura
Konzept, schafft Osszilationen, Unschärfen.
- Das Schema der Narration schließt ein flashbacks(Rückblenden)
und simulierte Erinnerungen, die wie eine hermetische Projektion und
als labyrinthne Struktur zu ver-stehen sind.
- Die diskontinuierliche Erzählweise solle den Zuschauer identisch
machen mit der Position des Opfers, d. h. Konfusion und
Desorientierung. D. h. die narrative Struktur entspricht und verweist
auf Repression.
b) Kameraperspektiven
- In GARTEN DER LÜSTE (1970) wendet Saura das Prinzip des
Perspektiven-wechsel von der Kamera zum Blick(bild) des Antonio an, d.
h. der Schnitt als „Dis-tanz“medium wird aufgehoben zugunsten einer
Bilderwelt, die insbesondere auch den Phantasien, Vorstellungen etc.
Raum gibt. Hierbei arbeitet Saura bevorzugt mit der To-talen. Gerade in
der (ruhigen)Totalen gehen suggestive Momente verloren(die in der
Großaufnahme wichtig sein können). D. h. die Totale widersetzt sich der
Subjektivie-rung durch die Figur. Sie fordert die Übersicht oder sie
ermöglicht Bewegungsmotive, die gegen die Figur anrennen
(beispielsweise der angalloppierenden Ritter). Wichtig deshalb die
Feststellung, dass in der Totalen der Subjektstatus der Figur
zurückgefah-ren und seine Objektrolle verstärkt wird.
- In anderen Filmen wie LOS GOLFOS und LOS TEMPO werden
Kamerafahr-ten(Totalen) wichtig, um den sozialen Ausschnitt
einzukreisen, als Bestandteil des Ü-berblicks auszuweisen (z.B.
Kamerafahrt über Madrid).
c) Techniken der Verschlüsselung bei Saura
Auffallend ist, dass Saura zur Verschlüsselung von Szenen sogenannte double-bind effects entwickelt:
Beispiel 1:
Saura lässt die Schwester auf die Fotografie zeigen. Sie weist auf
das Fabrikge-bäude hin, aber der Zuschauer sieht, dass die Guardia
Civil Arbeiter vor der Fabrik nie-derreitet Beispiel 2:
Eine Fotografie zeigt einen Redner. Wir hören im off eine
emphatische Rede über die Arbeiter, die benötigt werden in der
Gesellschaft und Antonio Cano, der Verkrüppel-te, wiederholt sie in dem
Raum mit den Fotos der Werkgeschichte, spricht gehemmt, schwerfällig
diesen Text. Die Diskrepanz zwischen off und onscreening wird bei Saura
durch eine Aufmerksamkeitssetzung mit dem Bild des Verkrüppelten zum
Argument. Damit entsteht ein Verweis auf Franco, der 1970/71 schwer
erkrankt war und zugleich zielt Saura auf einen subersiv gemeinten
sozialen Gestus: den des Verfalls des Red-ners - im weiteren Sinne und
damit der Entwertung des Inhalts der Rede.
Die der Zensur geschuldeten Verrätselungstechniken erschließen sich
auch, wenn man den Ikonographien und ihrer Intermedialität nachgeht.
In GARTEN DER LÜSTE (1970) lassen sich im Sujet verschiedene Bilderwelten ausmachen /11/:
a) realistische Bilder
b) Tagträume, Phantasien Antonios
c) inszenierte Psychodramen (z.B. die Bootsfahrt mit Julia, die von der Familie ar-rangierte Zusammenkunft mit Nicole u.ä.).
Diese werden verknüpft durch Fotos, Filme, Gemälde.
Das übergreifende Motiv ist: Hieronymus Boschs TRYPTICHON MIT DEM
GARTEN DER LÜSTE (seit 8. 7. 1593 im Escorial in Madrid von Philipp
II.). Linker Flü-gel: Erschaffung Evas; Mitte: Garten der Lüste;
Rechter Flügel: die Hölle.
Wichtig ist die alternative Deutung: entweder als Modell kausal
bedingter Akte der Menschheits- und Weltgeschichte oder als simultane
Darstellung von Möglichkeiten der Seelenzustände verschiedener Gruppen
der Menschheit /12/
Psychoanalytische Interpretationen könnten sich an der
Sexualsymbolik und der Vanitas-Bildidee (die Eitelkeit des Lebens, die
mit dem Tode konfrontiert ist) orientie-ren. Die Tierymbolik ist
insofern bedenkenswert - nicht nur weil Antonio mit dem Schwein(Symbol
der unmäßigen Freßsucht/Gula) eingesperrt wird, sondern weil neben
phallischen Deutungen insbesondere die Reittiere als Symbole der Sünde
der Luxuria deutbar sind, aber auch der Vogel der Weisheit ist
entdeckbar.
Das Schlussbild des Films ist eine Parodie auf Francos Wort von
Spanien als dem „friedlichen Wald“ und ein Tableau, das als eine
gegenwärtige Vision zu Boschs GARTEN DER LÜSTE bezeichnet worden ist.
- Die Rezeptionsstrategie des Films zielt auf die Befragung der
Räume, deren Inte-rieur Warenhauscharakter erhält (z.B.
Spiegelepisode); die Arrangements sind theatral in den realen Räumen
und intertextuell fungiert die Musik, die auf die Vergangenheit
verweisen (z.B.: Songs aus populären spanischen Filmen der 30er Jahre
Florián Reys SU NOCHE DE BODA,1931/ IHRE HOCHZEITSNACHT),d. h. auch
dass die Räume zerfallen in on-stage und in off-stages, was eine
theatrale Repräsentation von Antonios Leben zur Folge hat.
- Die Intertextualität mit verschiedenen Filmen der
Weltfilmgeschichte (Alexander Newski-Musik; Parodie auf EIN PLATZ AN
DER SONNE [nach C.Th.Dreyer]; eine MARCH-OF-TIME Sequenz über den Sieg
Francos 1939, aber sie ist aus CITIZEN KANE und schafft einen Gegensatz
zu der parodierenden Darstellung der Rückkehr des Vaters und des Todes
der Mutter) stellt eine verschlüsselte politische Relation des
Zuschauers zur Historie her.
Schlussbemerkung
Die Familientrilogie von Saura, die in der letzten Phase Francos
und des spani-schen Faschismus entstand, nimmt im europäischen
filmgeschichtlichen Kontext eine Sonderstellung ein. Einerseits
getrieben durch die Zwänge der Zensur, die die Darstel-lung der
Historie des Spanischen Bürgerkrieges aus individueller Sicht
tabuisiert hatte, und andererseits durch ein hohes Maß an
künstlerischer Kreativität suchte Saura die Lösung in einer Psychologie
des Erinnerns an die Kindheit, die zu Rückblendendrama-turgien führte,
die weit über die klassischen Musterbildungen der
Rückblendendrama-turgien in Europa in den sechziger Jahren in Neuland
gingen. Gleichzeitig hat Saura kulturgeschichtlich gesehen ein bislang
in Europa auch in neuerer Zeit nicht wieder entdeckbares thematisches
Feld des Spielfilms erschlossen: die Sozialisationserfah-rungen von
Kindern in Diktaturen, wie sie sich in Erinnerungsbildern als sich
mischende Bilderbögen von historischer und biografischer Zeiterfahrung
präsentieren können.
Anmerkungen
1 Nach Katherine Kovacs: Loss and Recuperation in THE GARDEN OF DELIGHTS, in: Cine -Tracts 4. 2.-3, 1981, p. 45-54.
2 G. Deleuze: Das Zeit-Bild. Kino 2. Ffm. 1991, S. 14.
3 Henri Bergson: Materie und Gedächtnis, Jena 1908.
4 G. Deleuze: Das Zeit-Bild. Kino 2. Ffm. 1991, S. 132.
5 Ebd., S. 133.
6 H.-J. Neuschäfer: Macht und Ohnmacht der Zensur. Literatur, Theater und Film in Spanien (1933-1976), Stuttgart 1991, S. 245.
7 Pedro Calderón de la Barca: Das grosse Welttheater. Dramen, Reclam: Leipzig 1965, S. 117.
8 Ebd., S.119.
9 H.-J. Neuschäfer, a. a. O., S.11.
10 G. Koch in: CARLOS SAURA, Reihe FILM 26, München/Wien 1981, S.77.
11 Ebd., S.79.
12 Vgl. Ludwig Boldass: Heronimus Bosch, Leipzig 1968, S. 58-61.
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