KULTURATIONOnline Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik
Nr. 24 • 2021 • Jg. 44 [19] • ISSN 1610-8329
Herausgeberin: Kulturinitiative 89
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ZeitdokumentKulturation 1/2003
Aus: Thomas Ahbe, Die schwarze Legende. In: FREITAG 1 / 2 vom 27. Dezember 2002 oder www.freitag.de
Vier Eckpunkte einer quasi-instinktiven Konstruktion des Ostdeutschen
Thomas Ahbe kommentierte jüngst Arnulf Bahring.
Die Ursachen für Rezession, Abwanderung, Rückbau und Vergreisung in Ostdeutschland sieht Bahring in den vom Sozialismus angerichteten "seelischen Verheerungen" unter den Ostdeutschen (FAZ und Bild). Schon vor Jahren war bei ihm von "deutschsprechenden Polen" die Rede, nun sind sie ihrer Mentalität nach "Handlanger, Landarbeiter" und nur eine friedliche Ostkolonisation könne hier aufhelfen. Thomas Ahbe nennt in diesem Zusammenhang vier Merkmale des Klischees, von dem der westdeutsche Blick auf den Ostdeutschen geprägt ist.

"Das Hineinströmen der Ostdeutschen in die Bundesrepublik rief bei den Westdeutschen das Bedürfnis wach, ihre eigene Identität zu behaupten, den Osten zu begreifen wie auch auf Distanz zu halten und schließlich eine Form des Umgangs mit diesen so anders erscheinenden Deutschen zu finden. All das hat auch im Westen verschiedene 'quasi-instinktive Konstruktionen' und Bilder vom Osten entstehen zu lassen. Die vier Eckpunkte dieser Konstruktion bilden erstens das Thema "Terror und Repression", wonach - außer einer Clique von Verbrechern - sich niemand mit der DDR, ihren Werten und ihrer Praxis arrangiert oder gar identifiziert habe, zweitens das Thema "wirtschaftliche Insuffizienz", das die deutsche Alltagssprache schlagartig mit dem Terminus "marode" bekannt machte, drittens die ästhetisierende Perspektive, die im Osten vor allem ärmlich-biedere Hässlichkeit und brutal-diktatorischen Polit-Pomp sah und viertens schließlich das Thema "seelische Deformation", das die Ostdeutschen als sozialisatorisch oder psychisch deformiert begreift."